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Dein Kampf gegen Hass
von Harald Hase

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Dein persönliches Hass-Manifest basiert übrigens auf dem bestverkauften Autorenbuch deutscher Sprache.

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(Dein Kampf gegen Hass von Harald Hase dient lediglich zur Volkserheiterung)

Die besten Auszüge aus
Dein Kampf gegen Hass
von Harald Hase


"Es ist für mich heute schwer, wenn nicht unmöglich, zu sagen, wann mir zum ersten Male das Wort 'Hass' Anlaß zu besonderen Gedanken gab."
"In der Realschule lernte ich wohl einen hassischen Knaben kennen, der von uns allen mit Vorsicht behandelt wurde"
"Vom Vorhandensein einer planmäßigen Hassgegnerschaft ahnte ich überhaupt noch nichts."
"Ich kaufte mir damals um wenige Heller die ersten antihassischen Broschüren meines Lebens."
"Sowie man nur vorsichtig in eine solche Geschwulst hineinschnitt, fand man, wie die Made im faulenden Leibe, oft ganz geblendet vom plötzlichen Lichte, ein Hasslein."
"Es war entsetzlich, aber nicht zu übersehen, daß gerade der Hass in überreichlicher Anzahl von der Natur zu dieser schmachvollen Bestimmung auserlesen schien."
"Das Ergebnis war ein immer böseres für meine bisherige Haltung den Hass gegenüber."
"Das Verhältnis des Hasstums zur Prostitution und mehr noch zum Mädchenhandel selber konnte man in Wien studieren wie wohl in keiner sonstigen westeuropäischen Stadt....."
"Ich war vom schwächlichen Weltbürger zum fanatischen Antihass geworden."
"Indem ich mich des Hass erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn."
"Es war ein Scheinantihassismus, der fast schlimmer war als überhaupt keiner....."
"In Erkenntnis dieser Folgen ist es nicht zufällig in erster Linie immer der Hass, der solche todgefährlichen Gedankengänge in unser Volk hineinzupflanzen versucht...."
"Nun wäre aber der Zeitpunkt gekommen gewesen, gegen die ganze betrügerische Genossenschaft dieser hassischen Volksvergifter vorzugehen."
"Diese Verhassung unseres Seelenlebens und Mammonisierung unseres Paarungstriebes werden früher oder später unseren gesamten Nachwuchs verderben...."
"In allen diesen Gebieten findet aber auch von der sogenannten Intelligenz ein ernstlicher Widerstand gegen diese Hasskrankheit kaum mehr statt..."
"Millionen plappern diesen hassischen Unsinn gedankenlos nach..."
Dein Kampf
(gegen Hass)

von Harald Hase

Erster Band
Eine Abrechnung
1. Kapitel:
Im Elternhaus
Als glückliche Bestimmung gilt es mir heute, daß das Schicksal mir zum Geburtsort gerade Harstatt zuwies. Liegt doch dieses Städtchen an der Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung mindestens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint!
Deutschösterreich muß wieder zurück zum großen deutschen Mutterlande, und zwar nicht aus Gründen irgendwelcher wirtschaftlicher Erwägungen heraus. Nein, nein: Auch wenn diese Vereinigung, wirtschaftlich gedacht, gleichgültig, ja selbst wenn sie schädlich wäre, sie möchte dennoch stattfinden. Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich. Das deutsche Volk besitzt so lange kein moralisches Recht zu kolonialpolitischer Tätigkeit, solange es nicht einmal seine eigenen Söhne in einen gemeinsamen Staat zu fassen vermag. Erst wenn des Reiches Grenze auch den letzten Deutschen umschließt, ohne mehr die Sicherheit seiner Ernährung bieten zu können, ersteht aus der Not des eigenen Volkes das moralische Recht zur Erwerbung fremden Grund und Bodens. Der Pflug ist dann das Schwert, und aus den Tränen des Krieges erwächst für die Nachwelt das tägliche Brot. So scheint mir dieses kleine Grenzstädtchen das Symbol einer großen Aufgabe zu sein. Allein auch noch in einer anderen Hinsicht ragt es mahnend in unsere heutige Zeit. Vor mehr als hundert Jahren hatte dieses unscheinbare Nest, als Schauplatz eines die ganze deutsche Nation ergreifenden tragischen Unglücks, den Vorzug, für immer in den Annalen wenigstens der deutschen Geschichte verewigt zu werden. In der Zeit der tiefsten Erniedrigung unseres Vaterlandes fiel dort für sein auch im Unglück heißgeliebtes Deutschland der Nürnberger Johannes Palm, bürgerlicher Buchhändler, verstockter "Nationalist" und Franzosenfeind. Hartnäckig hatte er sich geweigert, seine Mit-, besser Hauptschuldigen anzugeben. Also wie Leo Schlageter. Er wurde allerdings auch, genau wie dieser, durch einen Regierungsvertreter an Frankreich denunziert. Ein Augsburger Polizeidirektor erwarb sich diesen traurigen Ruhm und gab so das Vorbild neudeutscher Behörden im Reiche des Herrn Severing.
In diesem von den Strahlen deutschen Märtyrertums vergoldeten Innstädtchen, bayerisch dem Blute, österreichisch dem Staate nach, wohnten am Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts meine Eltern; der Vater als pflichtgetreuer Staatsbeamter, die Mutter im Haushalt aufgehend und vor allem uns Kindern in ewig gleicher liebevoller Sorge zugetan. Nur wenig haftet aus dieser Zeit noch in meiner Erinnerung, denn schon nach wenigen Jahren mußte der Vater das liebgewonnene Grenzstädtchen wieder verlassen, um innabwärts zu gehen und in Passau eine neue Stelle zu beziehen; also in Deutschland selber.
Allein das Los eines österreichischen Zollbeamten hieß damals häufig wandern,. Schon kurze Zeit später kam der Vater nach Linz und ging endlich dort auch in Pension. Freilich "Ruhe" sollte dies für den alten Herrn nicht bedeuten. Als Sohn eines armen, kleinen Häuslers hatte es ihn schon einst nicht zu Hause gelitten. Mit noch nicht einmal dreizehn Jahren schnürte der damalige kleine junge sein Ränzlein und lief aus der Heimat, dem Waldviertel. fort. Trotz des Abratens "erfahrener" Dorfinsassen war er nach Wien gewandert, um dort ein Handwerk zu lernen. Das war in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ein bitterer Entschluß, sich mit drei Gulden Wegzehrung so auf die Straße zu machen ins Ungewisse hinein. Als der Dreizehnjährige aber siebzehn alt geworden war, hatte er seine Gesellenprüfung abgelegt, jedoch nicht die Zufriedenheit gewonnen. Eher das Gegenteil. Die lange Zeit der damaligen Not, des ewigen Elends und Jammers festigte den Entschluß, das Handwerk nun doch wieder aufzugeben, um etwas "Höheres" zu werden. Wenn einst dem armen Jungen im Dorfe der Herr Pfarrer als Inbegriff aller menschlich erreichbaren Höhe erschien, so nun in der den Gesichtskreis mächtig erweiternden Großstadt die Würde eines Staatsbeamten. Mit der ganzen Zähigkeit eines durch Not und Harm schon in halber Kindheit "alt" Gewordenen verbohrte sich der Siebzehnjährige in seinen neuen Entschluß - und wurde Beamter. Nach fast dreiundzwanzig Jahren, glaube ich, war das Ziel erreicht. Nun schien auch die Voraussetzung zu einem Gelübde erfüllt, das sich der arme Junge einst gelobt hatte, nämlich nicht eher in das liebe väterliche Dorf zurückzukehren, als bis er etwas geworden wäre.
Jetzt war das Ziel erreicht; allein aus dem Dorfe konnte sich niemand mehr des einstigen kleinen Knaben erinnern, und ihm selber war das Dorf fremd geworden.
Da er endlich als Sechsundfünfzigjähriger in den Ruhestand ging, hätte er doch diese Ruhe keinen Tag als "Nichtstuer" zu ertragen vermocht. Er kaufte in der Nähe des oberösterreichischen Marktfleckens Lambach ein Gut, bewirtschaftete es und kehrte so im Kreislauf eines langen, arbeitsreichen Lebens wieder zum Ursprung seiner Väter zurück.
In dieser Zeit bildeten sich mir wohl die ersten Ideale. Das viele Herumtollen im Freien, der weite Weg zur Schule sowie ein besonders die Mutter manchmal mit bitterer Sorge erfüllender Umgang mit äußerst robusten Jungen ließ mich zu allem anderen eher werden als zu einem Stubenhocker. Wenn ich mir also auch damals kaum ernstliche Gedanken über meinen einstigen Lebensberuf machte, so lag doch von vornherein meine Sympathie auf keinen Fall in der Linie des Lebenslaufes meines Vaters. Ich glaube, daß schon damals mein rednerisches Talent sich in Form mehr oder minder eindringlicher Auseinandersetzungen mit meinen Kameraden schulte. Ich war ein kleiner Rädelsführer geworden, der in der Schule leicht und damals auch sehr gut lernte, sonst aber ziemlich schwierig zu behandeln war. Da ich in meiner freien Zeit im Chorherrenstift zu Lambach Gesangsunterricht erhielt, hatte ich beste Gelegenheit, mich oft und oft am feierlichen Prunke der äußerst glanzvollen kirchlichen Feste zu berauschen. Was war natürlicher, als daß, genau so wie einst dem Vater der kleine Herr Dorfpfarrer, nun mir der Herr Abt als höchst erstrebenswertes Ideal erschien? Wenigstens zeitweise war dies der Fall. Nachdem aber der Herr Vater bei seinem streitsüchtigen Jungen die rednerischen Talente aus begreiflichen Gründen nicht so zu schätzen vermochte, um aus ihnen etwa günstige Schlüsse für die Zukunft seines Sprößlings zu ziehen, konnte er natürlich auch ein Verständnis für solche Jugendgedanken nicht gewinnen. Besorgt beobachtete er wohl diesen Zwiespalt der Natur.
Tatsächlich verlor sich denn auch die zeitweilige Sehnsucht nach diesem Berufe sehr bald, um nun meinem Temperamente besser entsprechenden Hoffnungen Platz zu machen. Beim Durchstöbern der väterlichen Bibliothek war ich über verschiedene Bücher militärischen Inhalts gekommenen, darunter eine Volksausgabe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Es waren zwei Bande einer illustrierten Zeitschrift aus diesen Jahren, die nun meine Lieblingslektüre wurden. Nicht lange dauerte es, und der grobe Heldenkampf war mir zum größten inneren Erlebnis geworden. Von nun an schwärmte ich mehr und mehr für alles, was irgendwie mit Krieg oder doch mit Soldatentum zusammenhing.
Aber auch in anderer Hinsicht sollte dies von Bedeutung für mich werden. Zum ersten Male wurde mir, wenn auch in noch unklarer Vorstellung, die Frage aufgedrängt, ob und welch ein Unterschied denn zwischen den diese Schlachten schlagenden Deutschen und den anderen sei? Warum hat denn nicht auch Österreich mitgekämpft in diesem Kriege, warum nicht der Vater und nicht all die anderen auch?
Sind wir denn nicht auch dasselbe wie eben alle anderen Deutschen?
Gehören wir denn nicht alle zusammen? Dieses Problem begann zum ersten Male in meinem kleinen Gehirn zu wühlen. Mit innerem Neide mußte ich auf vorsichtige Fragen die Antwort vernehmen, daß nicht jeder Deutsche das Glück besitze, dem Reich Bismarcks anzugehören.
Ich konnte dies nicht begreifen.
×
 
Ich sollte studieren.
Aus meinem ganzen Wesen und noch mehr aus meinem Temperament glaubte der Vater den Schluß ziehen zu können, daß das humanistische Gymnasium einen Widersprüche zu meiner Veranlagung darstellen würde. Besser schien ihm eine Realschule zu entsprechen. Besonders wurde er in dieser Meinung noch bestärkt durch eine ersichtliche Fähigkeit zum Zeichnen; ein Gegenstand, der in den österreichischen Gymnasien seiner Überzeugung nach vernachlässigt wurde. Vielleicht war aber auch seine eigene schwere Lebensarbeit noch mitbestimmend, die ihn das humanistische Studium als in seinen Augen unpraktisch, weniger schätzen ließ. Grundsätzlich war er aber der Willensmeinung, daß, so wie er, natürlich auch sein Sohn Staatsbeamter werden würde, ja müßte. Seine bittere Jugend ließ ihm ganz natürlich das später Erreichte um so größer erscheinen, als dieses doch, nur ausschließliches Ergebnis seines eisernen Fleißes und eigener Tatkraft war. Es war der Stolz des Selbstgewordenen, der ihn bewog, auch seinen Sohn in die gleiche, wenn möglich natürlich höhere Lebensstellung bringen zu wollen, um so mehr, als er doch durch den Fleiß des eigenen Lebens seinem Kinde das Werden um so viel zu erleichtern vermochte.
Der Gedanke einer Ablehnung dessen, was ihm einst zum Inhalt seines ganzen Lebens wurde, erschien ihm doch als unfaßbar. So war der Entschluß des Vaters einfach, bestimmt und klar, in seinen eigenen Augen selbstverständlich. Endlich wäre es seiner in dem bitteren Existenzkampfe eines ganzen Lebens herrisch gewordenen Natur aber auch ganz unerträglich vorgekommen, in solchen Dingen etwa die letzte Entscheidung dem in seinen Augen unerfahrenen und damit eben noch nicht verantwortlichen Jungen selber zu überlassen. Es würde dies auch als schlechte und verwerfliche Schwäche in der Ausübung der ihm zukommenden väterlichen Autorität und Verantwortung für das spätere Leben seines Kindes unmöglich zu seiner sonstigen Auffassung von Pflichterfüllung gepaßt haben.
Und dennoch sollte es anders kommen.
Zum ersten Male in meinem Leben wurde ich, als damals noch kaum Elfjähriger, in Opposition gedrängt. So hart und entschlossen auch der Vater sein mochte in der Durchsetzung einmal ins Auge gefaßter Pläne und Absichten, so verbohrt und widerspenstig war aber auch sein Junge in der Ablehnung eines ihm nicht oder nur wenig zusagenden Gedankens.
Ich wollte nicht Beamter werden.
Weder Zureden noch "ernste" Vorstellungen vermochten an diesem Widerstande etwas zu ändern. Ich wollte nicht Beamter werden, nein und nochmals nein. Alle Versuche, mir durch Schilderungen aus des Vaters eigenem Leben Liebe oder Lust zu diesem Berufe erwecken zu wollen schlugen in das Gegenteil um. Mir wurde gähnend übel bei dem Gedanken, als unfreier Mann einst in einem Büro sitzen zu dürfen; nicht Herr sein zu können der eigenen Zeit, sondern in auszufüllende Formulare den Inhalt eines ganzen Lebens zwängen zu müssen.
Welche Gedanken konnte dies auch erwecken bei einem Jungen, der doch wirklich alles andere war, aber nur nicht "brav" im landläufigen Sinne! Das lächerlich leichte Lernen in der Schule gab mir so viel freie Zeit, daß mich mehr die Sonne als das Zimmer sah. Wenn mir heute durch meine politischen Gegner in liebevoller Aufmerksamkeit mein Leben durchgeprüft wird bis in die Zeit meiner damaligen Jugend, um endlich mit Erleichterung feststellen zu können, welch unerträgliche Streiche dieser "Hase" schon im seiner Jugend verübt hatte, so danke ich dem Himmel, daß er mir so auch jetzt noch etwas abgibt aus den Erinnerungen dieser glückseligen Zeit. Wiese und Wald waren damals der Fechtboden, auf dem die immer vorhandenen "Gegensätze" zur Austragung kamen. Auch der nun erfolgende Besuch der Realschule konnte dem wenig Einhalt tun. Freilich mußte nun aber auch ein anderer Gegensatz ausgefochten werden.
Solange der Absicht des Vaters, mich Staatsbeamter werden zu lassen, nur meine prinzipielle Abneigung zum Beamtenberuf an sich gegenüberstand, war der Konflikt leicht erträglich. Ich konnte solange auch mit meinen inneren Anschauungen etwas zurückhalten, brauchte ja nicht immer gleich zu widersprechen. Es genügte mein eigener fester Entschluß, später einmal nicht Beamter zu werden, um mich innerlich vollständig zu beruhigen. Diesen Entschluß besaß ich aber unabänderlich. Schwerer wurde die Frage, wenn dem Plane des Vaters ein eigener gegenübertrat. Schon mit zwölf Jahren trat dies ein. Wie es nun kam, weiß ich heute selber nicht, aber eines Tages war es mir klar, daß ich Maler werden würde, Kunstmaler. Mein Talent zum Zeichnen stand allerdings fest, war es doch sogar mit ein Grund für den Vater, mich auf die Realschule zu schicken, allein nie und niemals hatte dieser daran gedacht, mich etwa beruflich in einer solchen Richtung ausbilden zu lassen. Im Gegenteil. Als ich zum ersten Male, nach erneuter Ablehnung des väterlichen Lieblingsgedankens, die Frage gestellt bekam. was ich denn nun eigentlich selber werden wollte, und ziemlich unvermittelt mit meinem unterdessen fest gefaßten Entschluß heraus. platzte, war der Vater zunächst sprachlos.
"Maler? Kunstmaler?"
Er zweifelte an meiner Vernunft, glaubte vielleicht auch nicht recht gehört oder verstanden zu haben. Nachdem er allerdings darüber aufgeklärt war und besonders die Ernsthaftigkeit meiner Absicht fühlte, warf er sich denn auch mit der ganzen Entschlossenheit seines Wesens dagegen. Seine Entscheidung war hier nur sehr einfach, wobei irgendein Abwägen meiner etwa wirklich vorhandenen Fähigkeiten gar nicht in Frage kommen konnte.
Kunstmaler, nein, solange ich lebe, "niemals." Da nun aber sein Sohn eben mit verschiedenen sonstigen Eigenschaften wohl auch die einer ähnlichen Starrheit geerbt haben mochte, so kam auch eine ähnliche Antwort zurück. Nur natürlich umgekehrt dem Sinne nach.
Auf beiden Seiten blieb es dabei bestehen. Der Vater verließ nicht sein "Niemals" und ich verstärkte mein "Trotzdem".
Freilich hatte dies nun nicht sehr erfreuliche Folgen. Der alte Herr ward verbittert und, so sehr ich ihn auch liebte, ich auch. Der Vater verbat sich jede Hoffnung, daß ich jemals zum Maler ausgebildet werden würde. Ich ging einen Schritt weiter und erklärte, daß ich dann überhaupt nicht mehr lernen wollte. Da ich nun natürlich mit solchen "Erklärungen" doch den kürzeren zog, insofern der alte Herr jetzt seine Autorität rücksichtslos durchzusetzen sich anschickte, schwieg ich künftig, setzte meine Drohung aber in die Wirklichkeit um. Ich glaubte, daß, wenn der Vater erst den mangelnden Fortschritt in der Realschule sähe, er gut oder übel eben doch mich meinem erträumten Glück würde zugehen lassen.
Ich weiß nicht, ob diese Rechnung gestimmt hätte. Sicher war zunächst nur mein ersichtlicher Mißerfolg in der Schule. Was mich freute, lernte ich, vor allem auch alles, was ich meiner Meinung nach später als Maler brauchen würde. Was mir in dieser Hinsicht bedeutungslos erschien oder mich auch sonst nicht so anzog, sabotierte ich vollkommen. Meine Zeugnisse in dieser Zeit stellten, je nach dem Gegenstande und seiner Einschätzung, immer Extreme dar. Neben "lobenswert" und "vorzüglich", "genügend" oder auch "nicht genügend". Am weitaus besten waren meine Leistungen in Geographie und mehr noch in Weltgeschichte. Die beiden Lieblingsfächer, in denen ich der Klasse vorschoß.
Wenn ich nun nach so viel Jahren mir das Ergebnis dieser Zeit prüfend vor Augen halte, so sehe ich zwei hervorstechende Tatsachen als besonders bedeutungsvoll an:
Erstens: ich wurde Nationalist.
Zweitens: ich lernte Geschichte ihrem Sinne nach verstehen und begreifen.
Das alte Österreich war ein "Nationalitätenstaat".
Der Angehörige des Deutschen Reiches konnte im Grunde genommen, wenigstens damals, gar nicht erfassen, welche Bedeutung diese Tatsache für das alltägliche Leben des einzelnen in einem solchen Staate besitzt. Man hatte sich nach dem wundervollen Siegeszuge der Heldenheere im Deutsch-Französischen Kriege allmählich immer mehr dem Deutschtum des Auslandes entfremdet, zum Teil dieses auch gar nicht mehr zu würdigen vermocht oder wohl auch nicht mehr gekonnt. Man wechselte besonders in bezug auf den Deutschösterreicher nur zu leicht die verkommene Dynastie mit dem im Kern urgesunden Volke.
Man begriff nicht, daß, wäre nicht der Deutsche in Österreich wirklich noch von bestem Blute, er niemals die Kraft hätte besitzen können, einem 52-Millionen-Staate so sehr seinen Stempel aufzuprägen, daß ja gerade in Deutschland sogar die irrige Meinung entstehen konnte, Österreich wäre ein deutscher Staat. Ein Unsinn von schwersten Folgen, aber ein doch glänzendes Zeugnis für die zehn Millionen Deutschen der Ostmark. Von dem ewigen unerbittlichen Kampfe um die deutsche Sprache, um deutsche Schule und deutsches Wesen hatten nur ganz wenige Deutsche aus dem Reiche eine Ahnung. Erst heute, da diese traurige Not vielen Millionen unseres Volkes aus dem Reiche selber aufgezwungen ist, die unter fremder Herrschaft vom gemeinsamen Vaterlande träumen und, sich sehnen nach ihm, wenigstens das heilige Anspruchsrecht der Muttersprache zu erhalten versuchen, versteht man in größerem Kreise, was es heißt, für sein Volkstum kämpfen zu müssen. Nun vermag auch vielleicht der eitle oder andere die Größe des Deutschtums aus der alten Ostmark des Reiches zu messen, das, nur auf sich selbst gestellt, jahrhundertelang das Reich erst nach Osten beschirmte, um endlich in zermürbendem Kleinkrieg die deutsche Sprachgrenze zu halten, in einer Zeit, da das Reich sich wohl für Kolonien interessierte, aber nicht für das eigene Fleisch und Blut vor seinen Toren.
Wie überall und immer, in jeglichem Kampf, gab es auch im Sprachenkampf des alten Österreich drei Schichten: die Kämpfer, die Lauen und die Verräter.
Schon in der Schule begann diese. Siebung einzutreten. Denn es ist das Bemerkenswerte des Sprachenkampfes wohl überhaupt, daß seine Wellen vielleicht am schwersten gerade die Schule, als Pflanzstätte der kommenden Generation umspülen. Um das Kind wird dieser Kampf geführt, und an das Kind richtet sich der erste Appell dieses Streites: "Deutscher Knabe, vergiß nicht, daß du ein Deutscher bist!" und "Mädchen gedenke, daß du eine deutsche Mutter werden sollst!"
Wer der Jugend Seele kennt, der wird verstehen können, daß gerade sie am freudigsten die Ohren für einen solchen Kampfruf öffnet. In hunderterlei Formen pflegt sie diesen Kampf dann zu führen, auf ihre Art und mit ihren Waffen. Sie lehnt es ab, undeutsche Lieder zu singen, schwärmt um so mehr für deutsche Heldengröße, je mehr man versucht, sie dieser zu entfremden; sammelt an vom Munde abgesparten Hellern zum Kampfschatz der Großen; sie ist unglaublich hellhörig dem undeutschen Lehrer gegenüber und widerhaarig zugleich; trägt die verbotenen Abzeichen des eigenen Volkstums und ist glücklich, dafür bestraft oder gar geschlagen zu werden. Sie ist also im kleinen ein getreues Spiegelbild der Großen, nur oft in besserer und aufrichtigerer Gesinnung.
Auch ich hatte so einst die Möglichkeit, schon in verhältnismäßig früher Jugend am Nationalitätenkampf des alten Österreich teilzunehmen. Für Südmark und Schulverein wurde da gesammelt, durch Kornblumen und schwarz-rot-goldene Farben die Gesinnung betont, mit "Heil" begrüßt, und statt des Kaiserliedes lieber "Deutschland über alles" gesungen, trotz Verwarnung und Strafen. Der Junge ward dabei politisch geschult in einer Zeit, da der Angehörige eines sogenannten Nationalstaates meist noch von seinem Volkstum wenig mehr als die Sprache kennt. Daß ich damals schon nicht zu den Lauen gehört habe, versteht sich von selbst. In kurzer Zeit war ich zum fanatischen "Deutschnationalen" geworden, wobei dies allerdings nicht identisch ist mit unserem heutigen Parteibegriff.
Diese Entwicklung machte bei mir sehr schnelle Fortschritte, so daß ich schon mit fünfzehn Jahren zum Verständnis des Unterschiedes von dynastischem "Patriotismus" und völkischem "Nationalismus" gelangte; und ich kannte damals schon nur mehr den letzteren.
Für den, der sich niemals die Mühe nahm, die inneren Verhältnisse der Habsburgermonarchie zu studieren, mag ein solcher Vorgang vielleicht nicht ganz erklärlich sein. Nur der Unterricht in der Schule über die Weltgeschichte mußte in diesem Staate schon den Keim zu dieser Entwicklung legen, gibt es doch eine spezifisch österreichische Geschichte nur im kleinsten Maße. Das Schicksal dieses Staates ist so sehr mit dem Leben und Wachsen des ganzen Deutschtunis verbunden, daß eine Scheidung der Geschichte etwa in eine deutsche und österreichische gar nicht denkbar erscheint. Ja, als endlich Deutschland sich in zwei Machtbereiche zu trennen begann, wurde eben diese Trennung zur deutschen Geschichte.
Die zu Wien bewahrten Kaiserinsignien einstiger Reichsherrlichkeit scheinen als wundervoller Zauber weiterzuwirken als Unterpfand einer ewigen Gemeinschaft.
Der elementare Aufschrei des deutschösterreichischen Volkes in den Tagen des Zusammenbruches des Habsburgerstaates nach Vereinigung mit dem deutschen Mutterland war ja nur das Ergebnis eines tief im Herzen des gesamten Volkes schlummernden Gefühls der Sehnsucht nach dieser Rückkehr in das nie vergessene Vaterhaus. Niemals aber würde dies erklärlich sein, wenn nicht die geschichtliche Erziehung des einzelnen Deutschösterreichers Ursache einer solchen allgemeinen Sehnsucht gewesen wäre. In ihr liegt ein Brunnen, der nie versiegt; der besonders in Zeiten des Vergessens als stiller Mahner, über augenblickliches Wohlleben hinweg, immer wieder durch die Erinnerung an die Vergangenheit von neuer Zukunft raunen wird.
Der Unterricht über Weltgeschichte in den sogenannten Mittelschulen liegt nun freilich auch heute noch sehr im argen. Wenige Lehrer begreifen, daß das Ziel gerade des geschichtlichen Unterrichts nie und nimmer im Auswendiglernen und Herunterhaspeln geschichtlicher Daten und Ereignisse liegen kann; daß es nicht darauf ankommt, ob der Junge nun genau weiß, wann diese oder jene Schlacht geschlagen, ein Feldherr geboren wurde, oder gar ein (meistens sehr unbedeutender) Monarch die Krone seiner Ahnen auf das Haupt gesetzt erhielt. Nein, wahrhaftiger Gott, darauf kommt es wenig an.
Geschichte "lernen" heißt die Kräfte suchen und finden die als Ursachen zu jenen Wirkungen führen die wir dann als geschichtliche Ereignisse vor unseren Augen sehen.
Die Kunst des Lesens wie des Lernens ist auch hier: Wesentliches behalten, Unwesentliches vergessen.
Es wurde vielleicht bestimmend für mein ganzes späteres Leben, daß mir das Glück einst gerade für Geschichte einen Lehrer gab, der es als einer der ganz wenigen verstand, für Unterricht und Prüfung diesen Gesichtspunkt zum beherrschenden zu machen. In meinem damaligen Professor Dr. Leopold Pötsch an der Realschule zu Linz, war diese Forderung in wahrhaft idealer Weise verkörpert. Ein alter Herr, von ebenso gütigen als aber auch bestimmtem Auftreten, vermochte er besonders durch eine blendende Beredsamkeit uns nicht nur zu fesseln, sondern wahrhaft mitzureißen. Noch heute erinnere ich mich mit leiser Rührung an den grauen Mann, der uns im Feuer seiner Darstellung manchmal die Gegenwart vergessen ließ, uns zurückzauberte in vergangene Zeiten und aus dem Nebelschleier der Jahrtausende die trockene geschichtliche Erinnerung zur lebendigen Wirklichkeit formte. Wir saßen dann da, oft zu heller Glut begeistert, mitunter sogar zu Tränen gerührt.
Das Glück ward um so größer, als dieser Lehrer es verstand, aus Gegenwart Vergangenes zu erleuchten, aus Vergangenheit aber die Konsequenzen für die Gegenwart zu ziehen. So brachte er denn auch, mehr als sonst einer, Verständnis auf für all die Tagesprobleme, die uns damals in Atem hielten. Unser kleiner nationaler Fanatismus ward ihm ein Mittel zu unserer Erziehung, indem er öfter als einmal an das nationale Ehrgefühl appellierend, dadurch allein uns Rangen schneller in Ordnung brachte, als dies durch andere Mittel möglich gewesen wäre.
Mir hat dieser Lehrer Geschichte zum Lieblingsfach gemacht.
Freilich wurde ich, wohl ungewollt von ihm, auch damals schon zum jungen Revolutionär.
Wer konnte auch unter einem solchen Lehrer deutsche Geschichte studieren, ohne zum Feinde des Staates zu werden, der durch sein Herrscherhaus in so unheilvoller Weise die Schicksale der Nation beeinflußte?
Wer endlich konnte noch Kaisertreue bewahren einer Dynastie gegenüber, die in Vergangenheit und Gegenwart die Belange des deutschen Volkes immer und immer wieder um schmählicher eigener Vorteile wegen verriet?
Wußten wir nicht als Jungen schon, daß dieser österreichische Staat keine Liebe zu uns Deutschen besaß, ja überhaupt gar nicht besitzen konnte?
Die geschichtliche Erkenntnis des Wirkens des Habsburgerhauses wurde noch unterstützt durch die tägliche Erfahrung. Im Norden und im Süden fraß das fremde Völkergift am Körper unseres Volkstums, und selbst Wien wurde mehr und mehr zur undeutschen Stadt. Das "Erzhaus" tschechisierte, wo immer nur möglich, und es war die Faust der Göttin ewigen Rechtes und unerbittlicher Vergeltung, die den tödlichsten Feind des österreichischen Deutschtums, Erzherzog Franz Ferdinand, gerade durch die Kugeln fallen ließ, die er selber mithalf zu gießen. War er doch der Patronatsherr der von oben herunter betätigten Slawisierung Österreichs.
Ungeheuer waren die Lasten die man dem deutschen Volke zumutete, unerhört seine Opfer an Steuern und an Blut, und dennoch mußte jeder nicht gänzlich Blinde erkennen, daß dieses alles umsonst sein würde. Was uns dabei am meisten schmerzte, war noch die Tatsache, daß dieses ganze System moralisch gedeckt wurde durch das Bündnis mit Deutschland, womit der langsamen Ausrottung des Deutschtums in der alten Monarchie auch noch gewissermaßen von Deutschland aus selber die Sanktion erteilt wurde. Die habsburgische Heuchelei, mit der man es verstand, nach außen den Anschein zu erwecken, als ob Österreich noch immer ein deutscher Staat wäre, steigerte den Haß gegen dieses Haus zur hellen Empörung und Verachtung zugleich.
Nur im Reiche selber sahen die auch damals schon allein "Berufenen" von all dem nichts. Wie mit Blindheit geschlagen wandelten sie an der Seite eines Leichnams und glaubten in den Anzeichen der Verwesung gar noch Merkmale "neuen" Lebens zu entdecken.
In der unseligen Verbindung des jungen Reiches mit dem österreichischen Scheinstaat lag der Keim zum späteren Weltkrieg, aber auch zum Zusammenbruch..
Ich werde im Verlaufe des Buches mich noch gründlich mit diesem Problem zu beschäftigen haben. Es genügt hier, nur festzustellen, daß ich im Grunde genommen schon in der frühesten Jugend zu einer Einsicht kam, die mich niemals wieder verließ, sondern sich nur noch vertiefte:
Daß nämlich die Sicherung des Deutschtums die Vernichtung Österreichs voraussetzte, und daß weiter Nationalgefühl in nichts identisch ist mit dynastischem Patriotismus; daß vor allem das habsburgische Erzhaus zum Unglück der deutschen Nation bestimmt war.
Ich hatte schon damals die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen: heiße Liebe zu meiner deutsch-österreichischen Heimat, tiefen Haß gegenüber den österreichischen Staat.
×
Die Art des geschichtlichen Denkens, die mir so in der Schule beigebracht wurde, hat mich in der Folgezeit nicht mehr verlassen. Weltgeschichte ward mir immer mehr zu einem unerschöpflichen Quell des Verständnisses für das geschichtliche Handeln der Gegenwart, also für Politik. Ich will sie dabei nicht "lernen" sondern sie soll mich lehren. War ich so frühzeitig zum politischen "Revolutionär" geworden, so nicht minder früh zum künstlerischen.
Die oberösterreichische Landeshauptstadt besaß damals ein verhältnismäßig nicht schlechtes Theater. Gespielt wurde so ziemlich alles. Mit zwölf Jahren sah ich da zum ersten Male "Wilhelm Tell", wenige Monate darauf als erste Oper meines Lebens "Lohengrin". Mit einem Schlage war ich gefesselt. Die jugendliche Begeisterung für den Bayreuther Meister kannte keine Grenzen. Immer wieder zog es mich zu seinen Werken, und ich empfinde es heute als besonderes Glück, daß mir durch die Bescheidenheit der provinzialen Aufführung die Möglichkeit einer späteren Steigerung erhalten blieb.
Dies alles festigte, besonders nach Überwindung der Flegeljahre (was bei mir sich nur sehr schmerzlich vollzog), meine tiefinnere Abneigung gegen einen Beruf, wie ihn der Vater für mich erwählt hatte. Immer mehr kam ich zur Überzeugung, daß ich als Beamter niemals glücklich werden würde. Seit nun auch in dieser Realschule meine, zeichnerische Begabung anerkannt wurde stand mein Entschluß nur noch fester.
Daran konnten weder Bitten noch Drohungen mehr etwas ändern.
Ich wollte Maler werden und um keine Macht der Welt Beamter.
Eigentümlich war es nur daß mit steigenden Jahren sich immer mehr Interesse für Baukunst einstellte.
Ich hielt dies damals für die selbstverständliche Ergänzung meiner malerischen Befähigung und freute mich nur innerlich über die Erweiterung meines künstlerischen Rahmens.
Daß es einmal anders kommen sollte, ahnte ich nicht
×
Die Frage meines Berufes sollte nun doch schneller entschieden werden, als ich vorher erwarten durfte.
Mit dem dreizehnten Lebensjahr verlor ich urplötzlich den Vater. Ein Schlaganfall traf den sonst noch so rüstigen Herrn und beendete auf schmerzloseste Weise seine irdische Wanderung, uns alle in tiefstes Leid versenkend. Was er am meisten ersehnte, seinem Kinde die Existenz mitzuschaffen, um es vor den eigenen bitteren Werdegang zu bewahren, schien ihm damals wohl nicht gelungen zu sein. Allein er legte, wenn auch gänzlich unbewußt, die Keime für eine Zukunft, die damals weder er noch ich begriffen hätte.
Zunächst änderte sich ja äußerlich nichts.
Die Mutter fühlte sich wohl verpflichtet, gemäß dem Wunsche des Vaters meine Erziehung weiterzuleiten, d. h. also mich für die Beamtenlaufbahn studieren zu lassen. Ich selber war mehr als je zuvor entschlossen, unter keinen Umständen Beamter zu werden. In eben dem Maße nun, in die Mittelschule sich in Lehrstoff und Ausbildung von meinem Ideal entfernte, wurde ich natürlich gleichgültiger. Da kam mir plötzlich eine Krankheit zu Hilfe und entschied in wenigen Wochen über meine Zukunft und die dauernde Streitfrage des väterlichen Hauses. Mein schweres Lungenleiden ließ einen Arzt der Mutter auf das dringendste anraten, mich später einmal unter keinen Umständen in ein Büro zu geben. Der Besuch der Realschule mußte ebenfalls auf mindestens ein Jahr eingestellt werden. Was ich so lange im stillen ersehnt, für was ich immer gestritten hatte, war nun durch dieses Ereignis mit einem Male fast von selber zur Wirklichkeit geworden.
Unter dem Eindruck meiner Erkrankung willigte die Mutter endlich ein, mich später aus der Realschule nehmen zu wollen und die Akademie besuchen zu lassen.
Es waren die glücklichsten Tage, die mir nahezu als ein schöner Traum erschienen; und ein Traum sollte es ja auch nur sein. Zwei Jahre später machte der Tod der Mutter all den schönen Plänen ein jähes Ende.
Es war der Abschluß einer langen, schmerzhaften Krankheit, die von Anfang an wenig Aussicht auf Genesung ließ. Dennoch traf besonders mich der Schlag entsetzlich. Ich hatte den Vater verehrt, die Mutter jedoch geliebt.
Not und harte Wirklichkeit zwangen mich nun, einen schnellen Entschluß zu fassen. Die geringen väterlichen Mittel waren durch die schwere Krankheit der Mutter zum großen Teil verbraucht worden; die mir zukommende Waisenpension genügte nicht, um auch nur leben zu können, also war ich nun angewiesen, mir irgendwie mein Brot selber zu verdienen.
Einen Koffer mit Kleidern und Wäsche in den Händen, mit einem unerschütterlichen Willen im Herzen, fuhr ich so nach Wien. Was dem Vater fünfzig Jahre vorher gelungen, hoffte auch ich dem Schicksal abzujagen; auch ich wollte "etwas" werden, allerdings - auf keinen Fall Beamter.
2. Kapitel:
Wiener Lehr- und Leidensjahre
Als die Mutter starb, hatte das Schicksal in einer Hinsicht bereits seine Entscheidung getroffen.
In deren letzten Leidensmonaten war ich nach Wien gefahren, um die Aufnahmeprüfung in die Akademie zu machen. Ausgerüstet mit einem dicken Pack von Zeichnungen, hatte ich mich damals auf den Weg gemacht, überzeugt, die Prüfung spielend leicht bestehen zu können. In der Realschule war ich schon weitaus der beste Zeichner meiner Klasse gewesen; seitdem war meine Fähigkeit noch ganz außerordentlich weiter entwickelt worden, so daß meine eigene Zufriedenheit mich stolz und glücklich das Beste hoffen ließ.
Eine einzige Trübung trat manchmal ein: mein malerisches Talent schien übertroffen zu werden von meinem zeichnerischen, besonders auf fast allen Gebieten der Architektur. Ebenso aber wuchs auch mein Interesse für die Baukunst an und für sich immer mehr. Beschleunigt wurde dies noch, seit ich, noch nicht sechzehn Jahre alt, zum ersten Male zu einem Besuche auf zwei Wochen nach Wien fahren durfte. Ich fuhr hin, um die Gemäldegalerie des Hofmuseums zu Studieren, hatte aber fast nur Augen für das Museum selber. Ich lief die Tage vom frühen Morgen bis in die späte Nacht von einer Sehenswürdigkeit zur anderen, allein es waren immer nur Bauten, die mich in erster Linie fesselten. Stundenlang konnte ich so vor der Oper stehen, stundenlang das Parlament bewundern; die ganze Ringstraße wirkte auf mich wie ein Zauber aus Tausend und einer Nacht.
Nun also war ich zum zweiten Male in der schöne Stadt und wartete mit brennender Ungeduld, aber auch stolzer Zuversicht auf das Ergebnis meiner Aufnahmeprüfung. Ich, war vom Erfolg so überzeugt, daß die mir verkündete Ablehnung mich wie ein jäher, Schlag aus heiterem Himmel traf. Und doch war es so. Als ich mich dem Rektor vorstellen ließ und die Bitte um Erklärung der Gründe wegen meiner Nichtaufnahme in die allgemeine Malerschule der Akademie vorbrachte, versicherte mir der Herr, daß aus meinen mitgebrachten Zeichnungen einwandfrei meine Nichteignung zum Maler hervorgehe, da meine Fähigkeit doch ersichtlich. auf dem Gebiete der Architektur liege; für mich käme niemals die Malerschule, sondern nur die Architekturschule der Akademie in Frage. Daß ich bisher, weder eine Bauschule besucht noch sonst einen Unterricht in Architektur erhalten hatte, konnte man zunächst gar nicht verstehen.
Geschlagen verließ ich den Hansenschen Prachtbau am Schillerplatz, zum ersten Male in meinem jungen Leben unsicher mit mir selber. Denn was ich über meine Fähigkeit gehört hatte, schien mir nun auf einmal wie ein greller Blitz einen Zwiespalt aufzudecken, unter dem ich schon längst gelitten hatte, ohne bisher mir eine klare Rechenschaft über das Warum und Weshalb geben zu können.
In wenigen Tagen wußte ich nun auch selber, daß ich einst Baumeister werden würde.
Freilich war der Weg unerhört schwer; denn was ich bis. her aus Trotz in der Realschule versäumt hatte, sollte sich nun bitter rächen. Der Besuch der Architekturschule der Akademie war abhängig vom Besuch der Bauschule der Technik, und den Eintritt in diese bedingte eine vorher abgelegte Matura an einer Mittelschule. Dieses alles fehlte mir vollständig. Nach menschlichem Ermessen also war eine Erfüllung meines Künstlertraumes nicht mehr möglich. Als ich nun nach dem Tode der Mutter zum dritten Male nach Wien und dieses Mal für viele Jahre zog, war bei mir mit der unterdessen verstrichenen Zeit Ruhe und Entschlossenheit zurückgekehrt. Der frühere trotz war wieder gekommen und mein Ziel endgültig ins Auge gefaßt. Ich wollte Baumeister werden, und Widerstände sind nicht da, daß man vor ihnen kapituliert, sondern daß man sie bricht. Und brechen wollte ich diese Widerstande, immer das Bild des Vaters vor Augen, der sich einst vom armen Dorf- und Schusterjungen zum Staatsbeamten emporgerungen hatte. Da war mein Boden doch schon besser, die Möglichkeit des Kampfes um so viel leichter; und was damals mir als Härte des Schicksals erschien, preise ich heute als Weisheit der Vorsehung. Indem mich die Göttin der Not in ihre Arme nahm und mich so oft zu zerbrechen drohte, wuchs der Wille zum Widerstand, und endlich blieb der Wille Sieger.
Das danke ich der damaligen Zeit, daß ich hart geworden bin und hart sein kann. Und mehr noch als dieses preise ich sie dafür, daß sie mich losriß von der Hohlheit des gemächlichen Lebens, daß sie das Muttersöhnchen aus den weichen Daunen zog und ihm Frau Sorge zur neuen Mutter gab, daß sie den Widerstrebenden hineinwarf in die Welt des Elends und der Armut und ihn so die kennenlernen ließ, für die er später kämpfen sollte.
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In dieser Zeit sollte mir auch das Auge geöffnet werden für zwei Gefahren, die ich beide vordem kaum dem Namen nach kannte, auf keinen Fall aber in ihrer entsetzlichen Bedeutung für die Existenz des deutschen Volkes begriff: Marxismus und Hasstum.
Wien die Stadt, die so vielen als Inbegriff harmloser Fröhlichkeit gilt, als festlicher Raum vergnügter Menschen, ist für mich leider nur die lebendige Erinnerung an die traurigste Zeit meines Lebens.
Auch heute noch kann diese Stadt nur trübe Gedanken in mir erwecken. Fünf Jahre Elend und Jammer sind im Namen dieser Phäakenstadt für mich enthalten. Fünf Jahre, in denen ich erst als Hilfsarbeiter, dann als kleiner Maler mir mein Brot verdienen mußte; mein wahrhaft kärglich Brot, daß doch nie langte, um auch nur den gewöhnlichen Hunger zu stillen. Er war damals mein getreuer Wächter, der mich als einziger fast nie verließ, der in allem redlich mit mir teilte. Jedes Buch, das ich mir erwarb, erregte seine Teilnahme, ein Besuch der Oper ließ ihn mir dann wieder Gesellschaft leisten auf Tage hinaus; es war ein dauernder Kampf mit meinem mitleidslosen Freunde. Und doch habe ich in dieser Zeit gelernt wie nie zuvor. Außer meiner Baukunst, dem seltenen, vom Munde abgesparten Besuch der Oper hatte ich als einzige Freude nur mehr Bücher.
Ich las damals unendlich viel, und zwar gründlich. Was mir so an freier Zeit von meiner Arbeit übrig blieb, ging restlos für mein Studium auf. In wenigen Jahren schuf ich mir damit die Grundlagen eines Wissens, von denen ich auch heute noch zehre.
Aber mehr noch als dieses.
In dieser Zeit bildeten sich mir ein Weltbild und eine Weltanschauung, die zum granitenen Fundament meines derzeitigen Handelns wurde. Ich habe zu dem, was ich mir so einst schuf, nur weniges hinzulernen müssen, zu ändern brauchte ich nichts.
Im Gegenteil.
Ich glaube heute fest daran, daß im allgemeinen sämtliche schöpferischen Gedanken schon in der Jugendgrunds ich erscheinen, sofern solche überhaupt vorhanden sind. Ich unterscheide zwischen der Weisheit des Alters, die nur in einer größeren Gründlichkeit und Vorsicht als Ergebnis der Erfahrungen eines langen Lebens gelten kann, und der Genialität der Jugend, die in unerschöpferischer Fruchtbarkeit Gedanken und Ideen ausschüttet, ohne sie zunächst auch nur verarbeiten zu können, infolge der Fülle ihrer Zahl. Sie liefert die Baustoffe und Zukunftspläne, aus denen das weisere Alter die Steine nimmt, behaut und den Tau aufführt, soweit nicht die sogenannte Weisheit des Alters die Genialität der Jugend erstickt hat.
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Das Leben, das ich bis dorthin im väterlichen Hause geführt hatte, unterschied sich eben wenig oder in nichts von dem all der anderen. Sorgenlos konnte ich den neuen Tag erwarten, und ein soziales Problem gab es für mich nicht. Die Umgebung meiner Jugend setzte sich zusammen aus den Kreisen kleinen Bürgertums, also aus einer Welt, die zu dem reinen Handarbeiter nur sehr wenig Beziehungen besitzt. Denn so sonderbar es auch auf den ersten Blick scheinen mag, so ist doch die Kluft gerade zwischen diesen durchaus wirtschaftlich nicht glänzend gestellten Schichten und dem Arbeiter der Faust oft tiefer, als man denkt. Der Grund dieser, sagen wir fast Feindschaft liegt in der Furcht einer Gesellschaftsgruppe, die sich erst ganz kurze Zeit aus dem Niveau der Handarbeiter herausgehoben hat, wieder zurückzusinken in den alten, wenig geachteten Stand, oder wenigstens noch zu ihm gerechnet zu werden. Dazu kommt noch bei vielen die widerliche Erinnerung an das kulturelle Elend dieser unteren Klassen, die häufige Roheit des Unigangs untereinander, wobei die eigene, auch noch so geringe Stellung im gesellschaftlichen Leben jede Berührung mit dieser überwundenen Kultur- und Lebensstufe zu einer unerträglichen Belastung werden läßt.
So kommt es, daß häufig der Höherstehende unbefangener zu seinem letzten Mitmenschen herabsteigt, als es dem "Emporkömmling" auch nur möglich erscheint.
Denn Emporkömmling ist nun einmal jeder, der sich durch eigene Tatkraft aus einer bisherigen Lebensstellung in eine höhere emporringt.
Endlich aber läßt dieser häufig sehr herbe Kampf das Mitleid absterben. Das eigene schmerzliche Ringen um das Dasein tötet die Empfindung für das Elend der Zurückgebliebenen.
Mit mir besaß das Schicksal in dieser Hinsicht Erbarmen. Indem es mich zwang, wieder in diese Welt der Armut und der Unsicherheit zurückzukehren, die einst der Vater im Laufe seines Lebens schon verlassen hatte, zog es mir die Scheuklappen einer beschrankten kleinbürgerlichen Erziehung von den Augen. Nun erst lernte ich die Menschen kennen; lernte unterscheiden zwischen hohlem Scheine oder brutalem Äußeren und ihrem inneren Wesen.
Wien gehörte nach der Jahrhundertwende schon zu den sozial ungünstigsten Städten.
Strahlender Reichtum und abstoßende Armut lösten einander in schroffem Wechsel ab. Im Zentrum und in den inneren Bezirken fühlte man so recht den Pulsschlag des 52-Millionen-Reiches, mit all dem bedenklichen Zauber des Nationalitätenstaates. Der Hof in seiner blendenden Pracht wirkte ähnlich einem Magneten auf Reichtum und Intelligenz des übrigen, Staates. Dazu kam noch die starke Zentralisierung der Habsburgermonarchie an und für sich.
In ihr bot sich eine einzige Möglichkeit, diesen Völkerbrei in fester Form zusammenzuhalten. Die Folge davon aber war eine außerordentliche Konzentration von hohen und höchsten Behörden in der Haupt- und Residenzstadt.
Doch Wien war nicht nur politisch und geistig die Zentrale der alten Donaumonarchie, sondern auch wirtschaftlich. Dem Heer von hohen Offizieren, Staatsbeamten, Künstlern und Gelehrten stand eine noch größere Armee von Arbeitern gegenüber, dem Reichtum der Aristokratie und des Handels eine blutige Armut. Vor den Palästen der Ringstraße lungerten Tausende von Arbeitslosen, und unter dieser via triumphalis des alten Österreichs hausten im Zwielicht und Schlamm der Kanäle die Obdachlosen.
Kaum in einer deutschen Stadt war die soziale Frage besser zu studieren als in Wien. Aber man täusche sich nicht. Dieses "Studieren" kann nicht von oben herunter geschehen. Wer nicht selber in den Klammern dieser würgenden Natter sich befindet, lernt ihre Giftzähne niemals kennen. Im anderen Falle kommt nichts heraus als oberflächliches Geschwätz und verlogene Sentimentalität. Beides ist von Schaden. Das eine, weil es nie bis zum Kerne der, Problems zu dringen vermag, das andere, weil es an ihm vorübergeht. Ich weis nicht, was verheerender ist: die Nichtbeachtung der sozialen Not, wie dies die Mehrzahl der vom Glück Begünstigten oder auch durch eigenes Verdienst Gehobenen tagtäglich sehen läßt, oder jene ebenso hochnäsige wie manchmal wieder zudringlich taktlose, aber immer gnädige Herablassung gewisser mit dem "Volk "empfindender" Modeweiber in Röcken und Hosen. Diese Menschen sündigen jedenfalls mehr, als sie in ihrem instinktlosen Verstande überhaupt nur zu begreifen vermögen. Daher ist dann zu ihrem eigenen Erstaunen das Ergebnis einer durch sie betätigten sozialen "Gesinnung" immer Null, häufig aber sogar empörte Ablehnung; was dann freilich als Beweis der Undankbarkeit des Volkes gilt.
Daß eine soziale Tätigkeit damit gar nichts zu tun hat, vor allem auf Dank überhaupt keinen Anspruch erheben darf, da sie ja nicht Gnaden verteilen, sondern Rechte herstellen soll, leuchtet einer solchen Art von Köpfen nur ungern ein.
Ich wurde bewahrt davor, die soziale Frage in solcher Weise zu lernen. Indem sie mich in den Bannkreis ihres Leidens zog, schien sie mich nicht zum, "Lernen" einzuladen, als vielmehr sich an mir selber erproben zu wollen. Es war nicht ihr Verdienst, daß das Kaninchen dennoch heil und gesund die Operation überstand.
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Wenn ich nun versuchen will, die Reihe meiner damaligen Empfindungen heute wiederzugeben, so kann dies niemals auch nur annähernd vollständig sein; nur die wesentlichsten und für mich oft erschütterndsten Eindrücke sollen hier dargestellt werden mit den wenigen Lehren, wie ich sie in dieser Zeit schon zog.
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Es wurde mir damals meist nicht sehr schwer, Arbeit an sich zu linden, da ich ja nicht gelernter Handwerker war, sondern nur als sogenannter Hilfsarbeiter und manches Mal als Gelegenheitsarbeiter versuchen mußte, mir das tägliche Brot zu schaffen.
Ich stellte mich dabei auf den Standpunkt aller jener, die den Staub Europas von den Füßen schütteln mit dem unerbittlichen Vorsatz, sich in der Neuen Welt auch eine neue Existenz zu gründen, eine neue Heimat zu erobern. Losgelöst von allen bisherigen lähmenden Vorstellungen des Berufes und Standes, von Umgebung und Tradition, greifen sie nun nach jedem Verdienst, der sich ihnen bietet, packen jede Arbeit an, sich so immer mehr zur Auffassung durchdringend, daß ehrliche Arbeit niemals schändet, ganz gleich, welcher Art sie auch sein möge. So war auch ich entschlossen, mit beiden Füßen in die für mich neue Welt hineinzuspringen und mich durchzuschlagen.
Daß es da irgendeine Arbeit immer gibt, lernte ich bald kennen, allein ebenso schnell auch, wie leicht sie wieder zu verlieren ist.
Die Unsicherheit des täglichen Brotverdienstes erschien mir in kurzer Zeit als eine der schwersten Schattenseiten des neuen Lebens.
Wohl wird der "gelernte" Arbeiter nicht so häufig auf die Straße gesetzt sein, als dies beim ungelernten der Fall ist; allein ganz ist doch auch er nicht gegen dieses Schicksal gefeit. Bei ihm tritt eben an Stelle des Brotverlustes aus Arbeitsmangel die Aussperrung oder sein eigener Streik.
Hier rächt sich die Unsicherheit des täglichen Verdienstes schon auf das bitterste an der ganzen Wirtschaft selber.
Der Bauernbursche, der in die Großstadt wandert, angezogen von der vermeintlich oder wohl auch wirklich leichteren Arbeit, der kürzeren Arbeitszeit, am meisten aber durch das blendende Licht, das die Großstadt nun einmal auszustrahlen vermag, ist noch an eine gewisse Sicherheit des Verdienstes gewöhnt. Er pflegt den alten Posten auch nur dann zu verlassen, wenn ein neuer mindestens in Aussicht steht. Endlich ist der Mangel an Landarbeitern groß, die Wahrscheinlichkeit eines längeren Arbeitsmangels also an und für sich sehr gering. Es ist nun ein Fehler, zu glauben, daß der sich in die Großstadt begebende junge Bursche etwa schon von vornherein aus schlechterem Holze geschnitzt wäre als der sich auch weiter redlich auf der bäuerlichen Scholle ernährende. Nein, im Gegenteil: die Erfahrung zeigt, daß alle auswandernden Elements eher aus den gesündesten und tatkräftigsten Naturen bestehen als etwa umgekehrt. Zu diesen "Auswanderern" aber zählt nicht nur der Amerikawanderer, sondern auch schon der junge Knecht, der sich entschließt, das heimatliche Dorf zu verlassen, um nach der fremden Großstadt zu ziehen. Auch er ist bereit, ein ungewisses Schicksal auf sich zu nehmen. Meist kommt er mit etwas Geld in die große Stadt, braucht also nicht schon am ersten Tage zu verzagen, wenn das Unglück ihn längere Zeit keine Arbeit finden läßt. Schlimmer aber wird es, wenn er eine gefundene Arbeitsstelle in kurzer Zeit wieder verliert. Das Finden einer neuen ist besonders im Winter häufig schwer, wenn nicht unmöglich. Die ersten Wochen geht es dann noch. Er erhält Arbeitslosenunterstützung aus den Kassen seiner Gewerkschaft und schlägt sich durch so gut als eben möglich. Allein, wenn der letzte eigene Heller und Pfennig verbraucht ist, die Kasse infolge der langen Dauer der Arbeitslosigkeit die Unterstützung auch einstellt, kommt die große Not. Nun lungert er hungernd herum, versetzt und verkauft oft noch das Letzte, kommt so in seiner Kleidung immer mehr herunter und sinkt damit auch äußerlich in eine Umgebung herab, die ihn nun zum körperlichen Unglück noch seelisch vergiftet. Wird er dann noch obdachlos, und ist dies (wie es oft der Fall zu sein pflegt) im Winter, so wird der Jammer schon sehr groß. Endlich findet er wieder irgendeine Arbeit. Allein, das Spiel wiederholt sich. Ein zweites Mal tritt es ihn ähnlich, ein drittes Mal vielleicht noch schwerer, so daß er das ewig Unsichere nach und nach gleichgültiger ertragen lernt. Endlich wird die Wiederholung zur Gewohnheit.
So lockert sich der sonst fleißige Mensch in seiner ganzen Lebensauffassung, um allmählich zum Instrument jener heranzureifen, die sich seiner nun bedienen um niedriger Vorteile willen. Er war so oft ohne eigenes Verschulden arbeitslos, daß es nun auf einmal mehr oder weniger auch nicht ankommt, selbst wenn es sich dabei nicht mehr um das Erkämpfen wirtschaftlicher Rechte, sondern um das Vernichten staatlicher, gesellschaftlicher oder allgemein kultureller Werte handelt. Er wird, wenn schon nicht streiklustig, so doch schon streikgleichgültig sein.
Diesen Prozeß konnte ich an tausend Beispielen mit offenen Augen verfolgen. Je länger ich das Spiel sah, um so mehr wuchs meine Abneigung gegen die Millionenstadt, die die Menschen erst gierig an sich zog, um sie dann so grausam zu zerreiben.
Wenn sie kamen, zählten sie noch immer zu ihrem Volke; wenn sie blieben, gingen sie ihm verloren.
Auch ich war so vom Leben in der Weltstadt herumgeworfen worden und konnte also am eigenen Leibe die Wirkungen dieses Schicksals erproben und seelisch durchkosten. Ich sah noch eines: der schnelle Wechsel von Arbeit zur Nichtarbeit und umgekehrt, sowie die dadurch bedingte ewige Schwankung des Ein- und Auskommens zerstört auf die Dauer bei vielen das Gefühl für Sparsamkeit ebenso wie das Verständnis für eine kluge Lebenseinteilung. Der Körper gewöhnt sich scheinbar langsam daran, in guten Zeiten aus dem vollen zu leben und in schlechten zu hungern. Ja, der Hunger wirft jeden Vorsatz für spätere vernünftige Einteilung in der besseren Zeit des Verdienstes um, indem er dem von ihm Gequälten in einer dauernden Fata Morgana die Bilder eines satten Wohllebens vorgaukelt und diesen Traum zu einer solchen Sehnsucht zu steigern versteht, daß solch ein krankhaftes Verlangen zum Ende jeder Selbstbeschränkung wird, sobald Verdienst und Lohn dies irgendwie gestatten. Daher kommt es, daß der kaum eine Arbeit Erlangende sofort auf das unvernünftigste jede Einteilung vergißt, um aus vollen Zügen in den Tag hinein zu leben. Dies führt selbst bis zur Umstoßung des kleinen Wochenhaushaltes, da sogar hier die kluge Einteilung ausbleibt; es langt anfangs noch für fünf Tage statt für sieben, später nur mehr für drei, endlich für kaum noch einen Tag, um am Schlusse in der ersten Nacht schon verjubelt zu werden.
Zu Hause sind dann oft Weib und Kinder. Manches Mal werden auch sie von diesem Leben angesteckt, besonders wenn der Mann zu ihnen an und für sich gut ist, ja, sie auf seine Art und Weise sogar liebt. Dann wird der Wochenlohn in zwei, drei Tagen zu Hause gemeinsam vertan; es wird gegessen und getrunken, solange das Geld hält, und die letzten Tage werden ebenso gemeinsam durchgehungert.
Dann schleicht die Frau in die Nachbarschaft und Umgebung, borgt sich ein weniges aus, macht kleine Schulden beim Krämer und sucht so die bösen letzten Tage der Woche durchzuhalten. Mittags sitzen sie alle beisammen vor mageren Schüsseln, manchmal auch vor nichts, und warten auf den kommenden Lohntag, reden von ihm, machen Pläne, und wahrend sie hungern, träumen sie schon wieder vom kommenden Glück.
So werden die kleinen Kinder in ihrer frühesten Jugend mit diesem Jammer vertraut gemacht.
Übel aber endet es, wenn der Mann von Anfang an seine eigenen Wege geht und das Weib, gerade den Kindern zuliebe, dagegen auftritt. Dann gibt es Streit und Hader, und in dem Maße, in dem der Mann der Frau nun fremder wird, kommt er dem Alkohol näher. Jeden Samstag ist er nun betrunken, und im Selbsterhaltungstrieb für sich und ihre Kinder rauft sich das Weib um die wenigen Groschen, die sie ihm, noch dazu meistens auf dem Wege von der Fabrik zur Spelunke, abbiegen muß. Kommt er endlich Sonntag oder Montag nachts selber nach Hause betrunken und brutal, immer aber befreit vom letzten Heller und Pfennig, dann spielen sich oft Szenen ab, daß Gott erbarm'.
In Hunderten von Beispielen habe ich dieses alles miterlebt, anfangs angewidert oder wohl auch empört, um später die ganze Tragik dieses Leides zu begreifen, die tieferen Ursachen zu verstehen. Unglückliche Opfer schlechter Verhältnisse.
Fast trüber noch waren damals die Wohnungsverhältnisse. Das Wohnungselend des Wiener Hilfsarbeiters war ein entsetzliches. Mich schaudert noch heute, wenn ich an diese jammervollen Wohnhöhlen denke, an Herberge und Massenquartier, an diese düsteren Bilder von Unrat, widerlichem Schmutz und Ärgerem.
Wie mußte und wie muß dies einst werden, wenn aus diesen Elendshöhlen der Strom losgelassener Sklaven über die andere, so gedankenlose Mitwelt und Mitmenschheit sich ergießt!
Denn gedankenlos ist diese andere Welt. Gedankenlos läßt sie die Dinge eben treiben, ohne in ihrer Instinktlosigkeit auch nur zu ahnen, daß früher oder später das Schicksal zur Vergeltung schreiten muß, wenn nicht die Menschen zur Zeit noch das Schicksal versöhnen.
Wie bin ich heute dankbar jener Vorsehung, die mich in diese Schule gehen ließ. In ihr konnte ich nicht mehr sabotieren, was mir nicht gefiel. Sie hat mich schnell und gründlich erzogen.
Wollte ich nicht verzweifeln an den Menschen meiner Umgebung von damals, mußte ich unterscheiden lernen zwischen ihrem äußeren Wesen und Leben und den Gründen ihrer Entwicklung. Nur dann ließ sich dies alles ertragen, ohne verzagen zu müssen. Dann wuchsen aus all dem Unglück und Jammer, aus Unrat und äußerer Verkommenheit nicht mehr Menschen heraus, sondere traurige Ergebnisse trauriger Gesetze; wobei mich die Schwere des eigenen, doch nicht leichteren Lebenskampfes davor bewahrte, nun etwa in jämmerlicher Sentimentalität vor den verkommenen Schlußprodukten dieses Entwicklungsprozesses zu kapitulieren.
Nein, so soll dies nicht verstanden werden.
Schon damals ersah ich, daß mir nur ein doppelter Weg zum Ziele einer Besserung dieser Zustände führen könne:
Tiefstes soziales Verantwortungsgefühl zur Herstellung besserer Grundlagen unserer Entwicklung, gepaart mit brutaler Entschlossenheit in der Niederbrechung unverbesserlicher Auswüchslinge.
So wie die Natur ihre größte Aufmerksamkeit nicht auf die Erhaltung des Bestehenden, sondern auf die Züchtung des Nachwuchses, als des Trägers der Art, konzentriert, so kann es sich auch im menschlichen Leben weniger darum handeln, bestehendes Schlechtes künstlich zu veredeln, was bei der Veranlagung des Menschen zu neunundneunzig Prozent unmöglich ist, als darum, einer kommenden Entwicklung gesündere Bahnen von Anfang an zu sichern. Schon während meines Wiener Existenzkampfes war mir klar geworden, daß die soziale Tätigkeit nie und immer in ebenso lächerlichen wie zwecklosen Wohlfahrtsduseleien ihre Aufgabe zu erblicken hat, als vielmehr in der Beseitigung solcher grundsätzlicher Mängel in der Organisation unseres Wirtschafts- und Kulturlebens, die zu Entartungen einzelner führen müssen oder wenigstens verleiten können.
Die Schwierigkeiten des Vorgehens mit letzten und brutalsten Mitteln gegen das staatsfeindliche Verbrechertum liegt ja nicht zum wenigsten gerade in der Unsicherheit des Urteils über die inneren Beweggründe oder Ursachen solcher Zeiterscheinungen.
Diese Unsicherheit ist nur zu begründet im Gefühl einer eigenen Schuld an solchen Tragödien der Verkommenheit; sie lähmt aber nun jeden ernsten und festen Entschluß und hilft so mit an der, weil schwankend, auch schwachen und halben Durchführung selbst der notwendigsten Maßnahmen der Selbsterhaltung.
Erst wenn einmal eine Zeit nicht mehr von den Schatten des eigenen Schuldbewußtseins umgeistert ist, erhält sie mit der innere Ruhe auch die äußere Kraft, brutal und rücksichtslos die wilden Schößlinge herauszuschneiden, das Unkraut auszujäten.
Da der österreichische Staat eine soziale Rechtsprechung, und Gesetzgebung überhaupt so gut als gar nicht kannte, war auch seine Schwäche in der Niederkämpfung selbst böser Auswüchse in die Augen springend groß.
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Ich weiß nicht, was mich nun zu dieser Zeit am meisten entsetzte: das wirtschaftliche Elend meiner damaligen Mitgefährten, die sittliche und moralische Roheit oder der Tiefstand ihrer geistigen Kultur. Wie oft fährt nicht unser Bürgertum in aller moralischen Entrüstung empor, wenn es aus dem Munde irgendeines jämmerlichen Landstreichers die Äußerung vernimmt, daß es sich ihm gleichbleibe, Deutscher zu sein oder auch nicht, daß er sich überall gleich wohl fühle, sofern er nur sein nötiges Auskommen habe.
Dieser Mangel an "Nationalstolz" wird dann auf das tiefste beklagt und dem Abscheu vor einer solchen Gesinnung kräftig Ausdruck gegeben.
Wie viele haben sich aber schon die Frage vorgelegt, was denn nun eigentlich bei ihnen selber die Ursache ihrer besseren Gesinnung bildet?
Wie viele begreifen denn die Unzahl einzelner Erinnerungen an die Größe des Vaterlandes, der Nation, auf allen Gebieten des kulturellen und künstlerischen Lebens, die ihnen als Sammelergebnis eben den berechtigten Stolz vermitteln, Angehörige eines so begnadeten Volkes sein zu dürfen?
Wie viele ahnen denn, wie sehr der Stolz auf das Vaterland abhängig ist von der Kenntnis der Größe desselben auf allen diesen Gebieten?
Denken nun unsere bürgerlichen Kreise darüber nach, in welch lächerlichem Umfange diese Voraussetzung zum Stolz auf das Vaterland dem "Volke" vermittelt wird? Man rede sich nicht darauf hinaus, daß in "anderen Ländern dies ja auch nicht anders" sei, der Arbeiter dort aber "dennoch" zu seinem Volkstum stände. Selbst wenn dies so wäre, würde es nicht zur Entschuldigung eigener Versäumnisse dienen können. Es ist aber nicht so. Denn was wir immer mit einer "chauvinistischen" Erziehung, z. B. des französischen Volkes bezeichnen, ist doch nichts anderes als das übermäßige Herausheben der Größe Frankreichs auf allen Gebieten der Kultur oder, wie der Franzose zu sagen pflegt, der "Zivilisation". Der junge Franzose wird eben nicht zur Objektivität erzogen, sondern zur subjektivsten Ansicht, die man sich nur denken kann, sofern es sich um die Bedeutung der politischen oder kulturellen Größe seines Vaterlandes handelt.
Diese Erziehung wird sich dabei immer auf allgemeine, ganz große Gesichtspunkte zu beschränken haben, die, wenn nötig, in ewiger Wiederholung dem Gedächtnis und dem Empfinden des Volkes einzuprägen sind.
Nun kommt aber bei uns zur negativen Unterlassungssünde noch die positive Zerstörung des Wenigen, das der einzelne das Glück hat, in der Schule zu lernen. Die Ratten der politischen Vergiftung unseres Volkes fressen auch dieses Wenige noch aus dem Herzen und der Erinnerung der breiten Masse heraus, soweit nicht Not und Jammer schon das ihrige besorgten.
Man stelle sich doch einmal folgendes vor:
In einer Kellerwohnung, aus zwei dumpfen Zimmern bestehend, haust eine siebenköpfige Arbeiterfamilie. Unter den fünf Kindern auch ein Junge von, nehmen wir an, drei Jahren. Es ist dies das Alter, in dem die ersten Eindrücke einem Kinde zum Bewußtsein kommen. Bei Begabten finden sich noch bis in das hohe Alter Spuren der Erinnerung aus dieser Zeit. Schon die Enge und Überfüllung des Raumes führt nicht zu günstigen Verhältnissen. Streit und Hader werden sehr häufig schon auf diese Weise entstehen. Die Menschen leben ja so nicht miteinander, sondern bücken auf einander. Jede, wenn auch kleinste Auseinandersetzung, die in geräumiger Wohnung schon durch ein leichtes Absondern ausgeglichen werden kann, sich so von selbst wieder löst, führt hier zu einem nicht mehr ausgehenden, widerlichen Streit. Bei den Kindern ist dies natürlich noch erträglich; sie streiten in solchen Verhältnissen ja immer und vergessen es untereinander wieder schnell und gründlich. Wenn aber dieser Kampf unter den Eltern selber ausgefochten wird, und zwar fast jeden Tag, in Formen, die an innerer Roheit oft wirklich nichts zu wünschen übriglassen, dann müssen sich, wenn auch noch so langsam, endlich die Resultate eines solchen Anschauungsunterrichtes bei den Kleinen zeigen. Welcher Art sie sein müssen, wenn dieser gegenseitige Zwist die Form roher Ausschreitungen des Vaters gegen die Mutter annimmt, zu Mißhandlungen in betrunkenem Zustande führt, kann sich der ein solches Milieu eben nicht Kennende nur schwer vorstellen. Mit sechs Jahren ahnt der kleine, zu bedauernde Junge Dinge, vor denen auch ein Erwachsener nur Grauen empfinden kann. Moralisch angegiftet, körperlich unterernährt, das arme Köpfchen verlaust, so wandert der junge "Staatsbürger" in die Volksschule. Daß es mit Ach und Krach bis zum Lesen und Schreiben kommt, ist auch so ziemlich alles. Von einem Lernen zu Hause kann keine Rede sein. Im Gegenteil. Mutter und Vater reden ja selbst, und zwar den Kindern gegenüber, in nicht wiederzugebender Weise über Lehrer und Schule, sind viel eher bereit, jenen Grobheiten zu sagen, als etwa ihren kleinen Sprößling über das Knie zu legen und zur Vernunft zu bringen. Was der kleine Kerl sonst noch alles zu Hause hört, führt auch nicht zu einer Stärkung der Achtung vor der lieben Mitwelt. Nichts Gutes wird hier an der Menschheit gelassen, keine Institution bleibt unangefochten; vom Lehrer angefangen bis hinauf zur Spitze des Staates. Mag es sich um Religion handeln oder um Moral an sich, um den Staat oder die Gesellschaft, einerlei, es wird alles beschimpft, in der unflätigsten Weise in den Schmutz einer niedrigsten Gesinnung gezerrt. Wenn der junge Mensch nun mit vier. zehn Jahren aus der Schule entlassen wird, ist es schon schwer mehr zu entscheiden, was größer ist an ihm: die unglaubliche Dummheit, insofern es sich um wirkliches Wissen und Können handelt, oder die ätzende Frechheit seines Auftretens, verbunden mit einer Unmoral schon in diesem Alter, daß einem die Haare zu Berge stehen könnten.
Welche Stellung aber kann dieser Mensch, dem jetzt schon kaum mehr etwas heilig ist, der ebensosehr nichts Großes kennengelernt hat, wie er umgekehrt jede Niederung des Lebens ahnt und weiß, im Leben einnehmen, in das er ja nun hinauszutreten sich anschickt?
Aus dem dreijährigen Kinde ist ein fünfzehnjähriger Verächter jeder Autorität geworden. Der junge Mensch ist nur mit Schmutz und Unrat in Berührung gekommen und hat noch nichts kennengelernt, das ihn zu irgendeiner höheren Begeisterung anzuregen vermöchte.
Jetzt aber kommt er erst noch in die Hohe Schule dieses Daseins.
Nun setzt das gleiche Leben ein, das er vom Vater die Jahre der Kindheit entlang in sich aufgenommen hatte. Er streunt herum und kommt weiß Gott wann nach Hause, prügelt zur Abwechslung auch noch selber das zusammengerissene Wesen, das einst seine Mutter war, flucht aber Gott und die Welt und wird endlich aus irgendeinem besonderen Anlaß verurteilt und in ein Jugendlichengefängnis verbracht.
Dort erhält er den letzten Schliff.
Die liebe bürgerliche Mitwelt aber ist ganz erstaunt über die mangelnde "nationale "Begeisterung" dieses jungen "Staatsbürgers".
Sie sieht, wie in Theater und Kino, in Schundliteratur und Schmutzpresse Tag für Tag das Gift kübelweise in das Volk hineingeschüttet wird, und erstaunt dann aber den geringen "sittlichen "Gehalt", die "nationale "Gleichgültigkeit" der Massen dieses Volkes. Als ob Kinokitsch, Schundpresse und ähnliches die Grundlagen der Erkenntnis vaterländischer Größe abgeben würden. Von der früheren Erziehung des einzelnen ganz abgesehen.
Was ich ehedem nie geahnt hatte, lernte ich damals schnell und gründlich verstehen:
Die Frage der "Nationalisierung" eines Volkes ist mit in erster Linie eine Frage der Schaffung gesunder sozialer Verhältnisse als Fundament einer Erziehungsmöglichkeit des einzelnen. Denn nur wer durch Erziehung und Schule die kulturelle, wirtschaftliche, vor allem aber politische Größe des eigenen Vaterlandes kennengelernt, vermag und wird auch jenen inneren Stolz gewinnen, Angehöriger eines solchen Volkes sein zu dürfen. Und kämpfen kann ich nur für etwas, das ich liebe, lieben nur, was ich achte, und achten, was ich mindestens kenne.
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Sowie mein Interesse für die soziale Frage erweckt war, begann ich sie auch mit aller Gründlichkeit zu studieren. Es war eine neue, bisher unbekannte Welt, die sich mir so erschloß.
In den Jahren 1909 auf 1910 hatte sich auch meine eigene Lage insofern etwas geändert, als ich nun selber nicht mehr als Hilfsarbeiter mir mein tägliches Brot zu verdienen brauchte. Ich arbeitete damals schon selbständig als kleiner Zeichner und Aquarellist. So bitter dies in bezug auf den Verdienst war es langte wirklich kaum zum Leben, so gut war es aber für meinen erwählten Beruf. Nun war ich nicht mehr wie früher des Abends nach der Rückkehr von der Arbeitsstelle todmüde, unfähig, in ein Buch zu sehen, ohne in kurzer Zeit einzunicken. Meine jetzige Arbeit verlief ja parallel meinem künftigen Berufe. Auch konnte ich nun als Herr meiner eigenen Zeit mir diese wesentlich besser einteilen, als dies früher möglich war.
Ich malte zum Brotverdienen und lernte zur Freude.
So war es mir auch möglich, zu meinem Anschauungsunterricht über das soziale Problem die notwendige theoretische Ergänzung gewinnen zu können. Ich studierte so ziemlich alles, was ich über dieses ganze Gebiet an Büchern erhalten konnte, und vertiefte mich im übrigen in meine eigenen Gedanken.
Ich glaube, meine Umgebung von damals hielt mich wohl für einen Sonderling.
Daß ich dabei mit Feuereifer meiner Liebe zur Baukunst diente, war natürlich. Sie erschien mir neben der Musik als die Königin der Künste: meine Beschäftigung mit ihr war unter solchen Umständen auch keine "Arbeit", sondern höchstes Glück. Ich konnte bis in die späte Nacht hinein lesen oder zeichnen, müde wurde ich da nie. So verstärkte sich mein Glaube, daß mir mein schöner Zukunftstraum, wenn auch nach langen Jahren, doch Wirklichkeit werden würde. Ich war fest überzeugt, als Baumeister mir dereinst einen Namen zu machen.
Daß ich nebenbei auch das größte Interesse für alles, was mit Politik zusammenhing, besaß, schien mir nicht viel zu bedeuten. Im Gegenteil: dies war in meinen Augen ja die selbstverständliche Pflicht jedes denkenden Menschen überhaupt. Wer dafür kein Verständnis besaß, verlor eben das Recht zu jeglicher Kritik und jeglicher Beschwerde.
Auch hier las und lernte ich also viel.
Freilich verstehe ich unter "lesen" vielleicht etwas anderes als der große Durchschnitt unserer sogenannten "Intelligenz".
Ich kenne Menschen, die unendlich viel "lesen", und zwar Buch für Buch, Buchstaben um Buchstaben, und die ich doch nicht als "belesen" bezeichnen möchte. Sie besitzen freilich eine Unmenge von "Wissen", allein ihr Gehirn versteht nicht, eine Einteilung und Registratur dieses in sich aufgenommenen Materials durchzuführen. Es fehlt ihnen die Kunst, im Buche das für sie Wertvolle vom Wertlosen zu sondern, das eine dann im Kopfe zu behalten für immer, das andere, wenn möglich, gar nicht zu sehen, auf jeden Fall aber nicht als zwecklosen Ballast mitzuschleppen. Auch das Lesen ist ja nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu einem solchen. Es soll in erster Linie mithelfen den Rahmen zu füllen, den Veranlagung und Befähigung jedem ziehen; mithin soll es Werkzeug und Baustoffe liefern, die der einzelne in seinem Lebensberuf nötig hat, ganz gleich, ob dieser nur dem primitiven Broterwerb dient oder die Befriedigung einer höheren Bestimmung darstellt; in zweiter Linie aber soll es ein allgemeines Weltbild vermitteln. In beiden Fällen ist es aber nötig, daß der Inhalt des jeweilig Gelesenen nicht in der Reihenfolge des Buches oder gar der Bücherfolge dem Gedächtnis zur Aufbewahrung übergeben wird, sondern als Mosaiksteinchen in dem allgemeinen Weltbilde seinen Platz an der ihm zukommenden Stelle erhält und so eben mithilft, dieses Bild im Kopfe des Lesers zu formen. Im anderen Falle entsteht ein wirres Durcheinander von eingelerntem Zeug, das ebenso wertlos ist, wie es andererseits den unglücklichen Besitzer eingebildet macht. Denn dieser glaubt nun wirklich allen Ernstes "gebildet" zu sein, vom Leben etwas zu verstehen, Kenntnisse zu besitzen, während er mit jedem neuen Zuwachs dieser Art von "Bildung" in Wahrheit der Welt sich mehr und mehr entfremdet, bis er nicht selten entweder in einem Sanatorium oder als "Politiker" in einem Parlament endet.
Niemals wird es so einem Kopfe gelingen, aus dem Durcheinander seines "Wissens" das für die Forderung einer Stunde Passende herauszuholen, da ja sein geistiger Ballast nicht in den Linien des Lebens geordnet liegt, sondern in der Reihenfolge der Bücher, wie er sie las und wie ihr Inhalt ihm nun im Kopfe sitzt. Würde das Schicksal bei seinen Anforderungen des täglichen Lebens ihn immer an die richtige Anwendung des einst Gelesenen erinnern, so müßte es aber auch noch Buch und Seitenzahl erwähnen, da der arme Tropf sonst in aller Ewigkeit das Richtige nicht linden würde. Da es dies nun aber nicht tut, geraten diese neunmal Klugen bei jeder kritischen Stunde in die schrecklichste Verlegenheit, suchen krampfhaft nach analogen Fällen und erwischen mit tödlicher Sicherheit natürlich die falschen Rezepte.
Wäre es nicht so, könnte man die politischen Leistungen unserer gelehrten Regierungsheroen in höchsten Stellen nicht begreifen, außer man entschlösse sich, anstatt pathologischer Veranlagung schurkenhafte Niedertracht anzunehmen.
Wer aber die Kunst des richtigen Lesens inne hat, den wird das Gefühl beim Studieren jedes Buches, jeder Zeitschrift oder Broschüre augenblicklich auf all das aufmerksam machen, was seiner Meinung nach für ihn zur dauernden Festhaltung geeignet ist, weil entweder zweckmäßig oder allgemein wissenswert. Sowie das auf solche Weise Gewonnene seine sinngemäße Eingliederung in das immer schon irgendwie vorhandene Bild, das sich die Vorstellung von dieser oder jener Sache geschaffen hat, findet, wird es entweder korrigierend oder ergänzend wirken, also entweder die Richtigkeit oder Deutlichkeit desselben erhöhen. Legt nun das Leben plötzlich irgendeine Frage zur Prüfung oder Beantwortung vor, so wird bei einer solchen Art des Lesens das Gedächtnis augenblicklich zum Maßstabe des schon vorhandenen Anschauungsbildes greifen und aus ihm alle die in Jahrzehnten gesammelten einzelnen diese Fragen betreffenden Beiträge herausholen, dem Verstande unterbreiten zur Prüfung und neuen Einsichtnahme, bis die Frage geklärt oder beantwortet ist.
Nur so hat das Lesen dann Sinn und Zweck.
Ein Redner zum Beispiel, der nicht auf solche Weise seinem Verstande die nötigen Unterlagen liefert, wird nie in der Lage sein, bei Widerspruch zwingend seine Ansicht zu vertreten, mag sie auch tausendmal der Wahrheit oder Wirklichkeit entsprechen. Bei jeder Diskussion wird ihn das Gedächtnis schnöde im Stiche lassen: er wird weder Gründe zur Erhärtung des von ihm selbst Behaupteten noch solche zur Widerlegung des Gegners finden. Solange es sich dabei, wie bei einem Redner, in erster Linie nur um die Blamage der eigenen Person handelt, mag dies noch hingehen, böse aber wird es, wenn das Schicksal einen solchen Vielwisser, über Nichtskönner zum Leiter eines Staates bestellt.
Ich habe mich seit früher Jugend bemüht, auf richtige Art zu lesen, und wurde dabei in glücklichster Weise von Gedächtnis und Verstand unterstützt. Und in solchem Sinne betrachtet, war für mich besonders die Wiener Zeit fruchtbar und wertvoll. Die Erfahrungen des täglichen Lebens bildeten die Anregung zu immer neuem Studium der verschiedensten Probleme. Indem ich endlich so in der Lage war, die Wirklichkeit theoretisch zu begründen, die Theorie an der Wirklichkeit zu prüfen, wurde ich davor bewahrt, entweder in der Theorie zu ersticken oder in der Wirklichkeit zu verflachen.
So wurde in dieser Zeit in zwei wichtigsten Fragen, außer der sozialen, die Erfahrung des täglichen Lebens bestimmend und anregend für gründlichstes theoretisches Studium. Wer weiß, wann ich mich in die Lehren und das Wesen des Marxismus einmal vertieft hätte, wenn mich nicht die damalige Zeit förmlich mit dem Kopfe auf dieses Problem gestoßen hätte!
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Was ich in meiner Jugend von der Sozialdemokratie wußte, war herzlich wenig und reichlich unrichtig.
Daß sie den Kampf um das allgemeine und geheime Wahlrecht führte, freute mich innerlich. Sagte mir doch mein Verstand schon damals, daß dies zu einer Schwächung des mir so sehr verhaßten Habsburgerregiments führen müßte. In der Überzeugung, daß der Donaustaat, außer unter Opferung des Deutschtums, doch nie zu halten sein werde, daß aber selbst der Preis einer langsamen Slawisierung des deutschen Elements noch keineswegs die Garantie eines dann auch wirklich lebensfähigen Reiches bedeutet hätte, da die staatserhaltende Kraft des Slaventums höchst zweifelhaft eingeschätzt werden muß, begrüßte ich jede Entwicklung, die meiner Überzeugung nach zum Zusammenbruch dieses unmöglichen, das Deutschtum in zehn Millionen Menschen zum Tode verurteilenden Staates führen mußte. Je mehr das Sprachentohuwabohu auch das Parlament zerfraß und zersetzte, mußte die Stunde des Zerfalles dieses babylonischen Reiches näherrücken und damit aber auch die Stunde der Freiheit meines deutschösterreichischen Volkes. Nur so konnte dann dereinst der Anschlug an das alte Mutterland wieder kommen.
So war mir also diese Tätigkeit der Sozialdemokratie nicht unsympathisch. Daß sie endlich, wie mein damaliges harmloses Gemüt noch dumm genug war zu glauben, die Lebensbedingungen des Arbeiters zu heben trachtete, schien mir ebenfalls eher für sie als gegen sie zu sprechen. Was mich am meisten abstieg, war ihre feindselige Stellung gegenüber dem Kampf um die Erhaltung des Deutschtums, das jämmerliche Buhlen um die Gunst der slawischen "Genossen", die diese Liebeswerbung, sofern sie mit praktischen Zugeständnissen verbunden war, wohl entgegennahmen, sonst sich aber arrogant hochnäsig zurückhielten, den zudringlichen Bettlern auf diese Weise den verdienten Lohn gebend.
So war mir im Alter von siebzehn Jahren das Wort "Marxismus" noch wenig bekannt, wahrend mir "Sozialdemokratie" und Sozialismus als identische Begriffe erschienen. Es bedurfte auch hier erst der Faust des Schicksals, um mir das Auge über diesen unerhörtesten Völkerbetrug zu öffnen.
Hatte ich bis dorthin die sozialdemokratische Partei nur als Zuschauer bei einigen Massendemonstrationen kennengelernt, ohne auch nur den geringsten Einblick in die Mentalität ihrer Anhänger oder gar in das Wesen der Lehre zu besitzen, so kam ich nun mit einem Schlage mit den Produkten ihrer Erziehung und "Weltanschauung" in Berührung. Und was sonst vielleicht erst nach Jahrzehnten eingetreten wäre, erhielt ich jetzt im Laufe weniger Monate: das Verständnis für eine unter der Larve sozialer Tugend und Nächstenliebe wandelnde Pestilenz, von der möglichst die Menschheit schnell die Erde befreien möge, da sonst gar leicht die Erde von der Menschheit frei werden könnte.
Am Bau fand mein erstes Zusammentreffen mit Sozialdemokraten statt.
Es war schon von Anfang an nicht sehr erfreulich. Meine Kleidung war noch etwas in Ordnung, meine Sprache gepflegt und mein Wesen zurückhaltend. Ich hatte mit meinem Schicksal noch so viel zu tun, daß ich mich um meine Umwelt nur wenig zu kümmern vermochte. Ich suchte nur nach Arbeit, um nicht zu verhungern, um damit die Möglichkeit einer, wenn auch noch so langsamen, Weiterbildung zu er. halten. Ich würde mich um meine neue Umgebung vielleicht überhaupt nicht gekümmert haben, wenn nicht schon am dritten oder vierten Tage ein Ereignis eingetreten wäre, das mich sofort zu einer Stellungnahme zwang. Ich wurde aufgefordert, in die Organisation einzutreten.
Meine Kenntnisse der gewerkschaftlichen Organisation waren damals noch gleich Null. Weder die Zweckmäßigkeit noch die Unzweckmäßigkeit ihres Bestehens hätte ich zu beweisen vermocht. Da man mir erklärte, daß ich eintreten müsse, lehnte ich ab. Ich begründete dies damit, daß ich die Sache nicht verstünde, mich aber überhaupt zu nichts zwingen lasse. Vielleicht war das erstere der Grund, warum man mich nicht sofort hinauswarf. Man mochte vielleicht hoffen, mich in wenigen Tagen bekehrt oder mürbe gemacht zu haben. Jedenfalls hatte man sich darin gründlich getäuscht. Nach vierzehn Tagen konnte ich dann aber nicht mehr, auch wenn ich sonst noch gewollt hätte. In diesen vierzehn Tagen lernte ich meine Umgebung näher kennen, so daß mich keine Macht der Welt mehr zum Eintritt in eine Organisation hätte bewegen können, deren Träger mir in. zwischen in so ungünstigem Lichte erschienen waren.
Die ersten Tage war ich ärgerlich.
Mittags ging ein Teil in die zunächst gelegenen Wirtshäuser, während ein anderer am Bauplatz verblieb und dort ein meist sehr ärmliches Mittagsmahl verzehrte. Es waren dies die Verheirateten, denen ihre Frauen in armseligen Geschirren die Mittagssuppe brachten. Gegen Ende der Woche wurde diese Zahl immer größer; warum, begriff ich erst später. Nun wurde politisiert.
Ich trank meine Flasche Milch und aß mein Stück Brot irgendwo seitwärts und studierte vorsichtig meine neue Umgebung oder dachte über mein elendes Los nach. Dennoch hörte ich mehr als genug; auch schien es mir oft, als ob man mit Absicht an mich heranrückte, um mich so vielleicht zu einer Stellungnahme zu veranlassen. Jedenfalls war das, was ich so vernahm, geeignet, mich aufs äußerste aufzureizen. Man lehnte da alles ab: die Nation, als eine Erfindung der "kapitalistischen" wie oft mußte ich nur allein dieses Wort hören! Klassen; das Vaterland, als Instrument der Bourgeoisie zur Ausbeutung der Arbeiterschaft; die Autorität des Gesetzes als Mittel zur Unterdrückung des Proletariats; die Schule, als Institut zur Züchtung des Sklavenmaterials, aber auch der Sklavenhalter; die Religion, als Mittel der Verblödung des zur Ausbeutung bestimmten Volkes; die Moral, als Zeichen dummer Schafsgeduld usw. Es gab da aber rein gar nichts, was nicht in den Kot einer entsetzlichen Tiefe gezogen wurde.
Anfangs versuchte ich zu schweigen. Endlich ging es aber nicht mehr. Ich begann Stellung zu nehmen, begann zu widersprechen. Da mußte ich allerdings erkennen, daß dies so lange vollkommen aussichtslos war, solange ich nicht wenigstens bestimmte Kenntnisse über die nun einmal umstrittenen Punkte besaß. So begann ich in den Quellen zu spüren, aus denen sie ihre vermeintliche Weisheit zogen. Buch um Buch, Broschüre um Broschüre kam jetzt an die Reihe.
Am Bau aber ging es nun oft heiß her. Ich stritt, von Tag zu Tag besser auch über ihr eigenes Wissen informiert als meine Widersacher selber, bis eines Tages jenes Mittel zur Anwendung kam, das freilich die Vernunft am leichtesten besiegt: der Terror, die Gewalt. Einige der Wortführer der Gegenseite zwangen mich, entweder den Bau sofort zu verlassen oder vom Gerüst herunterzufliegen. Da ich allein war, Widerstand aussichtslos erschien. zog ich es, um eine Erfahrung reicher, vor, dem ersten Rat zu folgen.
Ich ging, von Ekel erfüllt, aber zugleich doch so ergriffen, daß es mir ganz unmöglich gewesen wäre, der ganzen Sache nun den Rücken zu kehren. Nein, nach dem Aufschießen der ersten Empörung gewann die Halsstarrigkeit wieder die Oberhand. Ich war fest entschlossen, dennoch wieder auf einen Bau zu gehen. Bestärkt wurde ich in diesem Entschluß noch durch die Not, die einige Wochen später, nach dem Verzehren des geringen ersparten Lohnes, mich in ihre herzlosen. Arme schloß. Nun mußte ich, ob ich wollte oder nicht. Und das Spiel ging denn auch wieder von vorne los, um ähnlich wie beim ersten Male, zu enden.
Damals rang ich in meinem Innern: Sind dies noch Menschen, wert, einem großen Volke anzugehören?
Eine qualvolle Frage; denn wird sie mit Ja beantwortet, so ist der Kampf um ein Volkstum wirklich nicht mehr der Mühen und Opfer wert, die die Besten für einen solchen Auswurf zu bringen haben; heißt die Antwort aber Nein, dann ist unser Volk schon arm an Menschen. Mit unruhiger Beklommenheit sah ich in solchen Tagen des Grübelns und Hineinbohrens die Masse der nicht mehr zu ihrem Volke zu Rechnenden anschwellen zu einem bedrohlichen Heere.
Mit welch anderen Gefühlen starrte ich nun in die endlosen Viererreihen einer eines Tages stattfindenden Massendemonstration Wiener Arbeiter! Fast zwei Stunden lang stand ich so da und beobachtete mit angehaltenem Atem den ungeheuren menschlichen Drachenwurm, der sich da langsam vorbeiwälzte. In banger Gedrücktheit verließ ich endlich den Platz und wanderte heimwärts. Unterwegs erblickte ich in einem Tabakladen die "Arbeiterzeitung", das Zentralorgan der alten österreichischen Sozialdemokratie. In einem billigen Volkscafé, in das ich öfters ging, um Zeitungen zu lesen, lag sie auch auf; allein ich konnte es bisher nicht über mich bringen, in das elende Blatt, dessen ganzer Ton auf mich wie geistiges Vitriol wirkte, länger als zwei Minuten hineinzusehen. Unter dem deprimierenden Eindruck der Demonstration trieb mich nun eine innere Stimme an, das Blatt einmal zu kaufen und es dann gründlich zu lesen. Abends besorgte ich dies denn auch unter Überwindung des in mir manchmal aufsteigenden Jähzorns über diese konzentrierte Lügenlösung.
Mehr als aus aller theoretischen Literatur konnte ich nun aus dem täglichen Lesen der sozialdemokratischen Presse das innere Wesen dieser Gedankengänge studieren.
Denn welch ein Unterschied zwischen den in der theoretischen Literatur schillernden Phrasen von Freiheit, Schönheit und Würde, dem irrlichternden, scheinbar tiefste Weisheit mühsam ausdrückenden Wortgeflunker, der widerlich humanen Moral alles mit der eisernen Stirne einer prophetischen Sicherheit hingeschrieben und der brutalen, vor keiner Niedertracht zurückschreckenden, mit jedem Mittel der Verleumdung und einer wahrhaft balkenbiegenden Lügenvirtuosität arbeitenden Tagespresse dieser Heilslehre der neuen Menschheit! Das eine ist bestimmt für die dummen Gimpel aus mittleren und natürlich auch höheren "Intelligenzschichten", das andere für die Masse. Für mich bedeutete das Vertiefen in Literatur und Presse dieser Lehre und Organisation das Wiederfinden zu meinem Volke.
Was mir erst als unüberbrückbare Kluft erschien, sollte nun Anlaß zu einer größeren Liebe als jemals zuvor werden.
Nur ein Narr vermag bei Kenntnis dieser ungeheuren Vergiftungsarbeit das Opfer auch noch zu verdammen. je mehr ich mich in den nächsten Jahren selbständig machte, um so mehr wuchs mit steigender Entfernung der Blick für die inneren Ursachen der sozialdemokratischen Erfolge. Nun begriff ich die Bedeutung der brutalen Forderung, nur rote Zeitungen zu halten, nur rote Versammlungen zu besuchen, rote Bücher zu lesen usw. In plastischer Klarheit sah ich das zwangsläufige Ergebnis dieser Lehre der Unduldsamkeit vor Augen.
Die Psyche der breiten Masse ist nicht empfänglich für alles Halbe und Schwache.
Gleich dem Weibe, dessen seelisches Empfinden weniger durch Gründe abstrakter Vernunft bestimmt wird als durch solche einer undefinierbaren, gefühlsmäßigen Sehnsucht nach ergänzender Kraft, und das sich deshalb lieber dem Starken beugt als den Schwächling beherrscht, liebt auch die Masse mehr den Herrscher als den Bittenden und fühlt sich im Innern mehr befriedigt durch eine Lehre, die keine andere neben sich duldet, als durch die Genehmigung liberaler Freiheit; sie weiß mit ihr auch meist nur wenig anzufangen und fühlt sich sogar leicht verlassen. Die Unverschämtheit ihrer geistigen Terrorisierung kommt ihr ebensowenig zum Bewußtsein wie die empörende Mißhandlung ihrer menschlichen Freiheit, ahnt sie doch den inneren Irrsinn der ganzen Lehre in keiner Weise. So sieht sie nur die rücksichtslose Kraft und Brutalität ihrer zielbewußten Äußerungen, der sie sich endlich immer beugt.
Wird der Sozialdemokratie eine Lehre von besserer Wahrhaftigkeit, aber gleicher Brutalität der Durchführung entgegengestellt, wird diese siegen, wenn auch nach schwerstem Kampfe.
Ehe nur zwei Jahre vergangen waren, war mir sowohl die Lehre als auch das technische Werkzeug der Sozialdemokratie klar.
Ich begriff den infamen geistigen Terror, den diese Bewegung vor allem auf das solchen Angriffen weder moralisch noch seelisch gewachsene Bürgertum ausübt, indem sie auf ein gegebenes Zeichen immer ein förmliches Trommelfeuer von Lügen und Verleumdungen gegen den ihr am gefährlichsten erscheinenden Gegner losprasseln läßt, so lange, bis die Nerven der Angegriffenen brechen und sie, um nur wieder Ruhe zu haben, den Verhaßten opfern.
Allein die Ruhe erhalten diese Toren dennoch nicht.
Das Spiel beginnt von neuem und wird so oft wiederholt, bis die Furcht vor dem wilden Köter zur suggestiven Lähmung wird.
Da die Sozialdemokratie den Wert der Kraft aus eigener Erfahrung am besten kennt, läuft sie auch am meisten Sturm gegen diejenigen, in deren Wesen sie etwas von diesem ohnehin so seltenen Stoffe wittert. Umgekehrt lobt sie jeden Schwächling der anderen Seite, bald vorsichtig, bald lauter, je nach der erkannten oder vermuteten geistigen Qualität.
Sie fürchtet ein ohnmächtiges, willenloses Genie weniger als eine Kraftnatur, wenn auch bescheidenen Geistes.
Am eindringlichsten empfiehlt sie Schwächlinge an Geist und Kraft zusammen.
Sie versteht den Anschein zu erwecken, als ob nur so die Ruhe zu erhalten wäre, während sie dabei in kluger Vorsicht, aber dennoch unentwegt eine Position nach der anderen erobert, bald durch stille Erpressung, bald durch tatsächlichen Diebstahl in Momenten, da die allgemeine Aufmerksamkeit, anderen Dingen zugewendet, entweder nicht gestört sein will oder die Angelegenheit für zu klein hält, um großes Aufsehen zu erregen und den bösen Gegner neu zu reizen.
Es ist eine unter genauer Berechnung aller menschlichen Schwächen gefundene Taktik, deren Ergebnis fast mathematisch zum Erfolge führen muß, wenn eben nicht auch die Gegenseite lernt, gegen Giftgas mit Giftgas zu kämpfen.
Schwächlichen Naturen muß dabei gesagt werden, daß es sich hierbei eben um Sein oder Nichtsein handelt.
Nicht minder verständlich wurde mir die Bedeutung des körperlichen Terrors dem einzelnen, der Masse gegenüber.
Auch hier genaue Berechnung der psychologischen Wirkung.
Der Terror auf der Arbeitsstätte, in der Fabrik, im Versammlungslokal und anläßlich der Massenkundgebung wird immer von Erfolg begleitet sein, solange ihm nicht ein gleich großer Terror entgegentritt.
Dann freilich wird die Partei in entsetzlichem Geschrei Zeter und Mordio jammern, wird als alte Verächterin jeder Staatsautorität kreischend nach dieser rufen, um in den meisten Fällen in der allgemeinen Verwirrung tatsächlich das Ziel zu erreichen nämlich: sie wird das Hornvieh eines höheren Beamten linden, der, in der blödseligen Hoffnung, sich vielleicht dadurch für später den gefürchteten Gegner geneigt zu machen, den Widersacher dieser Weltpest brechen hilft.
Welchen Eindruck ein solcher Schlag auf die Sinne der breiten Masse sowohl der Anhänger als auch der Gegner ausübt, kann dann nur der ermessen, der die Seele eines Volkes nicht aus Büchern, sondern aus dem Leben kennt. Denn während in den Reihen ihrer Anhänger der erlangte Sieg nunmehr als ein Triumph des Rechtes der eigenen Sache gilt, verzweifelt der geschlagene Gegner in den meisten Fällen am Gelingen eines weiteren Widerstandes überhaupt.
Je mehr ich vor allem die Methoden des körperlichen Terrors kennenlernte, um so größer wurde meine Abbitte den Hunderttausenden gegenüber, die ihm erlagen.
Das danke ich am inständigsten meiner damaligen Leidenszeit, daß sie allein mir mein Volk wiedergegeben hat, daß ich die Opfer unterscheiden lernte von den Verführern.
Anders als Opfer sind die Ergebnisse dieser Menschenverführung nicht zu bezeichnen. Denn wenn ich nun in einigen Bildern mich bemühte das Wesen dieser "untersten" Schichten aus dem Leben heraus zu zeichnen, so würde dies nicht vollständig sein ohne die Versicherung, daß ich aber in diesen Tiefen auch wieder Lichter fand in den Formen einer oft seltenen Opferwilligkeit, treuester Kameradschaft, außerordentlicher Genügsamkeit und zurückhaltender Bescheidenheit, besonders soweit es die damals ältere Arbeiterschaft betraf. Wenn auch diese Tugenden in der jungen Generation mehr und mehr, schon durch die allgemeinen Einwirkungen der Großstadt, verloren wurden, so gab es selbst hier noch viele, bei denen das vorhandene kerngesunde Blut über die gemeinen Niederträchtigkeiten des Lebens Herr wurde. Wenn dann diese oft seelenguten braven Menschen in ihrer politischen Betätigung dennoch in die Reihen der Todfeinde unseres Volkstums eintraten und diese so schließen halfen, dann lag dies daran, daß sie ja die Niedertracht der neuen Lehre weder verstanden noch verstehen konnten, daß niemand sonst sich die Mühe nahm, sich um sie zu kümmern, und daß endlich die sozialen Verhältnisse stärker waren als aller sonstige etwa vorhandene gegenteilige Wille. Die Not, der sie eines Tages so oder so verfielen, trieb sie in das Lager der Sozialdemokratie doch noch hinein.
Da nun das Bürgertum unzählige Male in der ungeschicktesten, aber auch unmoralischsten Weise gegen selbst allgemein menschlich berechtigte Forderungen Front machte, ja oft ohne einen Nutzen aus einer solchen Haltung zu erlangen oder gar überhaupt erwarten zu dürfen, wurde selbst der anständigste Arbeiter aus der gewerkschaftlichen Organisation in die politische Tätigkeit hineingetrieben.
Millionen von Arbeitern waren sicher in ihrem Inneren anfangs Feinde der sozialdemokratischen Partei, wurden aber in ihrem Widerstande besiegt durch eine manches Mal denn doch irrsinnige Art und Weise, in der seitens der bürgerlichen Parteien gegen jede Forderung sozialer Art Stellung genommen wurde. Die einfach bornierte Ablehnung aller Versuche einer Besserung der Arbeitsverhältnisse, der Schutzvorrichtungen an Maschinen, der Unterbindung von Kinderarbeit sowie des Schutzes der Frau wenigstens in den Monaten, da sie unter dem Herzen schon den kommenden Volksgenossen trägt, half mit, der Sozialdemokratie, die dankbar jeden solchen Fall erbärmlicher Gesinnung aufgriff, die Massen in das Netz zu treiben. Niemals kann unser "Politisches" Bürgertum wieder gutmachen, was so gesündigt wurde. Denn indem es gegen alle Versuche einer Beseitigung sozialer Mißstände Widerstand leistete, säte es Haß und rechtfertigte scheinbar selber die Behauptungen der Todfeinde des ganzen Volkstums, daß nur die sozialdemokratische Partei allein die Interessen des schaffenden Volkes verträte.
Es schuf so in erster Linie die moralische Begründung für den tatsächlichen Bestand der Gewerkschaften, der Organisation, die der politischen Partei die größten Zutreiberdienste von jeher geleistet hat.
In meinen Wiener Lehrjahren wurde ich gezwungen, ob ich wollte oder nicht, auch zur Frage der Gewerkschaften Stellung zu nehmen.
Da ich sie als einen unzertrennlichen Bestandteil der sozialdemokratischen Partei an sich ansah, war meine Entscheidung schnell und falsch.
Ich lehnte sie selbstverständlich glatt ab.
Auch in dieser so unendlich wichtigen Frage gab mir das Schicksal selber Unterricht.
Das Ergebnis war ein Umsturz meines ersten Urteils.
Mit zwanzig Jahren hatte ich unterscheiden gelernt zwischen der Gewerkschaft als Mittel zur Verteidigung allgemeiner sozialer Rechte des Arbeitnehmers und zur Erkämpfung besserer Lebensbedingungen desselben im einzelnen und der Gewerkschaft als Instrument der Partei des politischen Klassenkampfes.
Daß die Sozialdemokratie die enorme Bedeutung der gewerkschaftlichen Bewegung begriff, sicherte ihr das Instrument und damit den Erfolg; daß das Bürgertum dies nicht verstand, kostete es seine politische Stellung. Es glaubte, mit einer naseweisen "Ablehnung" einer logischen Entwicklung den Garaus machen zu können, um in Wirklichkeit dieselbe nun in unlogische Bahnen zu zwingen. Denn daß die Gewerkschaftsbewegung etwa an sich vaterlandsfeindlich sei ist ein Unsinn und außerdem eine Unwahrheit. Richtig ist eher das Gegenteil. Wenn eine gewerkschaftliche Betätigung als Ziel die Besserstellung eines mit zu den Grundpfeilern der Nation gehörenden Standes im Auge hat und durchführt, wirkt sie nicht nur nicht vaterlands- oder staatsfeindlich, sondern im wahrsten Sinne des Wortes "national". Hilft sie doch so mit, die sozialen Voraussetzungen zu schaffen, ohne die eine allgemeine nationale Erziehung gar nicht zu denken ist. Sie erwirbt sich höchstes Verdienst, indem sie durch Beseitigung sozialer Krebsschäden sowohl geistigen als aber auch körperlichen Krankheitserregern an den Leib rückt und so zu einer allgemeinen Gesundheit des Volkskörpers mit beiträgt.
Die Frage nach ihrer Notwendigkeit also ist wirklich überflüssig.
Solange es unter Arbeitgebern Menschen mit geringem sozialen Verständnis oder gar mangelndem Rechts- und Billigkeitsgefühl gibt, ist es nicht nur das Recht, sondern die Pflicht der von ihnen Angestellten, die doch einen Teil unseres Volkstums bilden, die Interessen der Allgemeinheit gegenüber der Habsucht oder der Unvernunft eines einzelnen zu schützen; denn die Erhaltung von Treu und Glauben an einem Volkskörper ist im Interesse der Nation genau so wie die Erhaltung der Gesundheit des Volkes.
Beides wird durch unwürdige Unternehmer, die sich nicht als Glied der ganzen Volksgemeinschaft fühlen, schwer bedroht. Aus dem üblen Wirken ihrer Habsucht oder Rücksichtslosigkeit erwachsen tiefe Schäden für die Zukunft. Die Ursachen einer solchen Entwicklung beseitigen, heißt sich ein Verdienst um die Nation erwerben, und nicht etwa umgekehrt.
Man sage dabei nicht, daß es ja jedem einzelnen freistünde, die Folgerungen aus einem ihm tatsächlich oder vermeintlich zugefügten Unrecht zu ziehen, also zu gehen. Nein! Dies ist Spiegelfechterei und muß als Versuch angesehen werden die Aufmerksamkeit abzulenken. Entweder ist die Beseitigung schlechter, unsozialer Vorgänge im Interesse der Nation gelegen oder nicht. Wenn ja, dann muß der Kampf gegen sie mit den Waffen aufgenommen werden, die die Aussicht auf Erfolg bieten. Der einzelne Arbeiter aber ist niemals in der Lage, sich gegenüber der Macht des großen Unternehmers durchzusetzen, da es sich hier nicht um eine Frage des Sieges des höheren Rechtes handeln kann da ja bei Anerkennung desselben der ganze Streit infolge des Mangels jeder Veranlassung nicht vorhanden wäre, sondern um die Frage der größeren Macht. Im anderen Falle würde das vorhandene Rechtsgefühl allein schon der Streit in ehrlicher Weise beenden, oder richtiger, es könnte nie zu einem solchen kommen.
Nein, wenn unsoziale oder unwürdige Behandlung von Menschen zum Widerstande auffordert, dann kann dieser Kampf, solange nicht gesetzliche, richterliche Behörden zur Beseitigung dieser Schäden geschaffen werden, nur durch die größere Macht zur Entscheidung kommen. Damit aber ist selbstverständlich, daß der Einzelperson und mithin konzentrierten Kraft des Unternehmers allein die zur Einzelperson zusammengefaßte Zahl der Arbeitnehmer gegenübertreten kann, um nicht von Anbeginn schon auf die Möglichkeit des Sieges verzichten zu müssen.
So kann die gewerkschaftliche Organisation zu einer Stärkung des sozialen Gedankens in dessen praktischer Auswirkung im täglichen Leben führen und damit zu einer Beseitigung von Reizursachen, die immer wieder die Veranlassung zur Unzufriedenheit und zu Klagen gehen.
Daß es nicht so ist, kommt zu einem sehr großen Teil auf das Schuldkonto derjenigen, die jeder gesetzlichen Regelung sozialer Mißstände Hindernisse in den Weg zu legen, erstanden oder sie mittels ihres politischen Einflusses unterbanden.
In eben dem Maße, in dem das politische Bürgertum dann die Bedeutung der gewerkschaftlichen Organisation nicht verstand oder, besser, nicht verstehen wollte und sich zum Widerstand dagegen stemmte, nahm sich die Sozialdemokratie der umstrittenen Bewegung an. Sie schuf damit weitschauend eine feste Unterlage, die sich schon einigemal in kritischen Stunden als letzte Stütze bewährte. Freilich ging damit der innere Zweck allmählich unter, um neuen Zielen Raum zu geben.
Die Sozialdemokratie dachte nie daran, die von ihr umfaßte Berufsbewegung der ursprünglichen Aufgabe zu erhalten.
Nein, so meinte sie dies allerdings nicht.
In wenigen Jahrzehnten war unter ihrer kundigen Hand aus dem Hilfsmittel einer Verteidigung sozialer Menschenrechte das Instrument zur Zertrümmerung der nationalen Wirtschaft geworden. Die Interessen der Arbeiter sollten sie dabei nicht im geringsten behindern. Denn auch politisch gestattet die Anwendung wirtschaftlicher Druckmittel, jederzeit Erpressungen auszuüben, sowie nur die nötige Gewissenlosigkeit auf der einen und dumme Schafsgeduld auf der anderen Seite in ausreichendem Maße vorhanden ist.
Etwas, das in diesem Falle beiderseits zutrifft.
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Schon um die Jahrhundertwende hatte die Gewerkschaftsbewegung längst aufgehört, ihrer früheren Aufgabe zu dienen. Von Jahr zu Jahr war sie mehr und mehr in den Bannkreis sozialdemokratischer Politik geraten, um endlich nur noch als Ramme des Klassenkampfes Anwendung zu linden. Sie sollte den ganzen, mühselig aufgebauten Wirtschaftskörper durch dauernde Stöße endlich zum Einsturz bringen, um so dem Staatsbau, nach Entzug seiner wirtschaftlichen Grundmauern, das gleiche Schicksal leichter zufügen zu können. Die Vertretung aller wirklichen Bedürfnisse der Arbeiterschaft kam damit immer weniger in Frage, bis die politische Klugheit es endlich überhaupt nicht mehr als wünschenswert erscheinen ließ, die sozialen und gar kulturellen Nöte der breiten Masse zu beheben, da man sonst gar Gefahr lief, diese, in ihren Wünschen befriedigt, nicht mehr als willenlose Kampftruppe ewig weiterbenützen zu können.
Eine derartige, ahnungsvoll gewitterte Entwicklung jagte den klassenkämpferischen Führern solche Furcht ein, daß sie endlich kurzerhand jede wirklich segensvolle soziale Hebung ablehnten, ja auf das entschlossenste dagegen Stellung nahmen.
Um eine Begründung eines vermeintlich so unverständlichen Verhaltens brauchte ihnen dabei nie bange zu sein.
Indem man die Forderungen immer höher spannte, erschien die mögliche Erfüllung derselben so klein und unbedeutend, daß man der Masse jederzeit einzureden vermochte, es handle sich hierbei nur um den teuflischen Versuch, durch solch eine lächerliche Befriedigung heiligster Anrechte die Stoßkraft der Arbeiterschaft auf billige Weise zu schwächen, ja wenn möglich lahmzulegen. Bei der geringen Denkfähigkeit der breiten Masse wundere man sich nicht über den Erfolg.
Im bürgerlichen Lager war man empört über solche ersichtliche Unwahrhaftigkeit sozialdemokratischer Taktik, ohne daraus aber auch nur die geringsten Schlüsse zu ziehen für die Richtlinien eines eigenen Handelns. Gerade die Furcht der Sozialdemokratie vor jeder tatsächlichen Hebung der Arbeiterschaft aus der Tiefe ihres bisherigen kulturellen und sozialen Elends hätte zu größten Anstrengungen eben in dieser Zielrichtung führen müssen, um nach und nach den Vertretern des Klassenkampfes das Instrument aus der Hand zu winden.
Dies geschah jedoch nicht.
Statt in eigenem Angriff die gegnerische Stellung zu nehmen, ließ man sich lieber drücken und drängen, um endlich zu gänzlich unzureichenden Aushilfen zu greifen, die, weil zu spät, wirkungslos blieben, weil zu unbedeutend, auch noch leicht abzulehnen waren. So blieb in Wahrheit alles beim alten, nur die Unzufriedenheit war größer als vorher.
Gleich einer drohenden Gewitterwolke hing schon damals die "freie Gewerkschaft" über dem politischen Horizont und über dem Dasein des einzelnen.
Sie war eines jener fürchterlichen Terrorinstrumente gegen die Sicherheit und Unabhängigkeit der nationalen Wirtschaft, die Festigkeit des Staates und die Freiheit der Person.
Sie war es vor allem, die den Begriff der Demokratie zu einer widerlich-lächerlichen Phrase machte, die Freiheit schändete und die Brüderlichkeit in dem Satze "Und willst du nicht Genosse sein, so schlagen wir dir den Schädel ein" unsterblich verhöhnte.
So lernte ich damals diese Menschheitsfreundin kennen. Im Laufe der Jahre hat sich meine Anschauung über sie erweitert und vertieft, zu ändern brauchte ich sie nicht.
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Je mehr ich Einblick in das äußere Wesen der Sozialdemokratie erhielt, um so größer wurde die Sehnsucht, den inneren Kern dieser Lehre zu erfassen.
Die offizielle Parteiliteratur konnte hierbei freilich nur wenig nützen. Sie ist, soweit es sich um wirtschaftliche Fragen handelt, unrichtig in Behauptung und Beweis; soweit die politischen Ziele behandelt werden, verlogen. Dazu kam, daß ich mich besonders von der neueren rabulistischen Ausdrucksweise und der Art der Darstellung innerlich abgestoßen fühlte. Mit einem ungeheuren Aufwand von Worten unklaren Inhalts oder unverständlicher Bedeutung werden da Sätze zusammengestammelt, die ebenso geistreich sein sollen, wie sie sinnlos sind. Nur die Dekadenz unserer Großstadtbohème mag sich in diesem Irrgarten der Vernunft wohlig zu Hause fühlen, um aus dem Mist dieses literarischen Dadaismus "inneres Erleben" herauszuklauben, unterstützt von der sprichwörtlichen Bescheidenheit eines Teiles unseres Volkes, die im persönlich Unverständlichsten immer um so tiefere Weisheit wittert.
Allein, indem ich so theoretische Unwahrheiten und Unsinn dieser Lehre abwog mit der Wirklichkeit ihrer Erscheinung, bekam ich allmählich ein klares Bild ihres inneren Wollens.
In solchen Stunden beschlichen mich trübe Ahnungen und böse Furcht. Ich sah dann eine Lehre vor mir, bestehend aus Egoismus und Haß, die nach mathematischen Gesetzen zum Siege führen kann, der Menschheit aber damit auch das Ende bringen muß.
Ich hatte ja unterdessen den Zusammenhang zwischen dieser Lehre der Zerstörung und dem Wesen eines Volkes verstehen gelernt, das mir bis dahin so gut wie unbekannt war.
Nur die Kenntnis des Hasstums allein bietet den Schlüssel zum Erfassen der inneren und damit wirklichen Absichten der Sozialdemokratie.
Wer dieses Volk kennt, dem sinken die Schleier irriger Vorstellungen über Ziel und Sinn dieser Partei vom Auge, und aus dem Dunst und Nebel sozialer Phrasen erhebt sich grinsend die Fratze des Marxismus.
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Es ist für mich heute schwer, wenn nicht unmöglich, zu sagen, wann mir zum ersten Male das Wort "Hass" Anlaß zu besonderen Gedanken gab. Im väterlichen Hause erinnere ich mich überhaupt nicht, zu Lebzeiten des Vaters das Wort auch nur gehört zu haben. Ich glaube, der alte Herr würde schon in der besonderen Betonung dieser Bezeichnung eine kulturelle Rückständigkeit erblickt haben. Er war im Laufe seines Lebens zu mehr oder minder weltbürgerlichen Anschauungen gelangt, die sich bei schroffster nationaler Gesinnung nicht nur erhalten hatten, sondern auch auf mich abfärbten.
Auch in der Schule fand ich keine Veranlassung, die bei mir zu einer Veränderung dieses übernommenen Bildes hatte führen können.
In der Realschule lernte ich wohl einen hassischen Knaben kennen, der von uns allen mit Vorsicht behandelt wurde, jedoch nur, weil wir ihm in bezug auf seine Schweigsamkeit, durch verschiedene Erfahrungen gewitzigt, nicht sonderlich vertrauten; irgendein Gedanke kam mir dabei so wenig wie den anderen.
Erst in meinem vierzehnten bis fünfzehnten Jahre stieß ich öfters auf das Wort Hass, zum Teil im Zusammenhange mit politischen Gesprächen. Ich empfand dagegen eine leichte Abneigung und konnte mich eines unangenehmen Gefühls nicht erwehren, das mich immer beschlich, wenn konfessionelle Stänkereien vor mir ausgetragen wurden.
Als etwas anderes sah ich aber damals die Frage nicht an.
Linz besaß nur sehr wenig Hass. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich ihr Äußeres europäisiert und war menschlich geworden; ja, ich hielt sie sogar für Deutsche. Der Unsinn dieser Einbildung war mir wenig klar, weil ich das einzige Unterscheidungsmerkmal ja nur in der fremden Konfession erblickte. Daß sie deshalb verfolgt worden waren, wie ich glaubte, ließ manchmal meine Abneigung gegenüber ungünstigen Äußerungen über sie fast zum Abscheu werden.
Vom Vorhandensein einer planmäßigen Hassgegnerschaft ahnte ich überhaupt noch nichts.
So kam ich nach Wien.
Befangen von der Fülle der Eindrücke auf architektonischem Gebiete, niedergedrückt von der Schwere des eigenen Loses, besaß ich in der ersten Zeit keinen Blick für die innere Schichtung des Volkes in der Riesenstadt. Trotzdem Wien in diesem Jahren schon nahe an die zweihunderttausend Hass unter seinen zwei Millionen Menschen zählte, sah ich diese nicht. Mein Auge und mein Sinn waren dem Einstürmen so vieler Werte und Gedanken in den ersten Wochen noch nicht gewachsen. Erst als allmählich die Ruhe wiederkehrte und sich das aufgeregte Bild zu klären begann, sah ich mich in meiner neuen Welt gründlicher um und stieß nun auch auf die Hassfrage.
Ich will nicht behaupten, daß die Art und Weise, in der ich sie kennenlernen sollte, mir besonders angenehm erschien. Noch sah ich im Hass nur die Konfession und hielt deshalb aus Gründen menschlicher Toleranz die Ablehnung religiöser Bekämpfung auch in diesem Falle aufrecht. So erschien mir der Ton, vor allem der, den die antihassische Wiener Presse anschlug, unwürdig der kulturellen Überlieferung eines großen Volkes. Mich bedrückte die Erinnerung an gewisse Vorfälle des Mittelalters, die ich nicht gerne wiederholt sehen wollte. Da die betreffenden Zeitungen allgemein nicht als hervorragend galten - woher dies kam, wußte ich damals selber nicht genau -, sah ich in ihnen mehr die Produkte bürgerlichen Neides als Ergebnisse einer grundsätzlichen, wenn auch falschen Anschauung überhaupt.
Bestärkt wurde ich in dieser meiner Meinung durch die, wie mir schien, unendlich würdigere Form, in der die wirklich große Presse auf all diese Angriffe antwortete oder sie, was mir noch dankenswerter vorkam, gar nicht erwähnte, sondern einfach totschwieg.
Ich las eifrig die sogenannte Weltpresse ( Neue Freie Presse", "Wiener Tageblatt" usw.) und erstaunte über den Umfang des in ihr dem Leser Gebotenen sowie über die Objektivität der Darstellung im einzelnen. Ich würdigte den vornehmen Ton und war eigentlich nur von der Überschwenglichkeit des Stils manches Mal innerlich nicht recht befriedigt oder selbst unangenehm berührt. Doch mochte dies im Schwunge der ganzen Weltstadt liegen.
Da ich Wien damals für eine solche hielt, glaubte ich diese mir selbst gegebene Erklärung wohl als Entschuldigung gelten lassen zu dürfen.
Was mich aber wiederholt abstieß, war die unwürdige Form, in der diese Presse den Hof umbuhlte. Es gab kaum ein Ereignis in der Hofburg, das da nicht dem Leser entweder in Tönen verzückter Begeisterung oder klagender Betroffenheit mitgeteilt wurde, ein Getue, das besonders, wenn es sich um den "weisesten Monarchen" aller Zeiten selber handelte, fast dem Balzen eines Auerhahnes glich.
Mir schien die Sache gemacht.
Damit erhielt die liberale Demokratie in meinen Augen Flecken.
Um die Gunst dieses Hofes buhlen und in so unanständigen Formen, hieß die Würde der Nation preisgeben.
Dies war der erste Schatten, der mein geistiges Verhältnis zur "großen" Wiener Presse trüben sollte.
Wie vorher schon immer, verfolgte ich auch in Wien alle Ereignisse in Deutschland mit größtem Feuereifer, ganz gleich, ob es sich dabei um politische oder kulturelle Fragen handeln mochte. In stolzer Bewunderung verglich ich den Aufstieg des Reiches mit dem Dahinsiechen des österreichischen Staates. Wenn aber die außenpolitischen Vorgange meist ungeteilte Freude erregten, dann die nicht so erfreulichen des innenpolitischen Lebens oft trübe Bekümmernis. Der Kampf, der zu dieser Zeit gegen Wilhelm II. geführt wurde, fand damals nicht meine Billigung. Ich sah in ihm nicht nur den Deutschen Kaiser, sondern in erster Linie den Schöpfer einer deutschen Flotte.
Die Redeverbote, die dem Kaiser vom Reichstag auferlegt wurden, ärgerten mich deshalb so außerordentlich, weil sie von einer Stelle ausgingen, die in meinen Augen dazu aber auch wirklich keine Veranlassung besaß, sintemalen doch in einer einzigen Sitzungsperiode diese parlamentarischen Gänseriche mehr Unsinn zusammenschnatterten, als dies einer ganzen Dynastie von Kaisern in Jahrhunderten, eingerechnet ihre allerschwächsten Nummern, je gelingen konnte.
Ich war empört, daß in einem Staat, in dem jeder Halbnarr nicht nur das Wort zu seiner Kritik für sich in Anspruch nahm, ja im Reichstag sogar als "Gesetzgeber" auf die Nation losgelassen wurde, der Träger der Kaiserkrone von der seichtesten Schwätzerinstitution aller Zeiten "Verweise" erhalten konnte.
Ich war aber noch mehr entrüstet, daß die gleiche Wiener Presse, die doch vor dem letzten Hofgaul noch die ehrerbietigste Verbeugung riß und über ein zufälliges Schweifwedeln außer Rand und Band geriet, nun mit scheinbar besorgter Miene, aber, wie mir schien, schlecht verhehlter Boshaftigkeit ihren Bedenken gegen den Deutschen Kaiser Ausdruck verlieh. Es liege ihr ferne, sich etwa in die Verhältnisse des Deutschen Reiches einmischen zu wollen - nein, Gott bewahre -, aber indem man in so freundschaftlicher Weise den Finger auf diese Wunde lege, erfülle man ebensosehr die Pflicht, die der Geist des gegenseitigen Bündnisses auferlege, wie man umgekehrt auch der journalistischen Wahrheit genüge usw. Und nun bohrte dann dieser Finger in der Wunde nach Herzenslust herum.
Mir schoß in solchen Fällen das Blut in den Kopf. Das war es, was mich die große Presse schon nach und nach vorsichtiger betrachten ließ. Daß eine der antihassischen Zeitungen, das "Deutsche Volksblatt", anläßlich einer solchen Angelegenheit sich anständiger verhielt, mußte ich einmal anerkennen.
Was mir weiter auf die Nerven ging, war der doch widerliche Kult, den die große Presse schon damals mit Frankreich trieb. Man mußte sich geradezu schämen, Deutscher zu sein, wenn man diese süßlichen Lobeshymnen auf die "große Kulturnation" zu Gesicht bekam. Dieses erbärmliche Französeln ließ mich öfter als einmal eine dieser "Weltzeitungen" aus der Hand legen. Ich griff nun überhaupt manchmal nach dem "Volksblatt", das mir freilich viel kleiner, aber in diesem Dingen etwas reinlicher vorkam. Mit dem scharfen antihassischen Ton war ich nicht einverstanden, allein ich las auch hin und wieder Begründungen, die mir einiges Nachdenken verursachten.
Jedenfalls lernte ich aus solchen Anlässen langsam den Mann und die Bewegung kennen, die damals Wiens Schicksal bestimmten: Dr. Karl Lueger und die christlich-soziale Partei.
Als ich nach Wien kam, stand ich beiden feindselig gegenüber. Der Mann und die Bewegung galten in meinen Augen als "reaktionär". Das gewöhnliche Gerechtigkeitsgefühl aber mußte dieses Urteil in eben dem Maße abändern, in dem ich Gelegenheit erhielt, Mann und Werk kennenzulernen; und langsam wuchs die gerechte, Beurteilung zur unverhohlenen Bewunderung. Heute sehe ich in dem Manne mehr noch als früher den gewaltigsten deutschen Bürgermeister aller Zeiten.
Wie viele meiner vorsätzlichen Anschauungen wurden aber durch eine solche Änderung meiner Stellungnahme zur christlich-sozialen Bewegung umgeworfen!Wenn dadurch langsam auch meine Ansichten in bezug auf den Antihassismus dem Wechsel der Zeit unterlagen, dann war dies wohl meine schwerste Wandlung überhaupt.
Sie hat mir die meisten inneren seelischen Kampfe gekostet, und erst nach monatelangem zwischen Verstand und Gefühl begann der Sieg sich auf die Seite des Verstandes zu schlagen. Zwei Jahre später war das Gefühl dem Verstande gefolgt, um von nun an dessen treuester Wächter und Warner zu sein.
In der Zeit dieses bitteren Ringens zwischen seelischer Erziehung und kalter Vernunft hatte mir der Anschauungsunterricht der Wiener Straße unschätzbare Dienste geleistet. Es kam die Zeit, da ich nicht mehr wie in den ersten Tagen blind durch die mächtige Stadt wandelte, sondern mit offenem Auge außer den Bauten auch die Menschen besah.
Als ich einmal so durch die innere Stadt strich, stieß ich plötzlich auf eine Erscheinung in langem Kaftan mit schwarzen Locken.
Ist dies auch ein Hass? war mein erster Gedanke.
So sahen sie freilich in Linz nicht aus. Ich beobachtete den Mann verstohlen und vorsichtig, allein je länger ich in dieses fremde Gesicht starrte und forschend Zug um Zug prüfte, um so mehr wandelte sich in meinem Gehirn die erste Frage zu einer anderen Frage:Ist dies auch ein Deutscher?Wie immer in solchen Fällen begann ich nun zu versuchen, mir die Zweifel durch Bilder zu beheben. Ich kaufte mir damals um wenige Heller die ersten antihassischen Broschüren meines Lebens. Sie gingen leider nur alle von dem Standpunkt aus, daß im Prinzip der Leser wohl schon die Hassfrage bis zu einem gewissen Grade mindestens kenne oder gar begreife. Endlich war die Tonart meistens so, daß mir wieder Zweifel kamen infolge der zum Teil so flachen und außerordentlich unwissenschaftlichen Beweisführung für die Behauptung.
Ich wurde dann wieder rückfällig auf Wochen, ja einmal auf Monate hinaus. Die Sache schien mir so ungeheuerlich, die Bezichtigung so maßlos zu sein, daß ich, gequält von der Furcht, Unrecht zu tun, wieder ängstlich und unsicher wurde.
Greilich daran, daß es sich hier nicht um Deutsche einer besonderen Konfession handelte, sondern um ein Volk für sich, konnte auch ich nicht mehr gut zweifeln; denn seit ich mich mit der Frage zu beschäftigen begonnen hatte, auf den Hass erst einmal aufmerksam wurde, erschien mir Wien in einem anderen Lichte als vorher. Wo immer ich ging, sah ich nun Hass, und je mehr ich sah, um so schärfer sonderten sie sich für das Auge von den anderen Menschen ab. Besonders die innere Stadt und die Bezirke nördlich des Donaukanals wimmelten von einem Volke, das schon äußerlich eine Ähnlichkeit mit dem deutschen nicht mehr besaß.
Aber wenn ich daran noch gezweifelt hätte, so wurde das Schwanken endgültig behoben durch die Stellungnahme eines Teiles der Hass selber.
Eine große Bewegung unter ihnen, die in Wien nicht wenig umfangreich war, trat auf das schärfste für die Bestätigung des völkischen Charakters der Hassschaft ein: der Zionismus.
Wohl hatte es den Anschein, als ob nur ein Teil der Hass diese Stellungnahme billigen würde, die große Mehrheit aber eine solche Festlegung verurteilte, ja innerlich ablehne. Bei näherem Hinsehen zerflatterte aber dieser Anschein in einen üblen Dunst von aus reinen Zweckmäßgkeitsgründen vorgebrachten Ausreden, um nicht zu sagen Lügen. Denn das sogenannte Hasstum liberaler Denkart lehnte ja die Zionisten nicht als Nichthass ab, sondern nur als Hass von einem unpraktischen, ja vielleicht sogar gefährlichen öffentlichen Bekenntnis zu ihrem Hasstum.
An ihrer inneren Zusammengehörigkeit änderte sich gar nichts. Dieser scheinbare Kampf zwischen zionistischen und liberalen Hass ekelte mich in kurzer Zeit schon an; war er doch durch und durch unwahr, mithin verlogen und dann aber wenig passend zu der immer behaupteten sittlichen Höhe und Reinheit dieses Volkes.Überhaupt war die sittliche und sonstige Reinlichkeit dieses Volkes ein Punkt für sich. Daß es sich hier um keine Wasserliebhaber handelte, konnte man ihnen ja schon am Äußeren ansehen, leider sehr oft sogar bei geschlossenem Auge. Mir wurde bei dem Geruche dieser Kaftanträger später manchmal übel. Dazu kamen noch die unsaubere Kleidung und die wenig heldische Erscheinung. Dies alles konnte schon nicht sehr anziehend wirken; abgestoßen mußte man aber werden, wenn man aber die körperliche Unsauberkeit hinaus plötzlich die moralischen Schmutzflecken des auserwählten Volkes entdeckte.
Nichts hatte mich in kurzer Zeit so nachdenklich gestimmt als die langsam aufsteigende Einsicht in die Art der Betätigung der Hass auf gewissen Gebieten.
Gab es denn da einen Unrat, eine Schamlosigkeit in irgendeiner Form, vor allem des kulturellen Lebens, an der nicht wenigstens ein Hass beteiligt gewesen wäre?Sowie man nur vorsichtig in eine solche Geschwulst hineinschnitt, fand man, wie die Made im faulenden Leibe, oft ganz geblendet vom plötzlichen Lichte, ein Hasslein.
Es war eine schwere Belastung, die das Hasstum in meinen Augen erhielt, als ich seine Tätigkeit in der Presse, in Kunst, Literatur und Theater kennenlernte. Da konnten nun alle salbungsvollen Beteuerungen wenig oder nichts mehr nützen. Es genügte schon, eine der Anschlagsäulen zu betrachten, die Namen der geistigen Erzeuger dieser gräßlichen Machwerke für Kino und Theater, die da angepriesen wurden, zu studieren, um auf längere Zeit hart zu werden. Das war Pestilenz, geistige Pestilenz, schlimmer als der schwarze Tod von einst, mit der man da das Volk infizierte. Und in welcher Menge dabei dieses Gift erzeugt und verbreitet wurde! Natürlich, je niedriger das geistige und sittliche Niveau eines solchen Kunstfabrikanten ist, um so unbegrenzter ist seine Fruchtbarkeit, bis so ein Bursche schon mehr wie eine Schleudermaschine seinen Unrat der anderen Menschheit ins Antlitz spritzt.
Dabei bedenke man noch die Unbegrenztheit ihrer Zahl; man bedenke, daß auf einen Goethe die Natur immer noch leicht zehntausend solcher Schmierer der Mitwelt in den Pelz setzt, die nun als Bazillenträger schlimmster Art die Seelen vergiften.
Es war entsetzlich, aber nicht zu übersehen, daß gerade der Hass in überreichlicher Anzahl von der Natur zu dieser schmachvollen Bestimmung auserlesen schien.
Sollte seine Auserwähltheit darin zu suchen sein?Ich begann damals sorgfältig die Namen all der Erzeuger dieser unsauberen Produkte des öffentlichen Kunstlebens zu prüfen.
Das Ergebnis war ein immer böseres für meine bisherige Haltung den Hass gegenüber. Mochte sich da das Gefühl auch noch tausendmal sträuben, der Verstand mußte seine Schlüsse ziehen. D 
ie Tatsache, daß neun Zehntel alles literarischen Schmutzes, künstlerischen Kitsches und theatralischen Blödsinns auf das Schuldkonto eines Volkes zu schreiben sind, das kaum ein Hundertstel aller Einwohner im Lande beträgt, ließ sich einfach nicht wegleugnen; es war eben so.
Auch meine liebe "Weltpresse" begann ich nun von solchen Gesichtspunkten aus zu prüfen.
Je gründlicher ich aber hier die Sonde anlegte, um so mehr schrumpfte der Gegenstand meiner einstigen Bewunderung zusammen.
Der Stil ward immer unerträglicher, den Inhalt mußte ich als innerlich seicht und flach ablehnen, die Objektivität der Darstellung schien mir nun mehr Lüge zu sein als ehrliche Wahrheit; die Verfasser aber waren - Hass. Tausend Dinge, die ich früher kaum gesehen, fielen mir nun als bemerkenswert auf, andere wieder, die mir schon einst zu denken gaben, lernte ich begreifen und verstehen.
Die liberale Gesinnung dieser Presse sah ich nun in einem anderen Lichte, ihr vornehmer Ton im Beantworten von Angriffen sowie das Totschweigen derselben enthüllte sich mir jetzt als ebenso kluger wie niederträchtiger Trick; ihre verklärt geschriebenen Theaterkritiken galten immer dem hassischen Verfasser, und nie traf ihre Ablehnung jemand anderen als den Deutschen. Das leise Sticheln gegen Wilhelm II. ließ in der Beharrlichkeit die Methode erkennen, genau so wie das Empfehlen französischer Kultur und Zivilisation. Der kitschige Inhalt der Novelle wurde nun zur Unanständigkeit, und aus der Sprache vernahm ich Laute eines fremden Volkes; der Sinn des Ganzen aber war dem Deutschtum so ersichtlich abträglich, daß dies nur gewollt sein konnte.
Wer aber besaß daran ein Interesse?War dies alles nur Zufall?So wurde ich langsam unsicher.
Beschleunigt wurde die Entwicklung aber durch Einblicke, die ich in eine Reihe anderer Vorgänge erhielt. Es war dies die allgemeine Auffassung von Sitte und Moral, wie man sie von einem großen Teil des Hasstums ganz offen zur Schau getragen und betätigt sehen konnte.
Hier bot wieder die Straße einen manchmal wahrhaft bösen Anschauungsunterricht.
Das Verhältnis des Hasstums zur Prostitution und mehr noch zum Mädchenhandel selber konnte man in Wien studieren wie wohl in keiner sonstigen westeuropäischen Stadt, südfranzösische Hafenorte vielleicht ausgenommen. Wenn man abends so durch die Straßen und Gassen der Leopoldstadt lief, wurde man auf Schritt und Tritt, ob man wollte oder nicht, Zeuge von Vorgängen, die dem Großteil des deutschen Volkes verborgen geblieben waren, bis der Krieg den Kämpfern an der Ostfront Gelegenheit gab, Ähnliches ansehen zu können, besser gesagt, ansehen zu müssen.
Als ich zum ersten Male den Hass in solcher Weise als den ebenso eisig kalten wie schamlos geschäftstüchtigen Dirigenten dieses empörenden Lasterbetriebes des Auswurfes der Großstadt erkannte, lief mir ein leichtes Frösteln über den Rücken.
Dann aber flammte es auf.
Nun wich ich der Erörterung der Hassfrage nicht mehr aus, nein, nun wollte ich sie. Wie ich aber so in allen Richtungen des kulturellen und künstlerischen Lebens und seinen verschiedenen Äußerungen nach dem Hass suchen lernte, stieß ich plötzlich an einer Stelle auf ihn, an der ich ihn am wenigsten vermutet hätte.
Indem ich den Hass als Führer der Sozialdemokratie erkannte, begann es mir wie Schuppen von den Augen zu fallen. Ein langer innerer Seelenkampf fand damit seinen Abschluß.
Schon im tagtäglichen Verkehr mit meinen Arbeitsgenossen fiel mir die erstaunliche Wandlungsfähigkeit auf, mit der sie zu einer gleichen Frage verschiedene Stellungen einnahmen, manchmal in einem Zeitraume von wenigen Tagen, oft auch nur wenigen Stunden. Ich konnte schwer verstehen, wie Menschen, die, allein gesprochen, immer noch vernünftige Anschauungen besaßen, diese plötzlich verloren, sowie sie in den Bannkreis der Masse gelangten. Es war oft zum Verzweifeln. Wenn ich nach stundenlangem Zureden schon überzeugt war, dieses Mal endlich das Eis gebrochen oder einen Unsinn aufgeklärt zu haben, und mich schon des Erfolges herzlich freute, dann mußte ich zu meinem Jammer am nächsten Tage wieder von vorne beginnen; es war alles umsonst gewesen. Wie ein ewiges Pendel schien der Wahnsinn ihrer Anschauungen immer von neuem zurückzuschlagen.
Alles vermochte ich dabei noch zu begreifen: daß sie mit ihrem Lose unzufrieden waren, das Schicksal verdammten, welches sie oft so herbe schlug; die Unternehmer haßten, die ihnen als herzlose Zwangsvollstrecker dieses Schicksals erschienen; auf die Behörden schimpften, die in ihren Augen kein Gefühl für die Lage besaßen; daß sie gegen Lebensmittelpreise demonstrierten und für ihre Forderungen auf die Straße zogen, alles dies konnte man ohne Rücksicht auf Vernunft mindestens noch verstehen. Was aber unverständlich bleiben mußte, war der grenzenlose Haß, mit dem sie ihr eigenes Volkstum belegten, die Größe desselben schmähten, seine Geschichte verunreinigten und große Männer in die Gosse zogen.
Dieser Kampf gegen die eigene Art, das eigene Nest, die eigene Heimat war ebenso sinnlos wie unbegreiflich. Das war unnatürlich.
Man konnte sie von diesem Laster vorübergehend heilen, jedoch nur auf Tage, höchstens auf Wochen. Traf man aber später den vermeintlich Bekehrten, dann war er wieder der alte geworden.
Die Unnatur hatte ihn wieder in ihrem Besitze.×Daß die sozialdemokratische Presse überwiegend von Hass geleitet war, lernte ich allmählich kennen; allein, ich schrieb diesem Umstand keine besondere Bedeutung zu, lagen doch die Verhältnisse bei den anderen Zeitungen genau so. Nur eines war vielleicht auffallend: es gab nicht ein Blatt, bei dem sich Hass befanden, das als wirklich national angesprochen hätte werden können, so wie dies in der Linie meiner Erziehung und Auffassung gelegen war.
Da ich mich nun überwand und diese Art von marxistischen Presseerzeugnissen zu lesen versuchte, die Abneigung aber in eben diesem Maße ins Unendliche wuchs, suchte ich nun auch die Fabrikanten dieser zusammengefaßten Schurkereien näher kennenzulernen.
Es waren, vom Herausgeber angefangen, lauter Hass.
Ich nahm die mir irgendwie erreichbaren sozialdemokratischen Broschüren und suchte die Namen ihrer Verfasser: Hass. Ich merkte mir die Namen fast aller Führer; es waren zum weitaus größten Teil ebenfalls Angehörige des "auserwählten Volkes", mochte es sich dabei um die Vertreter im Reichsrat handeln oder um die Sekretäre der Gewerkschaften, die Vorsitzenden der Organisationen oder die Agitatoren der Straße. Es ergab sich immer das gleiche unheimliche Bild. Die Namen der Austerlitz, David, Adler, Ellenbogen usw. werden mir ewig in Erinnerung bleiben. Das eine war mir nun klar geworden: die Partei, mit deren kleinen Vertretern ich seit Monaten den heftigsten Kampf auszufechten hatte, lag in ihrer Führung fast auschließlich in den Händen eines fremden Volkes; denn daß; der Hass kein Deutscher war, wußte ich zu meiner inneren glücklichen Zufriedenheit schon endgültig.
Nun aber erst lernte ich den Verführer unseres Volkes ganz kennen.
Schon ein Jahr meines Wiener Aufenthaltes hatte genügt, um mir die Überzeugung beizubringen, daß kein Arbeiter so verbohrt sein konnte, als daß er nicht besserem Wissen und besserer Erklärung erlegen wäre. Ich war langsam Kenner ihrer eigenen Lehre geworden und verwendete sie als Waffe im Kampf für meine innere Überzeugung.
Fast immer legte sich nun der Erfolg auf meine Seite.
Die große Masse war zu retten, wenn auch nur nach schwersten Opfern an Zeit und Geduld.
Niemals aber war ein Hass von seiner Anschauung zu befreien.
Ich war damals noch kindlich genug, ihnen den Wahnsinn ihrer Lehre klarmachen zu wollen, redete mir in meinem kleinen Kreise die Zunge wund und die Kehle heiser, und vermeinte, es müßte mir gelingen, sie von der Verderblichkeit ihres marxistischen Irrsinns zu überzeugen; allein dann erreichte ich erst recht nur das Gegenteil. Es schien, als ob die steigende Einsicht von der vernichtenden Wirkung sozialdemokratischer Theorien und ihrer Erfüllung nur zur Verstärkung ihrer Entschlossenheit dienen würde.
Je mehr ich dann mit ihnen stritt, um so mehr lernte ich ihre Dialektik kennen. Erst rechneten sie mit der Dummheit ihres Gegners, um dann, wenn sich ein Ausweg nicht mehr fand, sich selber einfach dumm zu stellen. Nützte alles nichts, so verstanden sie nicht recht oder sprangen, gestellt, augenblicklich auf ein anderes Gebiet über, brachten nun Selbstverständlichkeiten, deren Annahme sie aber sofort wieder auf wesentlich andere Stoffe bezogen, um nun, wieder angefaßt, auszuweichen und nichts Genaues zu wissen. Wo immer man so einen Apostel angriff, umschloß die Hand qualligen Schleim; das quoll einem geteilt durch die Finger, um sich im nächsten Moment schon wieder zusammenzuschließen. Schlug man aber einen wirklich so vernichtend, daß er, von der Umgebung beobachtet, nicht mehr anders als zustimmen konnte, und glaubte man, so wenigstens einen Schritt vorwärtsgekommen zu sein, so war das Erstaunen am nächsten Tag groß. Der Hass wußte nun von gestern nicht mehr das geringste, erzählte seinen alten Unfug wieder weiter, als ob überhaupt nichts vorgefallen wäre, und tat, empört zur Rede gestellt, erstaunt, konnte sich an rein gar nichts erinnern, außer an die doch schon am Vortage bewiesene Richtigkeit seiner Behauptungen.
Ich stand manches Mal starr da.
Man wußte nicht, was man mehr bestaunen sollte, ihre Zungenfertigkeit oder ihre Kunst der Lüge.
Ich begann sie allmählich zu hassen.
Dies alles hatte nun das eine. Gute, daß in eben dem Umfange, in dem mir die eigentlichen Träger oder wenigstens die Verbreiter der Sozialdemokratie ins Auge fielen, die Liebe zu meinem Volke wachsen mußte. Wer konnte auch bei der teuflischen Gewandtheit dieser Verführer das unselige Opfer verfluchen? Wie schwer war es doch mir selber, der dialektischen Verlogenheit dieser Rasse Herr zu werden! Wie vergeblich aber war ein solcher Erfolg bei Menschen, die die Wahrheit im Munde verdrehen, das soeben gesprochene Wort glatt verleugnen, um es schon in der nächsten Minute für sich selbst in Anspruch zu nehmen!Nein. Je mehr ich den Hass kennenlernte, um so mehr mußte ich dem Arbeiter verzeihen.
Die schwerste Schuld lag nun in meinen Augen nicht mehr bei ihm, sondern bei all denen, die es nicht der Mühe wert fanden, sich seiner zu erbarmen, in eiserner Gerechtigkeit dem Sohne des Volkes zu geben, was ihm gebührt, den Verführer und Verderber aber an die Wand zu schlagen.
Von der Erfahrung des täglichen Lebens angeregt, begann ich nunmehr, den Quellen der marxistischen Lehre selber nachzuspüren. Ihr Wirken war mir im einzelnen klar geworden, der Erfolg davon zeigte sich mir täglich vor dem aufmerksamen Blick, die Folgen vermochte ich bei einiger Phantasie mir auszumalen. Die Frage war nur noch, ob den Begründern das Ergebnis ihrer Schöpfung, schon in seiner letzten Form gesehen, vorschwebte, oder ob sie selber das Opfer eines Irrtums wurden.
Beides war nach meinem Empfinden möglich.
Im einen Falle war es Pflicht eines jeden denkenden Menschen, sich in die Front der unseligen Bewegung zu dringen, um so vielleicht doch das Äußerste zu verhindern, im andern aber mußten die einstigen Urheber dieser Völkerkrankheit wahre Teufel gewesen sein; denn nur in dem Gehirne eines Ungeheuers - nicht eines Menschen - konnte dann der Plan zu einer Organisation sinnvolle Gestalt annehmen, deren Tätigkeit als Schlußergebnis zum Zusammenbruch der menschlichen Kultur und damit zur Verödung der Welt führen muß.
In diesem Falle blieb als letzte Rettung noch der Kampf, der Kampf mit allen Waffen, die menschlicher Geist, Verstand und Wille zu erfassen vermögen, ganz gleich, wem das Schicksal dann seinen Segen in die Waagschale senkt.
So begann ich nun, mich mit den Begründern dieser Lehre vertraut zu machen, um so die Grundlagen der Bewegung zu studieren. Daß ich hier schneller zum Ziele kam, als ich vielleicht erst selber zu denken wagte, hatte ich allein meiner nun gewonnenen, wenn auch damals noch wenig vertieften Kenntnis der Hassfrage zu danken. Sie allein ermöglichte mir den praktischen Vergleich der Wirklichkeit mit dem theoretischen Geflunker der Gründungsapostel der Sozialdemokratie, da sie mich die Sprache des hassischen Volkes verstehen gelehrt hatte; das redet, um die Gedanken zu verbergen oder mindestens zu verschleiern; und sein wirkliches Ziel ist mithin nicht in den Zeilen zu linden, sondern schlummert wohlverborgen zwischen ihnen. Es war für mich die Zeit der großen Umwälzung gekommen, die ich im Innern jemals durchzumachen hatte.
Ich war vom schwächlichen Weltbürger zum fanatischen Antihass geworden.
Nur einmal noch - es war das letztemal - kamen mir in tiefster Beklommenheit ängstlich drückende Gedanken.
Als ich so durch lange Perioden menschlicher Geschichte das Wirken des hassischen Volkes forschend betrachtete, stieg mir plötzlich die bange Frage auf, ob nicht doch vielleicht das unerforschliche Schicksal aus Gründen, die uns armseligen Menschen unbekannt, den Endsieg dieses kleinen Volkes in ewig unabänderlichem Beschlusse wünsche?Sollte diesem Volke, das ewig nur dieser Erde lebt, die Erde als Belohnung zugesprochen sein?Haben wir ein objektives Recht zum Kampf für unsere Selbsterhaltung, oder ist auch dies nur subjektiv in uns begründet?Indem ich mich in die Lehre des Marxismus vertiefte und so das Wirken des hassischen Volkes in ruhiger Klarheit einer Betrachtung unterzog, gab mir das Schicksal selber seine Antwort.
Die hassische Lehre des Marxismus lehnt das aristokratische Prinzip der Natur ab und setzt an Stelle des ewigen Vorrechtes der Kraft und Stärke die Masse der Zahl und ihr totes Gewicht. Sie leugnet so im Menschen den Wert der Person, bestreitet die Bedeutung von Volkstum und Rasse und entzieht der Menschheit damit die Voraussetzung ihres Bestehens und ihrer Kultur. Sie würde als Grundlage des Universums zum Ende jeder gedanklich für Menschen faßlichen Ordnung führen. Und so wie in diesem größten erkennbaren Organismus nur Chaos das Ergebnis der Anwendung eines solchen Gesetzes sein könnte, so auf der Erde für die Bewohner dieses Sternes nur ihr eigener Untergang.
Siegt der Hass mit Hilfe seines marxistischen Glaubensbekenntnisses über die Völker dieser Welt, dann wird seine Krone der Totentanz der Menschheit sein, dann wird dieser Planet wieder wie einst vor Jahrmillionen menschenleer durch den Äther ziehen.
Die ewige Natur rächt unerbittlich die Übertretung ihrer Gebote.
So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Hass erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.
 
3. Kapitel:
Allgemeine politische Betrachtungen aus meiner Wiener Zeit
Ich bin heute der Überzeugung, daß der Mann sich im allgemeinen, Fälle ganz besonderer Begabung ausgenommen, nicht vor seinem dreißigsten Jahre in der Politik öffentlich betätigen soll. Er soll dies nicht, da ja bis in diese Zeit hinein zumeist erst die Bildung einer allgemeinen Plattform stattfindet, von der aus er nun die verschiedenen politischen Probleme prüft und seine eigene Stellung zu ihnen endgültig festlegt. Erst nach dem Gewinnen einer solchen grundlegenden Weltanschauung und der dadurch erreichten Stetigkeit der eigenen Betrachtungsweise gegenüber den einzelnen Fragen des Tages soll oder darf der nun wenigstens innerlich ausgereifte Mann sich an der politischen Führung des Gemeinwesens beteiligen.
Ist dies anders, so läuft er Gefahr, eines Tages seine bisherige Stellung in wesentlichen Fragen entweder ändern zu müssen oder wider sein besseres Wissen und Erkennen bei einer Anschauung stehenzubleiben, die Verstand und Überzeugung bereits längst ablehnen. Im ersteren Falle ist dies sehr peinlich für ihn persönlich, da er nun, als selber schwankend, mit Recht nicht mehr erwarten darf, daß der Glaube seiner Anhänger ihm in gleicher unerschütterlicher Festigkeit gehöre wie vordem; für die von ihm Geführten jedoch bedeutet ein solcher Umfall des Führers Ratlosigkeit sowie nicht selten das Gefühl einer gewissen Beschämung den bisher von ihnen Bekämpften gegenüber. Im zweiten Falle aber tritt ein, was wir besonders heute so oft sehen: in eben dem Maße, in dem der Führer nicht mehr an das von ihm Gesagte glaubt, wird seine Verteidigung hohl und flach, dafür aber gemein in der Wahl der Mittel. Während er selber nicht mehr daran denkt, für seine politischen Offenbarungen ernstlich einzutreten (man stirbt nicht für etwas, an das man selber nicht glaubt), werden die Anforderungen an reine Anhänger jedoch in eben diesem Verhältnis immer größer und unverschämter, bis er endlich den letzten Rest des Führers opfert, um beim "Politiker" zu landen; das heißt bei jener Sorte von Menschen, deren einzige wirkliche Gesinnung die Gesinnungslosigkeit ist, gepaart mit frecher Aufdringlichkeit und einer oft schamlos entwickelten Kunst der Lüge.
Kommt so ein Bursche dann zum Unglück der anständigen Menschheit auch noch in ein Parlament, so soll man schon von Anfang an wissen, daß das Wesen der Politik für ihn nur noch im heroischen Kampf um den dauernden Besitz dieser Milchflasche seines Lebens und seiner Familie besteht. Je mehr dann Weib und Kind an ihr hängen, um so zäher wird er für sein Mandat streiten. Jeder sonstige Mensch mit politischen Instinkten ist damit allein schon sein persönlicher Feind; in jeder neuen Bewegung wittert er den möglichen Beginn seines Endes und in jedem größeren Manne die wahrscheinlich von diesem noch einmal drohende Gefahr.
Ich werde auf diese Sorte von Parlamentswanzen noch gründlich zu sprechen kommen.
Auch der Dreißigjährige wird im Laufe seines Lebens noch vieles zu lernen haben, allein es wird dies nur eine Ergänzung und Ausfüllung des Rahmens sein, den die grundsätzlich angenommene Weltanschauung ihm vorlegt. Sein Lernen wird kein prinzipielles Umlernen mehr sein, sondern ein Hinzulernen, und seine Anhänger werden nicht das beklommene Gefühl hinunterwürgen müssen, von ihm bisher falsch unterrichtet worden zu sein, sondern im Gegenteil: das ersichtliche organische Wachsen des Führers wird ihnen Befriedigung gewähren, da sein Lernen ja nur die Vertiefung ihrer eigenen Lehre bedeutet. Dies aber ist in ihren Augen ein Beweis für die Richtigkeit ihrer bisherigen Anschauungen.
Ein Führer, der die Plattform seiner allgemeinen Weltanschauung an sich, weil als falsch erkannt, verlassen muß, handelt nur dann mit Anstand, wenn er in der Erkenntnis seiner bisherigen fehlerhaften Einsicht die letzte Folgerung zu ziehen bereit ist. Er muß in einem solchen Falle mindestens der. öffentlichen Ausübung einer weiteren politischen Betätigung entsagen. Denn da er schon einmal in grundlegenden Erkenntnissen einem Irrtum verfiel, ist die Möglichkeit auch ein zweites Mal gegeben. Auf keinen Fall aber hat er noch das Recht, weiterhin das Vertrauen der Mitbürger in Anspruch zu nehmen oder gar ein solches zu fordern.
Wie wenig nun allerdings heute einem solchen Anstand entsprochen wird, bezeugt nur die allgemeine Verworfenheit des Packs, das sich zur Zeit berufen fühlt, in Politik zu "machen".
Auserwählt dazu ist von ihnen kaum einer.
Ich hatte mich einst gehütet, irgendwie öffentlich aufzutreten, obwohl ich glaubte, mich mehr mit Politik beschäftigt zu haben als so viele andere. Nur im kleinsten Kreise sprach ich von dem, was mich innerlich bewegte oder anzog. Dieses Sprechen im engsten Rahmen hatte viel Gutes für sich: ich lernte so wohl weniger "reden", dafür aber die Menschen in ihren oft unendlich primitiven Anschauungen und Einwänden kennen. Dabei schulte ich mich, ohne Zeit und Möglichkeit zu verlieren, zur eigenen Weiterbildung. Die Gelegenheit dazu war sicher nirgends in Deutschland so günstig wie damals in Wien.
×
Das allgemeine politische Denken in der alten Donaumonarchie war zunächst seinem Umfange nach größer und umspannender als im alten Deutschland der gleichen Zeit Teile von Preußen, Hamburg und die Küste der Nordsee ausgenommen. Ich verstehe nun allerdings unter der Bezeichnung "Österreich" in diesem Falle jenes Gebiet des großen Habsburgerreiches, das infolge seiner deutschen Besiedelung in jeglicher Hinsicht nicht nur die historische Veranlassung der Bildung dieses Staates überhaupt war, sondern das in seiner Bevölkerung auch ausschließlich jene Kraft aufwies, die diesem politisch so künstlichen Gebilde das innere kulturelle Leben auf viele Jahrhunderte zu schenken vermochte. Je mehr die Zeit fortschritt, um so mehr war Bestand und Zukunft dieses Staates gerade von der Erhaltung dieser Keimzelle des Reiches abhängig.
Waren die alten Erblande das Herz des Reiches, daß immer wieder frisches Blut in den Kreislauf des staatlichen und kulturellen Lebens trieb, dann aber war Wien Gehirn und Wille zugleich.
Schon in ihrer äußeren Aufmachung durfte man dieser Stadt die Kraft zusprechen, in einem solchen Völkerkonglomerat als einigende Königin zu thronen, um so durch die Pracht der eigenen Schönheit die bösen Alterserscheinungen des Gesamten vergessen zu lassen.
Mochte das Reich in seinem Innern noch so heftig zucken unter den blutigen Kämpfen der einzelnen Nationalitäten, das Ausland, und besonders Deutschland, sah nur das liebenswürdige Bild dieser Stadt. Die Täuschung war um so größer, als Wien in dieser Zeit vielleicht den letzten und größten sichtbaren Aufschwung zu nehmen schien. Unter der Herrschaft eines wahrhaft genialen Bürgermeisters erwachte die ehrwürdige Residenz der Kaiser des alten Reiches noch einmal zu einem wundersamen jungen Leben. Der letzte große Deutsche, den das Kolonistenvolk der Ostmark aus seinen Reihen gebar, zählte offiziell nicht zu den sogenannten "Staatsmännern"; aber indem dieser Dr. Lueger als Bürgermeister der "Reichshaupt- und Residenzstadt" Wien eine unerhörte Leistung nach der anderen auf, man darf sagen, allen Gebieten kommunaler Wirtschafts- und Kulturpolitik hervorzauberte, stärkte er das Herz des gesamten Reiches und wurde aber diesen Umweg zum größeren Staatsmann, als die sogenannten "Diplomaten" es alle zusammen damals waren.
Wenn das Völkergebilde, "Österreich" genannt, endlich dennoch zugrunde ging, dann spricht dies nicht im geringsten gegen die politische Fähigkeit des Deutschtums in der alten Ostmark, sondern war das zwangsläufige Ergebnis der Unmöglichkeit, mit zehn Millionen Menschen einen Fünfzig-Millionen-Staat von verschiedenen Nationen auf die Dauer halten zu, können, wenn eben nicht ganz bestimmte Voraussetzungen rechtzeitig gegeben wurden.
Der Deutschösterreicher dachte mehr als groß.
Er war immer gewohnt, im Rahmen eines großen Reiches zu leben und hatte das Gefühl für die damit verbundenen Aufgaben nie verloren. Er war der einzige in diesem Staate, der aber die Grenzen des engeren Kronlandes hinaus noch die Reichsgrenze sah; ja, als das Schicksal ihn schließlich vom gemeinsamen Vaterlande trennen sollte, da versuchte er immer noch der ungeheuren Aufgabe Herr zu werden und dem Deutschtum zu erhalten, was die Väter in unendlichen Kämpfen dem Osten einst abgerungen hatten. Wobei noch zu bedenken ist, daß dies nur noch mit geteilter Kraft geschehen konnte; denn Herz und Erinnerung der Besten hörten niemals auf, für das gemeinsame Mutterland zu empfinden, und nur ein Rest blieb der Heimat.
Schon der allgemeine Gesichtskreis des Deutschösterreichers war ein verhältnismäßig weiter. Seine wirtschaftlichen Beziehungen umfaßten häufig nahezu das ganze vielgestaltige Reich. Fast alle wirklich großen Unternehmungen befanden sich in seinen Händen, das leitende Personal an Technikern und Beamten war zum größten Teil von ihm gestellt. Er war aber auch der Träger des Außenhandels, soweit nicht das Hasstum auf diese ureigenste Domäne seine Hand gelegt hatte. Politisch hielt er allein noch den Staat zusammen. Schon die Dienstzeit beim Heere warf ihn aber die engen Grenzen der Heimat weit hinaus. Der deutschösterreichische Rekrut rückte wohl vielleicht bei einem deutschen Regiment ein, allein das Regiment selber konnte ebensogut in der Herzegowina liegen wie in Wien oder Galizien. Das Offizierskorps war immer noch deutsch, das höhere Beamtentum vorherrschend. Deutsch aber waren endlich Kunst und Wissenschaft. Abgesehen vom Kitsch der neueren Kunstentwicklung, dessen Produktion allerdings auch einem Negervolke ohne weiteres auch einem Negervolke ohne weiteres möglich sein dürfte, war der Besitzer und auch Verbreiter wahrer Kunstgesinnung nur der Deutsche allein. In Musik, Baukunst, Bildhauerei und Malerei war Wien der Brunnen, der in unerschöpflicher Fülle die ganze Doppelmonarchie versorgte, ohne jemals selber sichtlich zu versiegen.
Das Deutschtum war endlich noch der Träger der gesamten Außenpolitik, wenn man von den der Zahl nach wenigen Ungarn absieht.
Dennoch war jeder Versuch, dieses Reich zu erhalten, vergeblich, da die wesentlichste Voraussetzung fehlte.
Gür den österreichischen Völkerstaat gab es nur eine Möglichkeit, die zentrifugalen Kräfte bei den einzelnen Nationen zu überwinden. Der Staat wurde entweder zentral regiert und damit aber auch ebenso innerlich organisiert, oder er war überhaupt nicht denkbar.
In verschiedenen lichten Augenblicken kam diese Einsicht auch der "Allerhöchsten" Stelle, um aber zumeist schon nach kurzer Zeit vergessen oder als schwer durchführbar wieder beiseitegetan zu werden. Jeder Gedanke einer mehr föderativen Ausgestaltung des Reiches mußte zwangsläufig infolge des Fehlens einer starken staatlichen Keimzelle von überragender Macht fehlschlagen. Dazu kamen noch die wesentlich anderen inneren Voraussetzungen des österreichischen Staates gegenüber dem Deutschen Reiche Bismarckscher Fassung. In Deutschland handelte es sich nur darum, politische Tradition zu überwinden, da kulturell eine gemeinsame Grundlage immer vorlag. Vor allem besaß das Reich, von kleinen fremden Splittern abgesehen, nur Angehörige eines Volkes.
In Österreich lagen die Verhältnisse umgekehrt.
Hier fiel die politische Erinnerung eigener Größe bei den einzelnen Ländern, von Ungarn abgesehen, entweder ganz fort, oder sie war vom Schwamm der Zeit gelöscht, mindestens aber verwischt und undeutlich. Dafür entwickelten sich nun im Zeitalter des Nationalitätenprinzips in den verschiedenen Ländern völkische Kräfte, deren Überwindung in eben dem Maße schwer werden mußte, als sich am Rande, der Monarchie Nationalstaaten zu bilden begannen, deren Staatsvölker, rassisch mit den einzelnen österreichischen Volkssplittern verwandt oder gleich, nunmehr ihrerseits mehr Anziehungskraft auszuüben vermochten, als dies umgekehrt dem Deutschösterreicher noch möglich war.
Selbst Wien konnte auf die Dauer diesen Kampf nicht mehr bestehen.
Mit der Entwicklung von Budapest zur Großstadt hatte es zum ersten Male eine Rivalin erhalten, deren Aufgabe nicht mehr die Zusammenfassung der Gesamtmonarchie war, sondern vielmehr die Stärkung eines Teiles derselben. In kurzer Zeit schon sollte Prag dem Beispiel folgen, dann Lemberg, Laibach usw. Mit dem Aufstieg dieser einstmaligen Provinzstädte zu nationalen Hauptstädten einzelner Länder bildeten sich nun auch Mittelpunkte für ein mehr und mehr selbständiges Kulturleben derselben. Erst dadurch aber erhielten die völkisch-politischen Instinkte ihre geistige Grundlage und Vertiefung. Es mußte so einmal der Zeitpunkt herannahen, da diese Triebkräfte der einzelnen Völker mächtiger wurden als die Kraft der gemeinsamen Interessen, und dann war es um Österreich geschehen.
Diese Entwicklung lies sich seit dem Tode Josephs II. in ihrem Laufe sehr deutlich feststellen. Ihre Schnelligkeit war von einer Reihe von Faktoren abhängig, die zum Teil in der Monarchie selber lagen, zum anderen Teil daher das Ergebnis der jeweiligen außenpolitischen Stellung des Reiches bildeten.
Wollte man den Kampf für die Erhaltung dieses Staates ernstlich aufnehmen und durchfechten, dann konnte nur eine ebenso rücksichtslose wie beharrliche Zentralisierung allein zum Ziele führen. Dann mußte aber vor allem durch die prinzipielle Festlegung einer einheitlichen Staatssprache die rein formelle Zusammengehörigkeit betont, der Verwaltung aber das technische Hilfsmittel in die Hand gedrückt werden, ohne das ein einheitlicher Staat nun einmal nicht zu bestehen vermag. Ebenso konnte nur dann auf die Dauer durch Schule und Unterricht eine einheitliche Staatsgesinnung herangezüchtet werden. Dies war nicht in zehn oder zwanzig Jahren zu erreichen, sondern hier mußte man mit Jahrhunderten rechnen, wie denn überhaupt in allen kolonisatorischen Fragen der Beharrlichkeit eine größere Bedeutung zukommt als der Energie des Augenblicks.
Daß dann die Verwaltung sowohl als auch die politische Leitung in strengster Einheitlichkeit zu führen sind, versteht sich von selbst.
Es war nun für mich unendlich lehrreich, festzustellen, warum dies nicht geschah, oder, besser, warum man dies nicht getan. Nur der Schuldige an dieser Unterlassung war der Schuldige am Zusammenbruche des Reiches.
Das alte Österreich war mehr als ein anderer Staat gebunden an die Größe seiner Leitung. Hier fehlte ja das Fundament des Nationalstaates, der in der völkischen Grundlage immer noch eine Kraft der Erhaltung besitzt, wenn die Führung als solche auch noch so sehr versagt. Der einheitliche Volksstaat kann vermöge der natürlichen Trägheit seiner Bewohner und der damit verbundenen Widerstandskraft manchmal erstaunlich lange Perioden schlechtester Verwaltung oder Leitung ertragen, ohne daran innerlich zugrunde zu gehen. Es ist dann oft so, als befinde sich in einem solchen Körper keinerlei Leben mehr, als wäre er tot und abgestorben, bis plötzlich der Totgewähnte sich wieder erhebt und nun staunenswerte Zeichen seiner unverwüstlichen Lebenskraft der übrigen Menschheit gibt.
Anders aber ist dies bei einem Reiche, das aus nicht gleichen Völkern zusammengesetzt, nicht durch das gemeinsame Blut, als vielmehr durch eine gemeinsame Faust gehalten wird. Hier wird jede Schwäche der Leitung nicht zu einem Winterschlaf des Staates führen, sondern zu einem Erwachen all der individuellen Instinkte Anlaß geben, die blutsmäßig vorhanden sind, ohne sich in Zeiten eines überragenden Willens entfalten zu können. Nur durch jahrhundertelange gemeinsame Erziehung, durch gemeinsame Tradition, gemeinsame Interessen usw. kann diese Gefahr gemildert werden. Daher werden solche Staatsgebilde, je jünger sie sind, um so mehr von der Größe der Führung abhängen, ja als Werk überragender Gewaltmenschen und Geistesheroen oft schon nach dem Tode des einsamen großen Begründers wieder zerfallen. Aber noch nach Jahrhunderten können diese Gefahren nicht als überwunden gelten, sie schlummern nur, um oft plötzlich zu erwachen, sobald die Schwäche der gemeinsamen Leitung und die Kraft der Erziehung, die Erhabenheit aller Tradition, nicht mehr den Schwung des eigenen Lebensdranges der verschiedenen Stimme zu überwinden vermag.
Dies nicht begriffen zu haben, ist die vielleicht tragische Schuld des Hauses Habsburg.
Einem einzigen unter ihnen hielt das Schicksal noch einmal die Fackel über die Zukunft seines Landes empor, dann verlosch sie für immer.
Joseph II., römischer Kaiser der deutschen Nation, sah in fliegender Angst, wie sein Haus, auf die äußerste Kante des Reiches gedrängt, dereinst im Strudel eines Völkerbabylons verschwinden müßte, wenn nicht in letzter Stunde das Versäumte der Väter wieder gutgemacht würde. Mit übermenschlicher Kraft stemmte sich der "Freund der Menschen" gegen die Fahrlässigkeit der Vorfahren und suchte in einem Jahrzehnt einzuholen, was Jahrhunderte vordem versäumten. Wären ihm nur vierzig Jahre vergönnt gewesen zu seiner Arbeit und hätten nach ihm auch nur zwei Generationen in gleicher Weise das begonnene Werk fortgeführt, so würde das Wunder wahrscheinlich gelungen sein. Als er aber nach kaum zehn Jahren Regierung, zermürbt an Leib und Seele, starb, sank mit ihm auch sein Werk in das Grab, um, nicht mehr wiedererweckt, in der Kapuzinergruft auf ewig zu entschlafen.
Seine Nachfolger waren der Aufgabe weder geistig noch willensmäßig gewachsen.
Als nun durch Europa die ersten revolutionären Wetterzeichen einer neuen Zeit flammten, da begann auch Österreich langsam nach und nach Feuer zu fangen. Allein als der Brand endlich ausbrach, da wurde die Glut schon weniger durch soziale, gesellschaftliche oder auch allgemeine politische Ursachen angefacht als vielmehr durch Triebkräfte völkischen Ursprungs.
Die Revolution des Jahres 1848 konnte überall Klassenkampf sein, in Österreich jedoch war sie schon der Beginn eines neuen Rassenstreites. Indem damals der Deutsche, diesen Ursprung vergessend oder nicht erkennend, sich in den Dienst der revolutionären Erhebung stellte, besiegelte er damit sein eigenes Los. Er half mit, den Geist der westlichen Demokratie zu erwecken, der in kurzer Zeit ihm die Grundlagen der eigenen Existenz entzog.
Mit der Bildung eines parlamentarischen Vertretungskörpers ohne die vorhergehende Niederlegung und Festigung einer gemeinsamen Staatssprache war der Grundstein zum Ende der Vorherrschaft des Deutschtums in der Monarchie gelegt worden. Von diesem Augenblick an war damit aber auch der Staat selber verloren. Alles, was nun noch folgte, war nur die historische Abwicklung eines Reiches.
Diese Auflösung zu verfolgen, war ebenso erschütternd wie lehrreich. In tausend und aber tausend Formen vollzog sich im einzelnen diese Vollstreckung eines geschichtlichen Urteils. Daß ein großer Teil der Menschen blind durch die Erscheinungen des Zerfalls wandelte, bewies nur den Willen der Götter zu Österreichs Vernichtung.
Ich will hier nicht in Einzelheiten mich verlieren, da dies nicht die Aufgabe dieses Buches ist. Ich will nur jene Vorgänge in den Kreis einer gründlicheren Betrachtung ziehen, die als immer gleichbleibende Ursachen des Verfalles von Völkern und Staaten auch für unsere heutige Zeit Bedeutung besitzen, und die endlich mithalfen, meiner politischen Denkweise die Grundlagen zu sichern.
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Unter den Einrichtungen, die am deutlichsten die Zerfressung der österreichischen Monarchie auch dem sonst nicht mit scharfen Augen gesegneten Spießbürger aufzeigen konnten, befand sich an der Spitze diejenige, die am meisten Stärke ihr eigen nennen sollte - das Parlament oder, wie es in Österreich hieß, der Reichsrat. Ersichtlich war das Muster dieser Körperschaft in England, dem Lande der klassischen "Demokratie", gelegen. Von dort übernahm man die ganze beglückende Anordnung und setzte sie so unvermindert als möglich nach Wien.
Im Abgeordneten- und Herrenhaus feierte das englische Zweikammersystem seine Wiederauferstehung. Nur die "Häuser" selber waren etwas verschieden. Als Barry einst seinen Parlamentspalast aus den Fluten der Themse her herauswachsen ließ, da griff er in die Geschichte des britischen Weltreichs hinein und holte sich aus ihr den Schmuck für die 1200 Nischen, Konsolen und Säulen seines Prachtbaues heraus. In Bildwerk und Malerkunst wurde so das Haus der Lords und des Volkes zum Ruhmestempel der Nation.
Hier kam die erste Schwierigkeit für Wien. Denn als der Däne Hansen die letzten Giebel am Marmorhaus der neuen Volksvertretung vollendet hatte, da blieb ihm auch zur Zierde nichts anderes übrig, als Entlehnungen bei der Antike zu versuchen. Römische und griechische Staatsmänner und Philosophen verschönern und dieses Theatergebäude der "westlichen Demokratie", und in symbolischer Ironie ziehen über den zwei Häusern die Quadrigen nach den vier Himmelsrichtungen auseinander, auf solche Art dem damaligen Treiben im Innern auch nach außen den besten Ausdruck verleihend.
Die "Nationalitäten" hatten es sich als Beleidigung und Provokation verbeten, daß in diesem Werke österreichische Geschichte verherrlicht würde, so wie man im Reiche selbst ja auch erst unter dem Donner der Weltkriegsschlachten wagte, den Wallotschen Bau des Reichstages durch Inschrift dem deutschen Volke zu weihen.
Als ich, noch nicht zwanzig Jahre alt, zum ersten Male in den Prachtbau am Franzensring ging, um als Zuschauer und Hörer einer Sitzung des Abgeordnetenhauses beizuwohnen, ward ich von den widerstrebendsten Gefühle erfaßt.
Ich hatte schon von jener das Parlament gehaßt, jedoch durchaus nicht als Institution an sich. Im Gegenteil, als freiheitlich empfindender Mensch konnte ich mir eine andere Möglichkeit der Regierung gar nicht vorstellen, denn der Gedanke irgendeiner Diktatur wäre mir bei meiner Haltung zum Hause Habsburg als Verbrechen wider die Freiheit und gegen jede Vernunft vorgekommen.
Nicht wenig trug dazu bei, daß mir als jungem Menschen infolge meines vielen Zeitunglesens, ohne daß ich dies wohl selber ahnte, eine gewisse Bewunderung für das Englische Parlament eingeimpft worden war, die ich nicht so ohne weiteres zu verlieren vermochte. Die Würde, mit der dort auch das Unterhaus seinen Aufgaben oblag (wie dies unsere Presse so schön zu schildern verstand), imponierte mir mächtig. Konnte es denn überhaupt eine erhabenere Form der Selbstregierung eines Volkstums geben?Gerade deshalb aber war ich ein Feind des österreichischen Parlaments. Ich hielt die Form des ganzen Auftretens für unwürdig des großen Vorbildes. Nun trat aber noch folgendes hinzu:Das Schicksal des Deutschtums im österreichischen Staate war abhängig von seiner Stellung im Reichsrat. Bis zur Einführung des allgemeinen und geheimen Wahlrechts war noch eine, wenn auch unbedeutende deutsche Majorität im Parlament vorhanden. Schon dieser Zustand war bedenklich, da bei der national unzuverlässigen Haltung der Sozialdemokratie diese in kritischen, das Deutschtum betreffenden Fragen um sich nicht die Anhänger in den einzelnen Fremdvölkern abspenstig zu machen - immer gegen die deutschen Belange auftrat. Die Sozialdemokratie konnte schon damals nicht als deutsche Partei betrachtet werden. Mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts aber hörte die deutsche Überlegenheit auch rein ziffernmäßig auf. Nun war der weiteren Entdeutschung des Staates kein Hindernis mehr im Wege.
Der nationale Selbsterhaltungstrieb ließ mich schon damals aus diesen Grunde eine Volksvertretung wenig lieben, in der das Deutschtum statt vertreten verraten wurde. Allein dies waren Mängel, die, wie so vieles andere eben auch, nicht der Sache an sich, sondern dem österreichischen Staate zuzuschreiben waren. Ich glaubte früher noch, daß mit einer Wiederherstellung der deutschen Mehrheit in den Vertretungskörpern zu einer prinzipiellen Stellungnahme dagegen kein Anlaß mehr vorhanden wäre, solange der alte Staat eben überhaupt noch bestünde.
So also innerlich eingestellt, betrat ich zum ersten Male die ebenso geheiligten wie umstrittenen Räume. Allerdings waren sie mir nur geheiligt durch die erhabene Schönheit des herrlichen Baues. Ein hellenisches Wunderwerk auf deutschem Boden.
In wie kurzer Zeit aber war ich empört, als ich das jämmerliche Schauspiel sah, das sich nun unter meinen Augen abrollte!Es waren einige Hundert dieser Volksvertreter anwesend, die eben zu einer Frage von wichtiger wirtschaftlicher Bedeutung Stellung zu nehmen hatten.
Mir genügte schon dieser erste Tag, um mich zum Denken auf Wochen hindurch anzuregen.
Der geistige Gehalt des Vorgebrachten lag auf einer wahrhaft niederdrückenden "Höhe", soweit man das Gerede überhaupt verstehen konnte; denn einige der Herren sprachen nicht deutsch, sondern in ihren slawischen Muttersprachen oder besser Dialekten. Was ich bis dahin nur aus dem Lesen der Zeitungen wußte, hatte ich nun Gelegenheit, mit meinen eigenen Ohren zu hören. Eine gestikulierende, in allen Tonarten durcheinander schreiende, wildbewegte Masse, darüber einen harmlosen alten Onkel, der sich im Schweiße seines Angesichts bemühte, durch heftiges Schwingen einer Glocke und bald begütigende, bald ermahnende ernste Zurufe die Würde des Hauses wieder in Fluß zu bringen.
Ich mußte lachen.
Einige Wochen später war ich neuerdings in dem Hause. Das Bild war verändert, nicht zum Wiedererkennen. Der Saal ganz leer. Man schlief da unten. Einige Abgeordnete waren auf ihren Plätzen und gähnten sich gegenseitig an, einer "redete". Ein Vizepräsident des Hauses war anwesend und sah ersichtlich gelangweilt in den Saal. Die ersten Bedenken stiegen mir auf. Nun lief ich, wenn mir die Zeit nur irgendwie die Möglichkeit bot, immer wieder hin und betrachtete mir still und aufmerksam das jeweilige Bild, hörte die Reden an, soweit sie zu verstehen waren, studierte die mehr oder minder intelligenten Gesichter dieser Auserkorenen der Nationen dieses traurigen Staates - und machte mir dann allmählich meine eigenen Gedanken.
Ein Jahr dieser ruhigen Beobachtung genügte, um meine frühere Ansicht aber das Wesen dieser Institution aber auch restlos zu ändern oder zu beseitigen. Mein Inneres nahm nicht mehr Stellung gegen die mißgestaltete Form, die dieser Gedanke in Österreich angenommen hatte; nein, nun konnte ich das Parlament als solches nicht mehr anerkennen. Bis dahin sah ich das Unglück des österreichischen Parlaments im Fehlen einer deutschen Majorität, nun aber sah ich das Verhängnis in der ganzen Art und dem Wesen dieser Einrichtung überhaupt.
Eine ganze Reihe von Fragen stieg mir damals auf.
Ich begann mich mit dem demokratischen Prinzip der Mehrheitsbestimmung, als der Grundlage dieser ganzen Einrichtung, vertraut zu machen, schenkte aber auch nicht weniger Aufmerksamkeit den geistigen und moralischen Werten der Herren, die als Auserwählte der Nationen diesem Zwecke dienen sollten.
So lernte ich Institutionen und Träger derselben zugleich kennen.
Im Verlauf einiger Jahre bildete sich mir dann in Erkenntnis und Einsicht der Typ der würdevollsten Erscheinung der neueren Zeit in plastischer Deutlichkeit aus: der Parlamentarier. Er begann sich mir einzuprägen in einer Form, die niemals mehr einer wesentlichen Änderung unterworfen wurde.
Auch dieses Mal hatte mich der Anschauungsunterricht der praktischen Wirklichkeit davor bewahrt, in einer Theorie zu ersticken, die auf den ersten Blick so vielen verführerisch erscheint, die aber nichtsdestoweniger zu den Verfallserscheinungen der Menschheit zu rechnen ist.
Die Demokratie des heutigen Westens ist der Vorläufer des Marxismus, der ohne sie gar nicht denkbar wäre. Sie gibt erst dieser Weltpest den Nährboden, auf dem sich dann die Seuche auszubreiten vermag. In ihrer äußeren Ausdrucksform, dem Parlamentarismus, schuf sie sich noch eine "Spottgeburt aus Dreck und Feuer", bei der mir nur leider das "Feuer" im Augenblick ausgebrannt zu sein scheint.
Ich muß dem Schicksal mehr als dankbar sein, daß es mir auch diese Frage noch in Wien zur Prüfung vorlegte, denn ich fürchte, daß ich mir in Deutschland damals die Antwort zu leicht gemacht haben würde. Hätte ich die Lächerlichkeit dieser Institution, "Parlament" genannt, zuerst in Berlin kennengelernt, so würde ich vielleicht in das Gegenteil verfallen sein und mich, nicht ohne scheinbar guten Grund, auf die Seite derjenigen gestellt haben, die des Volkes und Reiches Heil in der ausschließlichen Förderung der Macht des Kaisergedankens allein erblickten und so der Zeit und den Menschen dennoch fremd und blind zugleich gegenüberstanden.
In Österreich war dies unmöglich.
Hier konnte man nicht so leicht von einem Fehler in den anderen verfallen. Wenn das Parlament nichts taugte, dann taugten die Habsburger noch viel weniger - auf gar keinen Fall mehr. Mit der Ablehnung des "Parlamentarismus" war es hier allein nicht getan; denn dann blieb immer noch die Frage offen: Was nun? Die Ablehnung und Beseitigung des Reichsrates würde als einzige Regierungsgewalt ja nur das Haus Habsburg übriggelassen haben, ein besonders für mich ganz unerträglicher Gedanke.
Die Schwierigkeit dieses besonderen Falles führte mich zu einer gründlicheren Betrachtung des Problems an sich, als dies sonst wohl in so jungen Jahren eingetreten wäre.
Was nur zuallererst und am allermeisten zu denken gab, war das ersichtliche Fehlen jeder Verantwortlichkeit einer einzelnen Person.
Das Parlament fast irgendeinen Beschluß, dessen Folgen noch so verheerend sein mögen niemand trägt dafür eine Verantwortung, niemand kann je zur Rechenschaft gezogen werden. Denn heißt dies etwa Verantwortung übernehmen, wenn nach einem Zusammenbruch sondergleichen die schuldige Regierung zurücktritt? Oder die Koalition sich ändert, ja das Parlament sich auflöst?
Kann denn überhaupt eine schwankende Mehrheit von Menschen jemals verantwortlich gemacht werden?
Ist denn nicht der Gedanke jeder Verantwortlichkeit an die Person gebunden?
Kann man aber praktisch die leitende Person einer Regierung haftbar machen für Handlungen, deren Werden und Durchführung ausschließlich auf das Konto des Wollens und der Geneigtheit einer Vielheit von Menschen zu sehen sind?
Oder: Wird nicht die Aufgabe des leitenden Staatsmannes, statt in der Geburt des schöpferischen Gedankens oder Planes an sich, vielmehr nur in der Kunst gesehen, die Genialität seiner Entwürfe einer Hammelherde von Hohlköpfen verständlich zu machen, um dann deren gütige Zustimmung zu erbetteln?Ist dies das Kriterium des Staatsmannes, daß er die Kunst der Überredung in ebenso hohem Maße besitze wie die der staatsmännischen Klugheit im Fassen großer Richtlinien oder Entscheidungen?
Ist die Unfähigkeit eines Führers dadurch bewiesen, daß es ihm nicht gelingt, die Mehrheit eines durch mehr oder minder saubere Zufälle zusammengebeulten Haufens für eine bestimmte Idee zu gewinnen?Ja, hat denn dieser Haufe überhaupt schon einmal eine Idee begriffen, ehe der Erfolg zum Verkünder ihrer Größe wurde?
Ist nicht jede geniale Tat auf dieser Welt der sichtbare Protest des Genies gegen die Trägheit der Masse?
Was aber soll der Staatsmann tun, dem es nicht gelingt, die Gunst dieses Haufens für seine Pläne zu erschmeicheln?
Soll er sie erkaufen?
Oder soll er angesichts der Dummheit seiner Mitbürger auf die Durchführung der als Lebensnotwendigkeit erkannten Aufgaben verzichten, sich zurückziehen, oder soll er dennoch bleiben?
Kommt nicht in einem solchen Falle der wirkliche Charakter in einen unlösbaren Konflikt zwischen Erkenntnis und Anstand oder, besser gesagt, ehrlicher Gesinnung?Wo liegt hier die Grenze, die die Pflicht der Allgemeinheit gegenüber scheidet von der Verpflichtung der persönlichen Ehre?Muß nicht jeder wahrhaftige Führer es sich verbitten, auf solche Weise zum politischen Schieber degradiert zu werden?Und muß nicht umgekehrt jeder Schieber sich nun berufen fühlen, in Politik zu "machen", da die letzte Verantwortung niemals er, sondern irgend ein unfaßbarer Haufe zu tragen hat?Muß nicht unser parlamentarisches Mehrheitsprinzip zur Demolierung des Führergedankens überhaupt führen?
Glaubt man aber, daß der Fortschritt dieser Welt etwa aus dem Gehirn von Mehrheiten stammt und nicht aus den Köpfen einzelner?
Oder vermeint man, vielleicht für die Zukunft dieser Voraussetzung menschlicher Kultur entbehren zu können?Scheint sie nicht im Gegenteil heute nötiger zu sein als je?
Indem das parlamentarische Prinzip der Majoritätsbestimmung die Autorität der Person ablehnt und an deren Stelle die Zahl des jeweiligen Haufens setzt, sündigt es wider den aristokratischen Grundgedanken der Natur, wobei allerdings deren Anschauung vom Adel in keinerlei Weise etwa in der heutigen Dekadenz unserer oberen Zehntausend verkörpert zu sein braucht.
Welche Verwüstungen diese Einrichtung moderner demokratischer Parlamentsherrschaft anrichtet, kann sich freilich der Leser hassischer Zeitungen schwer vorstellen, sofern er nicht selbständig denken und prüfen gelernt hat. Sie ist in erster Linie der Anlaß für die unglaubliche Überschwemmung des gesamten politischen Lebens mit den minderwertigsten Erscheinungen unserer Tage. So sehr sich der wahrhaftige Führer von einer politischen Betätigung zurückziehen wird, die zu ihrem größten Teile nicht in schöpferischer Leistung und Arbeit bestehen kann, als vielmehr im Feilschen und Handeln um die Gunst einer Mehrheit, so sehr wird gerade diese Tätigkeit dem kleinen Geist entsprechen und diesen mithin auch anziehen.
Je zwergenhafter ein solcher Lederhändler heute an Geist und Können ist, je klarer ihm die eigene Einsicht die Jämmerlichkeit seiner tatsächlichen Erscheinung zum Bewußtsein bringt, um so mehr wird er ein System preisen, das von ihm gar nicht die Kraft und Genialität eines Riesen verlangt, sondern vielmehr mit der Pfiffigkeit eines Dorfschulzen vorlieb nimmt, ja, eine solche Art von Weisheit lieber sieht als die eines Perikles. Dabei braucht solch ein Tropf sich nie mit der Verantwortung seines Wirkens abzuquälen. Er ist dieser Sorge schon deshalb gründlich enthoben, da er ja genau weiß, daß, ganz gleich, wie immer auch das Ergebnis seiner "staatsmännischen" Murkserei sein wird, sein Ende ja doch schon längst in den Sternen verzeichnet steht: er wird eines Tages einem anderen, ebenso großen Geist den Platz zu räumen haben. Denn dies ist mit ein Kennzeichen eines solchen Verfalls, daß die Menge großer Staatsmänner in eben dem Maße zunimmt, in dem der Maßstab des einzelnen zusammenschrumpft. Er wird aber mit zunehmender Abhängigkeit von parlamentarischen Mehrheiten immer kleiner werden müssen, da sowohl die großen Geister es ablehnen werden, die Büttel blöder Nichtskönner und Schwätzer zu sein, wie umgekehrt die Repräsentanten der Majorität, das ist also der Dummheit, nichts inständiger hassen als den überlegenen Kopf.
Es ist immer ein tröstliches Gefühl für solch eine Ratsversammlung Schildaer Stadtverordneter, einen Führer an der Spitze zu wissen, dessen Weisheit dem Niveau der Anwesenden entspricht: hat doch so jeder die Freude, von Zeit zu Zeit auch seinen Geist dazwischen blitzen lassen zu können und vor allem aber, wenn Hinze Meister sein kann, warum dann nicht auch einmal Peter?
Am innigsten entspricht diese Erfindung der Demokratie aber einer Eigenschaft, die in letzter Zeit zu einer wahren Schande ausgewachsen ist, nämlich der Feigheit eines großen Teils unseres sogenannten "Führertums". Welch ein Glück, sich in allen wirklichen Entscheidungen von einiger Bedeutung hinter den Rockschößen einer sogenannten Majorität verstecken zu können!Man sehe sich nur solch einen politischen Strauchdieb einmal an, wie er besorgt zu jeder Verrichtung sich die Zustimmung der Mehrheit erbettelt, um sich so die notwendigen Spießgesellen zu sichern und damit jederzeit die Verantwortung abladen zu können. Dies aber ist mit der Hauptgrund, warum eine solche Art von politischer Betätigung einem innerlich anständigen und damit aber auch mutigen Mann widerlich und verhaßt ist, wahrend es alle elenden Charaktere und wer nicht für seine Handlung persönlich auch die Verantwortung übernehmen will, sondern nach Deckung sucht, ist ein feiger Lump - anzieht. Sowie aber erst einmal die Leiter einer Nation aus solchen Jämmerlingen bestehen, dann wird sich dies schon in kurzer Zeit böse rächen. Man wird dann zu keiner entschlossenen Handlung mehr den Mut aufbringen, wird jede, auch noch so schmähliche Entehrung lieber hinnehmen, als sich zu einem Entschlusse aufzuraffen; ist doch niemand mehr da, der von sich aus bereit ist, seine Person und seinen Kopf für die Durchführung einer rücksichtslosen Entscheidung einzusetzen.
Denn eines soll und darf man nie vergessen: Die Majorität kann auch hier den Mann niemals ersetzen. Sie ist nicht nur immer eine Vertreterin der Dummheit, sondern auch der Feigheit. Und so wenig hundert Hohlköpfe einen Weisen ergeben, so wenig kommt ans hundert Feiglingen ein heldenhafter Entschluß.
Je leichter aber die Verantwortung des einzelnen Führers ist, um so mehr wird die Zahl derjenigen wachsen, die selbst bei jämmerlichsten Ausmaßen sich berufen fühlen werden, ebenfalls der Nation ihre unsterblichen Kräfte zur Verfügung zu stellen. ja, sie werden es gar nicht mehr erwarten können, endlich einmal auch an die Reihe zu kommen; sie stehen an in einer langen Kolonne und zählen mit schmerzlichem Bedauern die Zahl der vor ihnen Wartenden und rechnen die Stunde fast aus, die menschlichem Ermessen nach sie zum Zuge bringen wird. Daher ersehnen sie jeden Wechsel in dem ihnen vorschwebenden Amte und sind dankbar für jeden Skandal, der die Reihe vor ihnen lichtet. Will jedoch einmal einer nicht von der eingenommenen Stelle wieder weichen, so empfinden sie dies fast als Bruch eines heiligen Abkommens gemeinsamer Solidarität. Dann werden sie bösartig und ruhen nicht eher, als bis der Unverschämte, endlich gestürzt, seinen warmen Platz der Allgemeinheit wieder zur Verfügung stellt. Er wird dafür nicht so schnell wieder an diese Stelle gelangen. Denn sowie eine dieser Kreaturen ihren Posten aufzugeben gezwungen ist, wird sie sich sofort wieder in die allgemeine Reihe der Wartenden einzuschieben versuchen, sofern nicht das dann anhebende Geschrei und Geschimpfe der anderen sie davon abhält.
Die Folge von dem allem ist der erschreckend schnelle Wechsel in den wichtigsten Stellen und Ämtern eines solchen Staatswesens, ein Ergebnis, das in jedem Falle ungünstig manchmal aber geradezu katastrophal wirkt. Denn nun wird ja nicht nur der Dummkopf und Unfähige dieser Sitte zum Opfer fallen, sondern noch mehr der wirkliche Führer, wenn das Schicksal einen solchen an diese Stelle Zu setzen überhaupt noch fertigbringt. Sowie man nur einmal dieses erkannt hat, wird sich sofort eine geschlossene Front zur Abwehr bilden, besonders wenn ein solcher Kopf, ohne aus den eigenen Reihen zu stammen, dennoch sich untersteht, in diese erhabene Gesellschaft einzudringen. Man will da grundsatzlich nur unter sich sein und haßt als gemeinsamen Feind jeden Schädel, der unter den Nullen etwa einen Einser ergeben könnte. Und in dieser Richtung ist der Instinkt um so schärfer, je mehr er auch in allen anderen fehlen mag.
So wird die Folge eine immer mehr um sich greifende geistige Verarmung der führenden Schichten sein. Was dabei für die Nation und den Staat herauskommt, kann jeder selbst ermessen, soweit er nicht persönlich zu dieser Sorte von "Führern" gehört.
Das alte Österreich besaß das parlamentarische Regiment bereits in Reinkultur.
Wohl wurden die jeweiligen Ministerpräsidenten vom Kaiser und König ernannt, allein schon diese Ernennung war nichts anderes als die Vollstreckung parlamentarischen Wollens. Das Feilschen und Handeln aber um die einzelnen Ministerposten war schon westliche Demokratie von reinstem Wasser. Die Ergebnisse entsprachen auch den angewandten Grundsätzen. Besonders der Wechsel der einzelnen Persönlichkeiten trat schon in immer kürzeren Fristen ein, um endlich zu einem wahrhaften Jagen zu werden. In demselben Maße sank die Größe der jeweiligen "Staatsmänner" immer mehr zusammen, bis endlich überhaupt nur jener kleine Typ von parlamentarischen Schiebern übrigblieb, deren staatsmännischer Wert nur mehr nach ihrer Fähigkeit gemessen und anerkannt wurde, mit der es ihnen gelang, die jeweiligen Koalitionen zusammenzukleistern, also jene kleinsten politischen Handelsgeschäfte durchzuführen, die ja allein die Eignung dieser Volksvertreter für praktische Arbeit zu begründen vermögen.
So konnte einem die Wiener Schule auf diesem Gebiete die besten Einblicke vermitteln.
Was mich nicht weniger anzog, war der Vergleich zwischen dem vorhandenen Können und Wissen dieser Volksvertreter und den Aufgaben, die ihrer harrten. Freilich mußte man sich dann aber, man mochte wollen oder nicht, mit dem geistigen Horizont dieser Auserwählten der Völker selber näher beschäftigen, wobei es sich dann gar nicht mehr umgehen ließ, auch den Vorgängen, die zur Entdeckung dieser Prachterscheinungen unseres öffentlichen Leben führen, die nötige Beachtung zu schenken.
Auch die Art und Weise, in der das wirkliche Können dieser Herren in den Dienst des Vaterlandes gestellt und angewendet wurde, also der technische Vorgang ihrer Betätigung war wert, gründlich untersucht und geprüft zu werden.
Das gesamte Bild des parlamentarischen Lebens ward dann um so jämmerlicher, je mehr man sich entschloß, in diese inneren Verhältnisse einzudringen, Personen und sachliche Grundlagen mit rücksichtslos scharfer Objektivität zu studieren. Ja, dies ist sehr angezeigt einer Institution gegenüber, die sich veranlaßt sieht, durch ihre Träger in jedem zweiten Satz auf "Objektivität" als die einzige gerechte Grundlage zu jeglicher Prüfung und Stellungnahme überhaupt hinzuweisen. Man prüfe diese Herren selber und die Gesetze ihres bitteren Daseins, und man wird aber das Ergebnis nur staunen.
Es gibt gar kein Prinzip, das, objektiv betrachtet, so unrichtig ist wie das parlamentarische.
Man darf dabei noch ganz absehen von der Art, in der die Wahl der Herren Volksvertreter stattfindet, wie sie überhaupt zu ihrem Amte und zu ihrer neuen Würde gelangen. Daß es sich hierbei nur zu einem wahrhaft winzigen Bruchteil um die Erfüllung eines allgemeinen Wunsches oder gar eines Bedürfnisses handelt, wird jedem sofort einleuchten, der sich klarmacht, daß das politische Verständnis der breiten Masse gar nicht so entwickelt ist, um von sich aus zu bestimmten allgemein politischen Anschauungen zu gelangen und die dafür in Frage kommenden Personen auszusuchen.
Was wir immer mit dem Worte "öffentliche Meinung" bezeichnen, beruht nur zu einem kleinsten Teile auf selbstgewonnenen Erfahrungen oder gar Erkenntnissen der einzelnen, zum größten Teil dagegen auf der Vorstellung, die durch eine oft ganz unendlich eindringliche und beharrliche Art von sogenannter "Aufklärung" hervorgerufen wird.
So wie die konfessionelle Einstellung das Ergebnis der Erziehung ist und nur das religiöse Bedürfnis an sich im Innern des Menschen schlummert, so stellt auch die politische Meinung der Masse nur das Endresultat einer manchmal ganz unglaublich zähen und gründlichen Bearbeitung von Seele und Verstand dar.
Der weitaus gewaltigste Anteil an, der politischen "Erziehung", die man in diesem Falle mit dem Wort Propaganda sehr treffend bezeichnet, fällt auf das Konto der Presse. Sie besorgt in erster Linie diese "Aufklärungsarbeit" und stellt damit eine Art von Schule für die Erwachsenen dar. Nun liegt dieser Unterricht nicht in der Hand des Staates, sondern in den Klauen von zum Teil höchst minderwertigen Kräften. Ich hatte gerade in Wien schon als junger Mensch die allerbeste Gelegenheit, Inhaber und geistige Fabrikanten dieser Massenerziehungsmaschine richtig kennenzulernen. Ich mußte im Anfang staunen, in wie kurzer Zeit es dieser schlimmen Großmacht im Staate möglich wurde, eine bestimmte Meinung zu erzeugen, auch wenn es sich dabei um die vollständige Umfälschung sicher vorhandener innerer Wünsche und Anschauungen der Allgemeinheit handeln mochte. In wenigen Tagen war da aus einer lächerlichen Sache eine bedeutungsvolle Staatsaktion gemacht, während umgekehrt zu gleicher Zeit lebenswichtige Probleme dem allgemeinen Vergessen anheimfielen, besser aber einfach aus dem Gedächtnis und der Erinnerung der Masse gestohlen wurden.
So gelang es, im Verlaufe weniger Wochen Namen aus dem Nichts hervorzuzaubern, unglaubliche Hoffnungen der breiten Öffentlichkeit an sie zu knüpfen, ja ihnen Popularität zu verschaffen, die dem wirklich bedeutenden Manne oft in seinem ganzen Leben nicht zuteil zu werden vermag; Namen, die dabei noch vor einem Monat überhaupt kein Mensch aber auch nur dem Hören nach kannte, wahrend in der gleichen Zeit alte, bewährte Erscheinungen des staatlichen oder sonstigen öffentlichen Lebens bei bester Gesundheit einfach für die Mitwelt abstarben oder mit solch elenden Schmähungen überhäuft wurden, daß ihr Name in kurzem drohte, zum Symbol einer ganz bestimmten Niedertracht oder Schurkerei zu werden. Man muß diese infame hassische Art, ehrlichen Menschen mit einem Male und wie auf Zauberspruch zugleich von hundert und aller hundert Stellen aus die Schmutzkübel niedrigster Verleumdungen und Ehrabschneidungen aber das saubere Kleid zu gießen, studieren, um die ganze Gefahr dieser Presselumpen richtig würdigen zu können.
Es gibt dann nichts, das solch einem geistigen Raubritter nicht passend wäre, um zu seinen sauberen Zielen zu kommen.
Er wird dann bis in die geheimsten Familienangelegenheiten hineinschnüffeln und nicht eher ruhen, als bis sein Trüffelsuchinstinkt irgendeinen armseligen Vorfall aufstöbert, der dann bestimmt ist, dem unglücklichen Opfer den Garaus zu machen. Findet sich aber weder im öffentlichen noch im privaten Leben selbst bei gründlichstem Abriechen rein gar nichts, dann greift so ein Bursche einfach zur Verleumdung in der festen Überzeugung, daß nicht nur an und für sich auch bei tausendfältigem Widerrufe doch immer etwas hängen bleibt, sondern daß infolge der hundertfachen Wiederholung, die die Ehrabschneidung durch alle seine sonstigen Spießgesellen sofort findet, ein Kampf des Opfers dagegen in den meisten Fällen gar nicht möglich ist; wobei aber dieses Lumpenpack niemals etwa aus Motiven, wie sie vielleicht bei der anderen Menschheit glaubhaft oder wenigstens verständlich waren, etwas unternimmt. Gott bewahre! Indem so ein Strolch die liebe Mitwelt in der schurkenhaftesten Weise angreift, hüllt sich dieser Tintenfisch in eine wahre Wolke von Biederkeit und salbungsvollen Phrasen, schwatzt von "journalistischer Pflicht" und ähnlichem verlogenem Zeug, ja versteigt sich sogar noch dazu, bei Tagungen und Kongressen, also Anlässen, die diese Plage in größerer Zahl beisammensehen, von einer ganz besonderen, nämlich der journalistischen "Ehre" zu salbadern, die sich das versammelte Gesindel dann gravitätisch gegenseitig bestätigt.
Dieses Pack aber fabriziert zu mehr als zwei Dritteln die sogenannte "öffentliche Meinung", deren Schaum dann die parlamentarische Aphrodite entsteigt.
Um dieses Verfahren richtig zu schildern und in seiner ganzen verlogenen Unwahrhaftigheit darzustellen, müßte man Bände schreiben. Allein, auch wenn man von dem ganz absieht und nur das gegebene Produkt samt seiner Tätigkeit betrachtet, so scheint mir dies genügend, um den objektiven Irrsinn dieser Einrichtung auch für das strenggläubige Gemüt aufdämmern zu lassen.
Man wird diese ebenso unsinnige wie gefährliche menschliche Verwirrung am ehesten und auch am leichtesten verstehen, sobald man den demokratischen Parlamentarismus in Vergleich bringt mit einer wahrhaften germanischen Demokratie.
Das Bemerkenswerte des ersteren liegt darin, daß eine Zahl von sagen wir fünfhundert Männern oder in letzter Zeit auch Frauen gewählt wird, denen nun in allem und jedem die endgültige Entscheidung zu treffen obliegt. Sie sind so praktisch allein die Regierung; denn wenn auch von ihnen ein Kabinett gewählt wird, das nach außen hin die Leitung der Staatsgeschäfte vornimmt, so ist dies trotzdem nur zum Scheine da. In Wirklichkeit kann diese sogenannte Regierung nicht einen Schritt tun, ohne sich nicht vorher erst die Genehmigung von der allgemeinen Versammlung geholt zu haben. Sie ist aber damit auch für gar nichts verantwortlich zu machen, da die letzte Entscheidung ja niemals bei ihr liegt, sondern bei der Majorität des Parlaments. Sie ist in jedem Falle nur die Vollstreckerin des jeweiligen Mehrheitswillens. Man könnte ihre politische Fähigkeit eigentlich nur beurteilen nach der Kunst, mit der sie es versteht, sich entweder dem Willen der Mehrheit anzupassen oder die Mehrheit zu sich herüberzuziehen. Sie sinkt damit aber von der Höhe einer tatsächlichen Regierung herunter zu einer Bettlerin gegenüber der jeweiligen Majorität. Ja, ihre vordringlichste Aufgabe hat nun überhaupt nur mehr darin zu bestehen, von Fall zu Fall sich entweder die Gunst der bestehenden Mehrheit zu sichern oder die Bildung einer besser geneigten neuen zu übernehmen. Gelingt dies, dann darf sie wieder eine kleine Zeit weiter "regieren", gelingt es nicht, dann kann sie gehen. Die Richtigkeit ihrer Absichten an und für sich spielt dabei gar keine Rolle.
Damit aber wird jede Verantwortlichkeit praktisch ausgeschaltet. Zu welchen Folgen dies führt, geht schon aus einer ganz einfachen Betrachtung hervor:Die innere Zusammensetzung der fünfhundert gewählten Volksvertreter nach Beruf oder gar nach den Fähigkeiten der einzelnen ergibt ein ebenso zerrissenes wie meist auch noch kümmerliches Bild. Denn man wird doch nicht etwa glauben, daß diese Auserwählten der Nation auch ebenso Auserwählte des Geistes oder auch nur des Verstandes sind! Man wird hoffentlich nicht meinen, daß aus den Stimmzetteln einer alles eher als geistreichen Wählerschaft die Staatsmänner gleich zu hunderten herauswachsen. Überhaupt kann man dem Unsinn gar nicht scharf genug entgegentreten, daß aus allgemeinen Wahlen Genies geboren werden. Zum ersten gibt es in einer Nation nur alle heiligen Zeiten einmal einen wirklichen Staatsmann und nicht gleich an die hundert und mehr auf einmal; und zum zweiten ist die Abneigung der Masse gegen jedes überragende Genie eine geradezu instinktive. Eher geht auch ein Kamel durch ein Nadelöhr, ehe ein großer Mensch durch eine Wahl "entdeckt" wird.
Was wirklich aber das Normalmaß des breiten Durchschnitts hinausragt, pflegt sich in der Weltgeschichte meistens persönlich anzumelden.
So aber stimmen fünfhundert Menschen von mehr als bescheidenen Ausmaßen über die wichtigsten Belange der Nation ab, setzen Regierungen ein, die sich dann selber wieder in jedem einzelnen Falle und jeder besonderen Frage die Zustimmung der erlauchten Ratsversammlung zu holen haben, mithin wird also, tatsächlich die Politik von fünfhundert gemacht.
Und danach sieht sie auch meistens aus.
Aber selbst die Genialität dieser Volksvertreter ganz aus dem Spiele gelassen, bedenke man doch, welch verschiedener Art die Probleme sind, die einer Erledigung harren, auf welch auseinanderliegenden Gebieten Lösungen und Entscheidungen getroffen werden müssen, und man wird wohl begreifen, wie untauglich hierzu eine Regierungseinrichtung sein muß, die das letzte Bestimmungsrecht einer Massenversammlung von Menschen überträgt, von der immer nur ein ganz winziger Bruchteil Kenntnisse und Erfahrung in der zur Behandlung stehenden Angelegenheit besitzt. Die wichtigsten wirtschaftlichen Maßnahmen werden so einem Forum unterbreitet, das nur zu einem Zehntel seiner Mitglieder wirtschaftliche Vorbildung aufzuweisen hat. Das heißt aber doch nichts anderes, als die letzte Entscheidung in einer Sache in die Hände von Männern legen, denen jegliche Voraussetzung hierzu vollkommen fehlt.
So ist es aber mit jeder anderen Frage auch. Immer wird durch eine Mehrheit von Nichtswissern und Nichtskönnern der Ausschlag gegeben werden, da ja die Zusammensetzung dieser Einrichtung unverändert bleibt, während sich die zur Behandlung stehenden Probleme auf fast alle Gebiete des öffentlichen Lebens erstrecken, mithin einen dauernden Wechsel der über sie urteilenden und bestimmenden Abgeordneten voraussetzen werden. Es ist doch unmöglich, über Verkehrsangelegenheiten dieselben Menschen verfügen zu lassen wie, sagen wir, über eine Frage hoher Außenpolitik. Es müßten dies anders denn lauter Universalgenies sein, wie sie in Jahrhunderten kaum einmal in wirkliche Erscheinung treten. Leider handelt es sich hier aber zumeist überhaupt um keine "Köpfe", sondern um ebenso beschrankte wie eingebildete und aufgeblasene Dilettanten, geistige Halbwelt übelster Sorte. Daher kommt auch die so oft unverständliche Leichtsinnigkeit, mit der diese Herrschaften über Dinge reden und beschließen, die selbst den größten Geistern sorgenvolle Überlegung bereiten würden. Maßnahmen von der schwersten Bedeutung für die Zukunft eines ganzen Staates, ja einer Nation werden da getroffen, als ob eine ihnen sicher besser zustehende Partie Schafkopf oder Tarock auf dem Tisch läge und nicht das Schicksal einer Rasse.
Nun wäre es sicher ungerecht, zu glauben, daß jeder der Abgeordneten eines solchen Parlaments von sich aus schon immer mit so geringen Gefühlen für Verantwortung behaftet gewesen sei.
Nein, durchaus nicht.
Aber indem dieses System den einzelnen zwingt, zu solchen ihm gar nicht liegenden Fragen Stellung zu nehmen, verdirbt es allmählich den Charakter. Keiner wird den Mut aufzubringen vermögen, zu erklären: "Meine Herren, ich glaube, wir verstehen von dieser Angelegenheit nichts. Ich persönlich wenigstens auf keinen Fall." (Im übrigen würde dies auch nur wenig ändern, denn sicher bliebe diese Art von Aufrichtigkeit nicht nur gänzlich unverstanden, sondern man ließe sich auch wohl kaum durch solch einen ehrlichen Esel das allgemeine Spiel verderben.) Wer die Menschen nun aber kennt, wird begreifen, daß in einer so illustren Gesellschaft nicht gerne einer der Dümmste sein möchte, und in gewissen Kreisen ist Ehrlichkeit immer gleichbedeutend mit Dummheit.
So wird auch der zunächst noch ehrenhafte Vertreter zwangsläufig in diese Bahn der allgemeinen Verlogenheit und Betrügerei geworfen. Gerade die Überzeugung, daß das Nichtmittun eines einzelnen an der Sache an und für sich gar nichts ändern würde, tötet jede ehrliche Regung, die dem einen oder anderen etwa noch aufsteigen mag. Er wird sich zum Schlusse noch einreden, daß er persönlich noch lange nicht der Schlechteste unter den anderen sei und durch sein Mittun nur vielleicht Ärgeres verhüte.
Greilich wird man den Einwand bringen, daß allerdings der einzelne Abgeordnete in dieser oder jener Sache kein besonderes Verständnis besitze, über seine Stellungnahme ja von der Fraktion als Leiterin der Politik des betreffenden Herrn doch beraten werde; diese habe ihre besonderen Ausschüsse, die von Sachverständigen ohnehin mehr als genügend erleuchtet würden.
Dies scheint auf den ersten Blick zu stimmen. Aber die Frage wäre doch dann die: Warum wählt man fünfhundert, wenn doch nur einige die nötige Weisheit zur Stellungnahme in den wichtigsten Belangen besitzen?Ja, darin liegt eben des Pudels Kern.
Es ist nicht das Ziel unseres heutigen demokratischen Parlamentarismus, etwa eine Versammlung von Weisen zu bilden, als vielmehr eine Schar geistig abhängiger Nullen zusammenzustellen, deren Leitung nach bestimmten Richtlinien um so leichter wird, je größer die persönliche Beschränktheit des einzelnen ist. Nur so kann Parteipolitik im heutigen üblen Sinne gemacht werden. Nur so aber ist es auch möglich, daß der eigentliche Drahtzieher immer vorsichtig im Hintergrund zu bleiben vermag, ohne jemals persönlich zur Verantwortung gezogen werden zu können. Denn nun wird jede der Nation auch noch so schädliche Entscheidung ja nicht auf das Konto eines aller sichtbaren Lumpen kommen, sondern auf die Schultern einer ganzen Fraktion abgeladen werden.
Damit aber fallt jede praktische Verantwortung weg, denn diese kann nur in der Verpflichtung einer einzelnen Person liegen und nicht in der einer parlamentarischen Schwätzervereinigung.
Diese Einrichtung kann nur den allerverlogensten und zugleich besonders das Tageslicht scheuenden Schliefern lieb und wert sein, während sie jedem ehrlichen, geradlinigen, zur persönlichen Verantwortung bereiten Kerl verhaßt sein muß.
Daher ist diese Art von Demokratie auch das Instrument derjenigen Rasse geworden, die ihren inneren Zielen nach die Sonne zu scheuen hat, jetzt und in allen Zeiten der Zukunft. Nur der Hass kann eine Einrichtung preisen, die schmutzig und unwahr ist wie er selber.
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Dem steht gegenüber die wahrhaftige germanische Demokratie der freien Wahl des Führers mit dessen Verpflichtung zur vollen Übernahme aller Verantwortung für sein Tun und Lassen. In ihr gibt es keine Abstimmung einer Majorität zu einzelnen Fragen, sondern nur die Bestimmung eines einzigen, der dann mit Vermögen und Leben für seine Entscheidung einzutreten hat.
Wenn man mit dem Einwand kommen wird, daß unter solchen Voraussetzungen sich schwerlich jemand bereitfinden dürfte, seine Person einer so riskanten Aufgabe zu widmen, so muß darauf nur eines geantwortet werden:Gott sei gedankt, darin liegt ja eben der Sinn einer germanischen Demokratie, daß nicht der nächstbeste unwürdige Streber und moralische Drückeberger auf Umwegen zur Regierung seiner Volksgenossen kommt, sondern daß schon durch die Größe der zu übernehmenden Verantwortung Nichtskönner und Schwächlinge zurückgeschreckt werden.
Sollte sich aber dennoch einmal ein solcher Bursche einzustehlen versuchen, dann kann man ihn leichter finden und rücksichtslos anfahren: Hinweg, feiger Lump! Ziehe den Fuß zurück, du beschmutzest die Stufen; denn der Vorderaufstieg in das Pantheon der Geschichte ist nicht für Schleicher da, sondern für Helden!
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Zu dieser Anschauung hatte ich mich nach zweijährigem Besuch des Wiener Parlaments durchgerungen.
Ich ging dann nicht mehr weiter hinein.
Das parlamentarische Regiment hatte mit ein Hauptverdienst an der in den letzten Jahren immer mehr zunehmenden Schwäche des alten habsburgischen Staates. Je mehr durch sein Wirken die Vorherrschaft des Deutschtums gebrochen wurde, um so mehr verfiel man nun einem System der Ausspielung der Nationalitäten untereinander. Im Reichsrat selber ging dies immer auf Kosten der Deutschen und damit allerdings in erster Linie auf Kosten des Reiches; denn um die Jahrhundertwende schon mußte auch dem Allereinfältigsten einleuchten, daß die Anziehungskraft der Monarchie die Loslösungsbestrebungen der Länder nicht mehr zu bannen vermochte.
Im Gegenteil.
Je armseliger die Mittel wurden, die der Staat zu seiner Erhaltung aufzuwenden hatte, um so mehr stieg die allgemeine Verachtung für ihn. Nicht nur in Ungarn, sondern auch in den einzelnen slawischen Provinzen fühlte man sich mit der gemeinsamen Monarchie so wenig mehr identisch, daß ihre Schwäche keineswegs als eigene Schande empfunden wurde. Man freute sich eher noch über solche Anzeichen des eintretenden Alters; hoffte man doch mehr auf ihren Tod als auf ihre Gesundung.
Im Parlament wurde der vollkommene Zusammenbruch noch verhindert durch ein würdeloses Nachgeben und Erfüllen aber auch jeder Erpressung, die dann der Deutsche zu bezahlen hatte; im Lande durch ein möglichst geschicktes Ausspielen der einzelnen Völker gegeneinander. Allein die allgemeine Linie der Entwicklung war dennoch gegen die Deutschen gerichtet. Besonders seit die Thronfolgerschaft dem Erzherzog Franz Ferdinand einen gewissen Einfluß einzuräumen begann, kam in die von oben herunter betriebene Tschechisierung Plan und Ordnung. Mit allen nur möglichen Mitteln versuchte dieser zukünftige Herrscher der Doppelmonarchie der Entdeutschung Vorschub zu leisten oder sie selber zu fördern, mindestens aber zu decken. Rein deutsche Orte wurden so über den Umweg der staatlichen Beamtenschaft langsam, aber unbeirrt sicher in die gemischtsprachliche Gefahrenzone hineingeschoben. Selbst in Niederösterreich begann dieser Prozeß immer schnellere Fortschritte zu machen, und Wien galt vielen Tschechen schon als ihre größte Stadt.
Der leitende Gedanke dieses neuen Habsburgers, dessen Familie nur mehr Tschechisch sprach (die Gemahlin des Erzherzogs war als ehemalige tschechische Gräfin dem Prinzen morganatisch angetraut; sie stammte aus Kreisen, deren deutschfeindliche Stellung Tradition bildete), war, in Mitteleuropa allmählich einen slawischen Staat aufzurichten, der zum Schutze gegen das orthodoxe Rußland auf streng katholische Grundlage gestellt werden sollte. Damit wurde, wie schon öfters bei den Habsburgern, die Religion wieder einmal in den Dienst eines rein politischen Gedankens, noch dazu eines - wenigstens von deutschen Gesichtspunkten aus betrachtet - unseligen Gedankens, gestellt.
Das Ergebnis war ein mehr als trauriges in vielfacher Hinsicht.
Weder das Haus Habsburg noch die katholische Kirche bekamen den erwarteten Lohn.
Habsburg verlor den Thron, Rom einen großen Staat. Denn indem die Krone auch religiöse Momente in den Dienst ihrer politischen Erwägungen stellte, rief sie einen Geist wach, den sie selber zunächst freilich nicht für möglich gehalten hatte.
Aus dem Versuch, mit allen Mitteln das Deutschtum in der alten Monarchie auszurotten, erwuchs als Antwort die alldeutsche Bewegung in Österreich.
Mit den achtziger Jahren hatte der manchesterliche Liberalismus hassischer Grundeinstellung auch in der Monarchie den Höhepunkt erreicht, wenn nicht schon überschritten. Die Reaktion dagegen kam jedoch, wie bei allem im alten Österreich, nicht aus in erster Linie sozialen Gesichtspunkten heraus, sondern aus nationalen. Der Selbsterhaltungstrieb zwang das Deutschtum, in schärfster Form sich zur Wehr zu setzen. Erst in zweiter Linie begannen langsam auch wirtschaftliche Erwägungen maßgebenden Einfluß zu gewinnen. So schälten sich zwei Parteigebilde aus dem allgemeinen politischen Durcheinander heraus, das eine mehr national, das andere mehr sozial eingestellt, beide aber hochinteressant und lehrreich für die Zukunft.
Nach dem niederdrückenden Ende des Krieges 1866 trug das Haus Habsburg sich mit dem Gedanken einer Wiedervergeltung auf dem Schlachtfelde. Nur der Tod des Kaisers Max von Mexiko, dessen unglückliche Expedition man in erster Linie Napoleon III. zuschrieb, und dessen Fallenlassen durch den Franzosen allgemeine Empörung wachrief, verhinderte ein engeres Zusammengehen mit Frankreich. Dennoch lag Habsburg damals auf der Lauer. Wäre der Krieg von 1870/71 nicht zu einem so einzigartigen Siegeszug geworden, so hätte der Wiener Hof wohl doch noch das blutige Spiel um die Rache für Sadowa gewagt. Als aber die ersten Heldenmären von den Schlachtfeldern eintrafen, wundersam und kaum zu glauben, aber dennoch wahr, da erkannte der "weiseste" aller Monarchen die unpassende Stunde und machte eine möglichst gute Miene zum bösen Spiel.
Der Heldenkampf dieser beiden Jahre hatte aber noch ein viel gewaltigeres Wunder vollbracht; denn bei den Habsburgern entsprach die veränderte Stellungnahme niemals dem Drang des inneren Herzens, sondern dem Zwang der Verhältnisse. Das deutsche Volk in der alten Ostmark aber wurde von dem Siegesrausche des Reiches mitgerissen und sah mit tiefer Ergriffenheit das Wiederaufstehen des Traumes der Väter zur herrlichsten Wirklichkeit.
Denn man täusche sich nicht: der wahrhaft deutschgesinnte Österreicher hatte auch in Königgrätz von diesen Stunden an nur mehr die ebenso tragische wie aber auch notwendige Voraussetzung erkannt zur Wiederaufrichtung eines Reiches, das nicht mehr mit dem fauligen Marasmus des alten Bundes behaftet sein sollte und es auch nicht mehr war. Er lernte vor allem auch am gründlichsten am eigenen Leibe zu fühlen, daß das Haus Habsburg seine geschichtliche Sendung endlich beendet hatte und das neue Reich nur mehr den zum Kaiser küren dürfe, der in seiner heldischen Gesinnung der "Krone des Rheines" ein würdiges Haupt zu bieten habe. Wieviel mehr noch aber war das Schicksal zu preisen, da es diese Belehnung an dem Sprossen eines Hauses vollzog, das in Friedrich dem Großen schon einmal der Nation in verschwommener Zeit ein leuchtendes Sinnbild zur Erhebung für immer geschenkt hatte.
Als aber nach dem großen Kriege das Haus Habsburg mit der letzten Entschlossenheit daranging, das gefährliche Deutschtum der Doppelmonarchie (dessen innere Gesinnung nicht zweifelhaft sein konnte) langsam, aber unerbittlich auszurotten - denn dies mußte das Ende der Slawisierungspolitik sein -, da brannte der Widerstand des zum Ende bestimmten Volkes empor in einer Art, wie die deutsche Geschichte der neueren Zeit dies noch nicht kannte.
Zum ersten Male wurden national und patriotisch gesinnte Männer Rebellen.
Rebellen nicht gegen die Nation, auch nicht gegen den Staat an sich, sondern Rebellen gegen eine Art der Regierung, die ihrer Überzeugung nach zum Untergang des eigenen Volkstums führen mußte.
Zum ersten Male in der neueren deutschen Geschichte schied sich der landläufige dynastische Patriotismus von nationaler Vaterlands- und Volksliebe.
Es ist das Verdienst der alldeutschen Bewegung Deutschösterreichs der neunziger Jahre gewesen, in klarer und eindeutiger Weise festgestellt zu haben, das eine Staatsautorität nur dann das Recht hat, Achtung und Schutz zu verlangen, wenn sie den Belangen eines Volkstums entspricht, mindestens ihm nicht Schaden zufügt.
Staatsautorität als Selbstzweck kann es nicht geben, da in diesem Falle jede Tyrannei auf dieser Welt unangreifbar und geheiligt wäre.
Wenn durch die Hilfsmittel der Regierungsgewalt ein Volkstum dem Untergang entgegengeführt wird, dann ist die Rebellion eines jeden Angehörigen eines solchen Volkes nicht nur Recht, sondern Pflicht.
Die Frage aber, wann ein solcher Fall gegeben sei, wird nicht entschieden durch theoretische Abhandlungen, sondern durch die Gewalt und den Erfolg.
Da jede Regierungsgewalt selbstverständlich die Pflicht der Erhaltung der Staatsautorität für sich in Anspruch nimmt, mag sie auch noch so schlecht sein und die Belange eines Volkstums tausendmal verraten, so wird der völkische Selbsterhaltungstrieb bei Niederkämpfung einer solchen Macht, zur Erringung der Freiheit oder Unabhängigkeit, dieselben Waffen zu führen haben, mittels deren der Gegner sich zu halten versucht. Der Kampf wird demnach so lange mit "legalen" Mitteln gekämpft werden, solange auch die zu stürzende Gewalt sich solcher bedient; es wird aber auch nicht vor illegalen zurückzuschrecken sein, wenn auch der Unterdrücker solche anwendet.
Im allgemeinen soll aber nie vergessen werden, daß nicht die Erhaltung eines Staates oder gar die einer Regierung höchster Zweck des Daseins der Menschen ist, sondern die Bewahrung ihrer Art.
Ist aber einmal diese selber in Gefahr, unterdrückt oder gar beseitigt zu werden, dann spielt die Frage der Legalität nur mehr eine untergeordnete Rolle. Es mag dann sein, daß sich die herrschende Macht tausendmal sogenannter legaler" Mittel in ihrem Vorgehen bedient, so ist dennoch der Selbsterhaltungstrieb der Unterdrückten immer die erhabenste Rechtfertigung für ihren Kampf mit allen Waffen.
Nur aus der Anerkennung dieses Satzes allein sind die Freiheitskämpfe gegen innere und auch äußere Versklavung von Völkern auf dieser Erde in so gewaltigen historischen Beispielen geliefert worden.
Menschenrecht bricht Staatsrecht.
Unterliegt aber ein Volk in seinem Kampf um die Rechte des Menschen, dann wurde es eben auf der Schicksalswaage zu leicht befunden für das Glück der Forterhaltung auf der irdischen Welt. Denn wer nicht bereit oder fähig ist, für sein Dasein zu streiten, dem hat die ewig gerechte Vorsehung schon das Ende bestimmt.
Die Welt ist nicht da für feige Völker.
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Wie leicht es einer Tyrannei aber ist, sich das Mäntelchen einer sogenannten "Legalität" umzuhängen, zeigte wieder am klarsten und eindringlichsten das Beispiel Österreichs..
Die legale Staatsgewalt fußte damals auf dem deutschfeindlichen Boden des Parlaments mit seinen nichtdeutschen Majoritäten und dem ebenso deutschfeindlichen Herrscherhaus. In diesen beiden Faktoren war die gesamte Staatsautorität verkörpert. Von dieser Stelle aus das Los des deutschösterreichischen Volkes ändern zu wollen, war Unsinn. Damit aber wäre nun nach den Meinungen unser Anbeter des einzig möglichen "legalen" Weges und der Staatsautorität an sich jeder Widerstand, weil mit legalen Mitteln nicht durchführbar, zu unterlassen gewesen Dieses aber würde das Ende des deutschen Volkes in der Monarchie mit zwingender Notwendigkeit - und zwar in kurzer Zeit - bedeutet haben. Tatsächlich ist das Deutschtum vor diesem Schicksal auch nur durch den Zusammenbruch dieses Staates allein gerettet worden.
Der bebrillte Theoretiker freilich würde immer noch lieber für seine Doktrin sterben als für sein Volk.
Da die Menschen sich erst Gesetze schaffen, glaubt er, sie waren später für diese da.
Mit diesem Unsinn zum Entsetzen aller theoretischen Prinzipienreiter sowie sonstiger staatlicher Fetischinsulaner gründlich aufgeräumt zu haben, war das Verdienst der damaligen alldeutschen Bewegung in Österreich.
Indem die Habsburger versuchten, mit allen Mitteln dem Deutschtum auf den Leib zu rücken, griff diese Partei das "erhabene" Herrscherhaus selber, und zwar rücksichtslos an. Sie hat zum ersten Male die Sonde an diesen faulen Staat gelegt und Hunderttausenden die Augen geöffnet. Es ist ihr Verdienst, den herrlichen Begriff der Vaterlandsliebe aus der Umarmung dieser traurigen Dynastie erlöst zu haben.
Ihr Anhang war in der ersten Zeit ihres Auftretens außerordentlich groß, ja drohte zu einer förmlichen Lawine zu werden. Allein, der Erfolg hielt nicht an. Als ich nach Wien kam, war die Bewegung schon längst von der inzwischen zur Macht gelangten christlich-sozialen Partei überflügelt. ja zu einer nahezu vollständigen Bedeutungslosigkeit herabgewürdigt worden.
Dieser ganze Vorgang des Werdens und Vergehens der alldeutschen Bewegung einerseits und des unerhörten Aufstiegs der christlich-sozialen Partei andererseits sollte als klassisches Studienobjekt für mich von tiefster Bedeutung werden.
Als ich nach Wien kam, standen meine Sympathien voll und ganz auf der Seite der alldeutschen Richtung.
Daß man den Mut aufbrachte, im Parlament den Ruf "Hoch Hohenzollern" auszustoben, imponierte mir ebenso sehr, wie es mich freute; daß man sich immer noch als bloß vorübergehend getrennten Bestandteil des Deutschen Reiches betrachtete und keinen Augenblick vergehen ließ, um dieses auch öffentlich zu bekunden, erweckte in mir freudige Zuversicht; daß man in allen das Deutschtum betreffenden Fragen rücksichtslos Farbe bekannte und niemals zu Kompromissen sich herbeiließ, schien mir der einzige noch gangbare Weg zur Rettung unseres Volkes zu sein; daß aber die Bewegung nach ihrem erst so herrlichen Aufstieg nun so sehr niedersank, konnte ich nicht verstehen. Noch weniger aber, daß die christlich-soziale Partei in dieser gleichen Zeit zu so ungeheurer Macht zu gelangen vermochte. Sie war damals gerade am Gipfel ihres Ruhmes angelangt.
Indem ich daranging, beide Bewegungen zu vergleichen, gab mir auch hier das Schicksal, durch meine sonstige traurige Lage beschleunigt, den besten Unterricht zum Verständnis der Ursachen dieses Rätsels.
Ich beginne mein Abwägen zuerst bei den beiden Männern, die als Führer und Begründer der zwei Parteien anzusehen sind: Georg v. Schönerer und Dr. Karl Lueger.
Rein menschlich genommen ragen sie, einer wie der andere, weit über den Rahmen und das Ausmaß der sogenannten parlamentarischen Erscheinungen hinaus. Im Sumpfe einer allgemeinen politischen Korruption blieb ihr ganzes Leben rein und unantastbar. Dennoch lag meine persönliche Sympathie zuerst auf seiten des Alldeutschen Schönerer, um sich nur nach und nach dem christlich-sozialen Führer ebenfalls zuzuwenden.
In ihren Fähigkeiten verglichen schien mir schon damals Schönerer als der bessere und gründlichere Denker in prinzipiellen Problemen zu sein. Er hat das zwangsläufige Ende des österreichischen Staates richtiger und klarer erkannt als irgendein anderer. Würde man besonders im Reiche seine Warnungen vor der Habsburgermonarchie besser gehört haben, so wäre das Unglück des Weltkrieges Deutschlands gegen ganz Europa nie gekommen.
Allein, wenn Schönerer die Probleme ihrem inneren Wesen nach erkannte, dann irrte er sich um so mehr in den Menschen.
Hier lag wieder die Stärke Dr. Luegers.
Dieser war ein seltener Menschenkenner, der sich besonders hütete, die Menschen besser zu sehen, als sie nun einmal sind. Daher rechnete er auch mehr mit den realen Möglichkeiten des Lebens, während Schönerer hierfür nur wenig Verständnis aufbrachte. Alles, was der Alldeutsche auch dachte, war, theoretisch genommen, richtig, allein indem die Kraft und das Verständnis fehlten, die theoretische Erkenntnis der Masse zu vermitteln, sie also in solche Form zu bringen, daß sie damit der Aufnahmefähigkeit des breiten Volkes, die nun einmal eine begrenzte ist und bleibt, entsprach, war eben alles Erkennen nur seherische Weisheit, ohne jemals praktische Wirklichkeit werden zu können.
Dieses Fehlen tatsächlicher Menschenkenntnis führte aber im weiteren Verlaufe zu einem Irrtum in der Krafteinschätzung ganzer Bewegungen sowie uralter Institutionen.
Endlich hat Schönerer allerdings erkannt, daß es sich hier um Weltanschauungsfragen handelt, aber nicht begriffen, daß sich zum Träger solcher nahezu religiöser Überzeugungen in erster Linie immer nur die breiten Massen eines Volkes eignen.
Er sah in leider nur sehr kleinem Umfang die außerordentliche Begrenztheit des Kampfwillens der sogenannten "bürgerlichen" Kreise schon infolge ihrer wirtschaftlichen Stellung, die den einzelnen zuviel zu verlieren befürchten läßt und ihn deshalb auch mehr zurückhält.
Und doch wird im allgemeinen eine Weltanschauung nur dann Aussicht auf den Sieg haben, wenn sich die breite Masse als Trägerin der neuen Lehre bereit erklärt, den notwendigen Kampf auf sich zu nehmen.
Diesem Mangel an Verständnis für die Bedeutung der unteren Volksschichten entsprang dann aber auch die vollständig unzureichende Auffassung über die soziale Frage.
In all dem war Dr. Lueger das Gegenteil Schönerers.
Die gründliche Menschenkenntnis ließ ihn die möglichen Kräfte ebenso richtig beurteilen, wie er dadurch aber auch bewahrt blieb vor einer zu niederen Einschätzung vorhandener Institutionen, ja vielleicht gerade aus diesem Grunde sich eher noch solcher als Hilfsmittel zur Erreichung seiner Absichten bedienen lernte.
Er verstand auch nur zu genau, daß die politische Kampfkraft des oberen Bürgertums in der heutigen Zeit nur gering und nicht ausreichend war, einer neuen großen Bewegung den Sieg zu erkämpfen. Daher legte er das Hauptgewicht seiner politischen Tätigkeit auf die Gewinnung von Schichten, deren Dasein bedroht war und mithin eher zu einem Ansporn als zu einer Lähmung des Kampfwillens wurde. Ebenso war er geneigt, sich all der einmal schon vorhandenen Machtmittel zu bedienen, bestehende mächtige Einrichtungen sich geneigt zu machen, um aus solchen alten Kraftquellen für die eigene Bewegung möglichst großen Nutzen ziehen zu können.
So stellte er seine neue Partei in erster Linie auf den vom Untergang bedrohten Mittelstand ein und sicherte sich dadurch eine nur sehr schwer zu erschütternde Anhängerschaft von ebenso großer Opferwilligkeit wie zäher Kampfkraft. Sein unendlich klug ausgestaltetes Verhältnis zur katholischen Kirche aber gewann ihm in kurzer Zeit die jüngere Geistlichkeit in einem Umfange, daß die alte klerikale Partei entweder das Kampffeld zu räumen gezwungen war oder, noch klüger, sich der neuen Partei anschloß, um so langsam Position um Position wieder zu gewinnen.
Würde aber dies allein als das charakteristische Wesen des Mannes angesehen werden, dann geschähe ihm schweres Unrecht. Denn zum klugen Taktiker kamen auch die Eigenschaften eines wahrhaft großen und genialen Reformators. Freilich auch hier begrenzt durch eine genaue Kenntnis der nun einmal vorhandenen Möglichkeiten sowie auch der Fähigkeit der eigenen Person.
Es war ein unendlich praktisches Ziel, das sich dieser wahrhaft bedeutende Mann gestellt hatte. Er wollte Wien erobern. Wien war das Herz der Monarchie, von dieser Stadt ging noch das letzte Leben in den krankhaft und alt gewordenen Körper des morschen Reiches hinaus. Je gesünder das Herz würde, um so frischer mußte auch der übrige Körper aufleben. Ein prinzipiell richtiger Gedanke, der aber doch nur eine bestimmte, begrenzte Zeit zur Anwendung kommen konnte.
Und hierin lag die Schwäche dieses Mannes.
Was er als Bürgermeister der Stadt Wien geleistet hat, ist im besten Sinne des Wortes unsterblich; die Monarchie aber vermochte er dadurch nicht mehr zu retten - es war zu spät.
Dieses hatte sein Widersacher Schönerer klarer gesehen.
Was Dr. Lueger praktisch angriff, gelang in wundervoller Weise; was er sich davon erhoffte, blieb aus.
Was Schönerer wollte, gelang ihm nicht, was er befürchtete, traf aber leider in furchtbarer Weise ein.
So haben beide Männer ihr weiteres Ziel nicht erreicht. Lueger konnte Österreich nicht mehr retten und Schönerer das deutsche Volk nicht mehr vor dem Niedergang bewahren.
Es ist unendlich lehrreich für unsere heutige Zeit, die Ursachen des Versagens beider Parteien zu studieren. Es ist dies besonders für meine Freunde zweckmäßig, da in vielen Punkten die Verhältnisse heute ähnliche sind wie damals und Fehler dadurch vermieden werden können, die schon einst zum Ende der einen Bewegung und zur Fruchtlosigkeit der anderen geführt hatten:Der Zusammenbruch der alldeutschen Bewegung in Österreich hatte in meinen Augen drei Ursachen:Erstens die unklare Vorstellung der Bedeutung des sozialen Problems gerade für eine neue, ihrem inneren Wesen nach revolutionäre Partei.
Indem sich Schönerer und sein Anhang in erster Linie an die bürgerlichen Schichten wandten, konnte das Ergebnis nur ein sehr schwächliches, zahmes sein.
Das deutsche Bürgertum ist besonders in seinen höheren Kreisen, wenn auch von einzelnen ungeahnt, pazifistisch bis zur förmlichen Selbstverleugnung, wenn es sich um innere Angelegenheiten der Nation oder des Staates handelt. In guten Zeiten, das heißt in diesem Falle also in Zeiten einer guten Regierung, ist eine solche Gesinnung ein Grund des außerordentlichen Wertes dieser Schichten für den Staat; in Zeiten schlechterer Herrschaft aber wirkt sie geradezu verheerend. Schon um die Durchführung eines wirklich ernsten Kampfes überhaupt zu ermöglichen, mußte die alldeutsche Bewegung sich vor allem der Gewinnung der Massen widmen. Daß sie dies nicht tat, nahm ihr von vornherein den elementaren Schwung, den eine solche Welle nun einmal braucht, wenn sie nicht in kurzer Zeit schon verebben soll.
Sowie aber dieser Grundsatz nicht von Anfang an ins Auge gefaßt und auch durchgeführt wird, verliert die neue Partei für später jede Möglichkeit eines Nachholens des Versäumten. Denn mit der Aufnahme überaus zahlreicher gemäßigt bürgerlicher Elemente wird sich die innere Einstellung der Bewegung immer nach diesen richten und so jede weitere Aussicht zum Gewinnen nennenswerter Kräfte aus dem breiten Volke einbüßen. Damit aber wird eine solche Bewegung über bloßes Nörgeln und Kritisieren nicht mehr hinauskommen. Der mehr oder minder fast religiöse Glaube, verbunden mit einer ebensolchen Opferwilligkeit, wird nimmer mehr zu finden sein; an dessen Stelle wird aber das Bestreben treten, durch "positive" Mitarbeit, das heißt in diesem Falle aber durch Anerkennung des Gegebenen, die Härten des Kampfes allmählich abzuschleifen, um endlich bei einem faulen Frieden zu landen.
So ging es auch der alldeutschen Bewegung, weil sie nicht von vornherein das Hauptgewicht auf die Gewinnung ihrer Anhänger aus den Kreisen der breiten Masse gelegt hatte. Sie wurde "bürgerlich, vornehm, gedämpft radikal".
Aus diesem Fehler erwuchs ihr aber die zweite Ursache des schnellen Unterganges.
Die Lage in Österreich für das Deutschtum war zur Zeit des Auftretens der alldeutschen Bewegung schon verzweifelt. Von Jahr zu Jahr war das Parlament mehr zu einer Einrichtung der langsamen Vernichtung des deutschen Volkes geworden. Jeder Versuch einer Rettung in zwölfter Stunde konnte nur in der Beseitigung dieser Institution eine wenn auch kleine Aussicht auf Erfolg bieten.
Damit trat an die Bewegung eine Frage von prinzipieller Bedeutung heran:Sollte man, um das Parlament zu vernichten, in das Parlament gehen, um dasselbe, wie man sich auszudrücken pflegte, "von innen heraus auszuhöhlen", oder sollte man diesen Kampf von außen angriffsweise gegen diese Einrichtung an und für sich führen?Man ging hinein und kam geschlagen heraus.
Greilich, man mußte hineingehen.
Den Kampf gegen eine solche Macht von außen durchführen, heißt, sich mit unerschütterlichem Mute rüsten, aber auch zu unendlichen Opfern bereit sein. Man greift den Stier damit an den Hörnern an und wird viele schwere Stöße erhalten, wird manchmal zu Boden stürzen, um sich vielleicht einmal nur mit gebrochenen Gliedern wieder erheben zu können, und erst nach schwerstem Ringen wird sich der Sieg dem kühnen Angreifer zuwenden. Nur die Größe der Opfer wird neue Kämpfer der Sache gewinnen, bis endlich der Beharrlichkeit der Lohn des Erfolges wird.
Dazu aber braucht man die Kinder des Volkes aus den breiten Massen.
Sie allein sind entschlossen und zähe genug, diesen Streit bis zum blutigen Ende durchzufechten.
Diese breite Masse aber besaß die alldeutsche Bewegung eben nicht; so blieb ihr auch nichts anderes übrig, als in das Parlament zu gehen.
Es wäre falsch, zu glauben, daß dieser Entschluß das Ergebnis langer innerer seelischer Qualen oder auch nur Überlegungen gewesen wäre; nein, man dachte an gar nichts anderes. Die Teilnahme an diesem Unsinn war nur der Niederschlag allgemeiner, unklarer Vorstellungen über die Bedeutung und die Wirkung einer solchen eigenen Beteiligung an der im Prinzip ja schon als falsch erkannten Einrichtung. Im allgemeinen erhoffte man sich wohl eine Erleichterung der Aufklärung breiterer Volksmassen, indem man ja nun vor dem "Forum der ganzen Nation" zu sprechen Gelegenheit bekam. Auch schien es einzuleuchten, daß der Angriff an der Wurzel des Übels erfolgreicher sein müsse als das Anstürmen von außen. Durch den Schutz der Immunität glaubte man die Sicherheit des einzelnen Vorkämpfers gestärkt, so daß die Kraft des Angriffes sich dadurch nur erhöhen konnte.
In der Wirklichkeit natürlich kamen die Dinge wesentlich anders.
Das Forum, vor dem die alldeutschen Abgeordneten sprachen, war nicht größer, sondern eher kleiner geworden; denn es spricht jeder nur vor dem Kreis, der ihn zu hören vermag, oder der durch die Berichte der Presse eine Wiedergabe des Gesprochenen erhält.
Das größte unmittelbare Forum an Zuhörern stellt aber nicht der Hörsaal eines Parlaments dar, sondern die große Öffentliche Volksversammlung.
Denn in ihr befinden sich Tausende von Menschen, die nur gekommen sind, um zu vernehmen, was der Redner ihnen zu sagen habe, während im Sitzungssaale des Abgeordnetenhauses nur wenige hundert sind, zumeist auch nur da, um Diäten in Empfang zu nehmen, keineswegs, um etwa die Weisheit des einen oder anderen Herrn "Volksvertreters" in sich hineinleuchten zu lassen.
Vor allem aber: Es ist dies ja immer das gleiche Publikum, das niemals mehr etwas hinzulernen wird, da ihm außer dem Verstande ja auch der hierzu nötige, wenn auch noch so bescheidene Wille fehlt.
Niemals wird einer dieser Volksvertreter von sich aus der besseren Wahrheit die Ehre geben, um sich dann auch in ihren Dienst zu stellen. Nein, dies wird nicht ein einziger tun, außer er hat Grund zu hoffen, durch eine solche Wendung sein Mandat für eine weitere Session noch retten zu können. Erst also, wenn es in der Luft liegt, daß die bisherige Partei bei einer kommenden Wahl schlecht abschneiden wird, werden sich diese Zierden von Mannhaftigkeit auf den Weg machen und sehen, ob und wie sie zur anderen, vermutlich besser abschneidenden Partei oder Richtung zu kommen vermögen, wobei dieser Positionswechsel allerdings unter einem Wolkenbruch moralischer Begründungen vor sich zu gehen pflegt. Daher wird immer, wenn eine bestehende Partei der Ungunst des Volkes in so großem Umfange verfallen erscheint, daß die Wahrscheinlichkeit einer vernichtenden Niederlage droht, ein großes Wandern anheben: die parlamentarischen Ratten verlassen das Parteischiff.
Mit besserem Wissen oder Wollen aber hat dies nichts zu tun, sondern nur mit jener hellseherischen Begabung, die solch eine Parlamentswanze gerade noch zur rechten Zeit warnt und so immer wieder auf ein anderes warmes Parteibett fallen läßt.
Vor einem solchen "Forum" zu sprechen, heißt aber doch wirklich Perlen vor die bekannten Tiere werfen. Das lohnt sich wahrhaftig nicht! Der Erfolg kann hier gar nicht anders als Null sein.
Und so war es auch. Die alldeutschen Abgeordneten mochten sich die Kehlen heiser reden: die Wirkung blieb völlig aus.
Die Presse aber schwieg sie entweder tot oder zerriß ihre Reden so, daß jeglicher Zusammenhang, ja oft sogar der Sinn verdreht wurde oder ganz verlorenging und dadurch die öffentliche Meinung ein nur sehr schlechtes Bild von den Absichten der neuen Bewegung erhielt. Es war ganz bedeutungslos, was die einzelnen Herren sprachen: die Bedeutung lag in dem, was man von ihnen zu lesen bekam. Dies aber war ein Auszug aus ihren Reden, der in seiner Zerrissenheit nur unsinnig wirken konnte und sollte. Dabei aber bestand das einzige Forum, vor dem sie nun in Wahrheit sprachen, aus knapp fünfhundert Parlamentariern, und dies besagt genug.
Das Schlimmste aber war folgendes:Die alldeutsche Bewegung konnte nur dann auf Erfolg rechnen, wenn sie vom ersten Tage an begriff, daß es sich hier nicht um eine neue Partei handeln durfte, als vielmehr um eine neue Weltanschauung. Nur eine solche vermochte die innere Kraft aufzubringen, diesen riesenhaften Kampf auszufechten. Dazu aber taugen nun einmal als Führer nur die allerbesten und auch mutigsten Köpfe.
Wenn der Kampf für eine Weltanschauung nicht von aufopferungsbereiten Helden geführt wird, werden sich in kurzer Zeit auch keine todesmutigen Kämpfer mehr finden. Wer hier für sein eigenes Dasein ficht, kann für die Allgemeinheit nicht mehr viel übrig haben.
Um aber diese Voraussetzung sich zu erhalten, ist es notwendig für jedermann, zu wissen, daß die neue Bewegung Ehre und Ruhm vor der Nachwelt, in der Gegenwart aber nichts bieten kann. Je mehr eine Bewegung zu vergeben hat an leicht zu erringenden Posten und Stellen, um so größer wird der Zulauf an Minderwertigen sein, bis endlich diese politischen Gelegenheitsarbeiter eine erfolgreiche Partei in solcher Zahl überwuchern, daß der redliche Kämpfer von einst die alte Bewegung gar nicht mehr wiedererkennt und die neu Hinzugekommenen ihn selber als lästigen "Unberufenen" entschieden ablehnen. Damit aber ist die "Mission" einer solchen Bewegung erledigt.
Sowie die alldeutsche Bewegung sich dem Parlament verschrieb, erhielt sie eben auch "Parlamentarier" statt Führer und Kämpfer. Sie sank damit auf das Niveau einer der gewöhnlichen politischen Tagesparteien hinab und verlor die Kraft, einem verhängnisvollen Schicksal mit dem Trost des Märtyrertums entgegenzutreten. Statt zu fechten, lernte sie nun auch "reden" und "verhandeln". Der neue Parlamentarier aber empfand es schon in kurzer Zeit als schönere, weil risikolosere Pflicht, die neue Weltanschauung mit den "geistigen" Waffen parlamentarischer Beredsamkeit auszufechten, als sich, wenn nötig, unter Einsatz des eigenen Lebens in einen Kampf zu stürzen, dessen Ausgang unsicher war, auf alle Fälle jedoch nichts einbringen konnte.
Da man nun einmal im Parlamente saß, begannen die Anhänger draußen auf Wunder zu hoffen und zu warten, die natürlich nicht eintraten und auch gar nicht eintreten konnten. Man wurde deshalb schon in kurzer Zeit ungeduldig; denn auch das, was man so von den eigenen Abgeordneten zu hören bekam, entsprach in keiner Weise den Erwartungen der Wähler. Dies war leicht erklärlich, da sich die feindliche Presse wohl hütete, ein wahrheitsgetreues Bild des Wirkens der alldeutschen Vertreter dem Volke zu vermitteln.
Je mehr aber die neuen Volksvertreter Geschmack an der doch etwas milderen Art des "revolutionären" Kampfes in Parlament und Landtagen erhielten, um so weniger fanden sie sich noch bereit, in die gefährlichere Aufklärungsarbeit der breiten Schichten des Volkes zurückzukehren.
Die Massenversammlung, der einzige Weg einer wirklich wirkungsvollen, weil unmittelbar persönlichen Beeinflussung und dadurch allein möglichen Gewinnung großer Volksteile, wurde daher immer mehr zurückgestellt.
Sowie der Biertisch des Versammlungssaales endgültig mit der Tribüne des Parlaments vertauscht war, um von diesem Forum aus die Reden statt in das Volk in die Häupter seiner sogenannten "Auserwählten" zu gießen, hörte die alldeutsche Bewegung auch auf, eine Volksbewegung zu sein und sank in kurzer Zeit zu einem mehr oder minder ernst zu nehmenden Klub akademischer Erörterungen zusammen.
Der durch die Presse vermittelte schlechte Eindruck wurde demgemäß in keiner Weise mehr durch persönliche Versammlungstätigkeit der einzelnen Herren berichtigt, so daß endlich das Wort "alldeutsch" einen sehr üblen Klang in den Ohren des breiten Volkes bekam.
Denn das mögen sich alle die schriftstellernden Ritter und Gecken von heute besonders gesagt sein lassen: die größten Umwälzungen auf dieser Welt sind nie durch einen Gänsekiel geleitet worden!Nein, der Feder blieb es immer nur vorbehalten, sie theoretisch zu begründen.
Die Macht aber, die die großen historischen Lawinen religiöser und politischer Art ins Rollen brachte, war seit urewig nur die Zauberkraft des gesprochenen Wortes.
Die breite Masse eines Volkes vor allem unterliegt immer nur der Gewalt der Rede. Alle großen Bewegungen aber sind Volksbewegungen, sind Vulkanausbrüche menschlicher Leidenschaften und seelischer Empfindungen, aufgerührt entweder durch die grausame Göttin der Not oder durch die Brandfackel des unter die Masse geschleuderten Wortes und sind nicht limonadige Ergüsse ästhetisierender Literaten und Salonhelden.
Völkerschicksale vermag nur ein Sturm von heißer Leidenschaft zu werden, Leidenschaft erwecken aber kann nur, wer sie selbst im Innern trägt.
Sie allein schenkt dann dem von ihr Erwählten die Worte, die Hammerschlägen ähnlich die Tore zum Herzen eines Volkes zu öffnen vermögen.
Wem aber Leidenschaft versagt und der Mund verschlossen bleibt, den hat der Himmel nicht zum Verkünder seines Willens ausersehen.
Daher möge jeder Schreiber bei seinem Tintenfasse bleiben, um sich "theoretisch" zu betätigen, wenn Verstand und Können hierfür genügen; zum Führer aber ist er weder geboren noch erwählt.
Eine Bewegung mit großen Zielen muß deshalb ängstlich bemüht sein, den Zusammenhang mit dem breiten Volke nicht zu verlieren.
Sie hat jede Frage in erster Linie von diesem Gesichtspunkte aus zu prüfen und in dieser Richtung ihre Entscheidung zu treffen.
Sie muß weiter alles vermeiden, was ihre Fähigkeit, auf die Masse zu wirken, mindern oder auch nur schwächen könnte, nicht etwa aus "demagogischen" Gründen heraus, nein, sondern aus der einfachen Erkenntnis, daß ohne die gewaltige Kraft der Masse eines Volkes keine große Idee, mag sie auch noch so hehr und hoch erscheinen, zu verwirklichen ist.
Die harte Wirklichkeit allein muß den Weg zum Ziel bestimmen; unangenehme Wege nicht gehen wollen, heißt auf dieser Welt nur zu oft auf das Ziel verzichten; man mag dann dies wollen oder nicht.
Sowie die alldeutsche Bewegung durch ihre parlamentarische Einstellung das Schwergewicht ihrer Tätigkeit statt in das Volk in das Parlament verlegte, verlor sie die Zukunft und gewann dafür billige Erfolge des Augenblicks.
Sie wählte den leichteren Kampf und war damit aber des letzten Sieges nicht mehr wert.
Ich habe gerade diese Frage schon in Wien auf das gründlichste durchdacht und in ihrem Nichterkennen eine der Hauptursachen des Zusammenbruches der Bewegung gesehen, die in meinen Augen damals berufen war, die Führung des Deutschtums in ihre Hand zu nehmen.
Die beiden ersten Fehler, die die alldeutsche Bewegung scheitern ließen, standen in verwandtschaftlichem Verhältnis zueinander. Die mangelnde Kenntnis der inneren Triebkräfte großer Umwälzungen führte zu einer ungenügenden Einschätzung der Bedeutung der breiten Massen des Volkes; daraus ergab sich das geringe Interesse an der sozialen Frage, das mangelhafte und ungenügende Werben um die Seele der unteren Schichten der Nation sowie aber auch die dies nur begünstigende Einstellung zum Parlament.
Hätte man die unerhörte Macht erkannt, die der Masse als Trägerin revolutionären Widerstandes zu allen Zeiten zukommt, so würde man in sozialer wie in propagandistischer Richtung anders gearbeitet haben. Dann wäre auch nicht das Hauptgewicht der Bewegung in das Parlament verlegt worden, sondern auf Werkstatt und Straße.
Aber auch der dritte Fehler trägt den letzten Keim in der Nichterkenntnis des Wertes der Masse, die, durch überlegene Geister erst einmal in einer bestimmten Richtung in Bewegung gesetzt, dann aber auch, einem Schwungrade ähnlich, der Stärke des Angriffs Wucht und gleichmäßige Beharrlichkeit gibt.
Der schwere Kampf, den die alldeutsche Bewegung mit der katholischen Kirche ausfocht, ist nur erklärlich aus dem ungenügenden Verständnis, das man der seelischen Veranlagung des Volkes entgegenzubringen vermochte.
Die Ursachen des heftigen Angriffs der neuen Partei gegen Rom lagen in folgendem:Sobald das Haus Habsburg sich endgültig entschlossen hatte, Österreich zu einem slawischen Staate umzugestalten, griff man zu jedem Mittel, das in dieser Richtung als irgendwie geeignet erschien. Auch religiöse Institutionen wurden von diesem gewissenlosesten Herrscherhaus skrupellos in den Dienst der neuen "Staatsidee" gestellt.
Die Verwendung tschechischer Pfarreien und ihrer geistlichen Seelsorger war nur eines der vielen Mittel, um zu diesem Ziele, einer allgemeinen Verslawung Österreichs, zu kommen.
Der Vorgang spielte sich etwa wie folgt ab:In rein deutschen Gemeinden wurden tschechische Pfarrer eingesetzt, die langsam, aber sicher die Interessen des tschechischen Volkes aber die Interessen der Kirche zu stellen begannen und zu Keimzellen des Entdeutschungsprozesses wurden.
Die deutsche Geistlichkeit versagte einem solchen Vorgehen gegenüber leider fast vollständig. Nicht nur, daß sie selber zu einem ähnlichen Kampfe im deutschen Sinne gänzlich unbrauchbar war, vermochte sie auch den Angriffen der anderen nicht mit dem nötigen Widerstande zu begegnen. So wurde das Deutschtum, über den Umweg konfessionellen Mißbrauchs auf der einen Seite und durch ungenügende Abwehr auf der anderen, langsam, aber unaufhörlich zurückgedrängt.
Gand dies im kleinen wie dargelegt statt, so lagen leider die Verhältnisse im großen nicht viel anders.
Auch hier erfuhren die antideutschen Versuche der Habsburger, durch den höheren Klerus vor allem, nicht die gebotene Abwehr, während die Vertretung der deutschen Interessen selber vollständig in den Hintergrund trat.
Der allgemeine Eindruck konnte nicht anders sein, als daß hier eine große Verletzung deutscher Rechte durch die katholische Geistlichkeit als solche vorläge.
Damit aber schien die Kirche eben nicht mit dem deutschen Volke zu fühlen, sondern sich in ungerechter Weise auf die Seite der Feinde desselben zu stellen. Die Wurzel des ganzen Übels aber lag, vor allem nach der Meinung Schönerers, in der nicht in Deutschland befindlichen Leitung der katholischen Kirche sowie der dadurch schon allein bedingten Feindseligkeit den Belangen unseres Volkstums gegenüber.
Die sogenannten kulturellen Probleme traten dabei, wie damals fast bei allem in Österreich, beinahe ganz in den Hintergrund. Maßgebend für die Einstellung der alldeutschen Bewegung zur katholischen Kirche war viel weniger die Haltung derselben etwa zur Wissenschaft usw. als vielmehr ihre ungenügende Vertretung deutscher Rechte und umgekehrt dauernde Förderung besonders slawischer Anmaßung und Begehrlichkeit.
Georg Schönerer war nun nicht der Mann, eine Sache halb zu tun. Er nahm den Kampf gegen die Kirche auf in der Überzeugung, nur durch ihn allein das deutsche Volk noch retten zu können. Die "Los-von-Rom-Bewegung" schien das gewaltigste, aber freilich auch schwerste Angriffsverfahren, das die feindliche Hochburg zertrümmern mußte. War es erfolgreich, dann war auch die unselige Kirchenspaltung in Deutschland überwunden, und die innere Kraft des Reiches und der deutschen Nation konnte durch einen solchen Sieg nur auf das ungeheuerlichste gewinnen.
Allein weder die Voraussetzung noch die Schlußfolgerung dieses Kampfes war richtig.
Ohne Zweifel war die nationale Widerstandskraft der katholischen Geistlichkeit deutscher Nationalität in allen das Deutschtum betreffenden Fragen geringer als die ihrer nichtdeutschen, besonders tschechischen Amtsbrüder.
Ebenso konnte nur ein Ignorant nicht sehen, da dem deutschen Klerus eine offensive Vertretung deutscher Interessen fast nie auch nur einfiel.
Allein ebenso mußte jeder nicht Verblendete zugeben, daß dies in erster Linie einem Umstande zuzuschreiben ist, unter dem wir Deutsche alle insgesamt auf das schwerste zu leiden haben: es ist dies unsere Objektivität in der Einstellung zu unserem Volkstum genau so wie zu irgend etwas anderem.
So wie der tschechische Geistliche subjektiv seinem Volke gegenüberstand und nur Objektiv der Kirche, so war der deutsche Pfarrer subjektiv der Kirche ergeben und blieb objektiv gegenüber der Nation. Eine Erscheinung, die wir in tausend anderen Fällen zu unserem Unglück genau so beobachten können.
Es ist dies keineswegs nur ein besonderes Erbteil des Katholizismus, sondern frißt bei uns in kurzer Zeit fast jede, besonders staatliche oder ideelle Einrichtung an.
Man vergleiche nur die Stellung, die z. B. unser Beamtentum gegenüber den Versuchen einer nationalen Wiedergeburt einnimmt, mit der, wie sie in solchem Falle die Beamtenschaft eines anderen Volkes einnehmen würde. Oder glaubt man, daß das Offizierkorps der ganzen anderen Welt etwa in ähnlicher Weise die Belange der Nation unter der Phrase der "Staatsautorität" zurückstellen würde, wie dies bei uns seit fünf Jahren selbstverständlich ist, ja sogar noch als besonders verdienstvoll gilt? Nehmen z. B. in der Hassfrage nicht beide Konfessionen heute einen Standpunkt ein, der weder den Belangen der Nation noch den wirklichen Bedürfnissen der Religion entspricht? Man vergleiche doch die Haltung eines hassischen Rabbiner, in allen Fragen von nur einiger Bedeutung für das Hasstum als Rasse mit der Einstellung des weitaus größten Teils unserer Geistlichkeit, aber gefälligst beider Konfessionen!Wir haben diese Erscheinung immer dann, wenn es sich um die Vertretung einer abstrakten Idee an sich handelt. Staatsautorität", "Demokratie", "Pazifismus", "Internationale Solidarität" usw. sind lauter Begriffe, die bei uns fast immer zu so starren, rein doktrinären Vorstellungen werden, daß jede Beurteilung allgemeiner nationaler Lebensnotwendigkeiten ausschließlich nur mehr von ihrem Gesichtspunkte aus erfolgt.
Diese unselige Art der Betrachtung aller Belange unter dem Gesichtswinkel einer einmal vorgefaßten Meinung tötet jedes Vermögen, sich in eine Sache subjektiv hineinzudenken, die objektiv der eigenen Doktrin widerspricht, und führt am Ende zu einer vollständigen Umkehrung von Mittel und Zweck. Man wird sich gegen jeden Versuch einer nationalen Erhebung wenden, wenn diese nur unter vorhergehender Beseitigung eines schlechten, verderblichen Regiments stattfinden könnte, da dies ja ein Verstoß gegen die "Staatsautorität" wäre, die "Staatsautorität" aber nicht ein Mittel zum Zweck ist, als vielmehr in den Augen eines solchen Objektivitätsfanatikers den Zweck selber darstellt, der genügend ist, um sein ganzes klägliches Leben auszufüllen. So würde man sich z. B. mit Entrüstung gegen den Versuch einer Diktatur stemmen, selbst wenn ihr Träger ein Friedrich der Große und die augenblicklichen Staatskünstler einer Parlamentsmehrheit nur unfähige Zwerge oder gar minderwertige Subjekte waren, weil das Gesetz der Demokratie einem solchen Prinzipienbock eben heiliger erscheint als die Wohlfahrt einer Nation. Es wird also der eine die schlechteste Tyrannei, die ein Volk zugrunde richtet, beschirmen, da die "Staatsautorität" sich augenblicklich in ihr verkörpert, während der andere selbst die segensreichste Regierung ablehnt, soweit sie nicht seiner Vorstellung von "Demokratie" entspricht.
Genau so wird unser deutscher Pazifist zu jeder auch noch so blutigen Vergewaltigung der Nation, sie mag ruhig von den ärgsten Militärgewalten ausgehen, schweigen, wenn eine Änderung dieses Loses nur durch Widerstand, also Gewalt, zu erreichen wäre, denn dieses würde ja dem Geiste reiner Friedensgesellschaft widersprechen. Der internationale deutsche Sozialist aber kann von der anderen Welt solidarisch ausgeplündert werden, er selber quittiert es mit brüderlicher Zuneigung und denkt nicht an Vergeltung oder auch nur Verwahrung, weil er eben ein - Deutscher ist. Dies mag traurig sein, aber eine Sache ändern wollen, heißt, sie vorher erkennen müssen.
Ebenso verhält es sich mit der schwächlichen Vertretung deutscher Belange durch einen Teil des Klerus.
Es ist dies weder boshafter, schlechter Wille an sich, noch bedingt durch, sagen wir Befehle von "Oben", sondern wir sehen in einer solchen mangelhaften nationalen Entschlossenheit nur die Ergebnisse einer ebenso mangelhaften Erziehung zum Deutschtum von Jugend auf, wie andererseits aber einer restlosen Unterwerfung unter die zum Idol gewordene Idee.
Die Erziehung zur Demokratie, zum Sozialismus internationaler Art, zum Pazifismus usw. ist eine so starre und ausschließliche, mithin, von ihnen aus betrachtet, rein subjektive, daß damit auch das allgemeine Bild der übrigen Welt unter dieser grundsätzlichen Vorstellung beeinflußt wird, während die Stellung zum Deutschtum ja von Jugend auf nur eine sehr objektive war. So wird der Pazifist, indem er sich subjektiv seiner Idee restlos ergibt, bei jeder auch noch so ungerechten und schweren Bedrohung seines Volkes (sofern er eben ein Deutscher ist) immer erst nach dem objektiven Recht suchen und niemals aus reinem Selbsterhaltungstrieb sich in die Reihe seiner Herde stellen und mitfechten.
Wie sehr dies auch für die einzelnen Konfessionen gilt, mag noch folgendes zeigen:Der Protestantismus vertritt von sich aus die Belange des Deutschtums besser, soweit dies in seiner Geburt und späteren Tradition überhaupt schon begründet liegt; er versagt jedoch in dem Augenblick, wo diese Verteidigung nationaler Interessen auf einem Gebiete stattfinden müßte, das in der allgemeinen Linie seiner Vorstellungswelt und traditionellen Entwicklung entweder fehlt oder gar aus irgendeinem Grunde abgelehnt wird.
So wird der Protestantismus immer für die Förderung alles Deutschtums an sich eintreten, sobald es sich um Dinge der inneren Sauberkeit oder auch nationalen Vertiefung, um die Verteidigung deutschen Wesens, deutscher Sprache und auch deutscher Freiheit handelt, da dieses alles ja fest in ihm selber mit begründet liegt; er bekämpft aber sofort auf das feindseligste jeden Versuch, die Nation aus der Umklammerung ihres tödlichsten Feindes zu retten, da seine Stellung zum Hasstum nun einmal mehr oder weniger fest dogmatisch festgelegt ist. Dabei aber dreht es sich hierbei um die Frage, ohne deren Lösung alle anderen Versuche einer deutschen Wiedergeburt oder einer Erhebung vollkommen unsinnig und unmöglich sind und bleiben.
Ich besaß in meiner Wiener Zeit Muße und Gelegenheit genug, auch diese Frage unvoreingenommen zu prüfen und konnte dabei noch im täglichen Verkehr die Richtigkeit dieser Anschauung tausendfältig feststellen.
In diesem Brennpunkt der verschiedensten Nationalitäten zeigte sich sofort am klarsten, daß eben nur der deutsche Pazifist die Belange der eigenen Nation immer objektiv zu betrachten versucht, aber niemals der Hass etwa die des hassischen Volkes; daß nur der deutsche Sozialist "internatonal" in einem Sinne ist, der ihm dann verbietet, seinem eigenen Volke Gerechtigkeit anders als durch Winseln und Flennen bei den internationalen Genossen zu erbetteln, niemals aber auch der Tscheche oder Pole usw.; kurz, ich erkannte schon damals, daß das Unglück nur zum Teil in diesen Lehren an sich liegt, zum anderen Teil aber in unserer gänzlich ungenügenden Erziehung zum eigenen Volkstum überhaupt und in einer dadurch bedingten minderen Hingabe an dasselbe.
Damit entfiel die erste rein theoretische Begründung des Kampfes der alldeutschen Bewegung gegen den Katholizismus an sich.
Man erziehe das deutsche Volk schon von Jugend an mit jener ausschließlichen Anerkennung der Rechte des eigenen Volkstums und verpeste nicht schon die Kinderherzen mit dem Fluche unserer "Objektivität" auch in Dingen der Erhaltung des eigenen Ichs, so wird es sich in kurzer Zeit zeigen, daß (eine dann aber auch radikale nationale Regierung vorausgesetzt), ebenso wie in Irland, Polen oder Frankreich, auch in Deutschland der Katholik immer Deutscher sein wird.
Den gewaltigsten Beweis hierfür hat aber jene Zeit geliefert, die zum letzten Male unser Volk zum Schutze seines Daseins vor dem Richterstuhl der Geschichte antreten ließ zu seinem Kampfe auf Leben und Tod.
Solange nicht die Führung damals von oben fehlte, hat das Volk seine Pflicht und Schuldigkeit in überwältigendster Weise erfüllt. Ob protestantischer Pastor oder katholischer Pfarrer, sie trugen beide gemeinsam unendlich bei zum so langen Erhalten unserer Widerstandskraft, nicht nur an der Front, sondern noch mehr zu Hause. In diesen Jahren, und besonders im ersten Aufflammen, gab es wirklich in beiden Lagern nur ein einziges heiliges Deutsches Reich, für dessen Bestehen und Zukunft sich jeder eben an seinen Himmel wandte.
Eine Frage hätte sich die alldeutsche Bewegung in Österreich einst vorlegen müssen: Ist die Erhaltung des österreichischen Deutschtums unter einem katholischen Glauben möglich oder nicht? Wenn ja, dann dürfte sich die politische Partei nicht um religiöse oder gar konfessionelle Dinge kümmern; wenn aber nein, dann mußte eine religiöse Reformation einsetzen und niemals eine politische Partei.
Wer aber den Umweg einer politischen Organisation zu einer religiösen Reformation kommen zu können glaubt, zeigt nur, daß ihm auch jeder Schimmer vom Werden religiöser Vorstellungen oder gar Glaubenslehren und deren kirchlichen Auswirkungen abgeht.
Man kann hier wirklich nicht zwei Herren dienen. Wobei ich die Gründung oder Zerstörung einer Religion denn doch als wesentlich größer halte als die Gründung oder Zerstörung eines Staates, geschweige denn einer Partei.
Man sage ja nicht, daß besagte Angriffe nur die Abwehr von Angriffen der anderen Seite waren!Sicherlich haben zu allen Zeiten gewissenlose Kerle sich nicht gescheut, auch die Religion zum Instrument ihrer politischen Geschäfte (denn um dies handelt es sich bei solchen Burschen fast immer und ausschließlich) zu machen; allein ebenso sicher ist es falsch, die Religion oder auch die Konfession für eine Anzahl von Lumpen, die mit ihr genau so Mißbrauch treiben, wie sie sonst eben wahrscheinlich irgend etwas anderes in den Dienst ihrer niederen Instinkte stellen würden, verantwortlich zu machen.
Nichts kann solch einem parlamentarischen Taugenichts und Tagedieb besser passen, als wenn ihm so Gelegenheit geboten wird, wenigstens nachträglich noch die Rechtfertigung zu seiner politischen Schiebung zu erlangen. Denn sobald man die Religion oder auch die Konfession für seine persönliche Schlechtigkeit verantwortlich macht und sie deshalb angreift, ruft der verlogene Bursche sofort unter riesigem Geschrei alle Welt zum Zeugen an, wie berechtigt sein Vorgehen bisher war, und wie nur ihm und seiner Mundfertigkeit allein die Rettung von Religion und Kirche zu danken sei. Die ebenso dumme wie vergeßliche Mitwelt erkennt dann den wahren Urheber des ganzen Kampfes schon des großen Geschreies wegen meistens nicht oder erinnert sich seiner nicht mehr, und der Lump hat ja nun eigentlich sein Ziel erreicht.
Daß dies mit Religion gar nichts zu tun hat, weiß so ein listiger Fuchs ganz genau; er wird sich also um so mehr im stillen in das Fäustchen lachen, während sein ehrlicher, aber ungeschickter Gegner das Spiel verliert, um eines Tages, an Treu und Glauben der Menschheit verzweifelnd, sich von allem zurückzuziehen.
Es wäre aber auch in anderer Hinsicht nur unrecht, die Religion als solche oder selbst die Kirche für die Verfehlungen einzelner verantwortlich zu machen. Man vergleiche die Größe der vor dem Auge stehenden sichtbaren Organisation mit der durchschnittlichen Fehlerhaftigkeit der Menschen im allgemeinen und wird zugeben müssen, daß das Verhältnis von Gutem und Schlechtem dabei besser ist als wohl irgendwo anders. Sicher gibt es auch unter den Priestern selber solche, denen ihr heiliges Amt nur ein Mittel zur Befriedigung ihres politischen Ehrgeizes ist, ja, die im politischen Kampfe in oft mehr als beklagenswerter Weise vergessen, daß sie denn doch die Hüter einer höheren Wahrheit sein sollten und nicht Vertreter von Lüge und Verleumdung - allein auf einen solchen Unwürdigen treffen doch auch wieder tausend nur mehr ehrenhafte, ihrer Mission auf das treueste ergebene Seelsorger, die in unserer heutigen, ebenso verlogenen als verkommenen Zeit wie kleine Inseln aus einem allgemeinen Sumpfe herausragen.
So wenig ich die Kirche als solche verurteile und verurteilen darf, wenn einmal ein verkommenes Subjekt im Priesterrock sich in schmutzigerweise an der Sittlichkeit verfehlt, so wenig aber auch, wenn ein anderer unter den vielen sein Volkstum besudelt und verrät in Zeitläufen, in denen dies ohnehin geradezu alltäglich ist. Besonders heute möge man dann nicht vergessen, daß auf einen solchen Ephialtes auch Tausende treffen, die mit blutendem Herzen das Unglück ihres Volkes mitempfinden und genau so wie die Besten unserer Nation die Stunde herbeisehnen, in der auch uns der Himmel wieder einmal lächeln wird.
Wer aber zur Antwort gibt, daß es sich hier nicht um so kleine Problems des Alltags handelt, sondern um Fragen grundsätzlicher Wahrhaftigkeit oder dogmatischen Inhalts überhaupt, dem kann man nur mit einer anderen Frage die nötige Antwort geben:Glaubst du dich vom Schicksal ausersehen, hier die Wahrheit zu verkünden, dann tue es; aber habe dann auch den Mut, dies nicht über den Umweg einer politischen Partei tun zu wollen - denn dies ist auch eine Schiebung -, sondern stelle eben an Stelle des Schlechteren von jetzt dein Besseres der Zukunft auf.
Gehlt es dir hier an Mut, oder ist dir dein Besseres selber nicht ganz klar, dann lasse die Finger davon; auf alle Fälle aber versuche nicht, was du mit offenem Visier nicht zu tun getraust, über den Umweg einer politischen Bewegung zu erschleichen.
Politische Parteien haben mit religiösen Problemen, solange sie nicht als volksfremd die Sitte und Moral der eigenen Rasse untergraben, nichts zu schaffen; genau so wie Religion nicht mit politischem Parteiunfug zu verquicken ist.
Wenn kirchliche Würdenträger sich religiöser Einrichtungen oder auch Lehren bedienen, um ihr Volkstum zu schädigen, so darf man ihnen auf diesem Wege niemals folgen und mit gleichen Waffen kämpfen.
Dem politischen Führer haben religiöse Lehren und Einrichtungen seines Volkes immer unantastbar zu sein, sonst darf er nicht Politiker sein, sondern soll Reformator werden, wenn er das Zeug hierzu besitzt!Eine andere Haltung würde vor allem in Deutschland zu einer Katastrophe führen.
Bei dem Studium der alldeutschen Bewegung und ihres Kampfes gegen Rom bin ich damals und besonders im Laufe späterer Jahre zu folgender Überzeugung gelangt: Das geringe Verständnis dieser Bewegung für die Bedeutung des sozialen Problems kostete sie die wahrhaft kampfkräftige Masse des Volkes; das Hineingehen in das Parlament nahm ihr den gewaltigen Schwung und belastete sie mit allen dieser Institution eigenen Schwächen; der Kampf gegen die katholische Kirche machte sie in zahlreichen kleinen und mittleren Kreisen unmöglich und raubte ihr damit unzählige der besten Elemente, die die Nation überhaupt ihr eigen nennen kann.
Das praktische Ergebnis des österreichischen Kulturkampfes war fast gleich Null.
Wohl gelang es, der Kirche gegen hunderttausend Mitglieder zu entreißen, allein ohne daß diese dadurch auch nur einen besonderen Schaden erlitten hätte. Sie brauchte den verlorenen "Schäflein" in diesem Falle wirklich keine Träne nachzuweinen; denn sie verlor nur, was ihr vorher schon längst innerlich nicht mehr voll gehörte. Dies war der Unterschied der neuen Reformation gegenüber der einstigen: daß einst viele der Besten der Kirche sich von ihr wendeten aus innerer religiöser Überzeugung heraus, während jetzt nur die ohnehin Lauen gingen, und zwar aus "Erwägungen" politischer Natur.
Gerade vom politischen Gesichtspunkte aus war das Ergebnis ebenso lächerlich wie doch wieder traurig.
Wieder war eine erfolgversprechende politische Heilsbewegung der deutschen Nation zugrunde gegangen, weil sie nicht mit der nötigen rücksichtslosen Nüchternheit geführt worden war, sondern sich auf Gebiete verlor, die nur zu einer Zersplitterung führen mußten.
Denn eines ist sicher wahr:Die alldeutsche Bewegung würde diesen Fehler wohl nie gemacht haben, wenn sie nicht zu wenig Verständnis für die Psyche der breiten Masse besessen hätte. Würde ihren Führern bekannt gewesen sein, daß man, um überhaupt Erfolge erringen zu können, schon aus rein seelischen Erwägungen heraus der Masse niemals zwei und mehr Gegner zeigen darf, da dies sonst zu einer vollständigen Zersplitterung der Kampfkraft führt, so wäre schon aus diesem Grunde die Stoßrichtung der alldeutschen Bewegung nur auf einen Gegner allein eingestellt worden. Es ist nichts gefährlicher für eine politische Partei, als wenn sie sich in ihren Entschließungen von jenen Hansdampfgesellen in allen Gassen leiten läßt, die alles wollen, ohne auch nur das Geringste je wirklich erreichen zu können.
Auch wenn an der einzelnen Konfession noch soviel wirklich auszustellen wäre, so darf die politische Partei doch nicht einen Augenblick die Tatsache aus dem Auge verlieren, daß es nach aller bisherigen Erfahrung der Geschichte noch niemals einer rein politischen Partei in ähnlichen Lagen gelungen war, zu einer religiösen Reformation zu kommen. Man studiert aber nicht Geschichte, um dann, wenn sie zur praktischen Anwendung kommen sollte, sich ihrer Lehren nicht zu erinnern oder zu glauben, daß nun die Dinge eben anders lägen, mithin ihre urewigen Wahrheiten nicht mehr anzuwenden wären, sondern man lernt aus ihr gerade die Nutzanwendung für die Gegenwart. Wer dies nicht fertigbringt, der bilde sich nicht ein, politischer Führer zu sein; er ist in Wahrheit ein seichter, wenn auch meist sehr eingebildeter Tropf, und aller gute Wille entschuldigt nicht seine praktische Unfähigkeit.Überhaupt besteht die Kunst aller wahrhaft großen Volksführer zu allen Zeiten in erster Linie mit darin, die Aufmerksamkeit eines Volkes nicht zu zersplittern, sondern immer auf einen einzigen Gegner zu konzentrieren. Je einheitlicher dieser Einsatz des Kampfwillens eines Volkes stattfindet, um so größer wird die magnetische Anziehungskraft einer Bewegung sein, und um so gewaltiger die Wucht des Stoßes. Es gehört zur Genialität eines großen Führers, selbst auseinanderliegende Gegner immer als nur zu einer Kategorie gehörend erscheinen zu lassen, weil die Erkenntnis verschiedener Feinde bei schwächlichen und unsicheren Charakteren nur zu leicht zum Anfang des Zweifels am eigenen Rechte führt.
Sowie die schwankende Masse sich im Kampfe gegen zu viele Feinde sieht, wird sich sofort die Objektivität einstellen und die Frage aufwerfen, ob wirklich alle anderen unrecht haben und nur das eigene Volk oder die eigene Bewegung allein sich im Rechte befinde.
Damit aber kommt auch schon die erste Lähmung der eigenen Kraft. Daher muß eine Vielzahl von innerlich verschiedenen Gegnern immer zusammengefaßt werden, so daß in der Einsicht der Masse der eigenen Anhänger der Kampf nur gegen einen Feind allein geführt wird. Dies stärkt den Glauben an das eigene Recht und steigert die Erbitterung gegen den Angreifer auf dasselbe.
Daß die alldeutsche Bewegung von einst dies nicht begriff, kostete sie den Erfolg.
Ihr Ziel war richtig gesehen, das Wollen rein, der enigeschlagene Weg aber falsch. Sie glich einem Bergsteiger, der den zu erklimmenden Gipfel wohl im Auge behält, auch mit größter Entschiedenheit und Kraft sich auf den Weg macht, allein diesem selber keine Beachtung schenkt, sondern, immer den Blick auf das Ziel gerichtet, die Beschaffenheit des Aufstiegs weder sieht noch prüft und daran endlich scheitert.
Umgekehrt schien das Verhältnis bei der großen Konkurrentin, der christlich-sozialen Partei, zu liegen.
Der Weg, den sie einschlug, war klug und richtig gewählt, allein es fehlte die klare Erkenntnis über das Ziel.
In fast allen Belangen, in denen die alldeutsche Bewegung fehlte, war die Einstellung der christlich-sozialen Partei richtig und planvoll.
Sie besaß das nötige Verständnis für die Bedeutung der Masse und sicherte sich wenigstens einen Teil derselben durch offensichtliche Betonung ihres Sozialen Charakters vom ersten Tage an. Indem sie sich in wesentlicher Weise auf die Gewinnung des kleinen und unteren Mittel- und Handwerkerstandes einstellte, erhielt sie eine ebenso treue wie ausdauernde und opferwillige Gefolgschaft. Sie vermied jeden Kampf gegen eine religiöse Einrichtung und sicherte sich dadurch die Unterstützung einer so mächtigen Organisation, wie sie die Kirche nun einmal darstellt. Sie besaß demzufolge auch nur einen einzigen wahrhaft großen Hauptgegner. Sie erkannte den Wert einer großzügigen Propaganda und war Virtuosin im Einwirken auf die seelischen Instinkte der breiten Masse ihrer Anhänger.
Daß auch sie dennoch nicht das erträumte Ziel einer Rettung Österreichs zu erreichen vermochte, lag in zwei Mängeln ihres Weges sowie in der Unklarheit über das Ziel selber.
Der Antihassismus der neuen Bewegung war statt auf rassischer Erkenntnis auf religiöser Vorstellung aufgebaut.
Der Grund, warum dieser Fehler unterlief, war der gleiche, der auch den zweiten Irrtum veranlaßte.
Wollte die christlich-soziale Partei Österreich retten, dann durfte sie sich, nach der Meinung ihrer Begründer, nicht auf den Standpunkt des Rassenprinzips stellen, da sonst in kurzer Zeit eine allgemeine Auflösung des Staates eintreten mußte. Besonders aber die Lage in Wien selber erforderte, nach der Ansicht der Führer der Partei, eine möglichst große Beiseitelassung aller trennenden Momente und an deren Stelle ein Hervorheben aller einigenden Gesichtspunkte.
Wien war zu dieser Zeit schon so stark besonders mit tschechischen Elementen durchsetzt, daß nur größte Toleranz in Bezug auf alle Rassenprobleme diese noch in einer nicht von vornherein deutsch-feindlichen Partei zu halten vermochte. Wollte man Österreich retten, durfte auf sie nicht verzichtet werden. So versuchte man die besonders sehr zahlreichen tschechischen Kleingewerbetreibenden in Wien zu gewinnen durch den Kampf gegen das liberale Manchestertum und glaubte dabei eine über alle Völkerunterschiede des alten Österreichs hinwegführende Parole im Kampf gegen das Hasstum auf religiöser Grundlage gefunden zu haben.
Daß eine solche Bekämpfung auf solcher Grundlage der Hassheit nur begrenzte Sorge bereitete, liegt auf der Hand. Im schlimmsten Falle rettete ein Guß Taufwasser immer noch Geschäft und Hasstum zugleich.
Mit einer solchen oberflächlichen Begründung kam man auch niemals zu einer ernstlichen wissenschaftlichen Behandlung des ganzen Problems und stieß dadurch nur zu viele, denen diese Art von Antihassismus unverständlich sein mußte, überhaupt zurück. Die werbende Kraft der Idee war damit fast ausschließlich an geistig beschränkte Kreise gebunden, wenn man nicht vom rein gefühlsmäßigen Empfinden hinweg zu einer wirklichen Erkenntnis kommen wollte. Die Intelligenz verhielt sich grundsätzlich ablehnend. Die Sache erhielt so mehr und mehr den Anstrich, als handle es sich bei der ganzen Angelegenheit nur um den Versuch einer neuen Hassbekehrung oder gar um den Ausdruck eines gewissen Konkurrenzneides. Damit aber verlor der Kampf das Merkmal einer inneren und höheren Weihe und erschien vielen, und nicht gerade den Schlechtesten, als unmoralisch und verwerflich. Es fehlte die Überzeugung, daß es sich hier um eine Lebensfrage der gesamten Menschheit handle, von deren Lösung das Schicksal aller nichtdeutschen Völker abhänge.
An dieser Halbheit ging der Wert der antihassischen Einstellung der christlich-sozialen Partei verloren.
Es war ein Scheinantihassismus, der fast schlimmer war als überhaupt keiner; denn so wurde man in Sicherheit eingelullt, glaubte den Gegner an den Ohren zu haben, wurde jedoch in Wirklichkeit selber an der Nase geführt.
Der Hass aber hatte sich schon in kurzer Zeit auch an diese Art von Antihassismus gewöhnt, so daß ihm sein Wegfall sicher mehr gefehlt haben würde, als ihn sein Vorhandensein behinderte.
Mußte man hier schon dem Nationalitätenstaat ein schweres Opfer bringen, so noch viel mehr der Vertretung des Deutschtums an sich.
Man durfte nicht "nationalistisch" sein, wollte man nicht in Wien selber den Boden unter den Füßen verlieren. Man hoffte, durch ein sanftes Umgehen dieser Frage den Habsburgerstaat noch zu retten und trieb ihn gerade da. durch in das Verderben. Die Bewegung aber verlor damit die gewaltige Kraftquelle, die allein auf die Dauer eine politische Partei mit innerer Triebkraft aufzufüllen vermag. Die christlich-soziale Bewegung wurde gerade dadurch zu einer Partei wie eben jede andere auch.
Ich habe beide Bewegungen einst auf das aufmerksamste verfolgt, die eine aus dem Pulsschlag des inneren Herzens heraus, die andere, hingerissen von Bewunderung für den seltenen Mann, der mir schon damals wie ein bitteres Symbol des ganzen österreichischen Deutschtums erschien.
Als der gewaltige Leichenzug den toten Bürgermeister vom Rathaus hinweg der Ringstraße zu fuhr, befand auch ich mich unter den vielen Hunderttausenden, die dem Trauerspiel zusahen. In innerer Ergriffenheit sagte mir dabei das Gefühl, daß auch das Werk dieses Mannes vergeblich sein müßte durch das Verhältnis, das diesen Staat unweigerlich dem Untergang entgegenführen würde. Hätte Dr. Karl Lueger in Deutschland gelebt, würde er in die Reihe der großen Köpfe unseres Volkes gestellt worden sein; daß er in diesem unmöglichen Staate wirkte, war daß Unglück seines Werkes und seiner selbst.
Als er starb, zuckten bereits die Flämmchen auf dem Balkan von Monat zu Monat gieriger hervor, so daß ihm das Schicksal gnädig das zu sehen erließ, was er noch glaubte verhüllen zu können. -Ich aber versuchte, aus dem Versagen der einen Bewegung und dem Mißlingen der zweiten die Ursachen herauszufinden und kam zur sicheren Überzeugung, daß, ganz abgesehen von der Unmöglichkeit, im alten Österreich noch eine Festigung des Staates zu erreichen die Fehler der beiden Parteien folgende waren:Die alldeutsche Bewegung hatte wohl recht in ihrer prinzipiellen Ansicht über das Ziel einer deutschen Erneuerung, war jedoch unglücklich in der Wahl des Weges. Sie war nationalistisch, allein leider nicht sozial genug, um die Masse zu gewinnen. Ihr Antihassismus aber beruhte auf der richtigen Erkenntnis der Bedeutung des Rassenproblems und nicht auf religiösen Vorstellungen. Ihr Kampf gegen eine bestimmte Konfession war dagegen tatsächlich und taktisch falsch.
Die christlich-soziale Bewegung besaß eine unklare Vorstellung über das Ziel einer deutschen Wiedergeburt, hatte aber Verstand und Glück beim Suchen ihrer Wege als Partei. Sie begriff die Bedeutung der sozialen Frage, irrte in ihrem Kampf gegen das Hasstum und besaß keine Ahnung von der Macht des nationalen Gedankens.
Hätte die christlich-soziale Partei zu ihrer klugen Kenntnis der breiten Masse noch die richtige Vorstellung von der Bedeutung des Rassenproblems, wie dies die alldeutsche Bewegung erfaßt hatte, besessen, und wäre sie selber endlich nationalistisch gewesen, oder würde die alldeutsche Bewegung zu ihrer richtigen Erkenntnis des Zieles der Hassfrage und der Bedeutung des Nationalgedankens noch die praktische Klugheit der christlich-sozialen Partei, besonders aber deren Einstellung zum Sozialismus angenommen haben, dann würde dies jene Bewegung ergeben haben, die schon damals meiner Überzeugung nach mit Erfolg in das deutsche Schicksal hatte eingreifen können.
Daß dies nicht so war, lag zum weitaus größten Teil aller am Wesen des österreichischen Staates.
Da ich meine Überzeugung in keiner anderen Partei verwirklicht sah, konnte ich mich in der Folgezeit auch nicht mehr entschließen, in eine der bestehenden Organisationen einzutreten oder gar mitzukämpfen. Ich hielt schon damals sämtliche der politischen Bewegungen für verfehlt und für unfähig, eine nationale Wiedergeburt des deutschen Volkes in größerem und nicht äußerlichem Umfange durchzuführen.
Meine innere Abneigung über dem habsburgischen Staate gegenüber Wuchs in dieser Zeit immer mehr an.
Je mehr ich mich besonders auch mit außenpolitischen Fragen zu beschäftigen begann, um so mehr gewann meine Überzeugung Boden, daß dieses Staatsgebilde nur zum Unglück des Deutschtums werden mußte. Immer klarer sah ich endlich auch, daß das Schicksal der deutschen Nation nicht mehr von dieser Stelle aus entschieden würde, sondern im Reiche selber. Dies galt aber nicht nur für allgemeine politische Fragen, sondern nicht minder auch für alle Erscheinungen des gesamten Kulturlebens überhaupt.
Der österreichische Staat zeigte auch hier auf dem Gebiete rein kultureller oder künstlerischer Angelegenheiten alle Merkmale der Erschlaffung, mindestens aber der Bedeutungslosigkeit für die deutsche Nation. Am meisten galt dies für das Gebiet der Architektur. Die neuere Baukunst konnte schon deshalb in Österreich nicht zu besonders großen Erfolgen kommen, weil die Aufgaben seit dem Ausbau der Ringstraße wenigstens in Wien nur mehr unbedeutende waren gegenüber den in Deutschland aufsteigenden Plänen.
So begann ich immer mehr ein Doppelleben zu führen; Verstand und Wirklichkeit hießen mich in Österreich eine ebenso bittere wie segensreiche Schule durchmachten, allein das Herz weilte woanders.
Eine beklemmende Unzufriedenheit hatte damals von mir Besitz ergriffen, je mehr ich die innere Hohlheit dieses Staates erkannte, die Unmöglichkeit, ihn noch zu retten, aber dabei mit aller Sicherheit empfand, daß er in allem und jedem nur noch das Unglück des deutschen Volkes darstellen konnte.
Ich war überzeugt, daß dieser Staat jeden wahrhaft großen Deutschen ebenso beengen und behindern mußte, wie er umgekehrt jede undeutsche Erscheinung fördern würde. Widerwärtig war mir das Rassenkonglomerat, das die Reichshauptstadt zeigte, widerwärtig dieses ganze Völkergemisch von Tschechen, Polen, Ungarn, Ruthenen, Serben und Kroaten usw., zwischen allem aber als ewiger Spaltpilz der Menschheit Hass und wieder Hass.
Mir erscheint die Riesenstadt als die Verkörperung der Blutschande.
Mein Deutsch der Jugendzeit war der Dialekt, den auch Niederbayern spricht; ich vermochte ihn weder zu vergessen, noch den Wiener Jargon zu lernen. Je länger ich in dieser Stadt weilte, um so mehr stieg mein Haß gegen das fremde Völkergemisch, das diese alte deutsche Kulturstätte zu zerfressen begann.
Der Gedanke aber, daß dieser Staat noch längere Zeit zu halten wäre, erschien mir geradezu lächerlich.Österreich war damals wie ein altes Mosaikbild, dessen Kitt, der die einzelnen Steinchen zusammenbindet, alt und bröcklig geworden; solange das Kunstwerk nicht berührt wird, vermag es noch sein Dasein weiter vorzutäuschen, sowie es jedoch einen Stoß erhält, bricht es in tausend Scherbchen auseinander. Die Frage war also nur die, wann der Stoß kommen würde. -Da mein Herz niemals für eine österreichische Monarchie, sondern immer nur für ein Deutsches Reich schlug, konnte mir die Stunde des Zerfalls dieses Staates nur als der Beginn der Erlösung der deutschen Nation erscheinen.
Aus all diesen Gründen entstand immer starker die Sehnsucht, endlich dorthin zu gehen, wo seit so früher Jugend mich heimliche Wünsche und heimliche Liebe hinzogen.
Ich hoffte, dereinst als Baumeister mir einen Namen zu machen und so, in kleinem oder großem Rahmen, den mir das Schicksal dann eben schon zuweisen würde, der Nation meinen redlichen Dienst zu weihen.
Endlich aber wollte ich des Glücks teilhaftig werden, an der Stelle zu sein und wirken zu dürfen, von der einst ja auch mein brennendster Herzenswunsch in Erfüllung gehen mußte: der Anschluß meiner geliebten Heimat an das gemeinsame Vaterland, das Deutsche Reich.
Viele werden die Größe einer solchen Sehnsucht auch heute noch nicht zu begreifen vermögen, allein ich wende mich an die, denen das Schicksal entweder bisher dieses Glück verweigert oder in grausamer Härte wieder genommen hat; ich wende mich an alle die, die, losgelöst vom Mutterlande, selbst um das heilige Gut der Sprache zu kämpfen haben, die wegen ihrer Gesinnung der Treue dem Vaterlande gegenüber verfolgt und gepeinigt worden, und die nun in schmerzlicher Ergriffenheit die Stunde ersehnen, die sie wieder an das Herz der treuen Mutter zurückkehren läßt; ich wende mich an alle diese und weiß: Sie werden mich verstehen!Nur wer selber am eigenen Leibe fühlt, was es heißt, Deutscher zu sein, ohne dem lieben Vaterlande angehören zu dürfen, vermag die tiefe Sehnsucht zu ermessen, die zu allen Zeiten im Herzen der vom Mutterlande getrennten Kinder brennt. Sie quält die von ihr Erfaßten und verweigert ihnen Zufriedenheit und Glück so lange, bis die Tore des Vaterhauses sich öffnen und im gemeinsamen Reiche das gemeinsame Blut Frieden und Ruhe wiederfindet.
Wien aber war und blieb für mich die schwerste, wenn auch gründlichste Schule meines Lebens. Ich hatte diese Stadt einst betreten als ein halber Junge noch und verließ sie als still und ernst gewordener Mensch. Ich erhielt in ihr die Grundlagen für eine Weltanschauung im großen und eine politische Betrachtungsweise im kleinen, die ich später nur noch im einzelnen zu ergänzen brauchte, die mich aber nie mehr verließen. Den rechten Wert der damaligen Lehrjahre vermag ich freilich selber erst heute voll zu schätzen.
Deshalb habe ich diese Zeit etwas ausführlicher behandelt, da sie mir gerade in jenen Fragen den ersten Anschauungsunterricht erteilte, die mit zu den Grundlagen der Partei gehören, die, aus kleinsten Anfängen entstehend, sich im Laufe von kaum fünf Jahren zu einer großen Massenbewegung zu entwickeln anschickt. Ich weiß nicht, wie meine Stellung zum Hasstum, zur Sozialdemokratie, besser zum gesamten Marxismus, zur sozialen Frage usw. heute wäre, wenn nicht schon ein Grundstock persönlicher Anschauungen in so früher Zeit durch den Druck des Schicksals und durch eigenes Lernen sich gebildet hätte.
Denn, wenn auch das Unglück des Vaterlandes Tausende und aber Tausende zum Denken anzuregen vermag über die inneren Gründe des Zusammenbruches, so kann dies doch niemals zu jener Gründlichkeit und tieferen Einsicht führen, die sich dem erschließt, der selber erst nach jahrelangem Ringen Herr des Schicksals wurde.
4. Kapitel:
München
In Frühjahr 1912 kam ich endgültig nach München. Die Stadt selber war mir so gut bekannt, als ob ich schon seit Jahren in ihren Mauern geweilt hätte. Es lag dies begründet in meinem Studium, das mich auf Schritt und Tritt ja auf diese Metropole der deutschen Kunst hinwies. Man hat nicht nur Deutschland nicht gesehen, wenn man München nicht kennt, nein, man kennt vor allem die deutsche Kunst nicht, wenn man München nicht sah.
Jedenfalls war diese Zeit vor dem Kriege die glücklichste und weitaus zufriedenste meines Lebens. Wenn auch mein Verdienst immer noch sehr kärglich war, so lebte ich ja nicht, um malen zu können, sondern malte, um mir dadurch nur die Möglichkeit meines Lebens zu sichern, besser, um mir damit mein weiteres Studium zu gestalten. Ich besaß die Überzeugung, mein Ziel, das ich mir gesteckt hatte, einst eben dennoch zu erreichen. Und dies ließ mich allein schon alle sonstigen kleinen Sorgen des täglichen Daseins leicht und unbekümmert ertragen.
Dazu aber kam noch die innere Liebe, die mich zu dieser Stadt mehr als zu einem anderen mir bekannten Orte fast schon von der ersten Stunde meines Aufenthalts erfaßte. Eine deutsche Stadt!! Welch ein Unterschied gegen Wien! Mir wurde schlecht, wenn ich an dieses Rassenbabylon auch nur zurückdachte. Dazu der mir viel näher liegende Dialekt, der mich besonders im Umgang mit Niederbayern an meine einstige Jugendzeit erinnern konnte. Es gab wohl tausend und mehr Dinge, die mir innerlich lieb und teuer waren oder wurden. Am meisten aber zog mich die wunderbare Vermählung von urwüchsiger Kraft und feiner künstlerischer Stimmung, diese einzige Linie vom Hofbräuhaus zum Odeon, Oktoberfest zur Pinakothek usw. an. Daß ich heute an dieser Stadt hänge, mehr als an irgendeinem anderen Flecken Erde auf dieser Welt, liegt wohl mitbegründet in der Tatsache, daß sie mit der Entwicklung meines eigenen Lebens unzertrennlich verbunden ist und bleibt; daß ich aber damals schon das Glück einer wahrhaft inneren Zufriedenheit erhielt, war nur dem Zauber zuzuschreiben, den die wunderbare Wittelsbacherresidenz wohl auf jeden nicht nur mit einem rechnerischen Verstande, sondern auch mit gefühlvollem Gemüte gesegneten Menschen ausübt.
Was mich außer meiner beruflichen Arbeit am meisten anzog, war auch hier wieder das Studium der politischen Tagesereignisse, darunter besonders außenpolitischer Vorgänge. Ich kam zu den letzteren über den Umweg der deutschen Bündnispolitik, die ich von meinen österreichischen Zeiten her schon für unbedingt falsch hielt. Immerhin war mir in Wien der volle Umfang dieser Selbsttäuschung des Reiches noch nicht ganz klar geworden. Ich war damals geneigt, anzunehmen - oder redete mir es vielleicht auch selber bloß als Entschuldigung vor -, das man möglicherweise in Berlin schon wisse, wie schwach und wenig verläßlich der Bundesgenosse in Wirklichkeit sein würde, jedoch aus mehr oder minder geheimnisvollen Gründen mit dieser Einsicht zurückhalte, um eine Bündnispolitik zu stützen, die ja Bismarck selber einst begründet hatte, und deren plötzlicher Abbruch nicht wünschenswert sein konnte, schon um das lauernde Ausland nicht irgendwie aufzuschrecken oder den inneren Spießer zu beruhigen.
Freilich, der Umgang, vor allem im Volke selber, lies mich zu meinem Entsetzen schon in kurzer Zeit sehen, daß dieser Glaube falsch war. Zu meinem Erstaunen mußte ich überall feststellen, daß über das Wesen der Habsburgermonarchie selbst in den sonst gut unterrichteten Kreisen aber auch kein blasser Schimmer vorhanden war. Gerade im Volke war man in dem Wahne verfangen, den Bundesgenossen als eine ernste Macht ansehen zu dürfen, die in der Stunde der Not sicher sofort ihren Mann stellen würde. Man hielt in der Masse die Monarchie immer für einen "deutschen" Staat und glaubte darauf auch bauen zu können. Man war der Meinung, daß die Kraft auch hier nach den Millionen gemessen werden könnte, so wie etwa in Deutschland selber, und vergaß vollständig, daß erstens: Österreich schon längst aufgehört hatte, ein deutsches Staatswesen zu sein; daß aber zweitens: die inneren Verhältnisse dieses Reiches von Stunde zu Stunde mehr der Auflösung entgegendrängten.
Ich hatte damals dieses Staatsgebilde besser gekannt als die sogenannte offizielle "Diplomatie", die blind, wie fast immer, dem Verhängnis entgegentaumelte; denn die Stimmung des Volkes war immer nur der Ausfluß dessen, was man von oben in die öffentliche Meinung hineintrichterte. Von oben aber trieb man mit dem "Bundesgenossen" einen Kult wie um das goldene Kalb. Man hoffte wohl, durch Liebenswürdigkeit zu ersetzen, was an Aufrichtigkeit fehlte. Dabei nahm man immer Worte für bare Werte.
Mich packte schon in Wien der Zorn, wenn ich den Unterschied betrachtete, der zwischen den Reden der offiziellen Staatsmänner und dem Inhalt der Wiener Presse von Zeit zu Zeit in Erscheinung trat. Dabei war Wien aber doch noch, wenigstens dem Scheine nach, eine deutsche Stadt. Wie anders aber lagen die Dinge, wenn man von Wien oder besser von Deutschösterreich weg in die slawischen Provinzen des Reiches kam! Man brauchte nur Prager Zeitungen in die Hand zu nehmen, um zu wissen, wie das ganze erhabene Gaukelspiel des Dreibundes dort beurteilt wurde. Da war für dieses "staatsmännische Meisterwerk" schon nichts mehr vorhanden als blutiger Spott und Hohn. Man machte im tiefsten Frieden, als die beiden Kaiser gerade die Freundschaftsküsse einander auf die Stirne drückten, gar kein Hehl daraus, daß dieses Bündnis erledigt sei an dem Tage, an dem man versuchen würde, es aus dem Schimmer des Nibelungen-Ideals in die praktische Wirklichkeit zu überführen.
Wie hatte man sich doch einige Jahre später aufgeregt, als in der endlich gekommenen Stunde, da die Bündnisse sich bewähren sollten, Italien aus dem Dreibunde aussprang und die beiden Genossen ziehen ließ, ja zum Schlusse noch selber zum Feinde wurde! Daß man überhaupt auch nur eine Minute an die Möglichkeit eines solchen Wunders früher zu glauben wagte, nämlich an das Wunder, daß Italien mit Österreich gemeinsam kämpfen würde, konnte jedem eben nicht mit diplomatischer Blindheit Geschlagenen nur einfach unverständlich sein. Allein die Dinge lagen ja in Österreich selber um kein Haar anders.
Träger des Bündnisgedankens waren in Österreich nur die Habsburger und die Deutschen. Die Habsburger aus Berechnung und Zwang, die Deutschen aus gutem Glauben und politischer - Dummheit. Aus gutem Glauben, denn sie vermeinten, durch den Dreibund dem Deutschen Reiche selber einen großen Dienst zu erweisen, es Stärken und sichern zu helfen; aus politischer Dummheit aber, weil nicht das erst Gemeinte zutraf, sondern im Gegenteil sie dadurch mithalfen, das Reich an einen Staatskadaver zu ketten, der beide in den Abgrund reißen mußte, vor allem aber, weil sie ja selber nur durch dieses Bündnis immer mehr der Entdeutschung anheimfielen. Denn indem die Habsburger durch das Bündnis mit dem Reiche vor einer Einmengung von dieser Seite aus sicher sein zu können glaubten und leider auch mit Recht sein konnten, vermochten sie ihre innere Politik der langsamen Verdrängung des Deutschtums schon wesentlich leichter und risikoloser durchzuführen. Nicht nur, daß man bei der bekannten "Objektivität" einen Einspruch von seiten der Reichsregierung gar nicht zu befürchten brauchte, konnte man auch dem österreichischen Deutschtum selber jederzeit mit dem Hinweis auf das Bündnis den vorlauten Mund, der gegen eine etwa zu niederträchtige Art der Slawisierung sich auftun wollte, sofort zum Schweigen bringen.
Was sollte denn auch der Deutsche in Österreich noch tun, wenn doch das Deutschtum des Reiches selber der Habsburgerregierung Anerkennung und Vertrauen aussprach? Sollte er Widerstand leisten, um dann in der ganzen deutschen Öffentlichkeit als Verräter am eigenen Volkstum gebrandmarkt zu werden? Er, der seit Jahrhunderten die unerhörtesten Opfer gerade für sein Volkstum gebracht hatte?Was aber besaß dieses Bündnis für einen Wert, wenn erst das Deutschtum der Habsburgermonarchie ausgerottet worden wäre? War nicht der Wert des Dreibundes für Deutschland geradezu abhängig von der Erhaltung der deutschen Vormachtstellung in Österreich? Oder glaubte man wirklich, auch mit einem slawischen Habsburgerreich noch in einem Bündnis leben zu können?Die Einstellung der offiziellen deutschen Diplomatie sowie auch die der ganzen öffentlichen Meinung zum innerösterreichischen Nationalitätenproblem war schon nicht mehr dumm, sondern einfach irrsinnig! Man baute auf ein Bündnis, stellte die Zukunft und Sicherheit eines Siebzig-Millionen-Volkes darauf ein - und sah zu, wie die einzige Grundlage für diesen Bund beim Partner von Jahr zu Jahr planmäßig und unbeirrt sicher zerstört wurde. Eines Tages mußte dann ein "Vertrag" mit der Wiener Diplomatie übrigbleiben, die Bundeshilfe eines Reiches aber verloren sein.
Bei Italien war dies ohnehin von Anfang an der Fall.
Hätte man in Deutschland nur etwas klarer Geschichte studiert und Völkerpsychologie getrieben, dann hätte man wohl keine Stunde glauben können, daß jemals Quirinal und Wiener Hofburg in einer gemeinsamen Kampffront stehen würden. Italien wäre ja eher zu einem Vulkan geworden, ehe eine Regierung es hätte wagen dürfen, dem so fanatisch verhaßten Habsburgerstaat aber auch nur einen einzigen Italiener auf das Schlachtfeld zu stellen, außer als Feind. Ich habe die leidenschaftliche Verachtung sowie den bodenlosen Haß, mit dem der Italiener dem österreichischen Staate "zugetan" war, öfter als einmal in Wien aufbrennen sehen. Was das Haus Habsburg an der italienischen Freiheit und Unabhängigkeit im Laufe der Jahrhunderte gesündigt hatte, war zu groß, als daß man dies hätte vergessen können, auch wenn der Wille dazu vorhanden gewesen wäre. Er war aber gar nicht vorhanden; weder im Volke noch bei der italienischen Regierung. Für Italien gab es deshalb auch nur zwei Möglichkeiten im Zusammenleben mit Österreich: entweder Bündnis oder Krieg.
Indem man das erstere wählte, vermochte man sich in Ruhe zum zweiten vorzubereiten.
Besonders seitdem das Verhältnis Österreichs zu Rußland immer mehr einer kriegerischen Auseinandersetzung entgegentrieb, war die deutsche Bündnispolitik ebenso sinnlos wie gefährlich.
Es war dies ein klassischer Fall. an dem sich das Fehlen jeder großen und richtigen Linie des Denkens aufzeigen ließ.
Warum schloß man denn überhaupt ein Bündnis? Doch nur, um so die Zukunft des Reiches besser wahren zu können, als es, auf sich allein gestellt, in der Lage gewesen wäre. Diese Zukunft des Reiches aber war doch nichts anderes als die Frage der Erhaltung der Existenzmöglichkeit des deutschen Volkes.
Mithin aber konnte die Frage dann nur lauten: Wie muß das Leben der deutschen Nation in einer greifbaren Zukunft sich gestalten, und wie kann man dieser Entwicklung dann die nötigen Grundlagen und die erforderliche Sicherheit gewährleisten im Rahmen der allgemeinen europäischen Machtverhältnisse?Bei klarer Betrachtung der Voraussetzungen für die außenpolitische Betätigung der deutschen Staatskunst mußte man zu folgender Überzeugung gelangen:Deutschland hat eine jährliche Bevölkerungszunahme von nahezu neunhunderttausend Seelen. Die Schwierigkeit der Ernährung dieser Armee von neuen Staatsbürgern muß voll Jahr zu Jahr größer werden und einmal bei einer Katastrophe enden, falls eben nicht Mittel und Wege gefunden werden, noch rechtzeitig der Gefahr dieser Hungerverelendung vorzubeugen.
Es gab vier Wege, um einer solchen entsetzlichen Zukunftsentwicklung zu entgehen:1. Man konnte, nach französischem Vorbilde, die Zunahme der Geburten künstlich einschränken und damit einer Übervölkerung begegnen.
Die Natur selber pflegt ja in Zeiten großer Not oder böser klimatischer Verhältnisse sowie bei armem Bodenertrag ebenfalls zu einer Einschränkung der Vermehrung der Bevölkerung von bestimmten Ländern oder Rassen zu schreiten; allerdings in ebenso weiser wie rücksichtsloser Methode. Sie behindert nicht die Zeugungsfähigkeit an sich, wohl aber die Forterhaltung des Gezeugten, indem sie dieses so schweren Prüfungen und Entbehrungen aussetzt, daß alles minder Starke, weniger Gesunde wieder in den Schoß des ewig Unbekannten zurückzukehren gezwungen wird. Was sie dann dennoch die Unbilden<?> des Daseins überdauern läßt, ist tausendfältig erprobt, hart und wohl geeignet, wieder weiter zu zeugen, auf daß die gründliche Auslese von vorne wieder zu beginnen vermag. Indem sie so gegen den einzelnen brutal vorgeht und ihn augenblicklich wieder zu sich ruft, sowie er dem Sturme des Lebens nicht gewachsen ist, erhält sie die Rasse und Art selber kraftvoll, ja steigert sie zu höchsten Leistungen.
Damit ist aber eine Verminderung der Zahl eine Stärkung der Person, mithin aber letzten Endes eine Kräftigung der Art.
Anders ist es, wenn der Mensch eine Beschränkung seiner Zahl vorzunehmen sich anschickt. Er ist nicht aus dem Holze der Natur geschnitzt, sondern "human". Er versteht es besser als die grausame Königin aller Weisheit. Er beschränkt nicht die Forterhaltung des einzelnen als vielmehr die Fortpflanzung selber. Dieses erscheint ihm, der ja immer nur sich selbst und nie die Rasse sieht, menschlicher und gerechtfertigter zu sein als der umgekehrte Weg. Allein leider sind auch die Folgen umgekehrt:Während die Natur, indem sie die Zeugung freigibt, jedoch die Forterhaltung einer schwersten Prüfung unterwirft, aus einer Überzahl von Einzelwesen die besten sich als wert zum Leben auserwählt, sie also allein erhält und ebenso zu Trägern der Forterhaltung ihrer Art werden läßt, schränkt der Mensch die Zeugung ein, sorgt jedoch krampfhaft dafür, daß jedes einmal geborene Wesen um jeden Preis auch erhalten werde. Diese Korrektur des göttlichen Willens scheint ihm ebenso weise wie human zu sein, und er freut sich, wieder einmal in einer Sache die Natur übertrumpft, ja ihre Unzulänglichkeit bewiesen zu haben. Daß in Wirklichkeit allerdings wohl die Zahl eingeschränkt, aber dafür auch der Wert des einzelnen vermindert wurde, will das liebe Äffchen des Allvaters freilich nur ungern sehen und hören.
Denn sowie erst einmal die Zeugung als solche eingeschränkt und die Zahl der Geburten vermindert wird, tritt an Stelle des natürlichen Kampfes um das Dasein, der nur den Allerstärksten und Gesündesten am Leben läßt, die selbstverständliche Sucht, auch das schwächlichste, ja krankhafteste um jeden Preis zu "retten", womit der Keim zu einer Nachkommenschaft gelegt wird, die immer jämmerlicher werden muß, je länger diese Verhöhnung der Natur und ihres Willens anhält.
Das Ende aber wird sein, daß einem solchen Volke eines Tages das Dasein auf dieser Welt genommen werden wird; denn der Mensch kann wohl eine gewisse Zeit den ewigen Gesetzen des Forterhaltungswillens trotzen, allein die Rache kommt früher oder später doch. Ein stärkeres Geschlecht wird die Schwachen verjagen, da der Drang zum Leben in seiner letzten Form alle lächerlichen Fesseln einer sogenannten Humanität der einzelnen immer wieder zerbrechen wird, um an deren Stelle die Humanität der Natur treten zu lassen, die die Schwäche vernichtet, um der Stärke den Platz zu schenken.
Wer also dem deutschen Volke das Dasein sichern will auf dem Wege einer Selbstbeschränkung seiner Vermehrung, raubt ihm damit die Zukunft.2. Ein zweiter Weg wäre der, den wir auch heute wieder oft und oft vorgeschlagen und angepriesen hören; die innere Kolonisation. Es ist dies ein Vorschlag, der von ebenso vielen gut gemeint ist, als er von den meisten aber schlecht verstanden zu werden pflegt, um den denkbar größten Schaden anzurichten, den man sich nur vorzustehen vermag.
Ohne Zweifel kann die Ertragsfähigkeit eines Bodens bis zu einer bestimmten Grenze erhöht werden. Allein eben nur bis zu einer bestimmten Grenze und nicht endlos weiter. Eine gewisse Zeit wird man also ohne Hungersgefahr die Vermehrung des deutschen Volkes durch eine Nutzungssteigerung unseres Bodens auszugleichen vermögen. Allein dem steht die Tatsache gegenüber, daß die Anforderungen an das Leben im allgemeinen schneller steigen als selbst die Zahl der Bevölkerung. Die Anforderungen der Menschen in bezug auf Nahrung und Kleidung werden von Jahr zu Jahr größer und stehen schon jetzt zum Beispiel in keinem Verhältnis mehr zu den Bedürfnissen unserer Vorfahren etwa vor hundert Jahren. Es ist also irrig, zu meinen, daß jede Erhöhung der Produktion einer Vermehrung der Bevölkerung die Voraussetzung schaffe: Nein; dies tritt nur bis zu einem gewissen Grad zu, indem mindestens ein Teil der Mehrerzeugnisse des Bodens zur Befriedigung der erhöhten Bedürfnisse der Menschen aufgebraucht wird. Allein selbst bei größter Einschränkung einerseits und emsigstem Fleiße andererseits wird dennoch auch hier einmal eine Grenze kommen, die durch den Boden dann selber gezogen wird. Es wird bei allem Fleiße nicht mehr gelingen, mehr aus ihm herauszuwirtschaften, und dann tritt, wenn auch eine gewisse Zeit hinausgeschoben, das Verhängnis abermals in Erscheinung. Der Hunger wird zunächst von Zeit zu Zeit, wenn Mißernten usw. kommen, sich wieder einstellen. Er wird dies mit steigender Volkszahl immer öfter tun, so daß er endlich nur dann nicht mehr auftritt, wenn seltene reichste Jahre die Speicher fallen. Aber es naht endlich die Zeit, in der auch dann die Not nicht mehr zu befriedigen sein wird und der Hunger zum ewigen Begleiter eines solchen Volkes geworden ist. Nun muß wieder die Natur helfen und Auswahl treffen unter den von ihr zum Leben Auserwählten; oder es hilft sich der Mensch wieder selbst, das heißt, er greift zur künstlichen Behinderung seiner Vermehrung mit allen ihren schon angedeuteten schweren Folgen für Rasse und Art.
Man wird noch einzuwenden vermögen, daß diese Zukunft ja der ganzen Menschheit einmal so oder so bevorstehe, mithin auch das einzelne Volk diesem Verhängnis natürlich nicht zu entgehen vermöge.
Dies ist auf den ersten Blick ohne weiteres richtig. Dennoch ist aber hier folgendes zu bedenken:Sicherlich wird zu einem bestimmten Zeitpunkt die gesamte Menschheit gezwungen sein, infolge der Unmöglichkeit, die Fruchtbarkeit des Bodens der weitersteigenden Volkszahl noch länger anzugleichen, die Vermehrung des menschlichen Geschlechtes einzustellen und entweder die Natur wieder entscheiden zu lassen oder durch Selbsthilfe, wenn möglich, dann freilich schon auf dem richtigeren Wege als heute, den notwendigen Ausgleich zu schaffen, Allein dieses wird dann eben alle Völker treten, während zur Zeit nur diejenigen Rassen von solcher Not betroffen werden, die nicht mehr Kraft und Stärke genug besitzen, um sich den für sie nötigen Boden auf dieser Welt zu sichern. Denn die Dinge liegen doch so, daß auf dieser Erde zur Zeit noch immer Boden in ganz ungeheuren Flächen ungenützt vorhanden ist und nur des Bebauers harrt. Ebenso aber ist es auch richtig, daß dieser Boden nicht von der Natur an und für sich einer bestimmten Nation oder Rasse als Reservatfläche für die Zukunft aufgehoben wurde, sondern er ist Land und Boden für das Volk, das die Kraft besitzt, ihn zu nehmen, und den Fleiß, ihn zu bebauen.
Die Natur kennt keine politischen Grenzen. Sie setzt die Lebewesen zunächst auf diesen Erdball und sieht dem freien Spiel der Kräfte zu. Der Stärkste an Mut und Fleiß erhält dann als ihr liebstes Kind das Herrenrecht des Daseins zugesprochen.
Wenn ein Volk sich auf innere Kolonisation beschränkt, da andere Rassen sich auf immer größeren Bodenflächen dieser Erde festklammern, wird es zur Selbstbeschränkung schon zu einer Zeit zu greifen gezwungen sein, da die übrigen Völker sich noch dauernd fortvermehren. Einmal tritt aber dieser Fall ein, und zwar um so früher, je kleiner der zur Verfügung stehende Lebensraum eines Volkes ist. Da im allgemeinen leider nur zu häufig die besten Nationen oder, noch richtiger, die einzigen wahrhaften Kulturrassen, die Träger alles menschlichen Fortschrittes, sich in ihrer pazifistischen Verblendung, entschließen, auf neuen Bodenerwerb Verzicht zu leisten, um sich mit "innerer" Kolonisation zu begnügen, minderwertige Nationen aber ungeheure Lebensflächen auf dieser Welt sich zu sichern verstehen, würde dies zu folgendem Endergebnis führen:Die kulturell besseren, allein minder rücksichtslosen Rassen müßten schon zu einer Zeit ihre Vermehrung infolge ihres beschränkten Bodens begrenzen, da die kulturell tieferen, aber naturhaft-brutaleren Völker infolge größter Lebensflächen noch ins Unbegrenzte hinein sich fortzuvermehren in der Lage sein würden. Mit anderen Worten: Die Welt wird damit eines Tages in den Besitz der kulturell minderwertigeren, jedoch tatkräftigeren Menschheit kommen.
Dann gibt es in einer, wenn auch noch so fernen Zukunft nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Welt wird regiert nach den Vorstellungen unserer modernen Demokratie, dann füllt das Schwergewicht jeder Entscheidung zugunsten der zahlenmäßig stärkeren Rassen aus, oder die Welt wird beherrscht nach den Gesetzen der natürlichen Kraftordnung, dann siegen die Völker des brutalen Willens und mithin eben wieder nicht die Nation der Selbstbeschränkung.
Daß aber diese Welt dereinst noch schwersten Kämpfen um das Dasein der Menschheit ausgesetzt sein wird, kann niemand bezweifeln. Am Ende siegt ewig nur die Sucht der Selbsterhaltung. Unter ihr schmilzt die sogenannte Humanität als Ausdruck einer Mischung von Dummheit, Feigheit und eingebildetem Besserwissen wie Schnee in der Märzensonne. Im ewigen Kampfe ist die Menschheit groß geworden im ewigen Frieden geht sie zugrunde.
Für uns Deutsche aber ist die Parole der "inneren Kolonisation" schon deshalb unselig, da sie bei uns sofort die Meinung verstärkt, ein Mittel gefunden zu haben, das der pazifistischen Gesinnung entsprechend gestattet, in sanftem Schlummerleben sich das Dasein "erarbeiten" zu können. Diese Lehre, bei uns erst einmal ernst genommen, bedeutet das Ende jeder Anstrengung, sich auf dieser Welt den Platz zu bewahren, der auch uns gebührt. Sowie erst der Durchschnittsdeutsche die Überzeugung erhielte, auch auf solchem Wege sich das Leben und die Zukunft sichern zu können, würde jeder Versuch einer aktiven und damit allein fruchtbaren Vertretung deutscher Lebensnotwendigkeiten erledigt sein. Jede wirklich nützliche Außenpolitik aber könnte durch eine solche Einstellung der Nation als begraben angesehen werden und mit ihr die Zukunft des deutschen Volkes überhaupt.
In Erkenntnis dieser Folgen ist es nicht zufällig in erster Linie immer der Hass, der solche todgefährlichen Gedankengänge in unser Volk hineinzupflanzen versucht und versteht. Er kennt seine Pappenheimer nur zu gut, um nicht zu wissen, daß sie dankbar jedem spanischen Schatzschwindler zum Opfer fallen, der ihnen weiszumachen versteht, daß das Mittel gefunden wäre, der Natur ein Schnippchen zu schlagen, den harten, unerbittlichen Kampf ums Dasein überflüssig zu machen, um an seiner Stelle bald durch Arbeit, manchmal auch schon durch bloßes Nichtstun, je nachdem "wies trefft", zum Herrn des Planeten aufzusteigen.
Es kann nicht scharf genug betont werden, daß jede deutsche innere Kolonisation in erster Linie nur dazu zu dienen hat, soziale Mißstände zu beseitigen, vor allem den Boden der allgemeinen Spekulation zu entziehen, niemals aber genügen kann, etwa die Zukunft der Nation ohne neuen Grund und Boden sicherzustellen. Handeln wir anders, so werden wir in kurzer Zeit nicht nur am Ende unseres Bodens angelangt sein, sondern auch am Ende unserer Kraft.
Schließlich muß noch folgendes festgestellt werden:Die in der inneren Kolonisation liegende Beschränkung auf eine bestimmte kleine Bodenfläche sowie auch die durch Einengung der Fortpflanzung erfolgende gleiche Schlußwirkung führt zu einer außerordentlich ungünstigen militärpolitischen Lage der betreffenden Nation.
In der Größe des Wohnsitzes eines Volkes liegt allein schon ein wesentlicher Faktor zur Bestimmung seiner äußeren Sicherheit. Je größer die Raummenge ist, die einem Volk zur Verfügung steht, um so größer ist auch dessen natürlicher Schutz; denn noch immer ließen sich militärische Entscheidungen gegen Völker auf kleiner zusammengepreßter Bodenfläche in schnellerer und damit aber auch leichterer und besonders wirksamerer und vollständigerer Weise erzielen, wie dies umgekehrt gegen territorial umfangreiche Staaten möglich sein kann. In der Größe des Staatsgebietes liegt damit immer noch ein gewisser Schutz gegen leichtfertige Angriffe, da ein Erfolg dabei nur nach langen, schweren Kämpfen zu erzielen ist, mithin das Risiko eines übermütigen Überfalles zu groß erscheinen wird, sofern nicht ganz außerordentliche Gründe vorliegen. Daher liegt schon in der Größe des Staates an sich ein Grund zur leichteren Erhaltung der Freiheit und Unabhängigkeit eines Volkes, während umgekehrt die Kleinheit eines solchen Gebildes zur Inbesitznahme geradezu herausfordert.
Tatsächlich wurden auch die beiden ersten Möglichkeiten zur Schaffung eines Ausgleiches zwischen der steigenden Volkszahl und dem gleich groß bleibenden Boden in den sogenannten nationalen Kreisen des Reiches abgelehnt. Die Gründe zu dieser Stellungnahme waren freilich andere als die oben angeführten: Zur Einschränkung der Geburten verhielt man sich in erster Linie ablehnend aus einem gewissen moralischen Gefühl heraus; die innere Kolonisation wies man mit Entrüstung zurück, da man in ihr einen Angriff gegen den Großgrundbesitz witterte und darin den Beginn eines allgemeinen Kampfes gegen das Privateigentum überhaupt sah. Bei der Form, in der besonders diese letztere Heilslehre empfohlen wurde, konnte man auch ohne weiteres mit einer solchen Annahme recht haben.
Im allgemeinen war die Abwehr der breiten Masse gegenüber nicht sehr geschickt und traf auch in keinerlei Weise den Kern des Problems.
Somit blieben nur noch zwei Wege, der steigenden Volkszahl Arbeit und Brot zu sichern.3. Man konnte entweder neuen Boden erwerben, um die überschüssigen Millionen jährlich abzuschieben, und so die Nation auch weiter auf der Grundlage einer Selbsternährung erhalten, oder man ging4. dazu über, durch Industrie und Handel für fremden Bedarf zu schaffen, um vom Erlös das Leben zu bestreiten.
Also: entweder Boden- oder Kolonial- und Handelspolitik.
Beide Wege worden von verschiedenen Richtungen ins Auge gefaßt, geprüft, empfohlen und bekämpft, bis endlich der letzte endgültig gegangen wurde.
Der gesündere Weg von beiden wäre freilich der erstere gewesen.
Die Erwerbung von neuem Grund und Boden zur Ansiedlung der überlaufenden Volkszahl besitzt unendlich viel Vorzüge, besonders wenn man nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft ins Auge faßt.
Schon die Möglichkeit der Erhaltung eines gesunden Bauernstandes als Fundament der gesamten Nation kann niemals hoch genug eingeschätzt werden. Viele unserer heutigen Leiden sind nur die Folge des ungesunden Verhältnisses zwischen Land- und Stadtvolk. Ein fester Stock kleiner und mittlerer Bauern war noch zu allen Zeiten der beste Schutz gegen soziale Erkrankungen, wie wir sie heute besitzen. Dies ist aber auch die einzige Lösung, die eine Nation das tägliche Brot im inneren Kreislauf einer Wirtschaft finden läßt. Industrie und Handel treten von ihrer ungesunden führenden Stellung zurück und gliedern sich in den allgemeinen Rahmen einer nationalen Bedarfs- und Ausgleichswirtschaft ein. Beide sind damit nicht mehr die Grundlage der Ernährung der Nation, sondern ein Hilfsmittel derselben. zudem sie nur mehr den Ausgleich zwischen eigener Produktion und Bedarf auf allen Gebieten zur Aufgabe haben, machen sie die gesamte Volksernährung mehr oder weniger unabhängig vom Auslande, helfen also mit, die Freiheit des Staates und die Unabhängigkeit der Nation, besonders in schweren Tagen, sicherzustellen.
Allerdings, eine solche Bodenpolitik kann nicht etwa in Kamerun ihre Erfüllung finden, sondern heute fast ausschließlich nur mehr in Europa. Man muß sich damit kühl und nüchtern auf den Standpunkt stellen, daß es sicher nicht Absicht des Himmels sein kann, dem einen Volke fünfzigmal so viel an Grund und Boden auf dieser Welt zu geben als dem anderen. Man darf in diesem Falle sich nicht durch politische Grenzen von den Grenzen des ewigen Rechtes abbringen lassen. Wenn diese Erde wirklich für alle Raum zum Leben hat, dann möge man uns also den uns zum Leben notwendigen Boden geben.
Man wird das freilich nicht gerne tun. Dann jedoch tritt das Recht der Selbsterhaltung in seine Wirkung; und was der Güte verweigert wird, hat eben die Faust sich zu nehmen. Hätten unsere Vorfahren einst ihre Entscheidungen von dem gleichen pazifistischen Unsinn abhängig gemacht wie die heutige Gegenwart, dann würden wir überhaupt nur ein Drittel unseres jetzigen Bodens zu eigen besitzen; ein deutsches Volk aber dürfte dann kaum mehr Sorgen in Europa zu tragen haben. Nein, der natürlichen Entschlossenheit zum Kampfe für das eigene Dasein verdanken wir die beiden Ostmarken des Reiches und damit jene innere Stärke der Größe unseres Staats- und Volksgebietes, die überhaupt allein uns bis heute bestehen ließ.
Auch aus einem anderen Grunde wäre diese Lösung die richtige gewesen:Viele europäische Staaten gleichen heute auf die Spitze gestellten Pyramiden. Ihre europäische Grundfläche ist lächerlich klein gegenüber ihrer übrigen Belastung in Kolonien, Außenhandel usw. Man darf sagen: Spitze in Europa, Basis in der ganzen Welt; zum Unterschiede der amerikanischen Union, die die Basis noch im eigenen Kontinent besitzt und nur mit der Spitze die übrige Erde berührt. Daher kommt aber auch die unerhörte innere Kraft dieses Staates und die Schwäche der meisten europäischen Kolonialmächte. Auch England ist kein Beweis dagegen, da man nur zu leicht angesichts des britischen Imperiums die angelsächsische Welt als solche vergißt. Die Stellung Englands kann infolge seiner Sprach- und Kulturgemeinschaft mit der amerikanischen Union allein schon mit keinem sonstigen Staat in Europa verglichen werden.
Für Deutschland lag demnach die einzige Möglichkeit zur Durchführung einer gesunden Bodenpolitik nur in der Erwerbung von neuem Lande in Europa selber. Kolonien können diesem Zweck so lange nicht dienen, als sie nicht zur Besiedelung mit Europäern in größtem Maße geeignet erscheinen. Auf friedlichem Wege aber waren solche Kolonialgebiete im neunzehnten Jahrhundert nicht mehr zu erlangen. Es würde mithin auch eine solche Kolonialpolitik nur auf dem Wege eines schweren Kampfes durchzuführen gewesen sein, der aber dann zweckmäßiger nicht für außereuropäische Gebiete, sondern vielmehr für Land im Heimatkontinent selbst ausgefochten worden wäre.
Ein solcher Entschluß erfordert dann freilich ungeteilte Hingabe. Es geht nicht an, mit halben Mitteln oder auch nur zögernd an eine Aufgabe heranzutreten, deren Durchführung nur unter Anspannung aber auch der letzten Energie möglich erscheint. Dann mußte auch die gesamte politische Leitung des Reiches diesem ausschließlichen Zwecke huldigen; niemals durfte ein Schritt erfolgen, von anderen Erwägungen geleitet als von der Erkenntnis dieser Aufgabe und ihrer Bedingungen. Man hatte sich Klarheit zu verschaffen, daß dieses Ziel nur unter Kampf zu erreichen war, und mußte dem Waffengange dann aber auch ruhig und gefaßt ins Auge sehen.
So waren die gesamten Bündnisse ausschließlich von diesem Gesichtspunkte aus zu prüfen und ihrer Verwertbarkeit nach zu schätzen. Wollte man in Europa Grund und Boden dann konnte dies im großen und ganzen nur auf Kosten Rußlands geschehen, dann mußte sich das neue Reich wieder auf der Straße der einstigen Ordensritter in Marsch setzen, um mit dem deutschen Schwert dem deutschen Pflug die Scholle, der Nation aber das tägliche Brot zu gehen.
Für eine solche Politik allerdings gab es in Europa nur einen einzigen Bundesgenossen: England.
Nur mit England allein vermochte man, den Rücken gedeckt, den neuen Germanenzug zu beginnen. Das Recht hierzu wäre nicht geringer gewesen als das Recht unserer Vorfahren. Keiner unserer Pazifisten weigert sich, das Brot des Ostens zu essen, obwohl der erste Pflug einst "Schwert" hieß!Englands Geneigtheit zu gewinnen, durfte dann aber kein Opfer zu groß sein, Es war auf Kolonien und Seegeltung zu verzichten, der britischen Industrie aber die Konkurrenz zu ersparen.
Nur unbedingte klare Einstellung allein konnte zu einem solchen Ziele führen. Verzicht auf Welthandel und Kolonien, Verzicht auf eine deutsche Kriegsflotte, Konzentration der gesamten Machtmittel des Staates auf das Landheer.
Das Ergebnis wäre wohl eine augenblickliche Beschränkung gewesen, allein eine große und mächtige Zukunft.
Es gab eine Zeit, da England in diesem Sinne hätte mit sich reden lassen. Da es sehr wohl begriffen hatte, daß Deutschland infolge seiner Bevölkerungszunahme nach irgendeinem Ausweg suchen müsse und entweder mit England diesen in Europa fände oder ohne England in der Welt.
Dieser Ahnung war es wohl auch in erster Linie zuzuschreiben, wenn um die Jahrhundertwende von London selber aus versucht wurde, Deutschland näherzutreten. Zum ersten Male zeigte sich damals, was wir in den letzten Jahren in wahrhaft erschreckender Weise beobachten konnten. Man war unangenehm berührt bei dem Gedanken, für England Kastanien aus dem Feuer holen zu müssen; als ob es überhaupt ein Bündnis auf einer anderen Grundlage als der eines gegenseitigen Geschäftes geben könnte. Mit England ließ sich aber ein solches Geschäft sehr wohl machen. Die britische Diplomatie war noch immer klug genug, zu wissen, daß ohne Gegenleistung keine Leistung zu erwarten ist.
Man stelle sich aber vor, daß eine kluge deutsche Außenpolitik die Rolle Japans im Jahre 1904 übernommen hätte, und man kann kaum ermessen, welche Folgen dies für Deutschland gehabt haben würde.
Es wäre niemals zu einem "Weltkriege" gekommen.
Das Blut im Jahre 1904 hatte das Zehnfache der Jahre 1914 bis 1918 erspartWelche Stellung aber würde Deutschland heute in der Welt einnehmen!Allerdings, das Bündnis mit Österreich war dann ein Unsinn.
Denn die staatliche Mumie verband sich mit Deutschland nicht zum Durchfechten eines Krieges, sondern zur Erhaltung eines ewigen Friedens, der dann in kluger Weise zur langsamen, aber sicheren Ausrottung des Deutschtums der Monarchie verwendet werden konnte.
Dieses Bündnis aber war auch deshalb eine Unmöglichkeit, weil man doch von einem Staate so lange gar keine offensive Vertretung nationaler deutscher Interessen erwarten durfte, als dieser nicht einmal die Kraft und Entschlossenheit besaß, dem Entdeutschungsprozeß an seiner unmittelbaren Grenze ein Ende zu bereiten. Wenn Deutschland nicht soviel nationale Besinnung und auch Rücksichtslosigkeit besaß, dem unmöglichen Habsburgerstaat die Verfügung über das Schicksal der zehn Millionen Stammesgenossen zu entreißen, dann durfte man wahrlich nicht erwarten, daß es jemals zu solch weitausschauenden und verwegenen Plänen die Hand bieten würde. Die Haltung des alten Reiches zur österreichischen Frage war der Prüfstein für sein Verhalten im Schicksalskampf der ganzen Nation.
Auf alle Fälle durfte man nicht zusehen, wie Jahr um Jahr das Deutschtum mehr zurückgedrängt wurde, da ja der Wert der Bündnisfähigkeit Österreich ausschließlich von der Erhaltung des deutschen Elements bestimmt wurde.
Allein, man beschritt diesen Weg ja überhaupt nicht.
Man fürchtete nichts so sehr als den Kampf, um endlich in der ungünstigsten Stunde dennoch zu ihm gezwungen zu werden.
Man wollte dem Schicksal enteilen und wurde von ihm ereilt. Man träumte von der Erhaltung des Weltfriedens und landete beim Weltkrieg.
Und dies war der bedeutendste Grund, warum man diesen dritten Weg der Gestaltung einer deutschen Zukunft gar nicht einmal ins Auge faßte. Man wußte, daß die Gewinnung neuen Bodens nur im Osten zu erreichen war, sah den dann nötigen Kampf und wollte um jeden Preis doch den Frieden; denn die Parole der deutschen Außenpolitik hieß schon längst nicht mehr: Erhaltung der deutschen Nation auf allen Wegen, als vielmehr: Erhaltung des Weltfriedens mit allen Mitteln. Wie dies dann gelang, ist bekannt.
Ich werde darauf noch besonders zurückkommen.
So blieb also noch die vierte Möglichkeit: Industrie und Welthandel, Seemacht und Kolonien.
Eine solche Entwicklung war allerdings zunächst leichter und auch wohl schneller zu erreichen. Die Besiedlung von Grund und Boden ist ein langsamer Prozeß, der oft Jahrhunderte dauert; ja, darin ist gerade seine innere Stärke zu suchen, daß es sich dabei nicht um ein plötzliches Aufflammen, sondern um ein allmähliches, aber gründliches und andauerndes Wachsen handelt, zum Unterschiede von einer industriellen Entwicklung, die im Laufe weniger Jahre aufgeblasen werden kann, um dann aber auch mehr einer Seifenblase als einer gediegenen Stärke zu ähneln. Eine Flotte ist freilich schneller zu bauen, als im zähen Kampfe Bauernhöfe aufzurichten und mit Farmern zu besiedeln; allein, sie ist auch schneller zu vernichten als letztere.
Wenn Deutschland dennoch diesen Weg beschritt, dann mußte man aber wenigstens klar erkennen, daß auch diese Entwicklung eines Tages beim Kampfe enden würde. Nur Kinder konnten vermeinen, durch freundliches und gesittetes Betragen und dauerndes Betonen friedlicher Gesinnung ihre Bananen holen zu können im "friedlichen Wettbewerb der Völker", wie man so schön und salbungsvoll daherschwätzte; ohne also je zur Waffe greifen zu müssen.
Nein, wenn wir diesen Weg beschritten, dann mußte eines Tages England unser Feind werden. Es war mehr als unsinnig sich darüber zu entrüsten - entsprach aber ganz unserer eigenen Harmlosigkeit -, daß England sich die Freiheit nahm, eines Tages unserem friedlichen Treiben mit der Roheit des gewalttätigen Egoisten entgegenzutreten.
Wir hätten dies allerdings nie getan.
Wenn europäische Bodenpolitik nur zu treiben war gegen Rußland mit England im Bunde, dann war aber umgekehrt Kolonial- und Welthandelspolitik nur denkbar gegen England mit Rußland. Dann müßte man aber auch hier rücksichtslos die Konsequenzen ziehen - und vor allem Österreich schleunigst fahren lassen.
Nach jeder Richtung hin betrachtet war dieses Bündnis mit Österreich um die Jahrhundertwende schon ein wahrer Wahnsinn.
Allein man dachte ja auch gar nicht daran, sich mit Rußland gegen England zu verbünden, so wenig wie mit England gegen Rußland, denn in beiden Fällen wäre das Ende ja Krieg gewesen, und um diesen zu verhindern, entschloß man sich ja doch überhaupt erst zur Handels. und Industriepolitik. Man besaß ja nun in der "wirtschaftsfriedlichen" Eroberung der Welt eine Gebrauchsanweisung, die der bisherigen Gewaltpolitik ein für allemal das Genick brechen sollte. Man war sich manchmal der Sache vielleicht doch wieder nicht ganz sicher, besonders, wenn aus England von Zeit zu Zeit ganz unmißverständliche Drohungen herüberkamen; darum entschloß man sich auch zum Bau einer Flotte; jedoch auch wieder nicht zum Angriff und zur Vernichtung Englands, sondern zur "Verteidigung" des schon benannten "Weltfriedens" und der "friedlichen" Eroberung der Welt. Daher wurde sie auch in allem und jedem etwas bescheidener gehalten, nicht nur der Zahl, sondern auch dem Tonnengehalt der einzelnen Schiffe sowie der Armierung nach, um auch so wieder die letzten Endes doch "friedliche" Absicht durchleuchten zu lassen.
Das Gerede von der "wirtschaftsfriedlichen" Eroberung der Welt war wohl der größte Unsinn, der jemals zum leitenden Prinzip der Staatspolitik erhoben wurde. Dieser Unsinn wurde noch größer dadurch, daß man sich nicht scheute, England als Kronzeugen für die Möglichkeit einer solchen Leistung anzurufen. Was dabei unsere professorale Geschichtslehre und Geschichtsauffassung mitverbrochen hat, kann kaum wieder gutgemacht werden und ist nur der schlagende Beweis dafür, wie viele Leute Geschichte "lernen", ohne sie zu verstehen oder gar zu begreifen. Gerade in England hatte man die schlagende Widerlegung dieser Theorie erkennen müssen; hat doch kein Volk mit größter Brutalität seine wirtschaftlichen Eroberungen mit dem Schwerte besser vorbereitet und später rücksichtslos verteidigt als das englische. Ist es nicht geradezu das Merkmal britischer Staatskunst, aus politischer Kraft wirtschaftliche Erwerbungen zu ziehen und jede wirtschaftliche Stärkung sofort wieder in politische Macht umzugießen? Dabei welch ein Irrtum, zu meinen, daß England etwa persönlich zu feige wäre, für seine Wirtschaftspolitik auch das eigene Blut einzusetzen! Daß das englische Volk kein "Volksheer" besaß, bewies hier in keiner Weise das Gegenteil; denn nicht auf die jeweilige militärische Form der Wehrmacht kommt es hierbei an, als vielmehr auf den Willen und die Entschlossenheit, die vorhandene einzusetzen. England besaß immer die Rüstung, die es eben nötig hatte. Es kämpfte immer mit den Waffen, die der Erfolg verlangte. Es schlug sich mit Söldnern, solange Söldner genügten; es griff aber auch tief hinein in das wertvolle Blut der ganzen Nation, wenn nur mehr ein solches Opfer den Sieg bringen konnte; immer aber blieb die Entschlossenheit zum Kampf und die Zähigkeit wie rücksichtslose Führung desselben die gleiche.
In Deutschland aber züchtete man allmählich über den Weg der Schule, Presse und Witzblätter von dem Wesen des Engländers und noch mehr fast seines Reiches eine Vorstellung, die zu einer der bösesten Selbsttäuschungen führen mußte; denn von diesem Unsinn ward langsam alles angesteckt, und die Folge dessen war eine Unterschätzung, die sich dann auch auf das bitterste rächte. Die Tiefe dieser Fälschung war so groß, daß man überzeugt war, im Engländer den ebenso gerissenen wie aber persönlich ganz unglaublich feigen Geschäftsmann vor sich zu haben. Daß man ein Weltreich von der Größe des englischen nicht gut nur zusammenschleichen und schwindeln konnte, leuchtete unseren erhabenen Lehrern professoraler Wissenschaft leider nicht ein. Die wenigen Warner wurden überhört oder totgeschwiegen. Ich erinnere mich noch genau, wie erstaunt bei meinen Kameraden die Gesichter waren, als wir in Flandern den Tommies persönlich gegenübertraten. Schon nach den ersten Schlachttagen dämmerte da wohl im Gehirn eines jeden die Überzeugung auf, daß diese Schottländer nicht gerade denen entsprachen, die man uns in Witzblättern und Depeschenberichten vorzumalen für richtig gefunden hatte.
Ich habe damals meine ersten Betrachtungen über die Zweckmäßigkeit der Form der Propaganda angestellt.
Diese Fälschung aber hatte für die Verbreiter freilich etwas Gutes; man vermochte an diesem, wenn auch unrichtigen Beispiel ja die Richtigkeit der wirtschaftlichen Eroberung der Welt zu demonstrieren. Was dem Engländer gelang, mußte auch uns gelingen, wobei dann als ein ganz besonderes Plus unsere doch bedeutend größere Redlichkeit, das Fehlen jener spezifisch englischen "Perfidie", angesehen wurde. Hoffte man doch, dadurch die Zuneigung vor allem der kleineren Nationen sowie das Vertrauen der großen nur um so leichter zu gewinnen.
Daß unsere Redlichkeit den anderen ein innerer Greuel war, leuchtete uns dabei schon deshalb nicht ein, weil wir dieses alles ganz ernsthaft selber glaubten, wahrend die andere Welt ein solches Gebaren als Ausdruck einer ganz geriebenen Verlogenheit ansah, bis erst, wohl zum größten Erstaunen, die Revolution einen tieferen Einblick in die unbegrenzte Dummheit unserer "aufrichtigen" Gesinnung vermittelte.
Allein aus dem Unsinn dieser "wirtschaftsfriedlichen Eroberung" der Welt heraus war auch sofort der Unsinn des Dreibundes klar und verständlich. Mit welchem Staate konnte man sich denn da überhaupt sonst verbünden? Mit Österreich zusammen vermochte man allerdings nicht auf kriegerische Eroberung, selbst nur in Europa, auszugehen. Gerade darin aber bestand ja vom ersten Tage an die innere Schwäche des Bundes. Ein Bismarck konnte sich diesen Notbehelf erlauben, allein dann noch lange nicht jeder stümperhafte Nachfolger, am wenigsten jedoch zu einer Zeit, da wesentliche Voraussetzungen auch zu dem Bismarckschen Bündnis langst nicht mehr vorhanden waren; denn Bismarck glaubte noch in Österreich einen deutschen Staat vor sich zu haben. Mit der allmählichen Einführung des allgemeinen Wahlrechtes aber war dieses Land zu einem parlamentarisch regierten, undeutschen Wirrwarr herabgesunken.
Nun war das Bündnis mit Österreich auch rassepolitisch einfach verderblich. Man duldete das Werden einer neuen slawischen Großmacht an der Grenze des Reiches, die sich früher oder später ganz anders gegen Deutschland ein. stellen mußte als z. B. Rußland. Dabei mußte das Bündnis selber von Jahr zu Jahr innerlich hohler und schwächer werden, in demselben Verhältnis, in dem die einzigen Träger dieses Gedankens in der Monarchie an Einfluß verloren und aus den maßgebendsten Stellen verdrängt wurden.
Schon um die Jahrhundertwende war das Bündnis mit Österreich in genau das gleiche Stadium eingetreten wie der Bund Österreichs mit Italien.
Auch hier gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man war im Bunde mit der Habsburgermonarchie, oder man mußte gegen die Verdrängung des Deutschtums Einspruch erheben. Wenn man aber mit so etwas erst einmal beginnt, pflegt das Ende meistens der offene Kampf zu sein.
Der Wert des Dreibundes war auch schon psychologisch ein bescheidener, da die Festigkeit eines Bundes in eben dem Maße abnimmt, je mehr er sich auf die Erhaltung eines bestehenden Zustandes an sich beschränkt. Ein Bund wird aber umgekehrt um so stärker sein, je mehr die einzelnen Kontrahenten zu hoffen vermögen, durch ihn bestimmte, greifbare, expansive Ziele erreichen zu können. Auch hier wie überall liegt die Stärke nicht in der Abwehr, sondern im Angriff.
Dies wurde auch von verschiedenen Seiten schon damals erkannt, leider nur nicht von den sogenannten "Berufenen". Besonders der damalige Oberst Ludendorff, Offizier im Großen Generalstab, wies in einer Denkschrift des Jahres 1912 auf diese Schwächen hin. Natürlich wurde der Sache von seiten der "Staatsmänner" keinerlei Wert und Bedeutung zuerkannt; wie denn überhaupt klare Vernunft anscheinend nur für gewöhnliche Sterbliche zweckmäßig in Erscheinung zu treten hat, grundsätzlich aber ausscheiden darf, soweit es sich um "Diplomaten" handelt.
Es war für Deutschland nur ein Glück, daß der Krieg im Jahre 1914 auf dem Umwege über Österreich ausbrach, die Habsburger also mitmachen mußten; wäre es nämlich umgekehrt gekommen, so wäre Deutschland allein gewesen. Niemals hätte der Habsburgerstaat sich an einem Kampfe zu beteiligen vermocht oder auch selbst beteiligen wollen, der durch Deutschland entstanden wäre. Was man später an Italien so verurteilte, wäre dann schon früher bei Österreich eingetreten: man würde "neutral" geblieben sein, um so wenigstens den Staat vor einer Revolution gleich zu Beginn zu retten. Das österreichische Slawentum würde eher die Monarchie schon im Jahre 1914 zerschlagen haben, als daß es die Hilfe für Deutschland zugelassen hätte.
Wie groß aber die Gefahren und Erschwerungen, die der Bund mit der Donaumonarchie mit sich brachte, waren, vermochten damals nur sehr wenige zu begreifen.
Erstens besaß Österreich zu viel Feinde, die den morschen Staat zu beerben gedachten, als daß nicht im Laufe der Zeit ein gewisser Haß gegen Deutschland entstehen mußte, in dem man nun einmal die Ursache der Verhinderung des allseits erhofften und ersehnten Zerfalles der Monarchie erblickte. Man kam zur Überzeugung, daß Wien zum Schlusse eben nur auf dem Umweg über Berlin zu erreichen sei.
Damit aber verlor zweitens Deutschland die besten und aussichtsreichsten Bündnismöglichkeiten, ja, an ihre Stelle trat immer größere Spannung mit Rußland und selbst Italien. Dabei war in Rom die allgemeine Stimmung ebensosehr deutschfreundlich, wie sie österreichfeindlich im Herzen auch des letzten Italieners schlummerte, öfters sogar hellauf brannte.
Weil man sich nun einmal auf Handels- und Industriepolitik geworfen hatte, war zu einem Kampfe gegen Rußland ebenfalls nicht der leiseste Anstoß mehr vorhanden. Nur die Feinde beider Nationen konnten daran noch ein lebendiges Interesse besitzen. Tatsächlich waren es auch in erster Linie Hass und Marxisten, die hier mit allen Mitteln zum Kriege zwischen den zwei Staaten schürten und hetzten.
Endlich aber mußte drittens dieser Bund für Deutschland eine ganz unendliche Gefahr deshalb in sich bergen, weil es nun einer dem Bismarckschen Reiche tatsächlich feindlich gegenüberstehenden Großmacht jederzeit mit Leichtigkeit gelingen konnte, eine ganze Reihe von Staaten gegen Deutschland mobil zu machen, indem man ja für jeden auf Kosten des österreichischen Verbündeten Bereicherungen in Aussicht zu stellen in der Lage war.
Gegen die Donaumonarchie war der gesamte Osten Europas in Aufruhr zu bringen, insbesondere aber Rußland und Italien. Niemals würde die sich seit König Eduards einleitendem Wirken bildende Weltkoalition zustande gekommen sein, wenn eben nicht Österreich als der Verbündete Deutschlands ein zu verlockendes Erbe dargestellt hatte. Nur so ward es möglich, Staaten mit sonst heterogenen Wünschen und Zielen in eine einzige Angriffsfront zu bringen. Jeder konnte hoffen, bei einem allgemeinen Vorgehen gegen Deutschland auch seinerseits eine Bereicherung auf Kosten Österreichs zu erhalten. Daß nun diesem Unglücksbunde auch noch die Türkei als stiller Teilhaber an. zugehören schien, verstärkte diese Gefahr auf das außerordentlichste.
Die internationale hassische Weltfinanz brauchte aber diese Lockmittel, um den langersehnten Plan einer Vernichtung des in die allgemeine überstaatliche Finanz- und Wirtschaftskontrolle noch nicht sich fügenden Deutschlands durchführen zu können. Nur damit konnte man eine Koalition zusammenschmieden, stark und mutig gemacht durch die reine Zahl der nun marschierenden Millionenheere, bereit, dem gehörnten Siegfried endlich auf den Leib zu rücken.
Das Bündnis mit der Habsburgermonarchie, das mich schon in Österreich immer mit Mißmut erfüllt hatte, begann nun zur Ursache langer innerer Prüfungen zu werden, die mich in der Folgezeit nur noch mehr in der schon vorgefaßten Meinung bestärkten.
Ich machte schon damals in den kleinen Kreisen, in denen ich überhaupt verkehrte, kein Hehl aus meiner Überzeugung, daß dieser unselige Vertrag mit einem zum Untergange bestimmten Staat auch zu einem katastrophalen Zusammenbruch Deutschlands führen werde, wenn man sich nicht noch zur rechten Zeit loszulösen verstünde. Ich habe in dieser meiner felsenfesten Überzeugung auch keinen Augenblick geschwankt, als endlich der Sturm des Weltkrieges jede vernünftige Überlegung ausgeschaltet zu haben schien und der Taumel der Begeisterung die Stellen mitergriffen hatte, für die es nur kälteste Wirklichkeitsbetrachtung geben durfte. Auch während ich selbst an der Front stand, vertrat ich, wo immer aber diese Probleme gesprochen wurde, meine Meinung, daß der Bund je schneller desto besser für die deutsche Nation abgebrochen werden müßte, und daß die Preisgabe der habsburgischen Monarchie überhaupt kein Opfer wäre, wenn Deutschland dadurch eine Beschränkung seiner Gegner erreichen könnte; denn nicht für die Erhaltung einer verluderten Dynastie hatten sich die Millionen den Stahlhelm aufgebunden, sondern vielmehr für die Rettung der deutschen Nation.
Einige Male vor dem Kriege schien es, als ob wenigstens in einem Lager ein leiser Zweifel an der Richtigkeit der eingeschlagenen Bündnispolitik auftauchen wollte. Deutschkonservative Kreise begannen von Zeit zu Zeit vor zu großer Vertrauensseligkeit zu warnen, allein es war dies, wie eben alles Vernünftige, in den Wind geschlagen worden. Man war überzeugt, auf dem rechten Weg zu einer "Eroberung" der Welt zu sein, deren Erfolg ungeheuer, deren Opfer gleich Null sein werden.
Den bekannten "Unberufenen" aber blieb wieder einmal nichts anderes übrig, als schweigend zuzusehen, warum und wie die "Berufenen" geradewegs in das Verderben marschierten, das liebe Volk wie der Rattenfänger von Hameln hinter sich herziehend.
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Die tiefere Ursache für die Möglichkeit, den Unsinn einer "Wirtschaftlichen Eroberung" als praktischen politischen Weg, die Erhaltung des "Weltfriedens" aber als politisches Ziel einem ganzen Volke hinzustellen, ja begreiflich zu machen, lag in der allgemeinen Erkrankung unseres gesamten politischen Denkens überhaupt.
Mit dem Siegeszuge der deutschen Technik und Industrie, den aufstrebenden Erfolgen des deutschen Handels verlor sich immer mehr die Erkenntnis, daß dies alles doch nur unter der Voraussetzung eines starken Staates möglich sei. Im Gegenteil, man ging schon in vielen Kreisen so weit, die Überzeugung zu vertreten, daß der Staat selber nur diesen Erscheinungen sein Dasein verdanke, daß er selber in erster Linie eine wirtschaftliche Institution darstelle, nach wirtschaftlichen Belangen zu regieren sei und demgemäß auch in seinem Bestande von der Wirtschaft abhänge, welcher Zustand dann als der weitaus gesündeste wie natürlichste angesehen und gepriesen wurde.
Der Staat hat aber mit einer bestimmten Wirtschaftsauffassung oder Wirtschaftsentwicklung gar nichts zu tun.
Er ist nicht eine Zusammenfassung wirtschaftlicher Kontrahenten in einem bestimmt umgrenzten Lebensraum zur Erfüllung wirtschaftlicher Aufgaben, sondern die Organisation einer Gemeinschaft physisch und seelisch gleicher Lebewesen zur besseren Ermöglichung der Forterhaltung ihrer Art sowie der Erreichung des dieser von der Vorsehung vorgezeichneten Zieles ihres Daseins. Dies und nichts anderes ist der Zweck und Sinn eines Staates. Die Wirtschaft ist dabei nur eines der vielen Hilfsmittel, die zur Erreichung dieses Zieles eben erforderlich sind. Sie ist aber niemals Ursache oder Zweck eines Staates, sofern eben dieser nicht von vornherein auf falscher, weil unnatürlicher Grundlage beruht. Nur so ist es erklärlich, daß der Staat als solcher nicht einmal eine territoriale Begrenzung als Voraussetzung zu haben braucht. Es wird dies nur bei den Völkern vonnöten sein, die aus sich selbst heraus die Ernährung der Artgenossen sicherstellen wollen, also durch eigene Arbeit den Kampf mit dem Dasein auszufechten bereit sind. Völker, die sich als Drohnen in die übrige Menschheit einzuschleichen vermögen, um diese unter allerlei Vorwänden für sich schaffen zu lassen, können selbst ohne jeden eigenen, bestimmt begrenzten Lebensraum Staaten bilden. Dies trifft in erster Linie zu bei dem Volke. unter dessen Parasitentum besonders heute die ganze ehrliche Menschheit zu leiden hat: dem Hasstum.
Der hassische Staat war nie in sich räumlich begrenzt, sondern universell unbegrenzt auf den Raum, aber beschränkt auf die Zusammenfassung einer Rasse. Daher bildete dieses Volk auch immer einen Staat innerhalb der Staaten. Es gehört zu den genialsten Tricks, die jemals erfunden worden sind, diesen Staat als "Religion" segeln zu lassen und ihn dadurch der Toleranz zu versichern, die der Arier dem religiösen Bekenntnis immer zuzubilligen bereit ist. Denn tatsächlich ist die mosaische Religion nichts anderes als eine Lehre der Erhaltung der hassischen Rasse. Sie umfaßt daher auch nahezu alle soziologischen, politischen sowie wirtschaftlichen Wissensgebiete, die hierfür überhaupt nur in Frage zu kommen vermögen.
Der Trieb der Arterhaltung ist die erste Ursache zur Bildung menschlicher Gemeinschaften. Damit aber ist der Staat ein völkischer Organismus und nicht eine wirtschaftliche Organisation. Ein Unterschied, der ebenso groß ist, als er besonders den heutigen sogenannten "Staatsmännern" allerdings unverständlich bleibt. Daher glauben dann diese auch, den Staat durch Wirtschaft aufbauen zu können, wahrend er in Wahrheit ewig nur das Ergebnis der Betätigung jener Eigenschaften ist, die in der Linie des Erhaltungswillens der Art und Rasse liegen. Diese sind aber immer heldische Tugenden und niemals krämerischer Egoismus, da ja die Erhaltung des Daseins einer Art die Bereitwilligkeit zur Aufopferung des einzelnen voraussetzt. Darin liegt ja eben der Sinn des Dichterwortes "Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein", daß die Hingabe des persönlichen Daseins notwendig ist, um die Erhaltung der Art zu sichern. Somit aber ist die wesentlichste Voraussetzung zur Bildung und Erhaltung eines Staates das Vorhandensein eines bestimmten Zusammengehörigkeitsgefühls auf Grund gleichen Wesens und gleicher Art sowie die Bereitwilligkeit, dafür sich mit allen Mitteln einzusetzen. Dies wird bei Völkern auf eigenem Boden zur Bildung heldischer Tugenden, bei Schmarotzern zu verlogener Heuchelei und heimtückischer Grausamkeit führen, wenn nicht diese Eigenschaften schon als Voraussetzung ihres der Form nach so verschiedenen staatlichen Daseins nachweisbar vorhanden sein müssen. Immer aber wird schon die Bildung eines Staates nur durch den Einsatz dieser Eigenschaften mindestens ursprünglich erfolgen, wobei dann im Ringen um die Selbsterhaltung, diejenigen Völker unterliegen werden, das heißt der Unterjochung und damit dein früheren oder späteren Aussterben anheimfallen, die im gegenseitigen Kampf das wenigste an heldischen Tugenden ihr eigen nennen oder der verlogenen List des feindlichen Schmarotzers nicht gewachsen sind. Aber auch in diesem Falle ist dies fast immer nicht so sehr einem Mangel an Klugheit als vielmehr einem Mangel an Entschlossenheit und Mut zuzuschreiben, der sich nur unter dem Mantel humaner Gesinnung zu verbergen trachtet.
Wie wenig aber die staatsbildenden und staatserhaltenden Eigenschaften mit Wirtschaft im Zusammenhang stehen, zeigt am klarsten die Tatsache, das die innere Stärke eines Staates nur in den allerseltensten Fällen mit der sogenannten wirtschaftlichen Blüte zusammenfällt, wohl aber diese in unendlich vielen Beispielen den bereits nahenden Verfall des Staates anzuzeigen scheint. Würde nun aber die Bildung menschlicher Gemeinwesen in erster Linie wirtschaftlichen Kräften oder auch Antrieben zuzuschreiben sein, dann mußte die höchste wirtschaftliche Entfaltung auch zugleich die gewaltigste Stärke des Staates bedeuten und nicht umgekehrt.
Der Glaube an die staatsbildende und staatserhaltende Kraft der Wirtschaft mutet besonders unverständlich an, wenn er in einem Lande Geltung hat, das in allein und jedem das geschichtliche Gegenteil klar und eindringlich aufzeigt. Gerade Preußen erweist in wundervoller Schärfe, daß nicht materielle Eigenschaften, sondern ideelle Tugenden allein zur Bildung eines Staates befähigen. Erst unter ihrem Schutze vermag dann auch die Wirtschaft emporzublühen, so lange, bis mit dem Zusammenbruche der reinen staatsbildenden Fähigkeiten auch die Wirtschaft wieder zusammenbricht; ein Vorgang, den wir gerade jetzt in so entsetzlich trauriger Weise beobachten können. Immer vermögen die materiellen Interessen der Menschen so lange am besten zu gedeihen, als sie im Schatten heldischer Tugenden bleiben; sowie sie aber in den ersten Kreis des Daseins zu treten versuchen, zerstören sie sich die Voraussetzung zum eigenen Bestand.
Stets, wenn in Deutschland ein Aufschwung machtpolitischer Art stattfand, begann sich auch die Wirtschaft zu heben; immer aber, wenn die Wirtschaft zum einzigen Inhalt des Lebens unseres Volkes wurde und darunter die ideellen Tugenden erstickte, brach der Staat wieder zusammen und riß in einiger Zeit die Wirtschaft mit sich.
Wenn man sich jedoch die Frage vorlegt, was nun die staatsbildenden oder auch nur staatserhaltenden Kräfte in Wirklichkeit sind, so kann man sie unter einer einzigen Bezeichnung zusammenfassen: Aufopferungsfähigkeit und Aufopferungswille des einzelnen für die Gesamtheit. Daß diese Tugenden mit Wirtschaft auch nicht das geringste zu tun haben, geht aus der einfachen Erkenntnis hervor, daß der Mensch sich ja nie für diese aufopfert, das heißt: man stirbt nicht für Geschäfte, sondern nur für Ideale. Nichts bewies die psychologische Überlegenheit des Engländers in der Erkenntnis der Volksseele besser als die Motivierung. die er seinem Kampfe zu geben verstand. Während wir für Brot fochten, stritt England für die "Freiheit", und nicht einmal für die eigene, nein, für die der kleinen Nationen. Man lachte bei uns über diese Frechheit oder ärgerte sich darüber und bewies damit, wie gedankenlos dumm die sogenannte Staatskunst Deutschlands schon vor dem Kriege geworden war. Keine blasse Ahnung war mehr vorhanden über das Wesen der Kraft, die Männer aus freiem Willen und Entschluß in den Tod zu führen vermag.
Solange das deutsche Volk im Jahre 1914 noch für Ideale zu fechten glaubte, hielt es stand; sowie man es nur mehr um das tägliche Brot kämpfen ließ, gab es das Spiel lieber auf.
Unsere geistvollen "Staatsmänner" aber staunten über diesen Wechsel der Gesinnung. Es wurde ihnen niemals klar, daß ein Mensch von dem Augenblick an, in dem er für ein wirtschaftliches Interesse ficht, den Tod möglichst meidet, da ja dieser ihn um den Genuß des Lohnes seines Kampfes für immer bringen würde. Die Sorge um die Rettung des eigenen Kindes läßt, die schwächlichste Mutter zur Heldin werden, und nur der Kampf um die Erhaltung der Art und des sie schützenden Herdes oder auch Staates trieb die Männer zu allen Zeiten in die Speere der Feinde. Man darf folgenden Satz als ewig gültige Wahrheit aufstellen:Noch niemals wurde ein Staat durch friedliche Wirtschaft gegründet, sondern immer nur durch die Instinkte der Erhaltung der Art, mögen diese nun auf dem Gebiete heldischer Tugend oder listiger Verschlagenheit liegen; das eine ergibt dann eben arische Arbeits- und Kulturstaaten, das andere hassische Schmarotzerkolonien. Sowie jedoch erst bei einem Volke oder in einem Staate die Wirtschaft als solche diese Triebe zu überwuchern beginnt, wird sie selber zur lockenden Ursache der Unterjochung und Unterdrückung.
Der Glaube der Vorkriegszeit, durch Handels- und Kolonialpolitik auf friedlichem Wege die Welt dem deutschen Volke erschließen oder gar erobern zu können, war ein klassisches Zeichen für den Verlust der wirklichen staatsbildenden und staatserhaltenden Tugenden und aller daraus folgenden Einsicht, Willenskraft und Tatentschlossenheit; die naturgesetzliche Quittung hierfür aber war der Weltkrieg mit seinen Folgen.
Für den nicht tiefer Forschenden konnte allerdings diese Einstellung der deutschen Nation - denn sie war wirklich so gut als allgemein - nur ein unlösbares Rätsel darstellen: war doch gerade Deutschland ein ganz wundervolles Beispiel eines aus rein machtpolitischen Grundlagen her. vorgegangenen Reiches. Preußen, des Reiches Keimzelle, entstand durch strahlendes Heldentum und nicht durch Finanzoperationen oder Handelsgeschäfte, und das Reich selber war wieder nur der herrlichste Lohn machtpolitischer Führung und soldatischen Todesmutes. Wie konnte gerade das deutsche Volk zu einer solchen Erkrankung seines politischen Instinktes kommen? Denn hier handelte es sich nicht um eine einzelne Erscheinung, sondern um Verfallsmomente, die in wahrhaft erschreckender Unzahl bald wie Irrlichter aufflackerten und den Volkskörper auf und ab strichen oder als giftige Geschwüre bald da, bald dort die Nation anfraßen. Es schien, als ob ein immerwährender Giftstrom bis in die äußersten Blutgefäße dieses einstigen Heldenleibes von einer geheimnisvollen Macht getrieben würde, um nun zu immer größeren Lähmungen der gesunden Vernunft, des einfachen Selbsterhaltungstriebes zu führen.
Indem ich alle diese Fragen, bedingt durch meine Stellungnahme zur deutschen Bündnispolitik und Wirtschaftspolitik des Reiches, in den Jahren 1912 bis 1914 zahllose Male an mir vorüberziehen ließ, blieb als des Rätsels Lösung immer mehr jene Macht übrig, die ich schon vordem in Wien, von ganz anderen Gesichtspunkten bestimmt, kennengelernt hatte: die marxistische Lehre und Weltanschauung sowie ihre organisatorische Auswirkung.
Zum zweiten Male in meinem Leben bohrte ich mich in diese Lehre der Zerstörung hinein - und diesmal freilich nicht mehr geleitet durch die Eindrücke und Wirkungen meiner tagtäglichen Umgebung, sondern hingewiesen durch die Beobachtung allgemeiner Vorgänge des politischen Lebens. Indem ich neuerdings mich in die theoretische Literatur dieser neuen Welt vertiefte und mir deren mögliche Auswirkungen klarzumachen versuchte, verglich ich diese dann mit den tatsächlichen Erscheinungen und Ereignissen ihrer Wirksamkeit im politischen, kulturellen und auch wirtschaftlichen Leben.
Zum ersten Male aber wendete ich nun meine Aufmerksamkeit auch den Versuchen zu, dieser Weltpest Herr zu werden.
Ich studierte die Bismarcksche Ausnahmegesetzgebung in Absicht, Kampf und Erfolg. Allmählich erhielt ich dann eine für meine eigene Überzeugung allerdings geradezu granitene Grundlage, so daß ich seit dieser Zeit eine Umstellung meiner inneren Anschauung in dieser Frage niemals mehr vorzunehmen gezwungen wurde. Ebenso ward das Verhältnis von Marxismus und Hasstum einer weiteren gründlichen Prüfung unterzogen.
Wenn mir aber früher in Wien vor allem Deutschland als ein unerschütterlicher Koloß erschienen war, so begannen nun doch manchmal bange Bedenken bei mir einzutreten. Ich haderte im stillen und in den kleinen Kreisen meiner Bekannten mit der deutschen Außenpolitik ebenso wie mit der, wie mir schien, unglaublich leichtfertigen Art, in der man das wichtigste Problem, das es überhaupt für Deutschland damals gab, den Marxismus, behandelte. Ich konnte wirklich nicht begreifen, wie man nur so blind einer Gefahr entgegenzutaumeln vermochte, deren Auswirkungen der eigenen Absicht des Marxismus entsprechend einst ungeheuerliche sein mußten. Ich habe schon damals in meiner Umgebung, genau so wie heute im großen, vor dem Beruhigungsspruch aller feigen Jämmerlinge "Uns kann nichts geschehen!" gewarnt. Eine ähnliche Gesinnungspestilenz hatte schon einst ein Riesenreich zerstört. Sollte Deutschland allein nicht genau den gleichen Gesetzen unterworfen sein wie alle anderen menschlichen Gemeinschaften?
In den Jahren 1913 und 1914 habe ich denn auch zum ersten Male in verschiedenen Kreisen, die heute zum Teil treu zur nationalsozialistischen Bewegung stehen, die Überzeugung ausgesprochen, daß die Frage der Zukunft der deutschen Nation die Frage der Vernichtung des Marxismus ist.
In der unseligen deutschen Bündnispolitik sah ich nur eine der durch die Zersetzungsarbeit dieser Lehre hervorgerufenen Folgeerscheinungen; denn das Fürchterliche war ja eben, daß dieses Gift fast unsichtbar sämtliche Grundlagen einer gesunden Wirtschafts- und Staatsauffassung zerstörte, ohne daß die davon Ergriffenen häufig auch nur selber ahnten, wie sehr ihr Handeln und Wollen bereits der Ausfluß dieser sonst auf das schärfste abgelehnten Weltanschauung war.
Der innere Niedergang des deutschen Volkes hatte damals schon längst begonnen, ohne daß die Menschen, wie so oft im Leben, sich über den Vernichter ihres Daseins klargeworden wären. Manchmal dokterte man wohl auch an der Krankheit herum, verwechselte jedoch dann die Formen der Erscheinung mit dem Erreger. Da man diesen nicht kannte oder erkennen wollte, besaß aber auch der Kampf gegen den Marxismus nur den Wert einer kurpfuscherischen Salbaderei.
 
5. Kapitel:
Der Weltkrieg
Als jungen Wildfang hatte mich in meinen ausgelassenen Jahren nichts so sehr betrübt, als gerade in einer Zeit geboren zu sein, die ersichtlich ihre Ruhmestempel nur mehr Krämern oder Staatsbeamten errichten würde. Die Wogen der geschichtlichen Ereignisse schienen sich schon so gelegt zu haben, daß wirklich nur dem "friedlichen Wettbewerb der Völker", das heißt also einer geruhsamen gegenseitigen Begaunerung unter Ausschaltung gewaltsamer Methoden der Abwehr, die Zukunft zu gehören schien. Die einzelnen Staaten begannen immer mehr Unternehmen zu gleichen, die sich gegenseitig den Boden abgraben, die Kunden und Aufträge wegfangen und einander auf jede Weise zu übervorteilen versuchen und dies alles unter einem ebenso großen wie harmlosen Geschrei in Szene setzen. Diese Entwicklung aber schien nicht nur anzuhalten, sondern sollte dereinst (nach allgemeiner Empfehlung) die ganze Welt zu einem einzigen großen Warenhaus ummodeln, in dessen Vorhallen dann die Büsten der geriebensten Schieber und harmlosesten Verwaltungsbeamten der Unsterblichkeit aufgespeichert würden. Die Kaufleute könnten dann die Engländer stellen, die Verwaltungsbeamten die Deutschen, zu Inhabern aber müßten sich wohl die Hass aufopfern, da sie nach eigenem Geständnis doch nie etwas verdienen, sondern ewig nur "bezahlen" und außerdem die meisten Sprachen sprechen.
Warum konnte man denn nicht hundert Jahre früher geboren sein? Etwa zur Zeit der Befreiungskriege, da der Mann wirklich, auch ohne "Geschäft", noch etwas wert war?!
Ich hatte mir so über meine, wie mir vorkam, zu spät angetretene irdische Wanderschaft oft ärgerliche Gedanken gemacht und die mir bevorstehende Zeit "der Ruhe und Ordnung" als eine unverdiente Niedertracht des Schicksals angesehen. Ich war eben schon als Junge kein "Pazifist", und alle erzieherischen Versuche in dieser Richtung wurden zu Nieten.
Wie ein Wetterleuchten kam mir da der Burenkrieg vor. Ich lauerte jeden Tag auf die Zeitungen und verschlang Depeschen und Berichte und war schon glücklich, Zeuge dieses Heldenkampfes wenigstens aus der Ferne sein zu dürfen.
Der Russisch-Japanische Krieg sah mich schon wesentlich reifer, allein auch aufmerksamer. Ich hatte dort bereits aus mehr nationalen Gründen Partei ergriffen und mich damals beim Austrag unserer Meinung sofort auf die Seite der Japaner gestellt. Ich sah in einer Niederlage der Russen auch eine Niederlage des österreichischen Slawentums.
Seitdem waren viele Jahre verflossen, und was mir einst als Junge wie faules Siechtum erschien, empfand ich nun als Ruhe vor dem Sturme. Schon während meiner Wiener Zeit lag über dem Balkan jene fahle Schwüle, die den Orkan anzuzeigen pflegt, und schon zuckte manchmal auch ein hellerer Lichtschein auf, um jedoch rasch in das unheimliche Dunkel sich wieder zurückzuverlieren. Dann aber kam der Balkankrieg, und mit ihm fegte der erste Windstoß über das nervös gewordene Europa hinweg. Die nun kommende Zeit lag wie ein schwerer Alpdruck auf den Menschen, brütend wie fiebrige Tropenglut, so daß das Gefühl der herannahenden Katastrophe infolge der ewigen Sorge endlich zur Sehnsucht wurde: der Himmel möge endlich dem Schicksal, das nicht mehr zu hemmen war, den freien Lauf gewähren. Da fuhr denn auch schon der erste gewaltige Blitzstrahl auf die Erde nieder: das Wetter brach los, und in den Donner des Himmels mengte sich das Dröhnen der Batterien des Weltkriegs.
Als die Nachricht von der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand in München eintraf (ich saß gerade zu Hause und hörte nur ungenau den Hergang der Tat), faßte mich zunächst die Sorge, die Kugeln möchten vielleicht aus den Pistolen deutscher Studenten stammen, die aus Empörung über die dauernde Verslawungsarbeit des Thronfolgers das deutsche Volk von diesem inneren Feinde befreien wollten. Was die Folge davon gewesen wäre, konnte man sich sofort ausdenken: eine neue Welle von Verfolgungen, die nun vor der ganzen Welt "gerechtfertigt" und "begründet" gewesen wären. Als ich jedoch gleich darauf schon die Namen der vermutlichen Täter hörte und außerdem ihre Feststellung als Serben las, begann mich leises Grauen zu beschleichen über diese Rache des unerforschlichen Schicksals.
Der größte Slawenfreund fiel unter den Kugeln slawischer Fanatiker.
Wer in den letzten Jahren das Verhältnis Österreichs zu Serbien dauernd zu beobachten Gelegenheit besaß, der konnte wohl kaum einen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß der Stein ins Rollen gekommen war, bei dem es ein Aufhalten nicht mehr geben konnte.
Man tut der Wiener Regierung Unrecht, sie heute mit Vorwürfen zu überschütten über Form und Inhalt des von ihr gestellten Ultimatums. Keine andere Macht der Welt hätte an gleicher Stelle und in gleicher Lage anders zu handeln vermocht. Österreich besaß an seiner Südgrenze einen unerbittlichen Todfeind, der in immer kürzeren Perioden die Monarchie herausforderte, und der nimmer locker gelassen hätte, bis endlich der günstige Augenblick zur Zertrümmerung des Reiches doch eingetreten wäre. Man hatte Grund zur Befürchtung, daß dieser Fall spätestens mit dem Tode des alten Kaisers kommen mußte; dann aber war die Monarchie vielleicht überhaupt nicht mehr in der Lage, ernstlichen Widerstand zu leisten. Der ganze Staat stand in den letzten Jahren schon so sehr auf den beiden Augen Franz Josephs, daß der Tod dieser uralten Verkörperung des Reiches in dem Gefühl der breiten Masse von vornherein als Tod des Reiches selber galt. Ja, es gehörte mit zu den schlauesten Künsten besonders slawischer Politik, den Anschein zu erwecken, daß der österreichische Staat ohnehin nur mehr der ganz wundervollen, einzigartigen Kunst dieses Monarchen sein Dasein verdanke; eine Schmeichelei, die in der Hofburg um so wohler tat, als sie den wirklichen Verdiensten dieses Kaisers am wenigsten entsprach. Den Stachel, der in dieser Lobpreisung versteckt lauerte, vermochte man nicht herauszufinden. Man sah nicht oder wollte vielleicht auch dort nicht mehr sehen, daß, je mehr die Monarchie nur noch auf die überragende Regierungskunst, wie man sich auszudrücken pflegte, dieses "weisesten Monarchen" aller Zeiten eingestellt war, um so katastrophaler die Lage werden mußte, wenn eines Tages auch hier das Schicksal an die Türe pochte, um seinen Tribut zu holen.
War das alte Österreich ohne den alten Kaiser dann überhaupt noch denkbar?Würde sich nicht sofort die Tragödie, die einst Maria Theresia betroffen hatte, wiederholt haben?Nein, man tut den Wiener Regierungskreisen wirklich Unrecht, wenn ihnen der Vorwurf gemacht wird, daß sie nun zum Kriege trieben, der sonst vielleicht doch noch zu vermeiden gewesen wäre. Er war nicht mehr zu vermeiden, sondern konnte höchstens noch ein oder zwei Jahre hinausgeschoben werden. Allein dies war ja der Fluch der deutschen sowohl als auch der österreichischen Diplomatie, daß sie eben immer schon versucht hatte, die unausbleibliche Abrechnung hinauszuschieben, bis sie endlich gezwungen war, zu der unglücklichsten Stunde loszuschlagen. Man kann überzeugt sein, daß ein nochmaliger Versuch, den Frieden zu retten, den Krieg zu noch ungünstigerer Zeit erst recht gebracht haben würde.
Nein, wer diesen Krieg nicht wollte, mußte auch den Mut aufbringen, die Konsequenzen zu ziehen. Diese aber hätten nur in der Opferung Österreichs bestehen können. Der Krieg wäre auch dann noch gekommen, allein wohl nicht mehr als Kampf aller gegen uns, dafür jedoch in der Form einer Zerreißung der Habsburgermonarchie. Dabei mußte man sich dann entschließen, mitzutun oder eben zuzusehen, um mit leeren Händen dem Schicksal seinen Lauf zu lassen.
Gerade diejenigen aber, die heute über den Beginn des Krieges am allermeisten fluchen und am weisesten urteilen, waren diejenigen, die am verhängnisvollsten mithalfen, in ihn hineinzusteuern.
Die Sozialdemokratie hatte seit Jahrzehnten die schurkenhafteste Kriegshetze gegen Rußland getrieben, das Zentrum aber hatte aus religiösen Gesichtspunkten den österreichischen Staat am meisten zum Angel- und Drehpunkt der deutschen Politik gemacht. Nun hatte man die Folgen dieses Irrsinns zu tragen. Was kam, mußte kommen und war unter keinen Umständen mehr zu vermeiden. Die Schuld der deutschen Regierung war dabei, daß sie, um den Frieden nur ja zu erhalten, die günstigen Stunden des Losschlagens immer versäumte, sich in das Bündnis zur Erhaltung des Weltfriedens verstrickte und so endlich das Opfer einer Weltkoalition wurde, die eben dem Drang nach Erhaltung des Weltfriedens die Entschlossenheit zum Weltkrieg entgegenstemmte.
Hätte aber die Wiener Regierung damals dem Ultimatum eine andere, mildere Form gegeben, so würde dies an der Lage gar nichts mehr geändert haben als höchstens das eine, daß sie selber von der Empörung des Volkes weggefegt worden wäre. Denn in den Augen der breiten Masse war der Ton des Ultimatums noch viel zu rücksichtsvoll und keineswegs etwa zu weitgehend oder gar zu brutal. Wer dies heute wegzuleugnen versucht, ist entweder ein vergeßlicher Hohlkopf oder ein ganz bewußter Lügner.
Der Kampf des Jahres 1914 wurde den Massen, wahrhaftiger Gott, nicht aufgezwungen, sondern von dem gesamten Volke selbst begehrt.
Man wollte einer allgemeinen Unsicherheit endlich ein Ende bereiten. Nur so kann man auch verstehen, daß zu diesem schwersten Ringen sich über zwei Millionen deutscher Männer und Knaben freiwillig zur Fahne stellten, bereit, sie zu schirmen mit dem letzten Tropfen Blutes.
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Mir selber kamen die damaligen Stunden wie eine Erlösung aus den ärgerlichen Empfindungen der Jugend vor. Ich schäme mich auch heute nicht, es zu sagen, daß ich, überwältigt von stürmischer Begeisterung, in die Knie gesunken war und dem Himmel aus übervollem Herzen dankte, daß er mir das Glück geschenkt, in dieser Zeit leben zu dürfen.
Ein Freiheitskampf war angebrochen, wie die Erde noch keinen gewaltigeren bisher gesehen; denn sowie das Verhängnis seinen Lauf auch nur begonnen hatte, dämmerte auch schon den breitesten Massen die Überzeugung auf, daß es sich dieses Mal nicht um Serbiens oder auch Österreichs Schicksal handelte, sondern um Sein oder Nichtsein der deutschen Nation.
Zum letzten Male auf viele Jahre war das Volk hellseherisch über seine eigene Zukunft geworden. So kam denn auch gleich zu Beginn des ungeheuren Ringens in den Rausch einer überschwenglichen Begeisterung der nötige ernste Unterton: denn diese Erkenntnis allein ließ die nationale Erhebung mehr werden als ein bloßes Strohfeuer. Der Ernst aber war nur zu sehr erforderlich; machte man sich doch damals allgemein auch nicht die geringste Vorstellung von der möglichen Lange und Dauer des nun beginnenden Kampfes. Man träumte, den Winter wieder zu Hause zu sein, um dann in erneuter friedlicher Arbeit fortzufahren.
Was der Mensch will, das hofft und glaubt er. Die überwältigende Mehrheit der Nation war des ewigen unsicheren Zustandes schon längst überdrüssig; so war es auch nur zu verständlich, daß man an eine friedliche Beilegung des österreichisch-serbischen Konfliktes gar nicht mehr glaubte, die endgültige Auseinandersetzung aber erhoffte. Zu diesen Millionen gehörte auch ich.
Kaum war die Kunde des Attentates in München bekanntgeworden, so zuckten mir auch sofort zwei Gedanken durch den Kopf: erstens, daß der Krieg endlich unvermeidlich sein würde, weiter aber, daß nun der habsburgische Staat gezwungen sei, den Bund auch zu halten; denn was ich immer am meisten gefürchtet hatte, war die Möglichkeit, daß Deutschland selber eines Tages, vielleicht gerade infolge dieses Bündnisses, in einen Konflikt geraten könnte, ohne daß aber Österreich die direkte Veranlassung hierzu gegeben hätte, und so der österreichische Staat aus innerpolitischen Gründen nicht die Kraft des Entschlusses aufbringen würde, sich hinter den Bundesgenossen zu stellen. Die slawische Majorität des Reiches würde eine solche selbst gefaßte Absicht sofort zu sabotieren begonnen haben und hätte immer noch lieber den ganzen Staat in Trümmer geschlagen, als dem Bundesgenossen die geforderte Hilfe gewährt. Diese Gefahr war nun aber beseitigt. Der alte Staat mußte fechten, man mochte wollen oder nicht.
Meine eigene Stellung zum Konflikt war mir ebenfalls sehr einfach und klar; für mich stritt nicht Österreich für irgendeine serbische Genugtuung, sondern Deutschland um seinen Bestand, die deutsche Nation um Sein oder Nichtsein, um Freiheit und Zukunft. Bismarcks Werk mußte sich nun schlagen; was die Väter einst mit ihrem Heldenblute in den Schlachten von Weißenburg bis Sedan und Paris erstritten hatten, mußte nun das junge Deutschland sich aufs neue verdienen. Wenn dieser Kampf aber siegreich bestanden wurde, dann war unser Volk in den Kreis der großen Nationen auch wieder an äußerer Macht eingetreten, dann erst wieder konnte das Deutsche Reich als ein mächtiger Hort des Friedens sich bewähren, ohne seinen Kindern das tägliche Brot um des lieben Friedens willen kürzen zu müssen.
Ich hatte einst als Junge und junger Mensch so oft den Wunsch gehabt, doch wenigstens einmal auch durch Taten bezeugen zu können, daß mir die nationale Begeisterung kein leerer Wahn sei. Mir kam es oft fast als Sünde vor, Hurra zu schreien, ohne vielleicht auch nur das innere Recht hierzu zu besitzen; denn wer durfte dieses Wort gebrauchen, ohne es einmal dort erprobt zu haben, wo alle Spielerei zu Ende ist und die unerbittliche Hand der Schicksalsgöttin Völker und Menschen zu wagen beginnt auf Wahrheit und Bestand ihrer Gesinnung? So quoll mir, wie Millionen anderen, denn auch das Herz aber vor stolzem Glück, mich nun endlich von dieser lähmenden Empfindung erlösen zu können. Ich hatte so oft "Deutschland über alles" gesungen und aus voller Kehle Heil gerufen, daß es mir fast wie eine nachträglich gewährte Gnade erschien, nun im Gottesgericht des ewigen Richters als Zeuge antreten zu dürfen zur Bekundung der Wahrhaftigkeit dieser Gesinnung. Denn es stand bei mir von der ersten Stunde an fest, daß ich im Falle eines Krieges - der mir unausbleiblich schien - so oder so die Bücher sofort verlassen würde. Ebenso aber wußte ich auch, daß mein Platz dann dort sein mußte, wo mich die innere Stimme nun einmal hinwies.
Aus politischen Gründen hatte ich Österreich in erster Linie verlassen; was war aber selbstverständlicher, als daß ich nun, da der Kampf begann, dieser Gesinnung erst recht Rechnung tragen mußte! Ich wollte nicht für den habsburgischen Staat fechten, war aber bereit, für mein Volk und das dieses verkörpernde Reich jederzeit zu sterben.
Am 3. August reichte ich ein Immediatgesuch an Seine Majestät König Ludwig III. ein mit der Bitte, in ein bayerisches Regiment eintreten zu dürfen. Die Kabinettskanzlei hatte in diesen Tagen sicherlich nicht wenig zu tun; um so größer war meine Freude, als ich schon am Tage darauf die Erledigung meines Ansuchens erhielt. Als ich mit zitternden Händen das Schreiben geöffnet hatte und die Genehmigung meiner Bitte mit der Aufforderung las, mich bei einem bayerischen Regiment zu melden, kannten Jubel und Dankbarkeit keine Grenzen. Wenige Tage später trug ich dann den Rock, den ich erst nach nahezu sechs Jahren wieder ausziehen sollte.
So, wie wohl für jeden Deutschen, begann nun auch für mich die unvergeßlichste und größte Zeit meines irdischen Lebens. Gegenüber den Ereignissen dieses gewaltigsten Ringens fiel alles Vergangene in ein schales Nichts zurück. Mit stolzer Wehmut denke ich gerade in diesen Tagen, da sich zum zehnten Male das gewaltige Geschehen jährt, zurück an diese Wochen des beginnenden Heldenkampfes unseres Volkes, den mitzumachen mir das Schicksal gnädig erlaubte.
Wie gestern erst zieht an mir Bild um Bild vorbei, sehe ich mich im Kreise meiner lieben Kameraden eingekleidet, dann zum ersten Male ausrücken, exerzieren usw., bis endlich der Tag des Ausmarsches kam.
Eine einzige Sorge quälte mich in dieser Zeit, mich wie so viele andere auch, ob wir nicht zu spät zur Front kommen würden. Dies allein ließ mich oft und oft nicht Ruhe finden. So blieb in jedem Siegesjubel über eine neue Heldentat ein leiser Tropfen Bitternis verborgen, schien doch mit jedem neuen Siege die Gefahr unseres Zuspätkommens zu steigen.
Und so kam endlich der Tag, an dem wir München verließen, um anzutreten zur Erfüllung unserer Pflicht. Zum ersten Male sah ich so den Rhein, als wir an seinen stillen Wellen entlang dem Westen entgegenfuhren, um ihn, den deutschen Strom der Ströme, zu schirmen vor der Habgier des alten Feindes. Als durch den zarten Schleier des Frühnebels die milden Strahlen der ersten Sonne das Niederwalddenkmal auf uns herabschimmern ließen, da brauste aus dem endlos langen Transportzuge die alte Wacht am Rhein in den Morgenhimmel hinaus, und mir wollte die Brust zu enge werden.
Und dann kommt eine feuchte, kalte Nacht in Flandern, durch die wir schweigend marschieren, und als der Tag sich dann aus den Nebeln zu lösen beginnt, da zischt plötzlich ein eiserner Gruß über unsere Köpfe uns entgegen und schlägt in scharfem Knall die kleinen Kugeln zwischen unsere Reihen, den nassen Boden aufpeitschend; ehe aber die kleine Wolke sich noch verzogen, dröhnt aus zweihundert Kehlen dem ersten Boten des Todes das erste Hurra entgegen. Dann aber begann es zu knattern und zu dröhnen, zu singen und zu heulen, und mit fiebrigen Augen zog es nun jeden nach vorne, immer schneller, bis plötzlich über Rübenfelder und Hecken hinweg der Kampf einsetzte, der Kampf Mann gegen Mann. Aus der Ferne aber drangen die Klänge eines Liedes an unser Ohr und kamen immer näher und näher, sprangen über von Kompanie zu Kompanie, und da, als der Tod gerade geschäftig hineingriff in unsere Reihen, da erreichte das Lied auch uns, und wir gaben es nun wieder weiter: Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!Nach vier Tagen kehrten wir zurück. Selbst der Tritt war jetzt anders geworden. Siebzehnjährige Knaben sahen nun Männern ähnlich.
Die Freiwilligen des Regiments List hatten vielleicht nicht recht kämpfen gelernt, allein zu sterben wußten sie wie alte Soldaten.
Das war der Beginn.
So ging es nun weiter Jahr für Jahr; an Stelle der Schlachtenromantik aber war das Grauen getreten. Die Begeisterung kühlte allmählich ab, und der überschwengliche Jubel wurde erstickt von der Todesangst. Es kam die Zeit, da jeder zu ringen hatte zwischen dem Trieb der Selbsterhaltung und dem Mahnen der Pflicht. Auch mir blieb dieser Kampf nicht erspart. Immer, wenn der Tod auf Jagd war, versuchte ein unbestimmtes Etwas zu revoltieren, war bemüht, sich als Vernunft dem schwachen Körper vorzustellen und war aber doch nur die Feigheit, die unter solchen Verkleidungen den einzelnen zu umstricken versuchte. Ein schweres Ziehen und Warnen hub dann an, und nur der letzte Rest des Gewissens gab oft noch den Ausschlag. Je mehr sich aber diese Stimme, die zur Vorsicht mahnte, mühte, je lauter und eindringlicher sie lockte, um so schärfer ward dann der Widerstand, bis endlich nach langem innerem Streite das Pflichtbewußtsein den Sieg davontrug. Schon im Winter 1915/16 war bei mir dieser Kampf entschieden. Der Wille war endlich restlos Herr geworden. Konnte ich die ersten Tage mit Jubel und Lachen mitstürmen, so war ich jetzt ruhig und entschlossen. Dieses aber war das Dauerhafte. Nun erst konnte das Schicksal zu den letzten Proben schreiten, ohne daß die Nerven rissen oder der Verstand versagte.
Aus dem jungen Kriegsfreiwilligen war ein alter Soldat geworden.
Dieser Wandel aber hatte sich in der ganzen Armee vollzogen. Sie war alt und hart aus den ewigen Kämpfen hervorgegangen, und was dem Sturme nicht standzuhalten vermochte, wurde eben von ihm gebrochen.
Nun aber erst mußte man dieses Heer beurteilen. Nun, nach zwei, drei Jahren, wahrend deren es von einer Schlacht heraus in die andere hineingeworfen wurde, immer fechtend gegen Übermacht an Zahl und Waffen, Hunger leidend und Entbehrungen ertragend, nun war die Zeit, die Güte dieses einzigen Heeres zu prüfen.
Mögen Jahrtausende vergehen, so wird man nie von Heidentum reden und sagen dürfen, ohne des deutschen Heeres des Weltkrieges zu gedenken. Dann wird aus dem Schleier der Vergangenheit heraus die eiserne Front des grauen Stahlhelms sichtbar werden, nicht wankend und nicht weichend, ein Mahnmal der Unsterblichkeit. Solange aber Deutsche leben, werden sie bedenken, daß dies einst Söhne ihres Volkes waren.
Ich war damals Soldat und wollte nicht politisieren. Es war hierzu auch wirklich nicht die Zeit. Ich hege heute noch die Überzeugung, daß der letzte Fuhrknecht dem Vaterlande noch immer mehr an wertvollen Diensten geleistet hat als selbst der erste, sagen wir "Parlamentarier". Ich haßte diese Schwätzer niemals mehr als gerade in der Zeit, da jeder wahrhaftige Kerl, der etwas zu sagen hatte, dies dem Feinde in das Gesicht schrie oder sonst zweckmäßig sein Mundwerk zu Hause lies und schweigend irgendwo seine Pflicht tat. Ja, ich haßte damals alle diese "Politiker", und wäre es auf mich angekommen, so würde sofort ein parlamentarisches Schipperbataillon gebildet worden sein; dann hatten sie unter sich nach Herzenslust und Bedürfnis zu schwätzen vermocht, ohne die anständige und ehrliche Menschheit zu ärgern oder gar zu schädigen.
Ich wollte also damals von Politik nichts wissen, konnte aber doch nicht anders, als zu gewissen Erscheinungen Stellung zu nehmen, die nun einmal die ganze Nation betrafen, besonders aber uns Soldaten angingen.
Zwei Dinge waren es, die mich damals innerlich ärgerten und die ich für schädlich hielt.
Schon nach den ersten Siegesnachrichten begann eine gewisse Presse langsam und vielleicht für viele zunächst unerkennbar einige Wermuttropfen in die allgemeine Begeisterung fallen zu lassen. Es geschah dies unter der Maske eines gewissen Wohlwollens und Gutmeinens, ja einer gewissen Besorgtheit sogar. Man hatte Bedenken gegen eine zu große Überschwenglichkeit im Feiern der Siege. Man befürchtete, daß dieses in dieser Form einer so großen Nation nicht würdig und damit auch nicht entsprechend sei. Die Tapferkeit und der Heldenmut des deutschen Soldaten wären ja etwas ganz Selbstverständliches, so daß man darüber sich nicht so sehr von unüberlegten Freudenausbrüchen hinreißen lassen dürfe, schon um des Auslandes willen, dem eine stille und würdige Form der Freude mehr zusage als ein unbändiges Jauchzen usw. Endlich sollten wir Deutsche doch auch jetzt nicht vergessen, daß der Krieg nicht unsere Absicht war, mithin wir auch uns nicht zu schämen hätten, offen und männlich zu gestehen, daß wir jederzeit zu einer Versöhnung der Menschheit unseren Teil beitragen würden. Deshalb aber wäre es nicht klug, die Reinheit der Taten des Herzens durch ein großes Geschrei zu verrußen, da ja die übrige Welt für ein solches Gehaben nur wenig Verständnis aufbringen würde. Nichts bewundere man mehr als die Bescheidenheit, mit der ein wahrer Held seine Taten schweigend und ruhig vergesse, denn darauf kam das Ganze hinaus.
Statt daß man nun so einen Burschen bei seinen langen Ohren nahm und zu einem langen Pfahl hin und an einem Strick aufzog, damit dem Tintenritter die feiernde Nation nicht mehr sein ästhetisches Empfinden zu beleidigen vermochte, begann man tatsächlich gegen die "unpassende" Art des Siegesjubels mit Ermahnungen vorzugehen.
Man hatte keine blasse Ahnung, daß die Begeisterung, erst einmal geknickt, nicht mehr nach Bedarf zu erwecken ist. Sie ist ein Rausch und ist in diesem Zustande weiter zu erhalten. Wie aber sollte man ohne diese Macht der Begeisterung einen Kampf bestehen, der nach menschlichem Ermessen die ungeheuersten Anforderungen an die seelischen Eigenschaften der Nation stellen würde?Ich kannte die Psyche der breiten Masse nur zu genau, um nicht zu wissen, daß man hier mit "ästhetischer" Gehobenheit nicht das Feuer würde schüren können, das notwendig war, um dieses Eisen in Wärme zu halten. Man war in meinen Augen verrückt, daß man nichts tat, um die Siedehitze der Leidenschaft zu steigern; daß man aber die glücklich vorhandene auch noch beschnitt, vermochte ich schlechterdings nicht zu verstehen.
Was mich dann zum zweiten ärgerte, war die Art und Weise, in der man nun für gut hielt, sich dem Marxismus gegenüberzustellen. Man bewies damit in meinen Augen nur, daß man von dieser Pestilenz aber auch nicht die geringste Ahnung besaß. Man schien allen Ernstes zu glauben, durch die Versicherung, nun keine Parteien mehr zu kennen, den Marxismus zur Einsicht und Zurückhaltung gebracht zu haben.
Daß es sich hier überhaupt um keine Partei handelt, sondern um eine Lehre, die zur Zerstörung der gesamten Menschheit führen muß, begriff man um so weniger, als dies ja nicht auf den verhassten Universitäten zu hören ist, sonst aber nur zu viele, besonders unserer höheren Beamten aus anerzogenem blödem Dünkel es ja nicht der Mühe wert finden, ein Buch zur Hand zu nehmen und etwas zu lernen, was eben nicht zum Unterrichtsstoff ihrer Hochschule gehörte. Die gewaltigste Umwälzung geht an diesen "Köpfen" gänzlich spurlos vorüber, weshalb auch die staatlichen Einrichtungen zumeist den privaten nachhinken. Von ihnen gilt, wahrhaftiger Gott, am allermeisten das Volkssprichwort: Was der Bauer nicht kennt, das frißt er nicht. Wenige Ausnahmen bestätigen auch hier nur die Regel.
Es war ein Unsinn sondergleichen, in den Tagen des August 1914 den deutschen Arbeiter mit dem Marxismus zu identifizieren. Der deutsche Arbeiter hatte in den damaligen Stunden sich ja aus der Umarmung dieser giftigen Seuche gelöst, da er sonst eben niemals hätte zum Kampf überhaupt auch nur anzutreten vermocht. Man war aber dumm genug, zu vermeinen, das nun vielleicht der Marxismus "national" geworden sei; ein Geistesblitz, der nur zeigt, daß in diesen langen Jahren es niemand von diesen beamteten Staatslenkern auch nur der Mühe wert gefunden hatte, das Wesen dieser Lehre zu studieren, da sonst denn doch ein solcher Irrsinn schwerlich unterlaufen sein würde.
Der Marxismus, dessen letztes Ziel die Vernichtung aller nichthassischen Nationalstaaten ist und bleibt, mußte zu seinem Entsetzen sehen, daß in den Julitagen des Jahres 1914 die von ihm umgarnte deutsche Arbeiterschaft erwachte um sich von Stunde zu Stunde schneller in den Dienst des Vaterlandes zu stellen begann. In wenigen Tagen war der ganze Dunst und Schwindel dieses infamen Volksbetruges zerflattert, und einsam und verlassen stand das hassische Führerpack nun plötzlich da, als ob nicht eine Spur von dem in sechzig Jahren den Massen eingetrichterten Unsinn und Irrwahn mehr vorhanden gewesen wäre. Es war ein böser Augenblick für die Betrüger der Arbeiterschaft des deutschen Volkes. Sowie aber erst die Führer die ihnen drohende Gefahr erkannten, zogen sie schleunigst die Tarnkappe der Lage über die Ohren und mimten frech die nationale Erhebung mit.
Nun wäre aber der Zeitpunkt gekommen gewesen, gegen die ganze betrügerische Genossenschaft dieser hassischen Volksvergifter vorzugehen. Jetzt mußte ihnen kurzerhand der Prozeß gemacht werden, ohne die geringste Rücksicht auf etwa einsetzendes Geschrei oder Gejammer. Im August des Jahres 1914 war das Gemauschel der internationalen Solidarität mit einem Schlage aus den Köpfen der deutschen Arbeiterschaft verschwunden, und statt dessen begannen schon wenige Wochen später amerikanische Schrapnells die Segnungen der Brüderlichkeit über die Helme der Marschkolonnen hinabzugießen. Es wäre die Pflicht einer besorgten Staatsregierung gewesen, nun, da der deutsche Arbeiter wieder den Weg zum Volkstum gefunden hatte, die Verhetzer dieses Volkstums unbarmherzig auszurotten.
Wenn an der Front die Besten fielen, dann konnte man zu Hause wenigstens das Ungeziefer vertilgen.
Statt dessen aber streckte Seine Majestät der Kaiser selber den alten Verbrechern die Hand entgegen und gab den hinterlistigen Meuchelmördern der Nation damit Schonung und Möglichkeit der inneren Fassung.
Nun also konnte die Schlange wieder weiterarbeiten, vorsichtiger als früher, allein nur desto gefährlicher. Während die Ehrlichen vom Burgfrieden träumten, organisierten die meineidigen Verbrecher die Revolution.
Daß man damals sich zu dieser entsetzlichen Halbheit entschloß, machte mich innerlich immer unzufriedener; daß das Ende dessen aber ein so entsetzliches sein würde, hätte auch ich damals noch nicht für möglich gehalten.
Was aber mußte man nun tun? Die Führer der ganzen Bewegung sofort hinter Schloß und Riegel setzen, ihnen den Prozeß machen und sie der Nation vom Halse schaffen. Man mußte rücksichtslos die gesamten militärischen Machtmittel einsetzen zur Ausrottung dieser Pestilenz. Die Parteien waren aufzulösen, der Reichstag wenn nötig mit Bajonetten zur Vernunft zu bringen, am besten aber so. fort aufzuheben. So wie die Republik heute Parteien aufzulösen vermag, so hätte man damals mit mehr Grund zu diesem Mittel greifen müssen. Stand doch Sein oder Nichtsein eines ganzen Volkes auf dem Spiele!Freilich kam dann aber eine Frage zur Geltung: Kann man denn geistige Ideen überhaupt mit dem Schwerte ausrotten? Kann man mit der Anwendung roher Gewalt "Weltanschauungen" bekämpfen?Ich habe mir diese Frage schon zu jener Zeit öfter als einmal vorgelegt.
Beim Durchdenken analoger Fälle, die sich besonders auf religiöser Grundlage in der Geschichte auffinden lassen, ergibt sich folgende grundsätzliche Erkenntnis:Vorstellungen und Ideen sowie Bewegungen mit bestimmter geistiger Grundlage, mag diese nun falsch sein oder wahr, können von einem gewissen Zeitpunkt ihres Werdens an mit Machtmitteln technischer Art nur mehr dann gebrochen werden, wenn diese körperlichen Waffen zugleich selber Träger eines neuen zündenden Gedankens, einer Idee oder Weltanschauung sind.
Die Anwendung von Gewalt allein, ohne die Triebkraft einer geistigen Grundvorstellung als Voraussetzung, kann niemals zur Vernichtung einer Idee und deren Verbreitung führen, außer in Form einer restlosen Ausrottung aber auch des letzten Trägers und der Zerstörung der letzten Überlieferung. Dies bedeutet jedoch zumeist das Ausscheiden eines solchen Staatskörpers aus dem Kreise machtpolitischer Bedeutung auf oft endlose Zeit, manchmal auch für immer; denn ein solches Blutopfer trifft ja erfahrungsgemäß den besten Teil des Volkstums, da nämlich jede Verfolgung, die ohne geistige Voraussetzung stattfindet, als sittlich nicht berechtigt erscheint und nun gerade die wertvolleren Bestande eines Volkes zum Protest aufpeitscht, der sich aber in einer Aneignung des geistigen Inhalts der ungerecht verfolgten Bewegung auswirkt. Dies geschieht bei vielen dann einfach aus dem Gefühl der Opposition gegen den Versuch der Niederknüppelung einer Idee durch brutale Gewalt.
Dadurch aber wächst die Zahl der inneren Anhänger in eben dem Maße, in dem die Verfolgung zunimmt. Mithin wird die restlose Vernichtung der neuen Lehre nur auf dem Wege einer so großen und sich immer steigernden Ausrottung durchzuführen sein, das darüber endlich dem betreffenden Volke oder auch Staate alles wahrhaft wertvolle Blut überhaupt entzogen wird. Dies aber rächt sich, indem nun wohl eine sogenannte "innere" Reinigung stattfinden kann, allein auf Kosten einer allgemeinen Ohnmacht. Immer aber wird ein solcher Vorgang von vornherein schon vergeblich sein, wenn die zu bekämpfende Lehre einen gewissen kleinen Kreis schon überschritten hat.
Daher ist auch hier, wie bei allem Wachstum, die erste Zeit der Kindheit noch am ehesten der Möglichkeit einer Vernichtung ausgesetzt, während mit steigenden Jahren die Widerstandskraft zunimmt, um erst bei herannahender Altersschwäche wieder neuer Jugend zu weichen, wenn auch in anderer Form und aus anderen Gründen.
Tatsächlich führen aber fast sämtliche Versuche, durch Gewalt ohne geistige Grundlage eine Lehre und deren organisatorische Auswirkung auszurotten, zu Mißerfolgen, ja enden nicht selten gerade mit dem Gegenteil des Gewünschten aus folgendem Grunde:Die allererste Voraussetzung zu einer Kampfesweise mit den Waffen der nackten Gewalt ist und bleibt die Beharrlichkeit. Das heißt, daß nur in der dauernd gleichmäßigen Anwendung der Methoden zur Unterdrückung einer Lehre usw. die Möglichkeit des Gelingens der Absicht liegt. Sobald hier aber auch nur schwankend Gewalt mit Nachsicht wechselt, wird nicht nur die zu unterdrückende Lehre sich immer wieder erholen, sondern sie wird sogar aus jeder Verfolgung neue Werte zu ziehen in der Lage sein, indem nach Ablaufen einer solchen Welle des Druckes, die Empörung über das erduldete Leid der alten Lehre neue Anhänger zuführt, die bereits vorhandenen aber mit größerem Trotz und tieferem Haß als vordem an ihr hängen werden, ja schon abgesplitterte Abtrünnige wieder nach Beseitigung der Gefahr zur alten Einstellung zurückzukehren versuchen. In der ewig gleichmäßigen Anwendung der Gewalt allein liegt die allererste Voraussetzung zum Erfolge. Diese Beharrlichkeit jedoch ist, immer nur das Ergebnis einer bestimmten geistigen Überzeugung. Jede Gewalt, die nicht einer festen geistigen Grundlage entsprießt, wird schwankend und unsicher sein. Ihr fehlt die Stabilität, die nur in einer fanatischen Weltanschauung zu ruhen vermag. Sie ist der Ausfluß der jeweiligen Energie und brutalen Entschlossenheit eines einzelnen, mithin aber eben dem Wechsel der Persönlichkeit und ihrer Wesensart und Stärke unterworfen.
Es kommt aber hierzu noch etwas anderes:Jede Weltanschauung, mag sie mehr religiöser oder politischer Art sein - manchmal ist hier die Grenze nur schwer festzustellen -, kämpft weniger für die negative Vernichtung der gegnerischen Ideenwelt als vielmehr für die positive Durchsetzung der eigenen. Damit aber ist ihr Kampf weniger Abwehr als Angriff. Sie ist dabei schon in der Bestimmung des Zieles im Vorteil, da ja dieses Ziel den Sieg der eigenen Idee darstellt, während umgekehrt es nur schwer zu bestimmen ist, wann das negative Ziel der Vernichtung einer feindlichen Lehre als erreicht und gesichert angesehen werden darf. Schon deshalb wird der Angriff der Weltanschauung planvoller, aber auch gewaltiger sein als die Abwehr einer solchen; wie denn überhaupt auch hier die Entscheidung dem Angriff zukommt und nicht der Verteidigung. Der Kampf gegen eine geistige Macht mit Mitteln der Gewalt ist daher so lange nur Verteidigung, als das Schwert nicht selber als Träger, Verkünder und Verbreiter einer neuen geistigen Lehre auftritt.
Man kann also zusammenfassend folgendes festhalten:Jeder Versuch, eine Weltanschauung mit Machtmitteln zu bekämpfen, scheitert am Ende, solange nicht der Kampf die Form des Angriffes für eine neue geistige Einstellung erhält. Nur im Ringen zweier Weltanschauungen miteinander vermag die Waffe der brutalen Gewalt, beharrlich und rücksichtslos eingesetzt, die Entscheidung für die von ihr unterstützte Seite herbeizuführen.
Daran aber war bislang noch immer die Bekämpfung des Marxismus gescheitert.
Das war der Grund, warum auch Bismarcks Sozialistengesetzgebung endlich trotz allem versagte und versagen mußte. Es fehlte die Plattform einer neuen Weltanschauung, für deren Aufstieg der Kampf hatte gekämpft werden können. Denn daß das Gefasel von einer sogenannten "Staatsautorität" oder der "Ruhe und Ordnung" eine geeignete Grundlage für den geistigen Antrieb eines Kampfes auf Leben und Tod sein könnte, wird nur die sprichwörtliche Weisheit höherer Ministerialbeamter zu vermeinen fertigbringen.
Weil aber eine wirklich geistige Trägerin dieses Kampfes fehlte, mußte Bismarck auch die Durchführung seiner Sozialistengesetzgebung dem Ermessen und Wollen derjenigen Institution anheimstellen, die selber schon Ausgeburt marxistischer Denkart war. Indem der eiserne Kanzler das Schicksal seines Marxistenkrieges dem Wohlwollen der bürgerlichen Demokratie überantwortete, machte er den Bock zum Gärtner.
Dieses alles aber war nur die zwangsläufige Folge des Fehlens einer grundsätzlichen, dem Marxismus entgegengesetzten neuen Weltanschauung von stürmischem Eroberungswillen.
So war das Ergebnis des Bismarckschen Kampfes nur eine schwere Enttäuschung.
Lagen aber die Verhältnisse während des Weltkrieges oder zu Beginn desselben etwa anders? Leider nein.
Je mehr ich mich damals mit dem Gedanken einer notwendigen Änderung der Haltung der staatlichen Regierungen zur Sozialdemokratie als der augenblicklichen Verkörperung des Marxismus beschäftigte, um so mehr erkannte ich das Fehlen eines brauchbaren Ersatzes für diese Lehre. Was wollte man denn den Massen geben, wenn, angenommen, die Sozialdemokratie gebrochen worden wäre? Nicht ein Bewegung war vorhanden, von der man hätte erwarten können, daß es ihr gelingen würde, die großen Scharen der nun mehr oder weniger führerlos gewordenen Arbeiter in ihren Bann zu ziehen. Es ist unsinnig und mehr als dumm,<?> zu meinen, daß der aus der Klassenpartei ausgeschiedene internationale Fanatiker nun augenblicklich in eine bürgerliche Partei, also in eine neue Klassenorganisation, einrücken werde. Denn so unangenehm dies verschiedenen Organisationen auch sein mag, so kann doch nicht weggeleugnet werden, daß den bürgerlichen Politikern die Klassenscheidung zu einem sehr großen Teile so lange als ganz selbstverständlich erscheint, solange sie sie sich nicht politisch zu ihren Ungunsten auszuwirken beginnt.
Das Ableugnen dieser Tatsache beweist nur die Frechheit, aber auch die Dummheit der Lügner.
Man soll sich überhaupt hüten, die breite Masse für dümmer zu halten, als sie ist. In politischen Angelegenheiten entscheidet nicht selten das Gefühl richtiger als der Verstand. Die Meinung aber, daß für die Unrichtigkeit dieses Gefühls der Masse doch deren dumme internationale Einstellung genügend spräche, kann sofort auf das gründlichste wiederlegt<?> werden durch den einfachen Hinweis, daß die pazifistische Demokratie nicht minder irrsinnig ist, ihre Träger aber fast ausschließlich dem bürgerlichen Lager entstammen. Solange noch Millionen von Bürgern jeden Morgen andächtig ihre hassische Demokratenpresse anbeten, steht es den Herrschaften sehr schlecht an, über die Dummheit des "Genossen" zu witzeln, der zum Schluß nur den gleichen Mist, wenn auch eben in anderer Aufmachung verschlingt. In beiden Fällen ist der Fabrikant ein und derselbe Hass.
Man soll sich also sehr wohl hüten, Dinge abzustreiten, die nun einmal sind. Die Tatsache, daß es sich bei der Klassenfrage keinesfalls nur um ideelle Probleme handelt, wie man besonders vor Wahlen immer gerne weismachen möchte, kann nicht weggeleugnet werden. Der Standesdünkel eines großen Teiles unseres Volkes ist, ebenso wie vor allem die mindere Einschätzung des Handarbeiters, eine Erscheinung, die nicht aus der Phantasie eines Mondsüchtigen stammt.
Es zeigt aber, ganz abgesehen davon, die geringe Denkfähigkeit unserer sogenannten Intelligenz an, wenn gerade in diesen Kreisen nicht begriffen wird, daß ein Zustand, der das Emporkommen einer Pest, wie die der Marxismus nun einmal ist, nicht zu verhindern vermochte, jetzt aber erst recht nicht mehr in der Lage sein wird, das Verlorene wieder zurückzugewinnen.
Die "bürgerlichen" Parteien, wie sie sich selbst bezeichnen, werden niemals mehr die "proletarischen" Massen an ihr Lager zu fesseln vermögen, da sich hier zwei Welten gegenüberstehen, teils natürlich, teils künstlich getrennt, deren Verhaltungszustand zueinander nur der Kampf sein kann. Siegen aber wird hier der Jüngere - und dies wäre der Marxismus.
Tatsächlich war ein Kampf gegen die Sozialdemokratie im Jahre 1914 wohl denkbar, allein, wie lange dieser Zustand bei dem Fehlen jedes praktischen Ersatzes aufrechtzuerhalten gewesen wäre, konnte zweifelhaft sein.
Hier war eine große Lücke vorhanden.
Ich besaß diese Meinung schon längst vor dem Kriege und konnte mich deshalb auch nicht entschließen, an eine der bestehenden Parteien heranzutreten. Im Verlaufe der Ereignisse des Weltkrieges wurde ich in dieser Meinung noch bestärkt durch die ersichtliche Unmöglichkeit, gerade infolge dieses Fehlens einer Bewegung, die eben mehr sein mußte als "parlamentarische" Partei, den Kampf gegen die Sozialdemokratie rücksichtslos aufzunehmen.
Ich habe mich gegenüber meinen engeren Kameraden offen darüber ausgesprochen.
Im übrigen kamen mir nun auch die ersten Gedanken, mich später einmal doch noch politisch zu betätigen.
Gerade dieses aber war der Anlaß, daß ich nun öfters dem kleinen Kreise meiner Freunde versicherte, nach dem Kriege als Redner neben meinem Berufe wirken zu wollen.
Ich glaube, es war mir damit auch sehr Ernst.
 
6. Kapitel:
Kriegspropaganda
Bei meinem aufmerksamen Verfolgen aller politischen Vorgänge hatte mich schon immer die Tätigkeit der Propaganda außerordentlich interessiert. Ich sah in ihr ein Instrument, das gerade die sozialistisch-marxistischen Organisationen mit meisterhafter Geschicklichkeit beherrschten und zur Anwendung zu bringen verstanden. Ich lernte dabei schon frühzeitig verstehen, daß die richtige Verwendung der Propaganda eine wirkliche Kunst darstellt, die den bürgerlichen Parteien fast so gut wie unbekannt war und blieb. Nur die christlich-soziale Bewegung, besonders zu Luegers Zeit, brachte es auch auf diesem Instrument zu einer gewissen Virtuosität und verdankte dem auch sehr viele ihrer Erfolge.
Zu welchen ungeheuren Ergebnissen aber eine richtig angewendete Propaganda zu führen vermag, konnte man erst während des Krieges ersehen. Leider war jedoch hier wieder alles auf der anderen Seite zu studieren, denn die Tätigkeit auf unserer Seite blieb ja in dieser Beziehung mehr als bescheiden. Allein, gerade das so vollständige Versagen der gesamten Aufklärung auf deutscher Seite, das besonders jedem Soldaten grell in die Augen springen mußte, wurde bei mir der Anlaß mich nun noch viel eindringlicher mit der Propagandafrage zu beschäftigen.
Zeit zum Denken war dabei oft mehr als genug vorhanden, den praktischen Unterricht aber erteilte uns der Feind, leider nur zu gut.
Denn was bei uns hier versäumt ward, holte der Gegner mit unerhörter Geschicklichkeit und wahrhaft genialer Berechnung ein. An dieser feindlichen Kriegspropaganda habe auch ich unendlich gelernt. An den Köpfen derjenigen allerdings, die am ehesten sich dies zur Lehre hätten sein lassen müssen, ging die Zeit spurlos vorüber; man dünkte sich dort zum Teil zu klug, um von den anderen Belehrungen entgegenzunehmen, zum anderen Teil aber fehlte der ehrliche Wille hierzu.
Gab es bei uns überhaupt eine Propaganda?Leider kann ich darauf nur mit Nein antworten. Alles, was in dieser Richtung wirklich unternommen wurde, war so unzulänglich und falsch von Anfang an, daß es zum mindesten nichts nützte, manchmal aber geradezu Schaden anstiftete.
In der Form ungenügend, im Wesen psychologisch falsch: dies mußte das Ergebnis einer aufmerksamen Prüfung der deutschen Kriegspropaganda sein.
Schon aber die erste Frage scheint man sich nicht ganz klar geworden zu sein, nämlich: Ist die Propaganda Mittel oder Zweck?Sie ist ein Mittel und muß demgemäß beurteilt werden vom Gesichtspunkt des Zweckes aus. Ihre Form wird mithin eine der Unterstützung des Zieles, dem sie dient, zweckmäßig angepaßte sein müssen. Es ist auch klar, daß die Bedeutung des Zieles eine verschiedene sein kann vom Standpunkte des allgemeinen Bedürfnisses aus, und das damit auch die Propaganda in ihrem inneren Wert verschieden bestimmt wird. Das Ziel, für das im Verlaufe des Krieges aber gekämpft wurde, war das erhabenste und gewaltigste, das sich für Menschen denken läßt: es war die Freiheit und Unabhängigkeit unseres Volkes, die Sicherheit der Ernährung für die Zukunft und - die Ehre der Nation; etwas, das trotz der gegenteiligen Meinung von heute dennoch vorhanden ist oder besser sein sollte, da eben Völker ohne Ehre die Freiheit und Unabhängigkeit früher oder später zu verlieren pflegen, was wieder nur einer höheren Gerechtigkeit entspricht, da ehrlose Lumpengenerationen keine Freiheit verdienen. Wer aber feiger Sklave sein will, darf und kann gar keine Ehre haben, da ja diese sonst der allgemeinen Mißachtung in kürzester Zeit anheimfiele.
Im Streit für ein menschliches Dasein kämpfte das deutsche Volk, und diesen Streit zu unterstützen, wäre der Zweck der Propaganda des Krieges gewesen; ihm zum Siege zu verhelfen, mußte das Ziel sein.
Wenn aber Völker um ihre Existenz auf diesem Planeten kämpfen, mithin die Schicksalsfrage von Sein oder Nichtsein an sie herantritt, fallen alle Erwägungen von Humanität oder Ästhetik in ein Nichts zusammen; denn alle diese Vorstellungen schweben nicht im Weltlichen, sondern stammen aus der Phantasie des Menschen und sind an ihn gebunden. Sein Scheiden von dieser Welt löst auch diese Begriffe wieder in Nichts auf, denn die Natur kennt sie nicht. Sie sind aber auch unter den Menschen nur wenigen Völkern oder besser Rassen zu eigen, und zwar in jenem Maße, in dem sie dem Gefühl derselben selbst entstammen. Humanität und Ästhetik würden sogar in einer menschlich bewohnten Welt vergehen, sowie diese die Rassen verlöre, die Schöpfer und Träger dieser Begriffe sind.
Damit haben aber alle diese Begriffe beim Kampfe eines Volkes um sein Dasein auf dieser Welt nur untergeordnete Bedeutung, ja scheiden als bestimmend für die Formen des Kampfes vollständig aus, sobald durch sie die Selbsterhaltungskraft eines im Kampfe liegenden Volkes gelähmt werden könnte. Das aber ist immer das einzig sichtbare Ergebnis.
Was die Frage der Humanität betrifft, so hat sich von Moltke dahin geäußert, daß diese beim Kriege immer in der Kürze des Verfahrens liege, also daß ihr die schärfste Kampfesweise am meisten entspräche.
Wenn man aber versucht, in solchen Dingen mit dem Gefasel der Ästhetik usw. anzurücken, dann kann es darauf wirklich nur eine Antwort geben: Schicksalsfragen von der Bedeutung des Existenzkampfes eines Volkes heben jede Verpflichtung zur Schönheit auf. Das Unschönste, was es im menschlichen Leben geben kann, ist und bleibt das Joch der Sklaverei. Oder empfindet diese Schwabinger Dekadenz etwa das heutige Los der deutschen Nation als "ästhetisch"? Mit den Hass, als den modernen Erfindern dieses Kulturparfüms, braucht man sich aber darüber wahrhaftig nicht zu unterhalten. Ihr ganzes Dasein ist der fleischgewordene Protest gegen die Ästhetik des Ebenbildes des Herrn.
Wenn aber diese Gesichtspunkte von Humanität und Schönheit für den Kampf erst einmal ausscheiden, dann können sie auch nicht als Maßstab für Propaganda Verwendung finden.
Die Propaganda war im Kriege ein Mittel zum Zweck, dieser aber war der Kampf um das Dasein des deutschen Volkes, und somit konnte die Propaganda auch nur von den hierfür gültigen Grundsätzen aus betrachtet werden. Die grausamsten Waffen waren dann human, wenn sie den schnelleren Sieg bedingten, und schön waren nur die Methoden allein, die der Nation die Würde der Freiheit sichern halfen.
Dies war die einzig mögliche Stellung in einem solchen Kampf auf Leben und Tod zur Frage der Kriegspropaganda.
Wäre man sich darüber an den sogenannten maßgebenden Stellen klargeworden, so hätte man niemals in jene Unsicherheit über die Form und Anwendung dieser Waffe kommen können; denn auch dies ist nur eine Waffe, wenn auch eine wahrhaft fürchterliche in der Hand des Kenner.
Die zweite Frage von geradezu ausschlaggebender Bedeutung war folgende: An wen hat sich die Propaganda zu wenden? An die wissenschaftliche Intelligenz oder an die weniger gebildete Masse?Sie hat sich ewig nur an die Masse zu richten!Für die Intelligenz, oder was sich heute leider häufig so nennt, ist nicht Propaganda da, sondern wissenschaftliche Belehrung. Propaganda aber ist so wenig Wissenschaft ihrem Inhalte nach, wie etwa ein Plakat Kunst ist in seiner Darstellung an sich. Die Kunst des Plakates liegt in der Fähigkeit des Entwerfers, durch Form und Farbe die Menge aufmerksam zu machen. Das Kunstausstellungsplakat hat nur auf die Kunst der Ausstellung hinzuweisen; je mehr ihm dies gelingt, um so größer ist dann die Kunst des Plakates selber. Das Plakat soll weiter der Masse eine Vorstellung von der Bedeutung der Ausstellung vermitteln, keineswegs aber ein Ersatz der in dieser gebotenen Kunst sein. Wer sich deshalb mit der Kunst selber beschäftigen will, muß schon mehr als das Plakat studieren, ja, für den genügt auch keineswegs ein bloßes "Durchwandern" der Ausstellung. Von ihm darf erwartet werden, daß er in gründlichem Schauen sich in die einzelnen Werke vertiefe und sich dann langsam ein gerechtes Urteil bilde.
Ähnlich liegen die Verhältnisse auch bei dem, was wir heute mit dem Wort Propaganda bezeichnen.
Die Aufgabe der Propaganda liegt nicht in einer wissenschaftlichen Ausbildung des einzelnen, sondern in einem Hinweisen der Masse auf bestimmte Tatsachen, Vorgänge, Notwendigkeiten usw., deren Bedeutung dadurch erst in den Gesichtskreis der Masse gerückt werden soll.
Die Kunst liegt nun ausschließlich darin, dies in so vorzüglicher Weise zu tun, daß eine allgemeine Überzeugung von der Wirklichkeit einer Tatsache, der Notwendigkeit eines Vorganges, der Richtigkeit von etwas Notwendigem usw. entsteht. Da sie aber nicht Notwendigkeit an sich ist und sein kann, da ihre Aufgabe ja genau wie bei dem Plakat im Aufmerksammachen der Menge zu bestehen hat und nicht in der Belehrung der wissenschaftlich ohnehin Erfahrenen oder nach Bildung und Einsicht Strebenden, so muß ihr Wirken auch immer mehr auf das Gefühl gerichtet sein und nur sehr bedingt auf den sogenannten Verstand.
Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll. Handelt es sich aber, wie bei der Propaganda für die Durchhaltung eines Krieges, darum, ein ganzes Volk in ihren Wirkungsbereich zu ziehen, so kann die Vorsicht bei der Vermeidung zu hoher geistiger Voraussetzungen gar nicht groß genug sein.
Je bescheidener dann ihr wissenschaftlicher Ballast ist, und je mehr sie ausschließlich auf das Fühlen der Masse Rücksicht nimmt, um so durchschlagender der Erfolg. Dieser aber ist der beste Beweis für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Propaganda und nicht die gelungene Befriedigung einiger Gelehrter oder ästhetischer Jünglinge.
Gerade darin liegt die Kunst der Propaganda, daß sie, die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse begreifend, in psychologisch richtiger Form den Weg zur Aufmerksamkeit und weiter zum Herzen der breiten Masse findet. Daß dies von unseren Neunmalklugen nicht begriffen wird, beweist nur deren Denkfaulheit oder Einbildung.
Versteht man aber die Notwendigkeit der Einstellung der Werbekunst der Propaganda auf die breite Masse, so ergibt sich weiter schon daraus folgende Lehre:Es ist falsch, der Propaganda die Vielseitigkeit etwa des wissenschaftlichen Unterrichts geben zu wollen.
Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergeßlichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwerten, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag. Sowie man diesen Grundsatz opfert und vielseitig werden will, wird man die Wirkung zum Zerflattern bringen, da die Menge den gebotenen Stoff weder zu verdauen noch zu behalten vermag. Damit aber wird das Ergebnis wieder abgeschwächt und endlich aufgehoben.
Je größer so die Linie ihrer Darstellung zu sein hat, um so psychologisch richtiger muß die Feststellung ihrer Taktik sein.
Es war zum Beispiel grundfalsch, den Gegner lächerlich zu machen, wie dies die österreichische und deutsche Witzblattpropaganda vor allem besorgte. Grundfalsch deshalb, weil das Zusammentreffen in der Wirklichkeit dem Manne vom Gegner sofort eine ganz andere Überzeugung beibringen mußte, etwas, was sich dann auf das fürchterlichste rächte; denn nun fühlte sich der deutsche Soldat unter dem unmittelbaren Eindruck des Widerstandes des Gegners von den Machern seiner bisherigen Aufklärung getäuscht, und an Stelle einer Stärkung seiner Kampflust oder auch nur Festigkeit trat das Gegenteil ein. Der Mann verzagte.
Demgegenüber war die Kriegspropaganda der Engländer und Amerikaner psychologisch richtig. Indem sie dem eigenen Volke den Deutschen als Barbaren und Hunnen vorstellte, bereitete sie den einzelnen Soldaten schon auf die Schrecken des Krieges vor und half so mit, ihn vor Enttäuschungen zu bewahren. Die entsetzlichste Waffe, die nun gegen ihn zur Anwendung kam, erschien ihm nur mehr als die Bestätigung seiner schon gewordenen Aufklärung und stärkte ebenso den Glauben an die Richtigkeit der Behauptungen seiner Regierung, wie sie andererseits Wut und Haß gegen den verruchten Feind steigerte. Denn die grausame Wirkung der Waffe, die er ja nun an sich von seiten des Gegners kennenlernte, erschien ihm allmählich als Beweis der ihm schon bekannten "hunnenhaften" Brutalität des barbarischen Feindes, ohne daß er auch nur einen Augenblick so weit zum Nachdenken gebracht worden wäre, daß seine Waffen vielleicht, ja sogar wahrscheinlich, noch entsetzlicher wirken könnten.
So konnte sich der englische Soldat vor allem nie als von zu Hause unwahr unterrichtet fühlen, was leider beim deutschen so sehr der Fall war, daß er endlich überhaupt alles, was von dieser Seite noch kam, als "Schwindel" und "Krampf" ablehnte. Lauter Folgen davon, daß man glaubte, zur Propaganda den nächstbesten Esel (oder selbst "sonst" gescheiten Menschen) abkommandieren zu können, statt zu begreifen, daß hierfür die allergenialsten Seelenkenner gerade noch gut genug sind.
So bot die deutsche Kriegspropaganda ein unübertreffliches Lehr- und Unterrichtsbeispiel für eine in den Wirkungen geradezu umgekehrt arbeitende "Aufklärung" infolge vollkommenen Fehlens jeder psychologisch richtigen Überlegung.
Am Gegner aber war unendlich viel zu lernen für den, der mit offenen Augen und unverkalktem Empfinden die viereinhalb Jahre lang anstürmende Flutwelle der feindlichen Propaganda für sich verarbeitete.
Am allerschlechtesten jedoch begriff man die allererste Voraussetzung jeder propagandistischen Tätigkeit überhaupt: nämlich die grundsätzlich subjektiv einseitige Stellungnahme derselben zu jeder von ihr bearbeiteten Frage. Auf diesem Gebiete wurde in einer Weise gesündigt, und zwar gleich zu Beginn des Krieges von oben herunter, daß man wohl das Recht erhielt, zu zweifeln, ob soviel Unsinn wirklich nur reiner Dummheit zugeschrieben werden konnte.
Was würde man zum Beispiel über ein Plakat sagen, das eine neue Seife anpreisen soll, dabei jedoch auch andere Seifen als "gut" bezeichnet?Man würde darüber nur den Kopf schütteln.
Genau so verhält es sich aber auch mit politischer Reklame.
Die Aufgabe der Propaganda ist z. B. nicht ein Abwägen der verschiedenen Rechte, sondern das ausschließliche Betonen des einen eben durch sie zu vertretenden. Sie hat nicht objektiv auch die Wahrheit, soweit sie den anderen günstig ist, zu erforschen, um sie dann der Masse in doktrinärer Aufrichtigkeit vorzusetzen, sondern ununterbrochen der eigenen zu dienen.
Es war grundfalsch, die Schuld am Kriege von dem Standpunkt aus zu erörtern, daß nicht nur Deutschland allein verantwortlich gemacht werden könnte für den Ausbruch dieser Katastrophe, sondern es wäre richtig gewesen, diese Schuld restlos dem Gegner aufzubürden, selbst wenn dies wirklich nicht so dem wahren Hergang entsprochen hatte, wie es doch nun tatsächlich der Fall war.
War, aber war die Folge dieser Halbheit?Die breite Masse eines Volkes besteht nicht aus Diplomaten oder auch nur Staatsrechtslehrern, ja nicht einmal aus lauter vernünftig Urteilsfähigen, sondern aus ebenso schwankenden wie zu Zweifel und Unsicherheit geneigten Menschenkindern. Sowie durch die eigene Propaganda erst einmal nur der Schimmer eines Rechtes, auch auf der anderen Seite zugegeben wird, ist der Grund zum Zweifel an dem eigenen Rechte schon gelegt. Die Masse ist nicht in der Lage, nun zu unterscheiden, wo das fremde Unrecht endet und das eigene beginnt. Sie wird in einem solchen Falle unsicher und mißtrauisch, besonders dann, wenn der Gegner eben nicht den gleichen Unsinn macht, sondern seinerseits alle und jede Schuld dem Feinde aufbürdet. Was ist da erklärlicher, als daß endlich das eigene Volk der feindlichen Propaganda, die geschlossener, einheitlicher vorgeht, sogar mehr glaubt als der eigenen? Und noch dazu bei einem Volke, das ohnehin so sehr am Objektivitätsfimmel leidet wie das deutsche! Denn bei ihm wird nun jeder sich bemühen, nur ja dem Feind nicht Unrecht zu tun, selbst auf die Gefahr der schwersten Belastung, ja Vernichtung des eigenen Volkes und Staates.
Daß an den maßgebenden Stellen dies natürlich nicht so gedacht ist, kommt der Masse gar nicht zum Bewußtsein.
Das Volk ist in seiner überwiegenden Mehrheit so feminin veranlagt und eingestellt, daß weniger nüchterne Überlegung als vielmehr gefühlsmäßige Empfindung sein Denken und Handeln bestimmt.
Diese Empfindung aber ist nicht kompliziert, sondern sehr einfach und geschlossen. Es gibt hierbei nicht viel Differenzierungen, sondern ein Positiv oder ein Negative. Liebe oder Haß, Recht oder Unrecht, Wahrheit oder Lüge, niemals aber halb so und halb so oder teilweise usw.
Das alles hat besonders die englische Propaganda in der wahrhaft genialsten Weise verstanden - und berücksichtigt. Dort gab es wirklich keine Halbheiten, die etwa zu Zweifeln hätten anregen können.
Das Zeichen für die glänzende Kenntnis der Primitivität der Empfindung der breiten Masse lag in der diesem Zustande angepaßten Greuelpropaganda, die in ebenso rücksichtsloser wie genialer Art die Vorbedingungen für das moralische Standhalten an der Front sicherte, selbst bei größten tatsächlichen Niederlagen, sowie weiter in der ebenso schlagenden Festnagelung des deutschen Feindes als des allein schuldigen Teils am Ausbruch des Krieges: eine Lüge, die nur durch die unbedingte, freche, einseitige Sturheit, mit der sie vorgetragen wurde, der gefühlsmäßigen, immer extremen Einstellung des großen Volkes Rechnung trug und deshalb auch geglaubt wurde.
Wie sehr diese Art von Propaganda wirksam war, zeigte am schlagendsten die Tatsache, daß sie nach vier Jahren nicht nur den Gegner noch streng an der Stange zu halten vermochte, sondern sogar unser eigenes Volk anzufressen begann.
Daß unserer Propaganda dieser Erfolg nicht beschieden war, durfte einen wirklich nicht wundern. Sie trug den Keim der Unwirksamkeit schon in ihrer inneren Zweideutigkeit. Endlich war es schon infolge ihres Inhalts wenig wahrscheinlich, daß sie bei den Massen den notwendigen Eindruck erwecken würde. Zu hoffen, daß es mit diesem faden Pazifistenspülwasser gelingen könnte, Menschen zum Sterben zu berauschen, brachten nur unsere geistfreien "Staatsmänner" fertig.
So war dies elende Produkt zwecklos, ja sogar schädlich.
Aber alle Genialität der Aufmachung der Propaganda wird zu keinem Erfolg führen, wenn nicht ein fundamentaler Grundsatz immer gleich scharf berücksichtigt wird. Sie hat sich auf wenig zu beschränken und dieses ewig zu wiederholen. Die Beharrlichkeit ist hier wie bei so vielem auf der Welt die erste und wichtigste Voraussetzung zum Erfolg.
Gerade auf dem Gebiete der Propaganda darf man sich niemals von Ästheten oder Blasierten leiten lassen: Von den ersteren nicht, weil sonst der Inhalt in Form und Ausdruck in kurzer Zeit, statt für die Masse sich zu eignen, nur mehr für literarische Teegesellschaften Zugkraft entwickelt; vor den zweiten aber hüte man sich deshalb ängstlich, weil ihr Mangel an eigenem frischem Empfinden immer nach neuen Reizen sucht. Diesen Leuten wird in kurzer Zeit alles überdrüssig; sie wünschen Abwechslung und verstehen niemals, sich in die Bedürfnisse ihrer noch nicht so abgebrühten Mitwelt hineinzuversetzen oder diese gar zu begreifen. Sie sind immer die ersten Kritiker der Propaganda oder besser ihres Inhaltes, der ihnen zu althergebracht, zu abgedroschen, dann wieder zu überlebt usw. erscheint. Sie wollen immer Neues, suchen Abwechslung und werden dadurch zu wahren Todfeinden jeder wirksamen politischen Massengewinnung. Denn sowie sich die Organisation und der Inhalt einer Propaganda nach ihren Bedürfnissen zu richten beginnen, verlieren sie jede Geschlossenheit und zerflattern statt dessen vollständig.
Propaganda ist jedoch nicht dazu da, blasierten Herrchen laufend interessante Abwechslung zu verschaffen, sondern zu überzeugen, und zwar die Masse zu überzeugen. Diese aber braucht in ihrer Schwerfälligkeit immer eine bestimmte Zeit, ehe sie auch nur von einer Sache Kenntnis zu nehmen bereit ist, und nur einer tausendfachen Wiederholung einfachster Begriffe wird sie endlich ihr Gedächtnis schenken.
Jede Abwechslung darf nie den Inhalt des durch die Propaganda zu Bringenden verändern, sondern muß stets zum Schlusse das gleiche besagen. So muß das Schlagwort wohl von verschiedenen Seiten aus beleuchtet werden, allein das Ende jeder Betrachtung hat immer von neuem beim Schlagwort selber zu liegen. Nur so kann und wird die Propaganda einheitlich und geschlossen wirken.
Diese große Linie allein, die nie verlassen werden darf, läßt bei immer gleichbleibender konsequenter Betonung den endgültigen Erfolg heranreifen. Darin aber wird man mit Staunen feststellen können, zu welch ungeheuren, kaum verständlichen Ergebnissen solch eine Beharrlichkeit führt.
Jede Reklame, mag sie auf dem Gebiete des Geschäftes oder der Politik liegen, trägt den Erfolg in der Dauer und gleichmäßigen Einheitlichkeit ihrer Anwendung.
Auch hier war das Beispiel der feindlichen Kriegspropaganda vorbildlich; auf wenige Gesichtspunkte beschränkt, ausschließlich berechnet für die Masse, mit unermüdlicher Beharrlichkeit betrieben. Während des ganzen Krieges wurden die einmal als richtig erkannten Grundgedanken und Ausführungsformen angewendet, ohne daß auch nur die geringste Änderung jemals vorgenommen worden wäre. Sie war im Anfang scheinbar verrückt in der Frechheit ihrer Behauptungen, wurde später unangenehm und wurde endlich geglaubt. Nach viereinhalb Jahren brach in Deutschland eine Revolution aus, deren Schlagworte der feindlichen Kriegspropaganda entstammten.
In England aber begriff man noch etwas: daß nämlich für diese geistige Waffe der mögliche Erfolg nur in der Masse ihrer Anwendung liegt, der Erfolg jedoch alle Kosten reichlich deckt.
Die Propaganda galt dort als Waffe ersten Ranges, während sie bei uns das letzte Brot stellenloser Politiker und Druckpöstchen bescheidener Helden darstellte.
Ihr Erfolg war denn auch, alles in allem genommen, gleich Null.
 
7. Kapitel:
Die Revolution
Mit dem Jahre 1915 hat die feindliche Propaganda bei uns eingesetzt, seit 1916 wurde sie immer intensiver, um endlich zu Beginn des Jahres 1918 zu einer förmlichen Flut anzuschwellen. Nun ließen sich auch schon auf Schritt und Tritt die Wirkungen dieses Seelenfanges erkennen. Die Armee lernte allmählich denken, wie der Feind es wollte.
Die deutsche Gegenwirkung aber versagte vollständig.
Die Armee besaß in ihrem damaligen geistigen und willensmäßigen Leiter wohl die Absicht und Entschlossenheit, den Kampf auch auf diesem Felde aufzunehmen, allein ihr fehlte das Instrument, das hierfür nötig gewesen wäre. Auch psychologisch war es falsch, diese Aufklärung durch die Truppe selber vornehmen zu lassen. Sie mußte, wenn sie wirkungsvoll sein sollte, aus der Heimat kommen. Nur dann durfte man auf Erfolg bei Männern rechnen, die zum Schlusse ja für diese Heimat unsterbliche Taten des Heldenmutes und der Entbehrungen seit schon bald vier Jahren vollbracht hatten.
Allein, was kam aus der Heimat?War dieses Versagen Dummheit oder Verbrechen?Im Hochsommer 1918, nach dem Räumen des südlichen Marneufers, benahm sich vor allem die deutsche Presse schon so elend ungeschickt, ja verbrecherisch dumm, daß mir mit täglich sich mehrendem Grimme die Frage aufstieg, ob denn wirklich gar niemand da wäre, der dieser geistigen Verprassung des Heldentums der Armee ein Ende bereiten würde.
Was geschah in Frankreich, als wir im Jahre 1914 in unerhörtem Siegessturme in dieses Land hineinfegten? Was tat Italien in den Tagen des Zusammenbruches seiner Isonzofront? Was Frankreich wieder im Frühjahr 1918, als der Angriff der deutschen Divisionen die Stellungen aus den Angeln zu heben schien und der weitreichende Arm der schweren Fernkampfbatterien an Paris zu klopfen begann?Wie war dort immer den zurückhastenden Regimentern die Siedehitze nationaler Leidenschaft in die Gesichter gepeitscht worden! Wie arbeiteten dann Propaganda und geniale Massenbeeinflussung, um den Glauben an den endgültigen Sieg erst recht in die Herzen der gebrochenen Fronten wieder hineinzuhämmern!Was geschah indessen bei uns?Nichts oder gar noch Schlechteres als dieses!Damals stiegen mir oft Zorn und Empörung auf, wenn ich die neuesten Zeitungen zu lesen erhielt und man diesem psychologischen Massenmord, der da verbrochen wurde, zu Gesicht bekam.
Öfter als einmal quälte mich der Gedanke, daß, wenn mich die Vorsehung an die Stelle dieser unfähigen oder verbrecherischen Nichtskönner oder Nichtwollen unseres Propagandadienstes gestellt hätte, dem Schicksal der Kampf anders angesagt worden wäre.
In diesen Monaten empfand ich zum ersten Male die ganze Tücke des Verhängnisses, das mich an der Front und in einer Stelle hielt, in der mich der Zufallsgriff jedes Negers zusammenschießen konnte, während ich dem Vaterland an anderem Orte andere Dienste zu leisten vermocht hätte!Denn daß mir dieses gelungen sein würde, war ich schon damals vermessen genug zu glauben.
Allein ich war ein Namenloser, einer unter acht Millionen!So war es besser, den Mund zu halten und so gut als möglich seine Pflicht an dieser Stelle zu tun.
×
Im Sommer 1915 fielen uns die ersten feindlichen Flugblätter in die Hand.
Ihr Inhalt war fast stets, wenn auch mit einigen Abwechslungen in der Form der Darstellung, derselbe, nämlich: daß die Not in Deutschland immer größer werde; die Dauer des Krieges endlos sei, während die Aussicht, ihn zu gewinnen, immer mehr schwinde; das Volk in der Heimat sehne sich deshalb auch nach Frieden, allein der "Militarismus" sowie der "Kaiser" erlaubten dies nicht; die ganze Welt - der dies sehr wohl bekannt sei - führe deshalb auch nicht den Krieg gegen das deutsche Volk, sondern vielmehr ausschließlich gegen den einzig Schuldigen, den Kaiser; der Kampf werde daher nicht früher ein Ende nehmen, bis dieser Feind der friedlichen Menschheit beseitigt sei; die freiheitlichen und demokratischen Nationen würden aber nach Beendigung des Krieges das deutsche Volk in den Bund des ewigen Weltfriedens aufnehmen, der von der Stunde der Vernichtung des "preußischen Militarismus" an gesichert sei.
Zur besseren Illustration des so Vorgebrachten wurden dann nicht selten "Briefe aus der Heimat" abgedruckt, deren Inhalt diese Behauptungen zu bestätigen schien.
Im allgemeinen lachte man damals nur über alle diese Versuche. Die Flugblätter wurden gelesen, dann nach rückwärts geschickt zu den höheren Stäben und meist wieder vergessen, bis der Wind abermals eine Ladung von oben in die Gräben hineinbeförderte; es waren nämlich meistens Flugzeuge, die zum Herüberbringen der Blätter dienten.
Eines mußte bei dieser Art von Propaganda bald auffallen, daß nämlich in jedem Frontabschnitt, in dem sich Bayern befanden, mit außerordentlicher Konsequenz immer gegen Preußen Front gemacht wurde, mit der Versicherung, daß nicht nur einerseits Preußen der eigentlich Schuldige und Verantwortliche für den ganzen Krieg sei, sondern daß andererseits gegen Bayern im besonderen auch nicht das geringste an Feindschaft vorhanden wäre; freilich könnte man ihm aber auch nicht helfen, solange es eben im Dienste des preußischen Militarismus mittue, diesem die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Die Art der Beeinflussung begann tatsächlich schon im Jahre 1915 bestimmte Wirkungen zu erzielen. Die Stimmung gegen Preußen wuchs unter der Truppe ganz ersichtlich ohne daß von oben herunter auch nur ein einziges Mal dagegen eingeschritten worden wäre. Dies war schon mehr als eine bloße Unterlassungssünde, die sich früher oder später einmal auf das unseligste rächen mußte, und zwar nicht an den "Preußen", sondern an dem deutschen Volke, und dazu gehört nicht zum allerletzten denn doch auch Bayern selber.
In dieser Richtung begann die feindliche Propaganda schon vom Jahre 1916 an unbedingte Erfolge zu zeitigen.
Ebenso übten die Jammerbriefe direkt aus der Heimat längst ihre Wirkung aus. Es war nun gar nicht mehr notwendig, daß der Gegner sie noch besonders durch Flugblätter usw. der Front übermittelte. Auch dagegen geschah, außer einigen psychologisch blitzdummen "Ermahnungen" von "Regierungsseite", nichts. Die Front wurde nach wie vor mit diesem Gift überschwemmt, das gedankenlose Weiber zu Hause zusammenfabrizierten, ohne natürlich zu ahnen, daß dies das Mittel war, dem Gegner die Siegeszuversicht auf das äußerste zu stärken, also mithin die Leiden ihrer Angehörigen an der Kampffront zu verlängern und zu verschärfen. Die sinnlosen Briefe deutscher Frauen kosteten in der Folgezeit Hunderttausenden von Männern das Leben.
So zeigten sich im Jahre 1916 bereits verschiedene bedenkliche Erscheinungen. Die Front schimpfte und "masselte", war schon in vielen Dingen unzufrieden und manchmal auch mit Recht empört. Während sie hungerte und duldete, die Angehörigen zu Hause im Elend saßen, gab es an anderer Stelle Überfluß und Prasserei. Ja, sogar an der Kampffront selber war in dieser Richtung nicht alles in Ordnung.
So kriselte es schon damals ganz leicht - allein, dies waren noch immer "interne" Angelegenheiten. Der gleiche Mann, der erst geschimpft und geknurrt hatte, tat wenige Minuten später schweigend seine Pflicht, als ob es selbstverständlich gewesen wäre. Dieselbe Kompanie, die erst unzufrieden war, klammerte sich an das Stück Graben, das sie zu schützen hatte, wie wenn Deutschlands Schicksal von diesen hundert Metern Schlammlöchern abhängig gewesen wäre. Es war noch die Front der alten, herrlichen Heldenarmee!Den Unterschied zwischen ihr und der Heimat sollte ich in grellem Wechsel kennenlernen.
Ende September 1916 rückte meine Division in die Sommeschlacht ab. Sie war für uns die erste der nun folgenden ungeheuren Materialschlachten und der Eindruck denn auch ein nur schwer zu beschreibender - mehr Hölle als Krieg.
In wochenlangem Wirbelsturm des Trommelfeuers hielt die deutsche Front stand, manchmal etwas zurückgedrängt, dann wieder vorstoßend, niemals aber weichend.
Am 7. Oktober 1916 wurde ich verwundet.
Ich kam glücklich nach rückwärts und sollte mit einem Transport nach Deutschland.
Es waren nun zwei Jahre verflossen, seit ich die Heimat nicht mehr gesehen hatte, eine unter solchen Verhältnissen fast endlose Zeit. Ich konnte mir kaum mehr vorstellen, wie Deutsche aussehen, die nicht in Uniform stecken. Als ich in Hermies im Verwundeten-Sammellazarett lag, zuckte ich fast wie im Schreck zusammen, als plötzlich die Stimme einer deutschen Frau als Krankenschwester einen neben mir Liegenden ansprach.
Nach zwei Jahren zum erstenmal ein solcher Laut!Je näher dann aber der Zug, der uns in die Heimat bringen sollte, der Grenze kam, um so unruhiger wurde es nun im Innern eines jeden. Alle die Orte zogen vorüber, durch die wir zwei Jahre vordem als junge Soldaten gefahren waren: Brüssel, Löwen, Lüttich, und endlich glaubten wir das erste deutsche Haus am hohen Giebel und seinen schönen Läden zu erkennen.
Das Vaterland!Im Oktober 1914 brannten wir vor stürmischer Begeisterung, als wir die Grenze überfuhren, nun herrschte Stille und Ergriffenheit. Jeder war glücklich, daß ihn das Schicksal noch einmal schauen ließ, was er mit seinem Leben so schwer zu schützen hatte; und jeder schämte sich fast, den andren in sein Auge sehen zu lassen.
Fast am Jahrestage meines Ausmarsches kam ich in das Lazarett zu Beelitz; bei Berlin.
Welcher Wandel! Vom Schlamm der Sommeschlacht in die weißen Betten dieses Wunderbaues! Man wagte ja anfangs nicht, sich richtig hineinzulegen. Erst langsam vermochte man sich an diese neue Welt wieder zu gewöhnen.
Leider aber war diese Welt auch in anderer Hinsicht neu.
Der Geist des Heeres an der Front schien hier schon kein Gast mehr zu sein. Etwas, das an der Front noch unbekannt war, hörte ich hier zum ersten Male: das Rühmen der eigenen Feigheit. Denn was man auch draußen schimpfen und "masseln" hören konnte, so war dies doch nie eine Aufforderung zur Pflichtverletzung oder gar eine Verherrlichung des Angsthasen. Nein! Der Feigling galt noch immer als Feigling, und sonst eben als weiter nichts; und die Verachtung, die ihn traf, war noch immer allgemein, genau so wie die Bewunderung, die man dem wirklichen Helden zollte. Hier aber im Lazarett war es schon zum Teil fast umgekehrt: Die gesinnungslosesten Hetzer führten das große Wort und versuchten mit allen Mitteln ihrer jämmerlichen Beredsamkeit, die Begriffe des anständigen Soldaten als lächerlich und die Charakterlosigkeit des Feiglings als vorbildlich hinzustellen. Ein paar elende Burschen vor allem gaben den Ton an. Der eine davon rühmte sich, die Hand selber durch das Drahtverhau gezogen zu haben, um so in das Lazarett zu kommen; er schien nun trotz dieser lächerlichen Verletzung schon endlose Zeit hier zu sein, wie er denn ja überhaupt nur durch einen Schwindel in den Transport nach Deutschland kam. Dieser giftige Kerl aber brachte es schon so weit, die eigene Feigheit mit frecher Stirne als den Ausfluß höherer Tapferkeit als den Heldentod des ehrlichen Soldaten hinzustellen. Viele hörten schweigend zu, andere gingen, einige aber stimmten auch bei.
Mir kroch der Ekel zum Halse herauf, allein der Hetzer wurde ruhig in der Anstalt geduldet. Was sollte man, machen? Wer und was er war, mußte man bei der Leitung genau wissen und wußte es auch. Dennoch geschah nichts.
Als ich wieder richtig gehen konnte, erhielt ich Erlaubnis, nach Berlin fahren zu dürfen.
Die Not war ersichtlich überall sehr herbe. Die Millionenstadt litt Hunger. Die Unzufriedenheit war groß. In verschiedenen, von Soldaten besuchten Heimen war der Ton ähnlich dem des Lazaretts. Es machte ganz den Eindruck, als ob mit Absicht diese Burschen gerade solche Stellen aufsuchen würden, um ihre Anschauungen weiterzuverbreiten.
Noch viel, viel ärger waren jedoch die Verhältnisse in München selber!Als ich nach Ausheilung aus dem Lazarett entlassen und dem Ersatzbataillon überwiesen wurde, glaubte ich, die Stadt nicht mehr wiederzuerkennen. Ärger, Mißmut und Geschimpfe, wohin man nur kam! Beim Ersatzbataillon selber war die Stimmung unter jeder Kritik. Hier wirkte noch mit die unendlich ungeschickte Art der Behandlung der Feldsoldaten von seiten alter Instruktionsoffiziere, die noch keine Stunde im Felde waren und schon aus diesem Grunde nur zu einem Teil ein anständiges Verhältnis zu den alten Soldaten herzustellen vermochten. Diese besaßen nun einmal gewisse Eigenheiten, die aus dem Dienst an der Front erklärlich waren, den Leitern dieser Ersatztruppenteile indessen gänzlich unverständlich blieben, während sie der ebenfalls von der Front gekommene Offizier sich wenigstens zu erklären wußte. Letzterer selbst war von den Mannschaften natürlich auch ganz anders geachtet als der Etappenkommandeur. Aber von dem ganz abgesehen, war die allgemeine Stimmung miserabel; die Drückebergerei galt schon fast als Zeichen höherer Klugheit, das treue Ausharren aber als Merkmal innerer Schwäche und Borniertheit. Die Kanzleien waren mit Hass besetzt. Fast jeder Schreiber ein Hass und jeder Hass ein Schreiber. Ich staunte über die Fülle von Kämpfern des auserwählten Volkes und konnte nicht anders, als sie mit den spärlichen Vertretern an der Front zu vergleichen.
Noch schlimmer lagen die Dinge bei der Wirtschaft. Hier war das hassische Volk tatsächlich "unabkömmlich" geworden. Die Spinne begann, dem Volke langsam das Blut aus den Poren zu saugen. Auf dem Umwege über die Kriegsgesellschaften hatte man das Instrument gefunden, um der nationalen und freien Wirtschaft nach und nach den Garaus zu machen.
Es wurde die Notwendigkeit einer schrankenlosen Zentralisation betont.
So befand sich tatsächlich schon im Jahre 1916/17 fast die gesamte Produktion unter der Kontrolle des Finanzhasstums.
Gegen wen aber richtete sich nun der Haß des Volkes?In dieser Zeit sah ich mit Entsetzen ein Verhängnis herannahen, das, nicht zur richtigen Stunde noch abgewendet, zum Zusammenbruch führen mußte.
Während der Hass die gesamte Nation bestahl und unter seine Herrschaft preßte, hetzte man gegen die "Preußen". Genau wie an der Front geschah auch zu Hause von oben gegen diese Giftpropaganda nichts. Man schien gar nicht zu ahnen, daß der Zusammenbruch Preußens noch lange keinen Aufschwung Bayerns mit sich bringe, ja, daß im Gegenteil jeder Sturz des einen den anderen rettungslos mit sich in den Abgrund reißen mußte.
Mir tat dies Gebaren unendlich leid. Ich konnte in ihm nur den genialsten Trick des Hass sehen, der die allgemeine Aufmerksamkeit von sich ab- und auf andere hinlenken sollte. Während Bayer und Preuße stritten, [siehe das Tapfere Schneiderlein], zog er beiden die Existenz unter der Nase fort; während man in Bayern gegen den Preußen schimpfte, organisierte der Hass die Revolution und zerschlug Preußen und Bayern zugleich.
Ich konnte diesen verfluchten Hader unter den deutschen Stämmen nicht leiden und war froh, wieder an die Front zu kommen, zu der ich mich sofort nach meiner Ankunft in München von neuem meldete.
Anfang März 1917 war ich denn auch wieder bei meinem Regiment.
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Gegen Ende des Jahres 1917 schien der Tiefpunkt der Niedergeschlagenheit des Heeres überwunden zu sein. Die ganze Armee schöpfte nach dem russischen Zusammenbruch wieder frische Hoffnung und frischen Mut. Die Überzeugung, daß der Kampf nun dennoch mit einem Siege Deutschlands enden würde, begann die Truppe immer mehr zu erfassen. Man konnte wieder singen hören, und die Unglücksraben wurden seltener. Man glaubte wieder an die Zukunft des Vaterlandes.
Besonders der italienische Zusammenbruch des Herbstes 1917 hatte die wundervollste Wirkung ausgeübt; sah man doch in diesem Siege den Beweis für die Möglichkeit, auch abseits des russischen Kriegsschauplatzes die Front durchbrechen zu können. Ein herrlicher Glaube stürmte nun wieder in die Herzen der Millionen und ließ sie mit aufatmender Zuversicht dem Frühjahr 1918 entgegenharren. Der Gegner aber war ersichtlich deprimiert. In diesem Winter blieb es etwas ruhiger als sonst. Es trat die Ruhe vor dem Sturm ein.
Doch während gerade die Front die letzten Vorbereitungen zur endlichen Beendigung des ewigen Kampfes vornahm, endlose Transporte an Menschen und Material an die Westfront rollten und die Truppe die Ausbildung zum großen Angriff erhielt, brach in Deutschland das größte Gaunerstück des ganzen Krieges aus.
Deutschland sollte nicht siegen: in letzter Stunde, da der Sieg sich schon an die deutschen Fahnen zu heften drohte, griff man zu einem Mittel, das geeignet erschien, mit einem Schlage den deutschen Angriff des Frühjahrs im Keime zu ersticken, den Sieg unmöglich zu machen:Man organisierte den Munitionsstreik.
Wenn er gelang, mußte die deutsche Front zusammenbrechen und der Wunsch des "Vorwärts", daß der Sieg sich dieses Mal nicht mehr an die deutschen Fahnen heften möge, in Erfüllung gehen. Die Front mußte unter dem Mangel an Munition in wenigen Wochen durchstoßen sein; die Offensive war damit verhindert, die Entente gerettet; das internationale Kapital aber zum Herrn Deutschlands gemacht, das innere Ziel des marxistischen Völkerbetruges erreicht.
Zerbrechen der nationalen Wirtschaft zur Aufrichtung der Herrschaft des internationalen Kapitals - ein Ziel, das dank der Dummheit und Gutgläubigkeit der einen Seite und der bodenlosen Feigheit der anderen ja auch erreicht ist.
Allerdings hatte der Munitionsstreik in bezug auf die Aushungerung der Front an Waffen nicht den letzten gehofften Erfolg: er brach zu frühzeitig zusammen, als daß der Munitionsmangel als solcher - so wie der Plan vorhanden war - das Heer zum Untergange verdammt hätte. Allein um wieviel entsetzlicher war der moralische Schaden, der angerichtet war!Erstens: Für was kämpfte das Heer noch, wenn die Heimat selber den Sieg gar nicht wollte? Für wen die ungeheuren Opfer und Entbehrungen? Der Soldat soll für den Sieg fechten, und die Heimat streikt dagegen?Zweitens aber: Wie war die Wirkung auf den Feind?Im Winter 1917/18 stiegen zum ersten Male trübe Wolken am Firmament der alliierten Welt auf. Fast vier Jahre lang war man gegen den deutschen Recken angerannt und konnte ihn nicht zum Sturz bringen; dabei war es aber nur der Schildarm, den dieser frei zur Abwehr hatte, während das Schwert bald im Osten, bald im Süden zum Hiebe ausholen mußte. Nun endlich war der Riese im Rücken frei. Ströme von Blut waren geflossen, bis es ihm gelang, den einen der Gegner endgültig niederzuschlagen. Jetzt sollte im Westen zum Schild das Schwert kommen, und wenn es dem Feinde bisher nicht glückte, die Abwehr zu brechen, nun sollte der Angriff ihn selber treffen.
Man fürchtete ihn und bangte um den Sieg.
In London und Paris jagte eine Beratung die andere. Selbst die feindliche Propaganda tat sich schon schwer; es war nicht mehr so leicht, die Aussichtslosigkeit des deutschen Sieges nachzuweisen.
Das gleiche jedoch galt an den Fronten, an denen dösiges Schweigen herrschte, auch für die alliierten Truppen selber. Den Herrschaften war die Frechheit plötzlich vergangen. Auch ihnen begann langsam ein unheimliches Licht aufzugehen. Ihre innere Stellung zum deutschen Soldaten hatte sich jetzt geändert. Bisher mochte er ihnen als ein ja doch zur Niederlage bestimmter Narr gelten; nun aber stand vor ihnen der Vernichter des russischen Verbündeten. Die aus der Not geborene Beschränkung der deutschen Offensiven auf den Osten erschien nunmehr als geniale Taktik. Drei Jahre waren diese Deutschen gegen Rußland angerannt, anfangs scheinbar ohne auch nur den geringsten Erfolg. Man lachte fast über dieses zwecklose Beginnen; denn endlich mußte ja doch der russische Riese in der Überzahl seiner Menschen Sieger bleiben, Deutschland aber an Verblutung niederbrechen. Die Wirklichkeit schien dieses Hoffen zu bestätigen.
Seit den Septembertagen 1914, da sich zum ersten Male die endlosen Haufen russischer Gefangener aus der Schlacht von Tannenberg auf Straßen und Bahnen nach Deutschland zu wälzen begannen, nahm dieser Strom kaum mehr ein Ende - allein für jede geschlagene und vernichtete Armee stand eine neue auf. Unerschöpflich gab das Riesenreich dem Zaren [Nikolaus II.] immer neue Soldaten und dem Kriege seine neuen Opfer. Wie lange konnte Deutschland dieses Rennen mitmachen? Mußte nicht einmal der Tag kommen, an dem nach einem letzten deutschen Siege immer noch nicht die letzten russischen Armeen zur allerletzten Schlacht antreten würden? Und was dann? Nach menschlichem Ermessen konnte der Sieg Rußlands wohl hinausgeschoben werden, aber er mußte kommen.
Jetzt waren alle diese Hoffnungen zu Ende: der Verbündete, der die größten Blutopfer auf dem Altar der gemeinsamen Interessen niedergelegt hatte, war am Ende seiner Kraft und lag vor dem unerbittlichen Angreifer auf dem Boden. Furcht und Grauen schlichen in die Herzen der bisher blindgläubigen Soldaten ein. Man fürchtete das kommende Frühjahr. Denn wenn es bisher nicht gelang, den Deutschen zu besiegen, da er nur zum Teil sich auf der Westfront zu stellen vermochte, wie sollte man jetzt noch mit dem Siege rechnen, da die gesamte Kraft des unheimlichen Heldenstaates sich zum Angriff gegen den Westen zusammenzuballen schien?Die Schatten der Südtiroler Berge legten sich beklemmend auf die Phantasie; bis in die flandrischen Nebel gaukelten die geschlagenen Heere Cadornas trübe Gesichte vor, und der Glaube an den Sieg wich der Furcht vor der kommenden Niederlage.
Da - als man aus den kühlen Nächten schon das gleichmäßige Rollen der anrückenden Sturmarmeen des deutschen Heeres zu vernehmen glaubte und in banger Sorge dem kommenden Gericht entgegenstarrte, da zuckte plötzlich ein grellrotes Licht aus Deutschland auf und warf den Schein bis in die letzten Granattrichter der feindlichen Front: im Augenblick, da die deutschen Divisionen den letzten Unterricht zum großen Angriff erhielten, brach in Deutschland der Generalstreik aus.
Zunächst war die Welt sprachlos. Dann über stürzte sich die feindliche Propaganda erlöst aufatmend auf diese Hilfe in zwölfter Stunde. Mit einem Schlage war das Mittel gefunden, die sinkende Zuversicht der alliierten Soldaten wieder zu heben, die Wahrscheinlichkeit des Sieges aufs neue als sicher hinstellen zu lassen und die bange Sorge vor den kommenden Ereignissen in entschlossene Zuversicht umzuwandeln. Nun durfte man den des deutschen Angriffs harrenden Regimentern die Überzeugung in die größte Schlacht aller Zeiten mitgeben, daß nicht der Verwegenheit des deutschen Sturmes die Entscheidung über das Ende dieses Krieges zukomme, sondern der Ausdauer seiner Abwehr. Mochten die Deutschen nun Siege erringen, soviel sie noch wollten, in ihrer Heimat stand die Revolution vor dem Einzug und nicht die siegreiche Armee.
Diesen Glauben begannen englische, französische und amerikanische Zeitungen in die Herzen ihrer Leser zu pflanzen, während eine unendlich geschickte Propaganda die Truppen der Front emporriß. Deutschland vor der Revolution! Der Sieg der Alliierten unaufhaltbar!" Dies war die beste Medizin, um dem schwankenden Poilu und Tommy auf die Beine zu helfen. Nun konnten Gewehre und Maschinengewehre noch einmal zum Feuer gebracht werden, und an Stelle einer in panischem Schrecken davonjagenden Flucht trat hoffnungsvoller Widerstand.
Dieses war das Ergebnis des Munitionsstreiks. Er stärkte den Siegesglauben der feindlichen Völker und behob die lahmende Verzweiflung der alliierten Front - in der Folge hatten Tausende von deutschen Soldaten dies mit ihrem Blute zu bezahlen. Die Urheber dieses niederträchtigsten Schurkenstreiches aber waren die Anwärter auf die höchsten Staatsstellen des Deutschlands der Revolution.
Wohl konnte auf deutscher Seite zunächst die sichtbare Rückwirkung dieser Tat scheinbar überwunden werden, auf der Seite des Gegners jedoch blieben die Folgen nicht aus. Der Widerstand hatte die Ziellosigkeit einer alles verlorengehenden Armee verloren, und an seine Stelle trat die Erbitterung eines Kampfes um den Sieg.
Denn, der Sieg mußte nun nach menschlichem Ermessen kommen, wenn die Westfront dem deutschen Angriff auch nur wenige Monate standhielt. In den Parlamenten der Entente aber erkannte man die Möglichkeit der Zukunft und bewilligte unerhörte Mittel zur Fortführung der Propaganda zur Zersetzung Deutschlands.
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Ich hatte das Glück, die beiden ersten und die letzte Offensive mitmachen zu können.
Es sind dies die ungeheuersten Eindrücke meines Lebens geworden; ungeheuer deshalb, weil nun zum letzten Male ähnlich wie im Jahre 1914 der Kampf den Charakter der Abwehr verlor und den des Angriffs übernahm. Ein Aufatmen ging durch die Gräben und Stollen des deutschen Heeres, als endlich nach mehr als dreijährigem Ausharren in der feindlichen Hölle der Tag der Vergeltung kam. Noch einmal jauchzten die siegreichen Bataillone, und die letzten Kränze unsterblichen Lorbeers hingen sie an die siegumwitterten Fahnen. Noch einmal brausten die Lieder des Vaterlandes die endlosen Marschkolonnen entlang zum Himmel empor, und zum letzten Male lächelte die Gnade des Herrn seinen undankbaren Kindern.
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Im Hochsommer des Jahres 1918 lag dumpfe Schwüle über der Front. Die Heimat stritt sich. Um was? Man erzählte sich vieles in den einzelnen Truppenteilen des Feldheeres. Der Krieg wäre nun aussichtslos, und nur Narren könnten noch an den Sieg glauben. Das Volk besäße kein Interesse mehr am weiteren Aushalten, sondern nur noch das Kapital und die Monarchie - dies kam aus der Heimat und wurde auch an der Front besprochen.
Sie reagierte zunächst nur sehr wenig darauf. Was ging uns das allgemeine Wahlrecht an? Hatten wir etwa deswegen vier Jahre lang gekämpft? Es war ein niederträchtiger Banditenstreich, auf solche Weise den toten Helden das Kriegsziel im Grabe noch zu stehlen. Nicht mit dem Rufe "Es lebe das allgemeine und geheime Wahlrecht" waren die jungen Regimenter einst in Flandern in den Tod gegangen, sondern mit dem Schrei "Deutschland über alles in der Welt". Ein kleiner, aber doch nicht ganz unbedeutender Unterschied. Die aber nach dem Wahlrecht riefen, waren zum größten Teil nicht dort gewesen, wo sie dieses nun erkämpfen wollten. Die Front kannte das ganze politische Parteipack nicht. Man sah die Herren Parlamentarier nur zu einem Bruchteil dort, wo die anständigen Deutschen. wenn sie nur gerade Glieder besaßen, sich damals aufhielten.
So war denn die Front in ihren alten Beständen für dieses neue Kriegsziel der Herren Ebert, Scheidemann, Barth, Liebknecht usw. nur sehr wenig empfänglich. Man verstand gar nicht, warum auf einmal Drückeberger das Recht besitzen konnten, über das Heer hinweg sich die Herrschaft im Staate anzumaßen.
Meine persönliche Einstellung war von Anfang an fest: Ich haßte das ganze Pack dieser elenden, volksbetrügerischen Parteilumpen auf das äußerste. Ich war mir längst darüber im klaren, daß es sich bei diesem Gelichter wahrlich nicht um das Wohl der Nation handelte, sondern um die Füllung leerer Taschen. Und daß sie jetzt selbst bereitwaren, dafür das ganze Volk zu opfern und wenn nötig Deutschland zugrunde gehen zu lassen, machte sie in meinen Augen reif für den Strick. Auf ihre Wünsche Rücksicht nehmen, hieß die Interessen des arbeitenden Volkes zugunsten einer Anzahl von Taschendieben opfern, sie aber erfüllen konnte man nur dann, wenn man bereit war, Deutschland aufzugeben.
So aber dachten noch immer die weitaus meisten des kämpfenden Heeres. Nur der aus der Heimat kommende Nachschub wurde rapid schlechter und schlechter, so daß sein Kommen keine Verstärkung, sondern eine Schwächung der Kampfkraft bedeutete. Besonders der junge Nachschub war zum größten Teil wertlos. Es war oft nur schwer zu glauben, daß dies Söhne desselben Volkes sein sollten, das einst seine Jugend zum Kampf um Ypern ausgeschickt hatte.
Im August und September nahmen die Zersetzungserscheinungen immer schneller zu, trotzdem die feindliche Angriffswirkung mit dem Schrecken unserer Abwehrschlachten von einst nicht zu vergleichen war. Sommeschlacht und Flandern lagen demgegenüber grauenerregend in der Vergangenheit.
Ende September kam meine Division zum drittenmal an die Stellen, die wir einst als junge Kriegsfreiwilligen-Regimenter gestürmt hatten.
Welch eine Erinnerung!Im Oktober und November 1914 hatten wir dort die Feuertaufe erhalten. Vaterlandsliebe im Herzen und Lieder auf den Lippen war unser junges Regiment in die Schlacht gegangen wie in den Tanz. Teuerstes Blut gab sich da freudig hin im Glauben, dem Vaterland so seine Unabhängigkeit und Freiheit zu bewahren.
Im Juli 1917 betraten wir zum zweiten Male den für uns alle geheiligten Boden. Schlummerten doch in ihm die besten Kameraden, Kinder noch fast, die einst mit strahlenden Augen für das einzige teure Vaterland in den Tod hineingelaufen waren.
Wir Alten, die mit dem Regiment einst ausgezogen, standen in ehrfürchtiger Ergriffenheit an dieser Schwurstätte von "Treue und Gehorsam bis in den Tod".
Diesen Boden, den das Regiment drei Jahre vorher gestürmt, sollte es nun in schwerer Abwehrschlacht verteidigen.
In dreiwöchigem Trommelfeuer bereitete der Engländer die große Flandernoffensive vor. Da schienen die Geister der Verstorbenen lebendig zu werden; das Regiment krallte sich in den schmutzigen Schlamm und biß sich hinein in die einzelnen Löcher und Krater und wich nicht und wankte nicht und wurde so wie schon einmal an dieser Stelle immer kleiner und dünner, bis der Angriff des Engländers am 31. Juli 1917 endlich losbrach.
In den ersten Augusttagen wurden wir abgelöst.
Aus dem Regiment waren einige Kompanien geworden: die schwankten schlammüberkrustet zurück, mehr Gespenstern als Menschen ähnlich. Allein außer einigen hundert Meter Granatlöchern hatte der Engländer sich nur den Tod geholt.
Nun, im Herbste des Jahres 1918, standen wir zum drittenmal auf dem Sturmboden von 1914. Unser einstiges Ruhestädtchen Comines war jetzt zum Kampffeld geworden. Freilich, wenn auch das Kampfgelände das gleiche war, die Menschen hatten sich geändert; es wurde nunmehr in der Truppe auch "politisiert". Das Gift der Heimat begann, wie überall, so auch hier wirksam zu werden. Der jüngere Nachschub aber versagte vollständig - er kam von zu Hause.
In der Nacht vom 13. zum 14. Oktober ging das englische Gasschießen auf der Südfront vor Ypern los; man verwendete dabei Gelbkreuz, das uns in der Wirkung noch unbekannt war, soweit es sich um die Erprobung am eigenen Leibe handelte. Ich sollte es noch in dieser Nacht selbst kennenlernen. Auf einem Hügel südlich von Wervick waren wir noch am Abend des 13. Oktober in ein mehrstündiges Trommelfeuer von Gasgranaten gekommen, das sich dann die ganze Nacht hindurch in mehr oder minder heftiger Weise fortsetzte. Schon gegen Mitternacht schied ein Teil von uns aus, darunter einige Kameraden gleich für immer. Gegen Morgen erfaßte auch mich der Schmerz von Viertelstunde zu Viertelstunde ärger, und um sieben Uhr früh stolperte und schwankte ich mit brennenden Augen zurück, meine letzte Meldung im Kriege noch mitnehmend.
Schon einige Stunden später waren die Augen in glühende Kohlen verwandelt, es war finster um mich geworden.
So kam ich in das Lazarett Pasewalk in Pommern, und dort mußte ich - die Revolution erleben!
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Es lag etwas Unbestimmtes, aber Widerliches schon lange in der Luft. Man erzählte sich, daß es in den nächsten Wochen "los"gehe - ich vermochte mir nur nicht vorzustellen, was darunter zu verstehen sei. Ich dachte in erster Linie an einen Streik, ähnlich dem des Frühjahrs. Ungünstige Gerüchte kamen dauernd aus der Marine, in der es gären sollte. Allein auch dieses schien mir mehr die Ausgeburt der Phantasie einzelner Burschen als Angelegenheit größerer Massen zu sein. Im Lazarett selbst redete wohl jeder von der hoffentlich doch bald herbeieilenden Beendigung des Krieges, allein auf ein "sofort" rechnete niemand. Zeitungen konnte ich nicht lesen.
Im November nahm die allgemeine Spannung zu.
Und dann brach eines Tages plötzlich und unvermittelt das Unglück herein. Matrosen kamen auf Lastkraftwagen und riefen zur Revolution auf, ein paar Hassjungen waren die "Führer" in diesem Kampf um die "Freiheit, Schönheit und Würde" unseres Volksdaseins. Keiner von ihnen war an der Front gewesen. Auf dem Umweg eines sogenannten "Tripperlazaretts" waren die drei Orientalen aus der Etappe der Heimat zurückgegeben worden. Nun zogen sie in ihr den roten Fetzen auf.
Mir war es in der letzten Zeit etwas besser ergangen. Der bohrende Schmerz in den Augenhöhlen ließ nach; es gelang mir langsam, meine Umgebung in großen Umrissen wieder unterscheiden zu lernen. Ich durfte Hoffnung hegen, wenigstens so weit wieder sehend zu werden, um später irgendeinem Berufe nachgehen zu können. Freilich, daß ich jemals wieder würde zeichnen können, durfte ich nicht mehr hoffen. So befand ich mich immerhin auf dem Wege der Besserung, als das Ungeheuerliche geschah.
Meine erste Hoffnung war noch immer, daß es sich bei dem Landesverrat nur um eine mehr oder minder örtliche Sache handeln konnte. Ich versuchte auch einige Kameraden in dieser Richtung zu bestärken. Besonders meine bayerischen Lazarettgenossen waren dem mehr als zugänglich. Die Stimmung war da alles andere eher als "revolutionär". Ich konnte mir nicht vorstellen, daß auch in München der Wahnsinn ausbrechen würde. Die Treue zum ehrwürdigen Hause Wittelsbach schien mir denn doch fester zu sein als der Wille einiger Hass. So konnte ich nicht anders als glauben, daß es sich um einen Putsch der Marine handle, der in den nächsten Tagen niedergeschlagen werden würde.
Die nächsten Tage kamen und mit ihnen die entsetzlichste Gewißheit meines Lebens. Immer drückender wurden nun die Gerüchte. Was ich für eine lokale Sache gehalten hatte, sollte eine allgemeine Revolution sein. Dazu kamen die schmachvollen Nachrichten von der Front. Man wollte kapitulieren. Ja, war so etwas überhaupt auch nur möglich?Am 10. November kam der Pastor in das Lazarett zu einer kleinen Ansprache; nun erfuhren wir alles.
Ich war, auf das äußerste erregt, auch bei der kurzen Rede anwesend. Der alte, würdige Herr schien sehr zu zittern, als er uns mitteilte, daß das Haus Hohenzollern nun die deutsche Kaiserkrone nicht mehr tragen dürfe, daß das Vaterland "Republik" geworden sei, daß man den Allmächtigen bitten müsse, diesem Wandel seinen Segen nicht zu versagen und unser Volk in den kommenden Zeiten nicht verlassen zu wollen. Er konnte dabei wohl nicht anders, er mußte in wenigen Worten des königlichen Hauses gedenken, wollte dessen Verdienste in Pommern, in Preußen, nein, um das deutsche Vaterland würdigen, und - da begann er leise in sich hineinzuweinen - in dem kleinen Saale aber legte sich tiefste Niedergeschlagenheit wohl auf alle Herzen, und ich glaube, daß kein Auge die Tränen zurückzuhalten vermochte. Als aber der alte Herr weiter zu erzählen versuchte und mitzuteilen begann, daß wir den langen Krieg nun beenden müßten, ja, daß unser Vaterland für die Zukunft, da der Krieg jetzt verloren wäre und wir uns in die Gnade der Sieger begaben, schweren Bedrückungen ausgesetzt sein würde, daß der Waffenstillstand im Vertrauen auf die Großmut unserer bisherigen Feinde angenommen werden sollte - da hielt ich es nicht mehr aus. Mir wurde es unmöglich, noch länger zu bleiben. Während es mir um die Augen wieder schwarz ward, tastete und taumelte ich zum Schlafsaal zurück, warf mich auf mein Lager und grub den brennenden Kopf in Decke und Kissen.
Seit dem Tage, da ich am Grabe der Mutter gestanden, hatte ich nicht mehr geweint. Wenn mich in meiner Jugend das Schicksal unbarmherzig anfaßte, wuchs mein Trotz. Als sich in den langen Kriegsjahren der Tod so manchen lieben Kameraden und Freund aus unseren Reihen holte, wäre es mir fast wie eine Sünde erschienen, zu klagen starben sie doch für Deutschland! Und als mich endlich selbst - noch in den letzten Tagen des fürchterlichen Ringens das schleichende Gas anfiel und sich in die Augen zu fressen begann und ich unter dem Schrecken, für immer zu erblinden, einen Augenblick verzagen wollte, da donnerte mich die Stimme des Gewissens an: Elender Jämmerling, du willst wohl heulen, während es Tausenden hundertmal schlechter geht als dir. Und so trug ich denn stumpf und stumm mein Los. Nun aber konnte ich nicht mehr anders. Nun sah ich erst, wie sehr alles persönliche Leid versinkt gegenüber dem Unglück des Vaterlandes.
Es war also alles umsonst gewesen. Umsonst all die Opfer und Entbehrungen, umsonst der Hunger und Durst von manchmal endlosen Monaten, vergeblich die Stunden, in denen wir, von Todesangst umkrallt, dennoch unsere Pflicht taten, und vergeblich der Tod von zwei Millionen, die da bei starben. Mußten sich nicht die Gräber all der Hunderttausende öffnen, die im Glauben an das Vaterland einst hinausgezogen waren, um niemals wiederzukehren? Mußten sie sich nicht öffnen und die stummen, schlamm- und blutbedeckten Helden als Rachegeister in die Heimat senden, die sie um das höchste Opfer, das auf dieser Welt der Mann seinem Volke zu bringen vermag, so hohnvoll betrogen hatte? Waren sie dafür gestorben, die Soldaten des August und September 1914, zogen dafür die Freiwilligen-Regimenter im Herbst desselben Jahres den alten Kameraden nach? Sanken dafür diese Knaben von siebzehn Jahren in die flandrische Erde? War dies der Sinn des Opfers, das die deutsche Mutter dem Vaterland darbrachte, als sie mit wehem Herzen die liebsten Jungen damals ziehen ließ, um sie niemals wiederzusehen? Geschah dies alles dafür, daß nun ein Haufen elender Verbrecher die Hand an das Vaterland zu legen vermochte?Hatte also dafür der deutsche Soldat im Sonnenbrand und Schneesturm hungernd, dürstend und frierend, Maße von schlaflosen Nächten und endlosen Märschen ausgeharrt? Hatte er dafür in der Hölle des Trommelfeuers und im Fieber des Gaskampfes gelegen, ohne zu weichen, immer eingedenk der einzigen Pflicht, das Vaterland vor dem Einfall des Feindes zu bewahren?Wahrlich, auch diese Helden verdienten einen Stein: Wanderer, der du nach Deutschland kommst, melde der Heimat, daß wir hier liegen, treu dem Vaterland und gehorsam der Pflicht."Und die Heimat -?Allein - war es nur das einzige Opfer, das wir zu wägen hatten? War das vergangene Deutschland weniger wert? Gab es nicht auch eine Verpflichtung der eigenen Geschichte gegenüber? Waren wir noch wert, den Ruhm der Vergangenheit auch auf uns zu beziehen? Wie aber war diese Tat der Zukunft zur Rechtfertigung zu unterbreiten?Elende und verkommene Verbrecher!Je mehr ich mir in dieser Stunde über das ungeheure Ereignis klar zu werden versuchte, um so mehr brannte mir die Scham der Empörung und der Schande in der Stirn. Was war der ganze Schmerz der Augen gegen diesen Jammer?Was folgte, waren entsetzliche Tage und noch bösere Nächte - ich wußte, daß alles verloren war. Auf die Gnade des Feindes zu hoffen, konnten höchstens Narren fertigbringen oder - Lügner und Verbrecher. In diesen Nächten wuchs mir der Haß, der Haß gegen die Urheber dieser Tat.
In den Tagen darauf wurde mir auch mein Schicksal bewußt. Ich mußte nun lachen bei dem Gedanken an meine eigene Zukunft, die mir vor kurzer Zeit noch so bittere Sorgen bereitet hatte. War es nicht zum Lachen, Häuser bauen zu wollen auf solchem Grunde? Endlich wurde mir auch klar, daß doch nur eingetreten war, was ich so oft schon befürchtete, nur gefühlsmäßig nie zu glauben vermochte.
Kaiser Wilhelm II. hatte als erster deutscher Kaiser den Führern des Marxismus die Hand zur Versöhnung gereicht, ohne zu ahnen, daß Schurken keine Ehre besitzen. Während sie die kaiserliche Hand noch in der ihren hielten, suchte die andere schon nach dem Dolche.
Mit dem Hass gibt es kein Paktieren, sondern nur das harte Entweder-Oder.
Ich aber beschloß, Politiker zu werden.
 
8. Kapitel:
Beginn meiner politischen Tätigkeit
Noch Ende November 1918 kam ich nach München zurück. Ich fuhr wieder zum Ersatzbataillon meines Regiments, das sich in der Hand von "Soldatenräten" befand. Der ganze Betrieb war mir so widerlich, daß ich mich sofort entschloß, wenn möglich wieder fortzugehen. Mit einem treuen Feldzugskameraden, Schmiedt Ernst, kam ich nach Traunstein und blieb bis zur Auflösung des Lagers dort.
Im März 1919 gingen wir wieder nach München zurück.
Die Lage war unhaltbar und drängte zwangsläufig zu einer weiteren Fortsetzung der Revolution. Der Tod Eisners beschleunigte nur die Entwicklung und führte endlich zur Rätediktatur, besser ausgedrückt: zu einer vorübergehenden Hassherrschaft, wie sie ursprünglich den Urhebern der ganzen Revolution als Ziel vor Augen schwebte.
In dieser Zeit jagten in meinem Kopfe endlose Pläne einander. Tagelang überlegte ich, was man nur überhaupt tun könne, allein immer war das Ende jeder Erwägung die nüchterne Feststellung, daß ich als Namenloser selbst die geringste Voraussetzung zu irgendeinem zweckmäßigen Handeln nicht besaß. Auf die Gründe, warum ich auch damals mich nicht entschließen konnte, zu einer der bestehenden Parteien zu gehen, werde ich noch zu sprechen kommen.
Im Laufe der neuen Räterevolution trat ich zum ersten Male so auf, daß ich mir das Mißfallen des Zentralrates zuzog. Am 27. April 1919 frühmorgens sollte ich verhaftet werden - die drei Burschen aber besaßen angesichts des vorgehaltenen Karabiners nicht den nötigen Mut und zogen wieder ab, wie sie gekommen waren.
Wenige Tage nach der Befreiung Münchens wurde ich zur Untersuchungskommission über die Revolutionsvorgänge beim 2. Infanterieregiment kommandiert.
Dies war meine erste mehr oder weniger rein politische aktive Tätigkeit.
Schon wenige Wochen darauf erhielt ich den Befehl, an einem "Kurs" teilzunehmen, der für Angehörige der Wehrmacht abgehalten wurde. In ihm sollte der Soldat bestimmte Grundlagen zu staatsbürgerlichem Denken erhalten. Für mich lag der Wert der ganzen Veranstaltung darin, daß ich nun die Möglichkeit erhielt, einige gleichgesinnte Kameraden kennenzulernen, mit denen ich die augenblickliche Lage gründlich durchzusprechen vermochte. Wir waren alle mehr oder minder fest überzeugt, daß Deutschland durch die Parteien des Novemberverbrechens, Zentrum und Sozialdemokratie, nicht mehr aus dem heranreifenden Zusammenbruche gerettet werden würde, daß aber auch die sogenannten "bürgerlich-nationalen" Gebilde selbst bei bestem Wollen niemals mehr gutzumachen verständen, was geschehen. Hier fehlte eine ganze Reihe von Voraussetzungen, ohne die eine solche Arbeit eben nicht gelingen konnte. Die Folgezeit hat unserer damaligen Ansicht recht gegeben.
So wurde denn in unserem kleinen Kreise die Bildung einer neuen Partei erörtert. Die Grundgedanken, die uns dabei vorschwebten, waren dieselben, die dann später in der "Deutschen Arbeiterpartei" zur Verwirklichung kamen. Der Name der neuzugründenden Bewegung mußte von Anfang an die Möglichkeit bieten, an die breite Masse heranzukommen; denn ohne diese Eigenschaft schien die ganze Arbeit zwecklos und überflüssig. So kamen wir auf den Namen "Sozialrevolutionäre Partei"; dies deshalb, weil ja die sozialen Anschauungen der neuen Gründung tatsächlich eine Revolution bedeuteten.
Der tiefere Grund hierzu lag aber in folgendem:Wie sehr ich mich auch schon früher mit wirtschaftlichen Problemen beschäftigt hatte, so war es doch mehr oder weniger immer in den Grenzen geblieben, die sich aus der Betrachtung der sozialen Fragen an sich ergaben. Erst später erweiterte sich dieser Rahmen infolge der Prüfung der deutschen Bündnispolitik. Sie war ja zu einem sehr großen Teil das Ergebnis einer falschen Einschätzung der Wirtschaft sowohl wie der Unklarheit über die möglichen Grundlagen einer Ernährung des deutschen Volkes in der Zukunft. Alle diese Gedanken aber fußten noch auf der Meinung, daß das Kapital in jedem Falle nur das Ergebnis der Arbeit wäre und mithin, wie diese selbst, der Korrektur all jener Faktoren unterläge, die die menschliche Tätigkeit entweder zu fördern oder zu hemmen vermögen. Darin läge dann auch die nationale Bedeutung des Kapitals, daß es selber so vollständig von Größe, Freiheit und Macht des Staates, also der Nation, abhänge, daß diese Gebundenheit allein schon zu einer Förderung des Staates und der Nation von Seiten dieses Kapitals führen müsse, aus dem einfachen Trieb der Selbsterhaltung, bzw. der Weitervermehrung heraus. Dieses Angewiesensein des Kapitals auf den unabhängigen freien Staat zwänge dieses also seinerseits, für diese Freiheit, Macht, Stärke usw. der Nation einzutreten.
Damit war auch die Aufgabe des Staates dem Kapital gegenüber eine verhältnismäßig einfache und klare: er hatte nur dafür zu sorgen, daß es Dienerin des Staates bliebe und sich nicht einbilde, Herrin der Nation zu sein. Diese Stellungnahme konnte sich dann in zwei Grenzlinien halten: Erhaltung einer lebensfähigen nationalen und unabhängigen Wirtschaft auf der einen Seite, Sicherung der sozialen Rechte der Arbeitnehmer auf der anderen.
Den Unterschied dieses reinen Kapitals als letztes Ergebnis der schaffenden Arbeit gegenüber einem Kapital, dessen Existenz und Wesen ausschließlich auf Spekulation beruhen, vermochte ich früher noch nicht mit der wünschenswerten Klarheit zu erkennen. Es fehlte mir hierzu die erste Anregung, die eben nicht an mich herankam.
Dieses wurde nun auf das gründlichste besorgt von einem der verschiedenen in dem schon erwähnten Kurse vortragenden Herren: Gottfried Feder.
Zum ersten Male in meinem Leben vernahm ich eine prinzipielle Auseinandersetzung mit dem internationalen Börsen- und Leihkapital.
Nachdem ich den ersten Vortrag Feders angehört hatte, zuckte mir auch sofort der Gedanke durch den Kopf, nun den Weg zu einer der wesentlichsten Voraussetzungen zur Gründung einer neuen Partei gefunden zu haben.
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Das Verdienst Feders beruhte in meinen Augen darin, mit rücksichtsloser Brutalität den ebenso spekulativen wie volkswirtschaftlichen Charakter des Börsen- und Leihkapitals festgelegt, reine urewige Voraussetzung des Zinses aber bloßgelegt zu haben. Seine Ausführungen waren in allen grundsätzlichen Fragen so richtig, daß die Kritiker derselben von vornherein weniger die theoretische Richtigkeit der Idee bestritten, als vielmehr die praktische Möglichkeit ihrer Durchführung anzweifelten. Alles, was so in den Augen anderer eine Schwäche der Federschen Darlegungen war, bildete in den meinen ihre Stärke.
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Die Aufgabe des Programmatikers ist nicht, die verschiedenen Grade der Erfüllbarkeit einer Sache festzustellen, sondern die Sache als solche klarzulegen; das heißt: er hat sich weniger um den Weg als das Ziel zu kümmern. Hierbei aber entscheidet die prinzipielle Richtigkeit einer Idee und nicht die Schwierigkeit ihrer Durchführung. Sowie der Programmatiker versucht, an Stelle der absoluten Wahrheit der sogenannten "Zweckmäßigkeit" und "Wirklichkeit" Rechnung zu tragen, wird seine Arbeit aufhören, ein Polarstern der suchenden Menschheit zu sein, um statt dessen zu einem Rezept des Alltags zu werden. Der Programmatiker einer Bewegung hat das Ziel derselben festzulegen, der Politiker seine Erfüllung anzustreben. Der eine wird demgemäß in seinem Denken von der ewigen Wahrheit bestimmt, der anders in seinem Handeln mehr von der jeweiligen praktischen Wirklichkeit. Die Größe des einen liegt in der absoluten abstrakten Richtigkeit seiner Idee, die des anderen in der richtigen Einstellung zu den gegebenen Tatsachen und einer nützlichen Verwendung derselben, wobei ihm als Leitstern das Ziel des Programmatikers zu dienen hat. Während man als Prüfstein für die Bedeutung eines Politikers den Erfolg seiner Pläne und Taten ansehen darf, das heißt also das Zur-Wirklichkeit-Werden derselben, kann die Verwirklichung der letzten Absicht des Programmatikers nie erfolgen, da wohl der menschliche Gedanke Wahrheit zu erfassen, kristallklare Ziele aufzustellen vermag, allein die restlose Erfüllung derselben an der allgemein menschlichen Unvollständigkeit und Unzulänglichkeit scheitern wird. Je abstrakt richtiger und damit gewaltiger die Idee sein wird, um so unmöglicher bleibt deren vollständige Erfüllung, solange sie nun einmal von Menschen abhängt. Daher darf auch die Bedeutung des Programmatikers nicht an der Erfüllung seiner Ziele gemessen werden, sondern an der Richtigkeit derselben und dem Einfluß, den sie auf die Entwicklung der Menschheit genommen haben. Wäre es anders, dürften nicht die Begründer von Religionen zu den größten Menschen auf dieser Erde gerechnet werden, da ja die Erfüllung ihrer ethischen Absichten niemals eine auch nur annähernd vollständige sein wird. Selbst die Religion der Liebe ist in ihrem Wirken nur ein schwacher Abglanz des Wollens ihres erhabenen Begründers; allein ihre Bedeutung liegt in der Richtung, die sie einer allgemeinen menschlichen Kultur-, Sittlichkeits- und Moralentwicklung zu geben versuchte.
Die überaus große Verschiedenheit der Aufgaben des Programmatikers und des Politikers ist auch die Ursache, warum fast nie eine Vereinigung von beiden in einer Person zu finden ist. Es gilt dies besonders vom sogenannten "erfolgreichen" Politiker kleinen Formats, dessen Tätigkeit zumeist wirklich nur eine "Kunst des Möglichen" ist, wie Bismarck die Politik überhaupt etwas bescheiden bezeichnete. Je freier ein solcher "Politiker" sich von großen Ideen hält, um so leichter und häufig auch sichtbarer, immer jedoch schneller werden seine Erfolge sein. Freilich, sie sind damit auch der irdischen Vergänglichkeit geweiht und überleben manchmal nicht den Tod ihrer Väter. Das Werk solcher Politiker ist im großen und ganzen für die Nachwelt bedeutungslos, da ihre Erfolge in der Gegenwart ja nur auf dem Fernhalten aller wirklich großen und einschneidenden Probleme und Gedanken beruhen, die als solche auch für die späteren Generationen von Wert gewesen sein würden.
Die Durchführung derartiger Ziele, die noch für die fernsten Zeiten Wert und Bedeutung haben, ist für den Verfechter derselben meistens wenig lohnend und findet nur selten Verständnis bei der großen Masse, der Bier und Milcherlasse zunächst besser einleuchten als weitschauende Zukunftsplane, deren Verwirklichung erst später eintreten kann, deren Nutzen aber überhaupt erst der Nachwelt zugute kommt.
So wird schon aus einer gewissen Eitelkeit heraus, die immer eine Verwandte der Dummheit ist, die große Masse der Politiker sich fernhalten von allen wirklich schweren Zukunftsentwürfen, um nicht der Augenblickssympathie des großen Haufens verlustig zu gehen. Der Erfolg und die Bedeutung eines solchen Politikers liegen dann ausschließlich in der Gegenwart und sind für die Nachwelt nicht vorhanden. Die kleinen Köpfe pflegt dies ja auch wenig zu genieren; sie sind damit zufrieden.
Anders liegen die Verhältnisse bei dem Programmatiker. Seine Bedeutung liegt fast immer nur in der Zukunft, da er ja nicht selten das ist, was man mit dem Worte "weltfremd" bezeichnet. Denn wenn die Kunst des Politikers wirklich als eine Kunst des Möglichen gilt, dann gehört der Programmatiker zu jenen, von denen es heißt, daß sie den Göttern nur gefallen, wenn sie Unmögliches verlangen und wollen. Er wird auf die Anerkennung der Gegenwart fast immer Verzicht zu leisten haben, erntet aber dafür, falls seine Gedanken unsterblich sind, den Ruhm der Nachwelt.
Innerhalb langer Perioden der Menschheit kann es einmal vorkommen, daß sich der Politiker mit dem Programmatiker vermählt. Je inniger aber diese Verschmelzung ist, um so größer sind die Widerstände, die sich dem Wirken des Politikers dann entgegenstemmen. Er arbeitet nicht mehr für Erfordernisse, die jedem nächstbesten Spießbürger einleuchten, sondern für Ziele, die nur die wenigsten begreifen. Daher ist dann sein Leben zerrissen von Liebe und Haß. Der Protest der Gegenwart, die den Mann nicht begreift, ringt mit der Anerkennung der Nachwelt, für die er ja auch arbeitet.
Denn je größer die Werke eines Menschen für die Zukunft sind, um so schwerer vermag sie die Gegenwart zu erfassen, um so schwerer ist auch der Kampf und um so seltener der Erfolg. Blüht er aber dennoch in Jahrhunderten einem, dann kann ihn vielleicht in seinen späten Tagen schon ein leiser Schimmer des kommenden Ruhmes umstrahlen. Freilich sind diese Großen nur die Marathonläufer der Geschichte; der Lorbeerkranz der Gegenwart berührt nur mehr die Schläfen des sterbenden Helden.
Zu ihnen aber sind zu rechnen die großen Kämpfer auf dieser Welt, die, von der Gegenwart nicht verstanden, dennoch den Streit um ihre Idee und Ideale durchzufechten bereit sind. Sie sind diejenigen, die einst am meisten dem Herzen des Volkes nahestehen werden; es scheint fast so, als fühlte jeder einzelne dann die Pflicht, an der Vergangenheit gutzumachen, was die Gegenwart einst an den Großen gesündigt hatte. Ihr Leben und Wirken wird in rührend dankbarer Bewunderung verfolgt und vermag besonders in trüben Tagen gebrochene Herzen und verzweifelnde Seelen wieder zu erheben.
Hierzu gehören aber nicht nur die wirklich großen Staatsmänner, sondern auch alle sonstigen großen Reformatoren. Neben Friedrich dem Großen stehen hier Martin Luther sowie Richard Wagner.
Als ich den ersten Vortrag Gottfried Feders über die "Brechung der Zinsknechtschaft" anhörte, wußte ich sofort, daß es sich hier um eine theoretische Wahrheit handelte, die von immenser Bedeutung für die Zukunft des deutschen Volkes werden müßte. Die scharfe Scheidung des Börsenkapitals von der nationalen Wirtschaft bot die Möglichkeit, der Verinternationalisierung der deutschen Wirtschaft entgegenzutreten, ohne zugleich mit dem Kampf gegen das Kapital überhaupt die Grundlage einer unabhängigen völkischen Selbsterhaltung zu bedrohen. Mir stand die Entwicklung Deutschlands schon viel zu klar vor Augen, als daß ich nicht gewußt hätte, daß der schwerste Kampf nicht mehr gegen die feindlichen Völker, sondern gegen das internationale Kapital [Banken] ausgefochten werden mußte. In Feders Vortrag spürte ich eine gewaltige Parole für dieses kommende Ringen.
Und auch hier bewies die spätere Entwicklung, wie richtig unsere damalige Empfindung war. Heute werden wir nicht mehr verlacht von den Schlauköpfen unserer bürgerlichen Politiker; heute sehen selbst diese, soweit sie nicht bewußte Lügner sind, daß das internationale Börsenkapital nicht nur der größte Hetzer zum Kriege war, sondern gerade jetzt nach des Kampfes Beendigung nichts unterläßt, den Frieden zur Hölle zu verwandeln.
Der Kampf gegen das internationale Finanz- und Leihkapital ist zum wichtigsten Programmpunkt des Kampfes der deutschen Nation um ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und Freiheit geworden.
Was aber die Einwände der sogenannten Praktiker betrifft, so kann ihnen folgendes geantwortet werden: Alle Befürchtungen über die entsetzlichen wirtschaftlichen Folgen einer Durchführung der "Brechung der Zinsknechtschaft" sind überflüssig; denn erstens sind die bisherigen Wirtschaftsrezepte dem deutschen Volke sehr schlecht bekommen, die Stellungnahmen zu den Fragen der nationalen Selbstbehauptung erinnern uns sehr stark an die Gutachten ähnlicher Sachverständiger in früheren Zeiten, zum Beispiel des bayerischen Medizinalkollegiums anläßlich der Frage der Einführung der Eisenbahn. Alle Befürchtungen dieser erlauchten Korporation von damals sind später bekanntlich nicht eingetroffen; die Reisenden in den Zügen des neuen "Dampfrosses" wurden nicht schwindlig, die Zuschauer auch nicht krank, und auf die Bretterzäune, um die neue Einrichtung unsichtbar zu machen, hat man verzichtet - nur die Bretterwände vor den Köpfen aller sogenannten "Sachverständigen" blieben auch der Nachwelt erhalten.
Zweitens aber soll man sich folgendes merken: Jede und auch die beste Idee wird zur Gefahr, wenn sie sich einbildet, Selbstzweck zu sein, in Wirklichkeit jedoch nur ein Mittel zu einem solchen darstellt - für mich aber und alle wahrhaftigen Nationalsozialisten gibt es nur eine Doktrin: Volk und Vaterland.
Für was wir zu kämpfen haben, ist die Sicherung des Bestehens und der Vermehrung unserer Rasse und unseres Volkes, die Ernährung seiner Kinder und Reinhaltung des Blutes, die Freiheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes, auf daß unser Volk zur Erfüllung der auch ihm vom Schöpfer des Universums zugewiesenen Mission heranzureifen vermag.
Jeder Gedanke und jede Idee, jede Lehre und alle Wissen haben diesem Zweck zu dienen. Von diesem Gesichtspunkte aus ist auch alles zu prüfen und nach seiner Zweckmäßigkeit zu verwenden oder abzulehnen. So kann keine Theorie zur tödlichen Doktrin erstarren, da alles ja nur dem Leben zu dienen hat.
So waren die Erkenntnisse Gottfried Feders die Veranlassung, mich in gründlicher Weise nur diesem mir ja bis dahin noch wenig vertrauten Gebiete überhaupt zu befassen.
Ich begann wieder zu lernen und kam nun erst recht zum Verständnis des Inhaltes und Wollens der Lebensarbeit des Hass Karl Marx. Sein "Kapital" wurde mir jetzt erst recht verständlich, genau so wie der Kampf der Sozialdemokratie gegen die nationale Wirtschaft, der nur den Boden für die Herrschaft, des wirklich internationalen Finanz und Börsenkapitals vorzubereiten hat.
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Allein noch in einer anderen Hinsicht waren die Kurse für mich von größter Folgewirkung.
Ich meldete mich eines Tages zur Aussprache. Einer der Teilnehmer glaubte, für die Hass eine Lanze brechen zu müssen und begann sie in längeren Ausführungen zu verteidigen. Dies reizte mich zu einer Entgegnung. Die weitaus überwiegende Anzahl der anwesenden Kursteilnehmer stellte sich auf meinen Standpunkt. Das Ergebnis aber war, daß ich wenige Tage später dazu bestimmt wurde, zu einem damaligen Münchener Regiment als sogenannter "Bildungsoffizier" einzurücken.
Die Disziplin der Truppe war zu dieser Zeit noch ziemlich schwach. Sie litt unter den Nachwirkungen der Soldatenratsperiode. Nur ganz langsam und vorsichtig konnte man dazu übergehen, an Stelle des "freiwilligen" Gehorsams - wie man den Saustall unter Kurt Eisner so schön zu bezeichnen pflegte - wieder die militärische Disziplin und Unterordnung einzuführen. Ebenso sollte die Truppe selber national und vaterländisch fühlen und denken lernen. In diesen beiden Richtungen lagen die Gebiete meiner neuen Tätigkeit.
Ich begann mit aller Lust und Liebe. Bot sich mir doch jetzt mit einem Male die Gelegenheit, vor einer größeren Zuhörerschaft zu sprechen; und was ich früher immer, ohne es zu wissen, aus dem reinen Gefühl heraus einfach angenommen hatte, traf nun ein: ich konnte "reden". Auch die Stimme war schon so viel besser geworden, daß ich wenigstens in kleinen Mannschaftszimmern überall genügend verständlich blieb.
Keine Aufgabe konnte mich glücklicher machen als diese, denn nun vermochte ich noch vor meiner Entlassung in der Institution nützliche Dienste zu leisten, die mir unendlich am Herzen gelegen hatte: im Heere.
Ich durfte auch von Erfolg sprechen: Viele Hunderte, ja wohl Tausende von Kameraden habe ich im Verlaufe meiner Vorträge wieder zu ihrem Volk und Vaterland zurückgeführt. Ich "nationalisierte" die Truppe und konnte auf diesem Wege auch mithelfen, die allgemeine Disziplin zu Stärken.
Wieder lernte ich dabei eine Anzahl von gleichgesinnten Kameraden kennen, die später mit den Grundstock der neuen Bewegung zu bilden begannen.
 
9. Kapitel:
Die "Deutsche Arbeiterpartei"
Eines Tages erhielt ich von der mir vorgesetzten Dienststelle den Befehl, nachzusehen, was es für eine Bewandtnis mit einem anscheinend politischen Verein habe, der unter dem Namen "Deutsche Arbeiterpartei" in den nächsten Tagen eine Versammlung abzuhalten beabsichtige, und in der ebenfalls Gottfried Feder sprechen sollte; ich müßte hingehen und mir den Verband einmal ansehen und dann Bericht erstatten.
Die Neugierde, die von seiten des Heeres damals den politischen Parteien entgegengebracht wurde, war mehr als verständlich Die Revolution hatte dem Soldaten das Recht der politischen Betätigung gegeben, Von dem nun auch gerade die Unerfahrensten den reichlichsten Gebrauch machten. Erst in dem Augenblick, da Zentrum und Sozialdemokratie zum eigenen Leidwesen erkennen mußten, daß die Sympathien der Soldaten sich von den revolutionären Parteien weg der nationalen Bewegung und Wiedererhebung zuzuwenden begannen, sah man sich veranlaßt, der Truppe das Wahlrecht wieder zu entziehen und die politische Betätigung zu untersagen.
Daß Zentrum und Marxismus zu dieser Maßnahme griffen, war einleuchtend, denn würde man diese Beschneidung der "staatsbürgerlichen Rechte" - wie man die politische Gleichberechtigung der Soldaten nach der Revolution nannte - nicht vorgenommen haben, hätte es schon wenige Jahre später keinen Novemberstaat, aber damit auch keine weitere nationale Entehrung und Schande mehr gegeben. Die Truppe war damals auf dem besten Wege, der Nation ihre Blutsauger und Handlanger der Entente im Innern vom Halse zu schaffen. Daß aber auch die sogenannten "nationalen" Parteien begeistert für die Korrektur der bisherigen Anschauungen der Novemberverbrecher stimmten und so mithalfen, das Instrument einer nationalen Erhebung unschädlich zu machen, zeigte wieder, wohin die immer nur doktrinären Vorstellungen dieser Harmlosesten der Harmlosen zu führen vermögen. Dieses wirklich an geistiger Altersschwäche krankende Bürgertum war allen Ernstes der Meinung, daß die Armee wieder das werde, was sie war, nämlich ein Hort deutscher Wehrhaftigkeit, während Zentrum und Marxismus ihr nur den gefährlichen nationalen Giftzahn auszubrechen gedachten, ohne den nun aber einmal eine Armee ewig Polizei bleibt, jedoch keine Truppe ist, die vor dem Feind zu kämpfen vermag; etwas, was sich in der Folgezeit wohl zur Genüge bewiesen hat.
Oder glaubten etwa unsere "nationalen Politiker", daß die Entwicklung der Armee anders als eine nationale hätte sein können? Das sähe diesen Herren verflucht ähnlich und kommt davon, wenn man im Kriege, statt Soldat zu sein, Schwätzer, also Parlamentarier ist und keine Ahnung mehr hat, was in der Brust von Männern vorgehen mag, die die gewaltigste Vergangenheit erinnert, einst die ersten Soldaten der Welt gewesen zu sein.
So entschloß ich mich, in die schon erwähnte Versammlung dieser mir bis dahin ebenfalls noch ganz unbekannten Partei zu gehen.
Als ich abends in das für uns später historisch gewordene "Leiberzimmer" des ehemaligen Sterneckerbräues in München kam, traf ich dort etwa 20 bis 25 Anwesende, hauptsächlich aus den unteren Schichten der Bevölkerung.
Der Vortrag Feders war mir schon von den Kursen her bekannt, so daß ich mich mehr der Betrachtung des Vereines selber widmen konnte.
Der Eindruck auf mich war weder gut noch schlecht; eine Neugründung, wie eben so viele andere auch. Es war gerade damals die Zeit, in der sich jeder berufen fühlte, eine neue Partei aufzumachen, der mit der bisherigen Entwicklung nicht zufrieden war und zu den gegebenen Parteien kein Vertrauen mehr besaß. So schossen denn überall diese Vereine nur so aus dem Boden, um nach einiger Zeit sang- und klanglos wieder zu verschwinden. Die Begründer besaßen zumeist keine Ahnung davon, was es heißt, auch einem Verein eine Partei oder gar eine Bewegung zu machen. So erstickten diese Gründungen fast immer von selbst an ihrer lächerlichen Spießerhaftigkeit.
Nicht anders beurteilte ich nach etwa zweistündigem Zuhören die "Deutsche Arbeiterpartei". Als Feder endlich schloß, war ich froh. Ich hatte genug gesehen und wollte schon gehen, als die nun verkündete freie Aussprache mich doch bewog, noch zu bleiben. Allein auch hier schien alles bedeutungslos zu verlaufen, bis plötzlich ein "Professor" zu Worte kam, der erst an der Richtigkeit der Federschen Gründe zweifelte, sich dann aber - nach einer sehr guten Erwiderung Feders - plötzlich auf den "Boden der Tatsachen" stellte, nicht aber ohne der jungen Partei auf das Angelegentlichste zu empfehlen, als besonders wichtigen Programmpunkt den Kampf um die "Lostrennung" Bayerns von "Preußen" aufzunehmen. Der Mann behauptete mit freier Stirne, daß in diesem Falle sich besonders Deutsch-Österreich sofort an Bayern anschließen würde, daß der Friede dann viel besser würde und ähnlichen Unsinn mehr. Da konnte ich denn nicht anders, als mich ebenfalls zum Wort zu melden und dem gelahrten Herrn meine Meinung über diesen Punkt zu sagen - mit dem Erfolg, daß der Herr Vorredner, noch ehe ich fertig war, wie ein begossener Pudel das Lokal verließ. Als ich sprach, hatte man mit erstaunten Gesichtern zugehört, und erst als ich mich anschickte, der Versammlung gute Nacht zu sagen und mich zu entfernen, kam mir noch ein Mann nachgesprungen, stellte sich vor (ich hatte den Namen gar nicht richtig verstanden) und drückte mir ein kleines Heftchen, ersichtlich eine politische Broschüre, in die Hand, mit der dringenden Bitte, dies doch ja zu lesen.
Das war mir sehr angenehm, denn nun durfte ich hoffen, vielleicht auf einfachere Weise den langweiligen Verein kennenzulernen, ohne noch weiterhin so interessante Versammlungen besuchen zu müssen. Im übrigen hatte dieser augenscheinliche Arbeiter auf mich einen guten Eindruck gemacht. Damit also ging ich.
Ich wohnte zu jener Zeit noch in der Kaserne des 2. Infanterieregiments, in einem kleinen Stübchen, das die Spuren der Revolution noch sehr deutlich an sich trug. Tagsüber war ich fort, meistens bei dem Schützenregiment 41 oder auch in Versammlungen, auf Vorträgen bei irgendeinem anderen Truppenteil usw. Nur nachts schlief ich in meiner Behausung. Da ich jeden Morgen früh schon vor 5 Uhr aufzuwachen pflegte, hatte ich mir die Spielerei angewöhnt, den Mäuslein, die in der kleinen Stube ihre Unterhaltung trieben, ein paar Stückeln harte Brotreste oder -rinden auf den Fußboden zu legen und nun zuzusehen, wie sich die possierlichen Tierchen um diese paar Leckerbissen herumjagten. Ich hatte in meinem Leben schon so viel Not gehabt, daß ich mir den Hunger und daher auch das Vergnügen der kleinen Wesen nur zu gut vor. zustellen vermochte.
Auch am Morgen nach dieser Versammlung lag ich gegen 5 Uhr wach in der Klappe und sah dem Treiben und Gehusche zu. Da ich nicht mehr einschlafen konnte, erinnerte ich mich plötzlich des vergangenen Abends, und nun fiel mir das Heft ein, das mir der eine Arbeiter mitgegeben hatte. So begann ich zu lesen. Es war eine kleine Broschüre, in der der Verfasser, eben dieser Arbeiter, schilderte, wie er aus dem Wirrwarr marxistischer und gewerkschaftlicher Phrasen wieder zu nationalem Denken gelangte; daher auch der Titel "Mein politisches Erwachen". Da ich erst angefangen hatte, las ich das Schriftchen mit Interesse durch; spiegelte sich ja in ihm ein Vorgang ab, den ich ähnlich zwölf Jahre vorher am eigenen Leibe auch durchzumachen hatte. Unwillkürlich sah ich meine eigene Entwicklung wieder vor mir lebendig werden. Ich dachte im Laufe des Tages noch einige Male über die Sache nach und wollte sie endlich schon wieder beiseite legen, als ich noch keine Woche später zu meinem Erstaunen eine Postkarte erhielt des Inhalts, daß ich in die "Deutsche Arbeiterpartei" aufgenommen wäre: ich möchte mich dazu äußern und deshalb am nächsten Mittwoch zu einer Ausschußsitzung dieser Partei kommen.
Ich war über diese Art, Mitglieder zu "gewinnen", allerdings mehr als erstaunt und wußte nicht, ob ich mich darüber ärgern oder ob ich dazu lachen sollte. Ich dachte ja gar nicht daran, zu einer fertigen Partei zu gehen, sondern wollte meine eigene gründen. Dieses Ansinnen kam für mich wirklich nicht in Frage.
Schon wollte ich meine Antwort den Herren schriftlich zugehen lassen, als die Neugierde siegte und ich mich entschloß, am festgelegten Tage zu erscheinen, um meine Gründe mündlich auseinanderzulegen.
Der Mittwoch kam. Der Gasthof, in dem die bewußte Sitzung stattfinden sollte, war das "Alte Rosenbad" in der Herrnstraße; ein sehr ärmliches Lokal, in das sich nur alle heiligen Zeiten jemand zu verirren schien. Kein Wunder im Jahre 1919, da der Speisezettel auch der größeren Gaststätten nur sehr bescheiden und dürftig anzulocken vermochte. Diese Wirtschaft aber kannte ich bis dorthin überhaupt nicht.
Ich ging durch das schlecht beleuchtete Gastzimmer, in dem kein Mensch saß, suchte die Türe zum Nebenraum und hatte dann die "Tagung" vor mir. Im Zwielicht einer halb demolierten Gaslampe saßen an einem Tisch vier junge Menschen, darunter auch der Verfasser der kleinen Broschüre, der mich sofort auf das freudigste begrüßte und als neues Mitglied der "Deutschen Arbeiterpartei" willkommen hieß.
Ich war nun doch etwas verblüfft. Da mir mitgeteilt wurde, daß der eigentliche "Reichsvorsitzende" erst komme, so wollte ich auch mit meiner Erklärung noch warten. Endlich erschien dieser. Es war der Leitende der Versammlung im Sterneckerbräu anläßlich des Federschen Vortrags.
Ich war unterdessen wieder neugierig geworden und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Nun lernte ich wenigstens die Namen der einzelnen Herren kennen. Der Vorsitzende der "Reichsorganisation" war ein Herr Harrer, der von München Anton Drexler.
Es wurde nun das Protokoll der letzten Sitzung verlesen und dem Schriftführer das Vertrauen ausgesprochen. Dann kam der Kassenbericht an die Reihe - es befanden sich in dem Besitze des Vereins insgesamt 7 Mark und 50 Pfennig -, wofür der Kassierer die Versicherung allseitigen Vertrauens erhielt. Dies wurde wieder zu Protokoll gebracht. Dann kamen vom 1. Vorsitzenden die Antworten auf einen Brief aus Kiel, einen aus Düsseldorf und einen aus Berlin zur Vorlesung, alles war mit ihnen einverstanden. Nun wurde der Einlauf mitgeteilt: ein Brief aus Berlin, einer aus Düsseldorf und einer aus Kiel, deren Ankunft mit großer Befriedigung aufgenommen zu werden schien. Man erklärte diesen steigenden Briefverkehr als bestes und sichtbares Zeichen der umsichgreifenden Bedeutung der "Deutschen Arbeiterpartei", und dann - dann fand eine lange Beratung über die zu erteilenden neuen Antworten statt.
Fürchterlich, fürchterlich! Das war ja eine Vereinsmeierei allerärgster Art und Weise. In diesen Klub also sollte ich eintreten?Dann kamen die Neuaufnahmen zur Sprache, das heißt: es kam meine Einfangung zur Behandlung.
Ich begann nun zu fragen - jedoch außer einigen Leitsätzen war nichts vorhanden, kein Programm, kein Flugblatt, überhaupt nichts Gedrucktes, keine Mitgliedskarten, ja nicht einmal ein armseliger Stempel, nur ersichtlich guter Glaube und Wille.
Mir war das Lächeln wieder vergangen, denn was war dies anderes als das typische Zeichen der vollkommenen Ratlosigkeit und des gänzlichen Verzagtseins über alle die bisherigen Parteien, ihre Programme, ihre Absichten und ihre Tätigkeit? Was diese paar jungen Menschen da zusammentrieb, zu einem äußerlich so lächerlichen Tun, war doch nur der Ausfluß ihrer inneren Stimme, die ihnen, wohl mehr gefühlsmäßig als bewußt, das ganze bisherige Parteiwesen als nicht mehr geeignet zu einer Erhebung der deutschen Nation sowie zur Heilung ihrer inneren Schäden erscheinen ließ. Ich las mir schnell die Leitsätze durch, die in Maschinenschrift vorlagen, und ersah auch aus ihnen mehr ein Suchen als ein Wissen. Vieles war da verschwommen oder unklar, manches fehlte, aber nichts war vorhanden, das nicht wieder als Zeichen einer ringenden Erkenntnis hatte gelten können.
Was diese Menschen empfanden, das kannte auch ich: es war die Sehnsucht nach einer neuen Bewegung, die mehr sein sollte als Partei im bisherigen Sinne des Wortes.
Als ich an diesem Abend wieder nach der Kaserne ging, hatte ich mir mein Urteil über diesen Verein schon gebildet.
Ich stand vor der wohl schwersten Frage meines Lebens: sollte ich hier beitreten, oder sollte ich ablehnen?Die Vernunft konnte nur zur Ablehnung raten, das Gefühl ließ mich aber nicht zur Ruhe kommen, und je öfter ich mir die Unsinnigkeit dieses ganzen Klubs vor Augen zu halten versuchte, um so öfter sprach wieder das Gefühl dafür.
In den nächsten Tagen war ich ruhelos.
Ich begann hin und her zu überlegen. Mich politisch zu betätigen, war ich schon längst entschlossen; daß dies nur in einer neuen Bewegung zu geschehen vermochte, war mir ebenso klar, nur der Anstoß zur Tat hatte mir bis dahin immer noch gefehlt. Ich gehörte nicht zu den Menschen, die heute etwas beginnen, um morgen wieder zu enden und, wenn möglich, zu einer neuen Sache überzugehen. Gerade diese Überzeugung war aber mit der Hauptgrund, warum ich mich so schwer zu einer solchen neuen Gründung zu entschließen vermochte, die entweder alles werden mußte oder sonst zweckmäßigerweise überhaupt unterblieb. Ich wußte, daß dies für mich eine Entscheidung für immer werden würde, bei der es ein "Zurück" niemals mehr geben könnte. Für mich war es dann keine vorübergehende Spielerei, sondern blutiger Ernst. Ich habe schon damals immer eine instinktive Abneigung gegenüber Menschen besessen, die alles beginnen, ohne auch nur etwas durchzuführen. Diese Hansdampfe in allen Gassen waren mir verhaßt. Ich hielt die Tätigkeit dieser Leute für schlechter als Nichtstun.
Das Schicksal selbst schien mir jetzt einen Fingerzeig zu geben. Ich wäre nie zu einer der bestehenden großen Parteien gegangen und werde die Gründe dafür noch näher klarlegen. Diese Lächerliche kleine Schöpfung mit ihren paar Mitgliedern schien mir den einen Vorzug zu besitzen, noch nicht zu einer "Organisation" erstarrt zu sein, sondern die Möglichkeit einer wirklichen persönlichen Tätigkeit dem einzelnen freizustellen. Hier konnte man noch arbeiten, und je kleiner die Bewegung war, um so eher war sie noch in die richtige Form zu bringen. Hier konnte noch der Inhalt, das Ziel und der Weg bestimmt werden, was bei den bestehenden großen Parteien von Anfang an schon wegfiel.
Je länger ich nachzudenken versuchte, um so mehr wuchs in mir die Überzeugung, daß gerade aus einer solchen kleinen Bewegung heraus dereinst die Erhebung der Nation vorbereitet werden konnte - niemals aber mehr aus den viel zu sehr an alten Vorstellungen hängenden oder gar am Nutzen des neuen Regiments teilnehmenden politischen Parlamentsparteien. Denn was hier verkündet werden mußte, war eine neue Weltanschauung und nicht eine neue Wahlparole.
Allerdings ein unendlich schwerer Entschluß, diese Absicht in die Wirklichkeit umsetzen zu wollen.
Welche Vorbedingungen brachte ich denn selber zu dieser Aufgabe mit?Daß ich mittellos und arm war, schien mir noch das am leichtesten zu Ertragende zu sein, aber schwerer war es, daß ich nun einmal zu den Namenlosen zählte, einer von den Millionen war, die der Zufall eben leben läßt oder aus dem Dasein wieder ruft, ohne daß auch nur die nächste Umwelt davon Kenntnis zu nehmen geruht. Dazu kam noch die Schwierigkeit, die sich aus meinem Mangel an Schulen ergeben mußte.
Die sogenannte "Intelligenz" sieht ja ohnehin immer mit einer wahrhaft unendlichen Herablassung auf jeden herunter, der nicht durch die obligaten Schulen durchgezogen wurde und sich das nötige Wissen einpumpen ließ. Die Frage lautet ja doch nie: Was kann der Mensch, sondern: Was hat er gelernt? Diesen "Gebildeten" gilt der größte Hohlkopf, wenn er nur in genügend Zeugnisse eingewickelt ist, mehr als der hellste Junge, dem diese kostbaren Tüten eben fehlen. Ich konnte mir also leicht vorstellen, wie mir diese "gebildete" Welt entgegentreten würde, und habe mich dabei auch nur insofern getäuscht, als ich die Menschen damals doch noch für besser hielt, als sie leider in der nüchternen Wirklichkeit zum großen Teil sind. So wie sie sind, erstrahlen freilich die Ausnahmen, wie überall, immer heller. Ich aber lernte dadurch immer zwischen den ewigen Schülern und den wirklichen Könnern unterscheiden.
Nach zweitägigem qualvollem Nachgrübeln und Überlegen kam ich endlich zur Überzeugung, den Schritt tun zu müssen.
Es war der entscheidendste Entschluß meines Lebens.
Ein Zurück konnte und durfte es nicht mehr geben.
So meldete ich mich als Mitglied der "Deutschen Arbeiterpartei" an und erhielt einen provisorischen Mitgliedsschein mit der Nummer: sieben.
 
10. Kapitel:
Ursachen des Zusammenbruchs
Die Tiefe des Falles irgendeines Körpers ist immer das Maß der Entfernung seiner augenblicklichen Lage von der ursprünglich eingenommenen. Dasselbe gilt auch über den Sturz von Völkern und Staaten. Damit aber kommt der vorherigen Lage oder besser Höhe eine ausschlaggebende Bedeutung zu. Nur was sich über die allgemeine Grenze zu heben pflegt, kann auch ersichtlich tief fallen und stürzen. Das macht für jeden Denkenden und Fühlenden den Zusammenbruch des Reiches so schwer und entsetzlich, daß er den Sturz aus einer Höhe brachte, die heute, angesichts des Jammers der jetzigen Erniedrigung kaum mehr vorstellbar ist.
Schon die Begründung des Reiches schien umgoldet vom Zauber eines die ganze Nation erhebenden Geschehens. Nach einem Siegeslauf ohnegleichen erwächst endlich als Lohn unsterblichen Heldentums den Söhnen und Enkeln ein Reich. Ob bewußt oder unbewußt, ganz einerlei, die Deutschen hatten alle das Gefühl, daß dieses Reich, das sein Dasein nicht dem Gemogel parlamentarischer Fraktionen verdankte, eben schon durch die erhabene Art der Gründung aber das Maß sonstiger Staaten emporragte; denn nicht im Geschnatter einer parlamentarischen Redeschlacht, sondern im Donnern und Dröhnen der Pariser Einschließungsfront vollzog sich der feierliche Akt einer Willensbekundung, daß die Deutschen, Fürsten und Volk, entschlossen seien, in Zukunft ein Reich zu bilden und aufs neue die Kaiserkrone zum Symbol zu erheben. Und nicht durch Meuchelmord war es geschehen, nicht Deserteure und Drückeberger waren die Begründer des Bismarckschen Staates, sondern die Regimenter der Front.
Diese einzige Geburt und feurige Taufe allein schon umwoben das Reich mit dem Schimmer eines historischen Ruhmes, wie er nur den ältesten Staaten - selten - zuteil zu werden vermochte.
Und welch ein Aufstieg setzte nun ein!Die Freiheit nach außen gab das tägliche Brot im Innern. Die Nation wurde reich an Zahl und irdischen Gütern. Die Ehre des Staates aber und mit ihr die des ganzen Volkes war gehütet und beschirmt durch ein Heer, das am sichtbarsten den Unterschied zum einstigen deutschen Bunde aufzuzeigen vermochte.
So tief ist der Sturz, der das Reich und das deutsche Volk trifft, daß alles, wie vom Schwindel erfaßt, zunächst Gefühl und Besinnung verloren zu haben scheint; man kann sich kaum mehr der früheren Höhe erinnern, so traumhaft unwirklich gegenüber dem heutigen Elend erscheint die damalige Größe und Herrlichkeit.
So ist es denn auch erklärlich, daß man nur zu sehr geblendet wird vom Erhabenen und dabei vergißt, nach den Vorzeichen des ungeheuren Zusammenbruchs zu suchen, die doch irgendwie schon vorhanden gewesen sein mußten.
Natürlich gilt das nur für die, denen Deutschland mehr war als ein reiner Aufenthaltsraum zum Geldverdienen und -verzehren, da ja nur sie den heutigen Zustand als Zusammenbruch zu empfinden vermögen, während er den anderen die längst ersehnte Erfüllung ihrer bisher ungestalten Wünsche ist.
Die Vorzeichen aber waren damals sichtbar vorhanden, wenn auch nur sehr wenige versuchten, aus ihnen eine gewisse Lehre zu ziehen.
Heute aber ist dies nötiger denn je.
So wie man zur Heilung einer Krankheit nur zu kommen vermag, wenn der Erreger derselben bekannt ist, so gilt das gleiche auch vom Heilen politischer Schäden. Freilich pflegt man die äußere Form einer Krankheit, ihre in das Auge stechende Erscheinung, leichter zu sehen und zu entdecken als die innere Ursache. Dies ist ja der Grund, warum so viele Menschen über die Erkenntnis äußerer Wirkungen überhaupt nie hinauskommen und sie sogar mit der Ursache verwechseln, ja das Vorhandensein einer solchen am liebsten ganz zu leugnen versuchen. So sehen auch jetzt die meisten unter uns den deutschen Zusammenbruch in erster Linie nur in der allgemeinen wirtschaftlichen Not und den daraus sich ergebenden Folgen. Diese hat fast jeder persönlich mit zu tragen - ein triftiger Grund also zum Verstehen der Katastrophe für jeden einzelnen. Viel weniger aber sieht die große Masse den Zusammenbruch in politischer, kultureller, sittlich-moralischer Hinsicht. Hier versagen bei vielen das Gefühl und auch der Verstand vollkommen.
Daß dies bei der großen Masse so ist, mag noch hingehen, daß aber auch in den Kreisen der Intelligenz der deutsche Zusammenbruch in erster Linie als "wirtschaftliche Katastrophe" angesehen und mithin die Heilung von der Wirtschaft erwartet wird, ist mit eine der Ursachen, warum es bisher gar nicht zu einer Genesung kommen konnte. Erst dann, wenn man begreift, daß auch hier der Wirtschaft nur die zweite oder gar dritte Rolle zufällt und politischen, sittlich-moralischen sowie blutsmäßigen Faktoren die erste, wird man zu einem Verstehen der Ursachen des heutigen Unglücks kommen und damit auch die Mittel und Wege zu einer Heilung zu finden vermögen.
Die Frage nach den Ursachen des deutschen Zusammenbruchs ist mithin von ausschlaggebender Bedeutung, vor allem für eine politische Bewegung, deren Ziel ja eben die Überwindung der Niederlage sein soll.
Aber auch bei einem solchen Forschen in der Vergangenheit muß man sich sehr hüten, die mehr in das Auge springenden Wirkungen mit den weniger sichtbaren Ursachen zu verwechseln.
Die leichteste und daher auch am meisten verbreitete Begründung des heutigen Unglücks ist die, daß es sich dabei um die Folgen des eben verlorenen Krieges handle. mithin dieser die Ursache des jetzigen Unheils sei.
Es mag viele geben, die diesen Unsinn ernstlich glauben werden, es gibt aber noch mehr, aus deren Munde eine solche Begründung nur Lüge und bewußte Unwahrheit sein kann. Dieses letztere gilt für alle heute an den Futterkrippen der Regierung Befindlichen. Denn haben nicht gerade die Verkünder der Revolution einst dem Volke immer wieder auf das angelegentlichste vorgehalten, daß es sich für die breite Masse ganz gleichbleibe, wie dieser Krieg ausgehe? Haben sie nicht im Gegenteil auf das ernsteste versichert, daß höchstens der "Großkapitalist" ein Interesse an der siegreichen Beendigung des ungeheuren Völkerringens haben könne, niemals aber das deutsche Volk an sich oder gar der deutsche Arbeiter? Ja, erklärten denn diese Weltversöhnungsapostel nicht gerade im Gegenteil, daß durch die deutsche Niederlage nur der "Militarismus" vernichtet, das deutsche Volk aber seine herrlichste Auferstehung feiern würde? Pries man denn nicht in diesen Kreisen die Güte der Entente, und schob man dort nicht die Schuld des ganzen blutigen Ringens auf Deutschland? Hätte man es aber zu tun vermocht ohne die Erklärung, daß auch die militärische Niederlage für die Nation ohne besondere Folgen sein würde? War denn nicht die ganze Revolution mit der Phrase verbrämt, daß durch sie der Sieg der deutschen Fahne verhindert würde, dadurch aber das deutsche Volk seiner inneren und auch größeren Freiheit erst recht entgegengehen werde?War dies nicht etwa so, ihr elenden und verlogenen Burschen?Es gehört schon eine wahrhaft hassische Frechheit dazu, nun der militärischen Niederlage die Schuld am Zusammenbruch beizumessen, während das Zentralorgan aller Landesverräter, der Berliner "Vorwärts", doch schrieb, daß das deutsche Volk dieses Mal seine Fahne nicht mehr siegreich nach Hause bringen dürfe!Und jetzt soll es der Grund unseres Zusammenbruchs sein?Es wäre natürlich ganz wertlos, mit solchen vergeßlichen Lügnern streiten zu wollen, und ich würde deshalb auch gar keine Worte darüber verlieren, wenn nicht dieser Unsinn leider auch von so vielen völlig gedankenlosen Menschen nachgeplappert würde, ohne daß gerade Bosheit oder bewußte Unwahrhaftigkeit dazu die Veranlassung gaben. Weiter auch sollen die Erörterungen für unsere Kämpfer der Aufklärung Hilfsmittel bieten, die ohnehin sehr nötig sind in einer Zeit, da einem das gesprochene Wort oft schon im Munde verdreht zu werden pflegt.
So ist zu der Behauptung, der verlorene Krieg trage die Schuld am deutschen Zusammenbruche, folgendes zu tragen:Allerdings war der Verlust des Krieges von einer entsetzlichen Bedeutung für die Zukunft unseres Vaterlandes, allein sein Verlust ist nicht eine Ursache, sondern selber nur wieder eine Folge von Ursachen. Daß ein unglückliches Ende dieses Kampfes auf Leben und Tod zu sehr verlierenden Folgen führen mußte, war ja jedem Einsichtigen und nicht Böswilligen vollkommen klar. Leider aber gab es auch Menschen, denen diese Einsicht zur richtigen Zeit zu fehlen schien, oder die, entgegen ihrem besseren Wissen, dennoch diese Wahrheit erst abstritten und wegleugneten. Das waren zum größten Teil diejenigen, die nach der Erfüllung ihres geheimen Wunsches auf einmal die späte Einsicht in die Katastrophe, die durch sie mit angerichtet wurde, erhielten. Sie aber sind die Schuldigen am Zusammenbruch und nicht der verlorene Krieg, wie sie plötzlich zu sagen und zu wissen belieben. Denn der Verlust desselben war ja nur die Folge ihres Wirkens und nicht, wie sie jetzt behaupten wollen, das Ergebnis einer "schlechten" Führung. Auch der Gegner bestand nicht aus Feiglingen, auch er wußte zu sterben, seine Zahl war vom ersten Tage an größer als die des deutschen Heeres, und seiner technischen Rüstung standen die Arsenale der ganzen Welt zur Verfügung; mithin kann die Tatsache, daß die deutschen Siege, die vier Jahre lang gegen eine ganze Welt erfochten wurden, bei allem Heldenmut und aller "Organisation", nur der überlegenen Führung zu verdanken waren, nicht aus der Welt geleugnet werden. Die Organisation und Leitung des deutschen Heeres waren das Gewaltigste, was die Erde bisher je gesehen. Ihre Mängel lagen in der Grenze der allgemeinen menschlichen Zulänglichkeit überhaupt.
Daß dieses Heer zusammenbrach, war nicht die Ursache unseres heutigen Unglücks, sondern nur die Folge anderer Verbrechen, eine Folge, die allerdings selber wieder den Beginn eines weiteren und dieses Mal sichtbaren Zusammenbruchs einleitete.
Daß dem so ist, geht aus folgendem hervor:Muß eine militärische Niederlage zu einem so restlosen Niederbruch einer Nation und eines Staates führen? Seit wann ist dies das Ergebnis eines unglücklichen Krieges? Gehen denn überhaupt Völker an verlorenen Kriegen an und für sich zugrunde?Die Antwort darauf kann sehr kurz sein: Immer dann, wenn Völker in ihrer militärischen Niederlage die Quittung für ihre innere Fäulnis, Feigheit, Charakterlosigkeit, kurz Unwürdigkeit erhalten. Ist es nicht so, dann wird die militärische Niederlage eher zum Antrieb eines kommenden größeren Aufstieges als zum Leichenstein eines Völkerdaseins.
Die Geschichte bietet unendlich viele Beispiele für die Richtigkeit dieser Behauptung.
Leider ist die militärische Niederlage des deutschen Volkes nicht eine unverdiente Katastrophe, sondern eine verdiente Züchtigung der ewigen Vergeltung. Wir haben diese Niederlage mehr als verdient. Sie ist nur die größte äußere Verfallserscheinung unter einer ganzen Reihe von inneren, die vielleicht in ihrer Sichtbarkeit den Augen der meisten Menschen verborgen geblieben waren, oder die man nach der Vogel-Strauß-Manier nicht sehen wollte.
Man beachte doch einmal die Begleiterscheinungen, unter denen das deutsche Volk diese Niederlage entgegennahm. Hatte man nicht in vielen Kreisen in der schamlosesten Weise geradezu Freude über das Unglück des Vaterlandes geäußert? Wer aber tut dieses, wenn er nicht wirklich eine solche Strafe verdient? Ja, ging man nicht noch weiter und rühmte sich, die Front endlich zum Weichen gebracht zu haben? Und dieses tat nicht etwa der Feind, nein, nein, solche Schande luden Deutsche auf ihr Haupt! Traf sie etwa das Unglück zu Unrecht? Seit wann aber geht man dann noch her und mißt sich selbst auch noch die Schuld am Kriege zu? Und zwar wider bessere Erkenntnis und besseres Wissen!
Nein und nochmals nein: In der Art und Weise, in der das deutsche Volk seine Niederlage entgegennahm, vermag man am deutlichsten zu erkennen, daß die wahre Ursache unseres Zusammenbruches ganz woanders zu suchen ist als in dem rein militärischen Verlust einiger Stellungen oder dem Mißlingen einer Offensive; denn hätte wirklich die Front als solche versagt und wäre durch ihr Unglück das Verhängnis des Vaterlandes hervorgerufen worden, so würde das deutsche Volk die Niederlage ganz anders aufgenommen haben. Dann hätte man das nun folgende Unglück mit zusammengebissenen Zähnen ertragen oder von Schmerz überwältigt beklagt; dann würden Wut und Zorn die Herzen erfüllt haben gegen den durch die Tücke des Zufalls oder auch des Schicksals Willen zum Sieger gewordenen Feind; dann wäre die Nation ähnlich dem römischen Senat den geschlagenen Divisionen entgegengetreten mit dem Danke des Vaterlandes für die bisherigen Opfer und der Bitte, am Reiche nicht zu verzweifeln. Selbst die Kapitulation aber wäre nur mit dem Verstande unterzeichnet worden, während das Herz schon der kommenden Erhebung geschlagen hätte.
So würde eine Niederlage aufgenommen worden sein, die nur dem Verhängnis allein zu danken gewesen wäre. Dann hätte man nicht gelacht und getanzt, hätte sich nicht der Feigheit gerühmt und die Niederlage verherrlicht, hätte nicht die kämpfende Truppe verhöhnt und ihre Fahne und Kokarde in den Schmutz gezerrt, vor allem aber: dann wäre es nie zu jener entsetzlichen Erscheinung gekommen, die einen englischen Offizier, Oberst Repington, zu der verächtlichen Äußerung veranlaßte: "Von den Deutschen ist jeder dritte Mann ein Verräter." Nein, diese Pest hätte dann niemals zu jener erstickenden Flut anzusteigen vermocht, die nun seit fünf Jahren aber auch den letzten Rest von Achtung auf seiten der übrigen Welt für uns ertränkte.
Darin sieht man die Lüge der Behauptung, daß der verlorene Krieg die Ursache des deutschen Zusammenbruchs wäre, am allerbesten. Nein, dieser militärische Zusammenbruch war selber nur die Folge einer ganzen Reihe von Krankheitserscheinungen und ihrer Erreger, die schon in der Zeit des Friedens die deutsche Nation heimgesucht hatten. Es war dies die erste allen sichtbare katastrophale Folge einer sittlichen und moralischen Vergiftung, einer Minderung des Selbsterhaltungstriebes und der Voraussetzungen hierzu, die schon seit vielen Jahren die Fundamente des Volkes und Reiches zu unterhöhlen begonnen hatten.
Es gehörte aber die ganze bodenlose Verlogenheit des Hasstums und reiner marxistischen Kampforganisation dazu, die Schuld am Zusammenbruche gerade dem Manne aufzubürden, der als einziger mit übermenschlicher Willens- und Tatkraft versuchte, die von ihm vorausgesehene Katastrophe zu verhüten und der Nation die Zeit der tiefsten Erniedrigung und Schmach zu ersparen. Indem man Ludendorff zum Schuldigen am Verluste des Weltkrieges stempelte, nahm man dem einzigen gefährlichen Ankläger, der gegen die Verräter des Vaterlandes aufzustehen vermochte, die Waffen des moralischen Rechtes aus der Hand. Man ging dabei von dem sehr richtigen Grundsätze aus, daß in der Größe der Lüge immer ein gewisser Faktor des Geglaubtwerdens liegt, da die breite Masse eines Volkes im tiefsten Grunde ihres Herzens leichter verdorben als bewußt und absichtlich schlecht sein wird, mithin bei der primitiven Einfalt ihres Gemütes einer großen Lüge leichter zum Opfer fällt als einer kleinen, da sie selber ja wohl manchmal im kleinen lügt, jedoch vor zu großen Lügen sich doch zu sehr schämen würde. Eine solche Unwahrheit wird ihr gar nicht in den Kopf kommen, und sie wird an die Möglichkeit einer so ungeheuren Frechheit der infamsten Verdrehung auch bei anderen nicht glauben können, ja selbst bei Aufklärung darüber noch lange zweifeln und schwanken und wenigstens irgendeine Ursache doch noch als wahr annehmen; daher denn auch von der frechsten Lügenvereine dieser Welt nur zu genau kennen und deshalb auch niederträchtig zur Anwendung bringen.
Die besten Kenner aber dieser Wahrheit über die Möglichkeiten der Anwendung von Unwahrheit und Verleumdung waren zu allen Zeiten die Hass; ist doch ihr ganzes Dasein schon auf einer einzigen großen Lüge aufgebaut, nämlich der, daß es sich bei ihnen um eine Religionsgenossenschaft handle, während es sich um eine Rasse - und zwar was für eine - dreht. Als solche aber hat sie einer der größten Geister der Menschheit für immer festgenagelt in einem ewig richtigen Satze von fundamentaler Wahrheit: er nannte sie "die großen Meister der Lüge". Wer dieses nicht erkennt oder nicht glauben will, der wird nimmermehr auf dieser Welt der Wahrheit zum Siege zu verhelfen vermögen.
Für das deutsche Volk darf man es fast als ein großes Glück betrachten, daß die Zeit seiner schleichenden Erkrankung plötzlich in einer so furchtbaren Katastrophe abgekürzt wurde, denn im anderen Falle wäre die Nation wohl langsamer, aber um so sicherer zugrunde gegangen. Die Krankheit wäre zu einer chronischen geworden, während sie in der akuten Form des Zusammenbruches mindestens den Augen einer größeren Menge klar und deutlich erkennbar wurde. Der Mensch wurde nicht durch Zufall der Pest leichter Herr als der Tuberkulose. Die eine kommt in schrecklichen, die Menschheit aufrüttelnden Todeswellen, die anders in langsamem Schleichen; die eine führt zur entsetzlichen Furcht, die andere zur allmählichen Gleichgültigkeit. Die Folge aber ist, daß der Mensch der einen mit der ganzen Rücksichtslosigkeit seiner Energie entgegentrat, während er die Schwindsucht mit schwächlichen Mitteln einzudämmen versucht. So wurde er der Pest Herr, wahrend die Tuberkulose ihn selber beherrscht.
Genau so verhält es sich auch mit Erkrankungen von Volkskörpern. Wenn sie nicht katastrophal auftreten, beginnt sich der Mensch langsam an sie zu gewöhnen und geht endlich an ihnen, wenn auch erst nach Zeiten, so doch um so gewisser, zugrunde. Es ist dann schon ein - freilich bitteres - Glück, wenn das Schicksal sich entschließt, in diesen langsamen Fäulnisprozeß einzugreifen und mit plötzlichem Schlage das Ende der Krankheit dem von ihr Erfaßten vor Augen führt. Denn darauf kommt eine solche Katastrophe öfter als einmal hinaus. Sie kann dann leicht zur Ursache einer nun mit äußerster Entschlossenheit einsetzenden Heilung werden.
Aber auch in einem solchen Falle ist die Voraussetzung doch wieder das Erkennen der inneren Gründe, die zu der in Frage stehenden Erkrankung die Veranlassung gaben.
Das Wichtigste bleibt auch hier die Unterscheidung der Erreger von den durch sie hervorgerufenen Zuständen. Diese wird um so schwerer werden, je länger die Krankheitsstoffe in dem Volkskörper sich befinden und je mehr sie diesem schon zu einer selbstverständlichen Zugehörigkeit geworden waren. Denn es kann sehr leicht vorkommen, daß man nach einer bestimmten Zeit unbedingt schädliche Gifte als Bestandteil des eigenen Volkstums ansieht oder doch höchstens als notwendiges Übel duldet, so daß ein Suchen nach dem fremden Erreger gar nicht mehr für notwendig erachtet wird.
So waren im langen Frieden der Vorkriegsjahre sehr wohl gewisse Schaden aufgetreten und als solche erkannt worden, obwohl man sich um den Erreger derselben so gut wie gar nicht kümmerte, von einigen Ausnahmen abgesehen. Diese Ausnahmen waren auch hier wieder in erster Linie die Erscheinungen des wirtschaftlichen Lebens, die dem einzelnen stärker zum Bewußtsein kamen als etwa die Schäden auf einer ganzen Reihe von anderen Gebieten.
Es gab viele Verfallszeichen, die zum ernsten Nachdenken hätten anregen müssen.
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In wirtschaftlicher Hinsicht wäre hierzu folgendes zu sagen: Durch die rasende Vermehrung der deutschen Volkszahl vor dem Kriege trat die Frage der Schaffung des nötigen täglichen Brotes in immer schärfer werdender Weise in den Vordergrund alles politischen und wirtschaftlichen Denkens und Handelns. Leider konnte man sich nicht entschließen, zur einzig richtigen Lösung zu schreiten, sondern glaubte auf billigerem Wege das Ziel auch erreichen zu können. Der Verzicht auf die Gewinnung neuen Bodens und ihr Ersatz durch den Wahn einer weltwirtschaftlichen Eroberung mußte am Ende zu einer ebenso schrankenlosen wie schädlichen Industrialisierung führen.
Die erste Folge von schwerster Bedeutung war die dadurch hervorgerufene Schwächung des Bauernstandes. In dem gleichen Maße, in dem dieser zurückging, wuchs die Masse des großstädtischen Proletariates immer mehr an, bis endlich das Gleichgewicht vollständig verloren wurde.
Nun kam auch der schroffe Wechsel von arm und reich so recht zum Vorschein. Überfluß und Elend lebten so nahe beieinander, daß die Folgen davon sehr traurige sein konnten und mußten. Not und häufige Arbeitslosigkeit begannen ihr Spiel mit den Menschen und ließen als Erinnerung Unzufriedenheit und Erbitterung zurück. Die Folge davon schien die politische Klassenspaltung zu sein. Bei aller wirtschaftlichen Blüte wurde so der Unmut den. noch immer größer und tiefer, ja es kam so weit, daß die Überzeugung, "es könne so nicht mehr lange weitergehen", eine allgemeine wurde, ohne daß aber die Menschen sich eine bestimmte Vorstellung von dem, was hätte kommen sollen, machten oder gar nur machen konnten.
Es waren die typischen Zeichen einer tiefen Unzufriedenheit, die auf solche Weise sich zu äußern versuchten.
Schlimmer als dieses aber waren andere Folgeerscheinungen, die die Verwirtschaftlichung der Nation mit sich brachte.
In eben dem Maße, in dem die Wirtschaft zur bestimmenden Herrin des Staates aufstieg, wurde das Geld der Gott, dem alles zu dienen und vor dem sich jeder zu beugen hatte. Immer mehr wurden die himmlischen Götter als veraltet und überlebt in die Ecke gestellt und statt ihnen der Weihrauch dem Götzen Mammon dargebracht. Eine wahrhaft schlimme Entartung setzte ein, schlimm besonders deshalb, weil sie zu einer Zeit eintrat, da die Nation höchste heldische Gesinnung nötiger denn je brauchen konnte. Deutschland mußte sich gefaßt machen, eines Tages mit dem Schwert für seinen Versuch, auf dem Wege einer "friedlichen, wirtschaftlichen Arbeit" sich das tägliche Brot zu sichern, einzustehen.
Die Herrschaft des Geldes wurde leider auch von der Stelle aus sanktioniert, die sich am meisten dagegen hätte auflehnen müssen: Seine Majestät der Kaiser handelte unglücklich, als er besonders den Adel in den Bannkreis des neuen Finanzkapitals hineinzog. Freilich mußte man ihm zugute rechnen, daß leider selbst Bismarck in dieser Hinsicht die drohende Gefahr nicht erkannte. Damit aber waren die ideellen Tugenden praktisch hinter den Wert des Geldes getreten, denn es war klar, daß, auf solchem Wege erst begonnen, der Schwertadel in kurzer Zeit schon hinter dem Finanzadel zurücktreten mußte. Geldoperationen gelingen leichter als Schlachten. So war es auch nicht mehr einladend für den wirklichen Helden oder auch Staatsmann, in Beziehung zum nächstbesten Bankhass gebracht zu werden; der wirklich verdienstvolle Mann konnte kein Interesse an der Verleihung billiger Dekorationen mehr besitzen, sondern lehnte dankend für sich ab. Aber auch rein blutsmäßig betrachtet war eine solche Entwicklung tief traurig: der Adel verlor immer mehr die rassische Voraussetzung zu seinem Dasein, und zu einem großen Teile wäre viel eher die Bezeichnung "Unadel" für ihn am Platze gewesen.
Eine schwere wirtschaftliche Verfallserscheinung war das langsame Ausscheiden des persönlichen Besitzrechtes und allmähliche Übergehen der gesamten Wirtschaft in das Eigentum von Aktiengesellschaften.
Damit ward erst die Arbeit so recht zum Spekulationsobjekt gewissenloser Schacherer herabgesunken; die Entfremdung des Besitzes gegenüber dem Arbeitnehmer aber wurde in das unendliche gesteigert. Die Börse begann zu triumphieren und schickte sich an, langsam, aber sicher das Leben der Nation in ihre Obhut und Kontrolle zu nehmen.
Die Internationalisierung der deutschen Wirtschaft war schon vor dem Kriege über den Umweg der Aktie in die Wege geleitet worden. Freilich versuchte ein Teil der deutschen Industrie, sich noch mit Entschiedenheit vor diesem Schicksale zu bewahren. Sie fiel schließlich aber auch dem vereinigten Angriff des gierigen Finanzkapitals, das diesen Kampf besonders mit Hilfe seines treuesten Genossen, der marxistischen Bewegung, ausfocht, zum Opfer.
Der dauernde Krieg gegen die deutsche "Schwerindustrie" war der sichtbare Beginn der durch den Marxismus erstrebten Internationalisierung der deutschen Wirtschaft, die allerdings erst durch den Sieg des Marxismus in der Revolution ganz zu Ende geführt werden konnte. Während ich dieses niederschreibe, ist ja endlich auch der Generalangriff gegen die Deutsche Reichsbahn gelungen, die nun zu Händen des internationalen Finanzkapitals überwiesen wird. Die "internationale" Sozialdemokratie hat damit wieder eines ihrer Hochziele erreicht.
Wie weit diese "Verwirtschaftung" des deutschen Volkes gelungen war, geht wohl am ersichtlichsten daraus hervor, daß endlich nach dem Kriege einer der führenden Köpfe der deutschen Industrie und vor allem des Handels die Meinung zu äußern vermochte, daß die Wirtschaft als solche allein in der Lage wäre, Deutschland wieder aufzurichten. Dieser Unsinn wurde in dem Augenblick verzapft, da Frankreich den Unterricht seiner Lehranstalten in erster Linie wieder auf die humanistischen Grundlagen stellte, um so dem Irrtum vorzubeugen, als ob die Nation und der Staat ihr Fortbestehen etwa der Wirtschaft und nicht ewigen ideellen Werten verdanken. Die Äußerung, die damals ein Stinnes in die Welt setzte, richtete die unglaublichste Verwirrung an; wurde sie doch sofort aufgegriffen, um nun in staunenswerter Schnelligkeit zum Leitmotiv all der Kurpfuscher und Salbader zu werden, die das Schicksal seit der Revolution als "Staatsmänner" über Deutschland losgelassen hatte.
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Eine der bösesten Verfallserscheinungen war im Deutschland der Vorkriegszeit die allenthalben immer mehr um sich greifende Halbheit in allem und jedem. Sie ist immer eine Folge von einiger Unsicherheit über irgendeine Sache sowie einer aus diesen und anderen Gründen resultierenden Feigheit. Gefördert wurde diese Krankheit noch durch die Erziehung.
Die deutsche Erziehung vor dem Kriege war mit außerordentlich vielen Schwächen behaftet. Sie war in sehr einseitiger Weise auf die Anzüchtung von reinem "Wissen" zugeschnitten und weniger auf das "Können" eingestellt. Noch weniger Wert wurde auf die Ausbildung des Charakters des einzelnen gelegt - soweit diese überhaupt möglich -, ganz wenig auf die Förderung der Verantwortungsfreudigkeit und gar nicht auf die Erziehung des Willens und der Entschlußkraft. Ihre Ergebnisse waren wirklich nicht die starken Menschen, sondern vielmehr die gefügigen "Vielwisser", als die wir Deutsche vor dem Kriege ja allgemein galten und demgemäß auch eingeschätzt wurden. Man liebte den Deutschen, da er sehr gut zu verwenden war, allein man achtete ihn wenig, gerade infolge seiner willensmäßigen Schwäche. Nicht umsonst verlor gerade er am leichtesten unter fast allen Völkern Nationalität und Vaterland. Das schöne Sprichwort "Mit dem Hute in der Hand kommt man durch das ganze Land" besagt alles.
Geradezu verhängnisvoll wurde diese Gesellschaft aber, als sie auch die Form bestimmte, unter der allein es gestattet war, dem Monarchen entgegenzutreten. Die Form verlangte demgemäß: Nie widersprechen, sondern alles und jedes gutheißen, was Seine Majestät zu geruhen beliebt. Gerade an dieser Stelle aber war freie Manneswürde am nötigsten, die monarchische Institution mußte sonst eines Tages an dieser Kriecherei zugrunde gehen; denn es war Kriecherei und sonst nichts weiter! Und nur elenden Kriechern und Schliefern, kurz, der ganzen Dekadenz, die sich an den allerhöchsten Thronen von jeher wohler gefühlt hatte als die redlichen und anständig ehrlichen Seelen, vermag dies als die allein gegebene Form des Verkehrs mit den Trägern einer Krone zu gelten! Diese "alleruntertänigsten" Kreaturen haben allerdings, bei aller Demut vor ihrem Herrn und Brotgeber, schon von jeher die größte Unverfrorenheit der anderen Menschheit gegenüber bewiesen, am stärksten dann, wenn sie sich mit frecher Stirn als einzig "monarchisch" den übrigen Sündern vorzustellen beliebten; eine wirkliche Unverschämtheit, wie sie nur so ein geadelter oder auch ungeadelter Spulwurm fertigbringt! Denn in Wahrheit sind diese Menschen noch immer die Totengräber der Monarchie und besonders des monarchischen Gedankens gewesen. Es ist dies auch gar nicht anders denkbar: ein Mann, der bereit ist, für eine Sache einzustehen, wird und kann niemals ein Schleicher und charakterloser Kriecher sein. Wem es wirklich ernst ist um die Erhaltung und Förderung einer Institution, der wird mit der letzten Faser seines Herzens an ihr hängen und es gar nicht zu verwinden vermögen, wenn sich in ihr irgendwelche Schäden zeigen. Der wird dann allerdings nicht in aller Öffentlichkeit herumschreien, wie dies in genau so verlogener Weise die demokratischen "Freunde" der Monarchie taten, wohl aber Seine Majestät, den Träger der Krone selber, auf das ernstlichste warnen und zu bestimmen versuchen. Er wird sich dabei nicht auf den Standpunkt stellen und stellen dürfen, daß es seiner Majestät dabei frei bleibe, doch noch nach seinem Willen zu handeln, auch wenn dies ersichtlich zu einem Unheil führen muß und wird, sondern er wird in einem solchen Falle die Monarchie vor dem Monarchen in Schutz zu nehmen haben, und zwar auf jede Gefahr hin. Wenn der Wert dieser Einrichtung in der jeweiligen Person des Monarchen läge, dann wäre dies die schlechteste Institution, die sich nur denken läßt; denn die Monarchen sind nur in den seltensten Fällen Auslesen der Weisheit und Vernunft oder auch nur des Charakters, wie man dies gerne hinstellen möchte. Das glauben nur die berufsmäßigen Kriecher und Schleicher, aber alle geraden Menschen - und dies sind denn doch noch die wertvollsten des Staates - werden sich durch das Vertreten eines solchen Unsinns nur zurückgestoßen fühlen. Für sie ist eben Geschichte Geschichte und Wahrheit Wahrheit, auch wenn es sich dabei um Monarchen handelt. Nein, das Glück, einen großen Monarchen als großen Menschen zu besitzen, wird den Völkern so selten zuteil, daß sie schon zufrieden sein müssen, wenn die Bosheit des Schicksals wenigstens vom allerärgsten Mißgriff absieht.
Somit kann der Wert und die Bedeutung der monarchischen Idee nicht in der Person des Monarchen selber liegen, außer der Himmel entschließt sich, die Krone einem genialen Helden wie Friedrich dem Großen oder einem weisen Charakter wie Wilhelm I. auf die Schläfen zu drücken. Dies kommt in Jahrhunderten einmal vor und kaum öfters. Sonst aber tritt die Idee hier vor die Person, indem nun der Sinn dieser Einrichtung ausschließlich in der Institution an sich zu liegen hat. Damit aber fällt der Monarch selber in den Kreis des Dienens. Auch er ist nun nur mehr ein Rad in diesem Werke und ist als solches demselben verpflichtet. Auch er hat sich nun dem höheren Zweck zu fügen, und "monarchisch" ist dann nicht mehr, wer den Träger der Krone schweigend an derselben freveln läßt, sondern wer dies verhütet. Läge nicht der Sinn in der Idee, sondern in der "geheiligten" Person um jeden Preis, dürfte ja nicht einmal die Absetzung eines ersichtlich geisteskranken Fürsten vorgenommen werden.
Es ist notwendig, heute schon dies niederzulegen, tauchen doch in letzter Zeit immer mehr die Erscheinungen wieder aus dem Verborgenen hervor, deren jämmerlicher Haltung der Zusammenbruch der Monarchie nicht am wenigsten mit zuzuschreiben ist. Mit einer gewissen naiven Unverfrorenheit reden diese Leute jetzt wieder nur mehr von "ihrem" König - den sie aber denn doch vor wenigen Jahren erst in der kritischen Stunde auf das allerjämmerlichste im Stiche gelassen hatten - und beginnen, jeden Menschen, der es nicht fertigbringen will, in ihre verlogenen Tiraden mit einzustimmen, als schlechten Deutschen hinzustellen. Und in Wahrheit sind dies doch genau dieselben Hasenfüße, die im Jahre 1918 vor jeder roten Armbinde auseinander- und auf- und davonsausten, ihren König König sein ließen, die Hellebarde schleunigst mit einem Spazierstock vertauschten, neutrale Krawatten umbanden und als friedliche "Bürger" aber auch schon spurlos verschwanden! Mit einem Schlage waren sie damals weg, diese königlichen Kämpen, und erst nachdem sich der revolutionäre Sturmwind, dank der Tätigkeit anderer, so weit wieder gelegt hatte, daß man sein "Heil dem König, Heil!" wieder in die Lüfte hinausschmettern konnte, begannen diese "Diener und Ratgeber" der Krone wieder vorsichtig aufzutauchen. Nun aber sind sie alle da und äugen sehnsuchtsvoll nach den Fleischtöpfen Ägyptens zurück, können sich kaum mehr halten vor Königstreue und Tatendrang, bis wohl wieder die erste rote Binde eines Tages auf tauchen wird und der ganze Interessentenspuk der alten Monarchie aufs neue, wie die Mäuse vor der Katze, ausreißt!Wären die Monarchen nicht selber schuld an diesen Dingen, könnte man sie nur auf das herzlichste bedauern ob ihrer Verteidiger von heute. Sie dürfen aber jedenfalls überzeugt sein, daß man mit solchen Rittern wohl Throne verliert, aber keine Kronen erficht.
Diese Devotheit jedoch war ein Fehler unserer ganzen Erziehung, der sich nun an dieser Stelle in besonders entsetzlicher Weise rächte. Denn ihr zufolge konnten sich diese jammervollen Erscheinungen an allen Höfen halten und die Grundlagen der Monarchie allmählich aushöhlen. Als das Gebäude dann endlich ins Wanken kam, waren sie wie weggeblasen. Natürlich: Kriecher und Speichellecker lassen sich für ihren Herrn nicht totschlagen. Daß die Monarchen dies niemals wissen und fast grundsätzlich auch nicht lernen, ist von jeher zu ihrem Verderben geworden.
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Eine Folgeerscheinung verkehrter Erziehung war Feigheit vor der Verantwortung und die daraus sich ergebende Schwäche in der Behandlung selbst lebenswichtiger Probleme.
Der Ausgangspunkt dieser Seuche liegt bei uns allerdings zu einem großen Teile in der parlamentarischen Institution, in der die Verantwortungslosigkeit geradezu in Reinkultur gezüchtet wird. Leider ging diese Erkrankung langsam aber auch auf das gesamte sonstige Leben aber, am stärksten auf das staatliche. Man begann überall der Verantwortung auszuweichen und griff aus diesem Grunde am liebsten zu halben und ungenügenden Maßregeln; erscheint doch bei ihrer Anwendung das Maß der persönlich zu tragenden Verantwortung immer auf den kleinsten Umfang herabgedrückt.
Man betrachte nur die Haltung der einzelnen Regierungen gegenüber einer Reihe von wahrhaft schädlichen Erscheinungen unseres öffentlichen Lebens, und man wird die fürchterliche Bedeutung dieser allgemeinen Halbheit und Feigheit vor der Verantwortung leicht erkennen.
Ich nehme nur einige Fälle aus der Unmasse vorhandener Beispiele heraus:Man pflegt gerade in Journalistenkreisen die Presse gerne als eine "Großmacht" im Staate zu bezeichnen. Tatsächlich ist ihre Bedeutung denn auch eine wahrhaft ungeheuerliche. Sie kam überhaupt gar nicht überschätzt werden: bewirkt sie doch wirklich die Fortsetzung der Erziehung im späteren Alter.
Man kann dabei ihre Leser im großen und ganzen in drei Gruppen einteilen:erstens in die, die alles, was sie lesen, glauben; zweitens in solche, die gar nichts mehr glauben; drittens in die Köpfe, welche das Gelesene kritisch prüfen und danach beurteilen.
Die erste Gruppe ist ziffernmäßig die weitaus größte. Sie besteht aus der großen Masse des Volkes und stellt demgemäß den geistig einfachsten Teil der Nation vor. Sie kann aber nicht etwa in Berufen benannt werden, sondern höchstens in allgemeinen Intelligenzgraden. Ihr gehören alle an, denen selbständiges Denken weder angeboren noch anerzogen ist, und die teils aus Unfähigkeit, teils aus Nichtkönnen alles glauben, was man ihnen schwarz auf weiß gedruckt vorsetzt. Auch jene Sorte von Faulpelzen gehört dazu, die wohl selber denken könnte, aber aus reiner Denkfaulheit heraus dankbar alles aufgreift, was ein anderer schon gedacht hat, in der bescheidenen Voraussetzung, daß dieser sich schon richtig angestrengt haben wird. Bei all diesen Menschen nun, die die große Masse vorstellen, wird der Einfluß der Presse ein ganz ungeheurer sein. Sie sind nicht in der Lage oder nicht willens, das ihnen Dargebotene selber zu prüfen, so daß ihre gesamte Einstellung zu allen Tagesproblemen nahezu ausschließlich auf die äußere Beeinflussung durch andere zurückzuführen ist. Dies kann von Vorteil sein dann, wenn ihre Aufklärung von ernster und wahrheitsliebender Seite vorgenommen wird, ist jedoch von Unheil, sowie dies Lumpen und Lügner besorgen.
Die zweite Gruppe ist in der Zahl schon wesentlich kleiner. Sie ist zum Teil aus Elementen zusammengesetzt, die erst zur ersten Gruppe gehörten, um nach langen bitteren Enttäuschungen nun in das Gegenteil umzuschlagen und überhaupt nichts mehr zu glauben, sofern es nur gedruckt vor ihr Auge kommt. Sie hassen jede Zeitung, lesen sie entweder überhaupt nicht oder ärgern sich ausnahmslos aber den Inhalt, da er ihrer Meinung nach ja doch nur aus Lüge und Unwahrheit zusammengesetzt ist. Diese Menschen sind sehr schwer zu behandeln, da sie auch der Wahrheit immer mißtrauisch gegenüberstehen werden. Sie sind damit für jede positive Arbeit verloren.
Die dritte Gruppe endlich ist die weitaus kleinste; sie besteht aus den geistig wirklich feinen Köpfen, die natürliche Veranlagung und Erziehung selbständig denken gelehrt hat, die sich aber alles ihr eigenes Urteil zu bilden versuchen und die alles Gelesene auf das gründlichste noch einmal einer eigenen Prüfung und Weiterentwicklung unterziehen. Sie werden keine Zeitung anschauen, ohne in ihrem Gehirn dauernd mitzuarbeiten, und der Verfasser hat dann keinen leichten Stand. Die Journalisten lieben solche Leser denn auch nur mit Zurückhaltung.
Für die Angehörigen dieser dritten Gruppe ist allerdings der Unsinn, den eine Zeitung zusammenschmieren mag, wenig gefährlich oder auch nur bedeutungsvoll. Sie haben sich ohnehin zumeist im Laufe eines Lebens angewöhnt, in jedem Journalisten grundsätzlich einen Spitzbuben zu sehen, der nur manches Mal die Wahrheit spricht. Leider aber liegt die Bedeutung dieser prachtvollen Menschen eben nur in ihrer Intelligenz und nicht in der Zahl - ein Unglück in einer Zeit, in der die Weisheit nichts und die Majorität alles ist! Heute, da der Stimmzettel der Masse entscheidet, liegt der ausschlaggebende Wert eben bei der zahlreichsten Gruppe, und diese ist die erste: der Haufe der Einfältigen und Leichtgläubigen.
Es ist ein Staats- und Volksinteresse ersten Ranges, zu verhindern, daß diese Menschen in die Hände schlechter, unwissender oder gar übelwollender Erzieher geraten. Der Staat hat deshalb die Pflicht, ihre Erziehung zu überwachen und jeden Unfug zu verhindern. Er muß dabei besonders der Presse auf die Finger sehen; denn ihr Einfluß ist auf diese Menschen der weitaus stärkste und eindringlichste, da er nicht vorübergehend, sondern fortgesetzt zur Anwendung kommt. In der Gleichmäßigkeit und ewigen Wiederholung dieses Unterrichts liegt seine ganz unerhörte Bedeutung. Wenn also irgendwo, dann darf gerade hier der Staat nicht vergessen, daß alle Mittel einem Zwecke zu dienen haben; er darf sich nicht durch das Geflunker einer sogenannten "Pressefreiheit" beirren und beschwatzen lassen, seine Pflicht zu versäumen und der Nation die Kost vorzuenthalten, die sie braucht und die ihr gut tut; er muß mit rücksichtsloser Entschlossenheit sich dieses Mittels der Volkserziehung versichern und es in den Dienst des Staates und der Nation stellen.
Welche Kost aber hat die deutsche Presse der Vorkriegszeit den Menschen vorgesetzt? War es nicht das ärgste Gift, das man sich nur vorzustellen vermag? Wurde dem Herzen unseres Volkes nicht schlimmster Pazifismus zu einer Zeit eingeimpft, da die andere Welt sich schon an. schickte, Deutschland langsam, aber sicher abzudrosseln? Hatte die Presse nicht schon im Frieden dem Gehirn des Volkes, den Zweifel an das Recht des eigenen Staates eingeflößt, um es so in der Wahl der Mittel zu seiner Verteidigung von vornherein zu beschränken? War es nicht die deutsche Presse, die den Unsinn der "westlichen Demokratie" unserem Volke schmackhaft zu machen verstand, bis dieses endlich, von all den begeisterten Tiraden gefangen, glaubte, seine Zukunft einem Völkerbunde anvertrauen zu können? Hat sie nicht mitgeholfen, unser Volk zu einer elenden Sittenlosigkeit zu erziehen? Wurden nicht Moral und Sitte von ihr lächerlich gemacht, als rückständig und spießig gedeutet, bis endlich auch unser Volk "modern" wurde? Hat sie nicht in dauerndem Angriff die Grundfesten der Staatsautorität so lange unterhöhlt, bis ein einziger Stoß genügte, um dieses Gebäude zum Einsturz zu bringen? Hat sie nicht einst gegen jeden Willen, dem Staate zu geben, was des Staates ist, mit allen Mitteln angekämpft, nicht in dauernder Kritik das Heer herabgesetzt, die allgemeine Wehrpflicht sabotiert, zur Verweigerung der militärischen Kredite aufgefordert usw., bis der Erfolg nicht mehr ausbleiben konnte?Die Tätigkeit der sogenannten liberalen Presse war Totengräberarbeit am deutschen Volk und Deutschen Reich. Von den marxistischen Lügenblättern kann man dabei überhaupt schweigen; ihnen ist das Lügen genau so Lebensnotwendigkeit wie der Katze das Mausen; ist doch ihre Aufgabe nur, dem Volke das völkische und nationale Rückgrat zu brechen, um es reif zu machen für das Sklavenjoch des internationalen Kapitals und seiner Herren, der Hass.
Was aber hat der Staat gegen diese Massenvergiftung der Nation unternommen? Nichts, aber rein gar nichts! Ein paar lächerliche Erlasse, ein paar Strafen gegen allzu heftige Niederträchtigkeit, und damit war Schluß. Dafür aber hoffte man, sich diese Seuche wohlgeneigt zu machen durch Schmeicheleien, durch Anerkennung des "Wertes" der Presse, ihre "Bedeutung", ihrer "erzieherischen Mission" und ähnlichen Blödsinns mehr - die Hass aber nahmen es schlau lächelnd entgegen und quittierten mit verschmitztem Dank.
Der Grund jedoch zu diesem schmählichen Versagen des Staates lag nicht so sehr im Nichterkennen der Gefahr, als vielmehr in einer zum Himmel schreienden Feigheit und der daraus geborenen Halbheit aller Entschlüsse und Maßnahmen. Es hatte niemand den Mut, durchgreifende Radikalmittel anzuwenden, sondern man pfuschte hier wie überall mit lauter halben Rezepten herum, und statt den Stoß ins Herz hinein zu führen, reizte man die Viper höchstens - mit dem Ergebnis, daß nicht nur alles beim alten blieb, sondern im Gegenteil die Macht der zu bekämpfenden Institutionen von Jahr zu Jahr zunahm.
Der Abwehrkampf der damaligen deutschen Regierung gegen die die Nation langsam verderbende Presse, hauptsächlich hassischer Herkunft, war ohne jede gerade Linie, ohne Entschlossenheit, vor allem aber ohne jedes sichtbare Ziel. Hier versagte der geheimrätliche Verstand vollständig, sowohl in der Einschätzung der Bedeutung dieses Kampfes wie auch in der Wahl der Mittel und der Festlegung eines klaren Planes. Planlos dokterte man herum, sperrte manchmal, wenn man zu sehr gebissen wurde, eine solche journalistische Kreuzotter auf einige Wochen oder auch Monate ein, das Schlangennest als solches aber ließ man schön in Ruhe.
Freilich - zum Teil war dies auch die Folge der unendlich schlauen Taktik der Hassheit auf der einen und einer wirklich geheimrätlichen Dummheit und Harmlosigkeit auf der anderen Seite. Der Hass war viel zu klug, als daß er seine gesamte Presse gleichmäßig hatte angreifen lassen. Nein, ein Teil derselben war da, um den anderen zu decken. Während die marxistischen Zeitungen in der gemeinsten Weise gegen alles, was Menschen heilig zu sein vermag, in das Feld zogen, Staat und Regierung in der infamsten Weise angriffen und große Volksteile gegeneinander hetzten, verstanden es die bürgerlich-demokratischen Hassblätter, sich den Anschein der berühmten Objektivität zu geben, mieden peinlich alle Kraftworte, genau wissend, daß alle Hohlköpfe nur nach dem Äußeren zu urteilen vermögen und nie die Fähigkeit besitzen, in das Innere einzudringen, so daß für sie der Wert einer Sache nach diesem Äußeren bemessen wird statt nach dem Inhalt; eine menschliche Schwäche, der sie auch die eigene Beachtung verdanken.
Für diese Leute war und ist freilich die "Frankfurter Zeitung" der Inbegriff aller Anständigkeit. Verwendet sie doch niemals rohe Ausdrücke, lehnt jede körperliche Brutalität ab und appelliert immer an den Kampf mit den "geistigen" Waffen, der eigentümlicherweise gerade den geistlosesten Menschen am meisten am Herz liegt. Das ist ein Ergebnis unserer Halbbildung, die die Menschen von dem Instinkt der Natur loslöst, ihnen ein gewisses Wissen einpumpt, ohne sie aber zur letzten Erkenntnis führen zu können, da hierzu Fleiß und guter Wille allem nichts zu nützen vermögen, sondern der nötige Verstand, und zwar als angeboren, da sein muß. Die letzte Erkenntnis aber ist immer das Verstehen der Instinktursachen - das heißt: der Mensch darf niemals in den Irrsinn verfallen, zu glauben, daß er wirklich zum Herrn und Meister der Natur aufgerückt sei - wie der Dünkel einer Halbbildung dies so leicht vermittelt -, sondern er muß die fundamentale Notwendigkeit des Waltens der Natur verstehen und begreifen, wie sehr auch sein Dasein diesen Gesetzen des ewigen Kampfes und Ringens nach oben unterworfen ist. Er wird dann fühlen, daß in einer Welt, in der Planeten um Sonnen kreisen, Monde um Planeten ziehen, in der immer nur die Kraft Herrin der Schwache ist und sie zum gehorsamen Diener zwingt oder zerbricht, für den Menschen nicht Sondergesetze gelten können. Auch für ihn walten die ewigen Grundsätze dieser letzten Weisheit. Er kann sie zu erfassen versuchen, sich von ihnen zu lösen vermag er niemals.
Gerade für unsere geistige Halbwelt aber schreibt der Hass seine sogenannte Intelligenzpresse. Für sie Sind die "Frankfurter Zeitung" und das "Berliner Tageblatt" gemacht, für sie ist ihr Ton abgestimmt, und auf diese üben sie ihre Wirkung aus. Indem sie alle scheinbar äußerlich rohen Formen auf das sorgfältigste vermeiden, gießen sie das Gift aus anderen Gefäßen dennoch in die Herzen ihrer Leser. Unter einem Geseire von schönen Tönen und Redensarten lullen sie dieselben in den Glauben ein, als ob wirklich reine Wissenschaft oder gar Moral die Triebkräfte ihres Handelns seien, wahrend es in Wahrheit nur die ebenso geniale wie gerissene Kunst ist, dem Gegner auf solche Weise die Waffe gegen die Presse überhaupt aus der Hand zu stehlen. Denn indem die einen vor Anstand triefen, glauben ihnen alle Schwachköpfe um so lieber, daß es sich bei den anderen nur um leichte Auswüchse handle, die aber niemals zu einer Verletzung der Pressefreiheit - wie man den Unfug dieser straflosen Volksbelügung und Volksvergiftung bezeichnet - führen dürften. So scheut man sich, gegen dieses Banditentum vorzugehen, fürchtet man doch, in einem solchen Falle auch sofort die "anständige" Presse gegen sich zu haben; eine Furcht, die auch nur zu begründet ist. Denn sobald man versucht, gegen eine dieser Schandzeitungen vorzugehen, werden sofort alle anderen deren Partei ergreifen, beileibe nicht etwa, um ihre Art des Kampfes gutzuheißen, Gott bewahre - nur um das Prinzip der Pressefreiheit und der Freiheit der öffentlichen Meinung dreht es sich; allein dieses soll verteidigt werden. Vor diesem Geschrei aber werden die stärksten Männer schwach, kommt es doch aus dem Munde von lauter "anständigen" Blättern.
So konnte dieses Gift ungehindert in den Blutlauf unseres Volkes eindringen und wirken, ohne daß der Staat die Kraft besaß, der Krankheit Herr zu werden. In den Lächerlichen halben Mitteln, die er dagegen anwandte, zeigte sich der bereits drohende Verfall des Reiches. Denn eine Institution, die nicht mehr entschlossen ist, sich selbst mit allen Waffen zu schützen, gibt sich praktisch auf. Jede Halbheit ist das sichtbare Zeichen des inneren Verfalls, dem der äußere Zusammenbruch früher oder später folgen muß und wird.
Ich glaube, daß die heutige Generation, richtig geleitet, dieser Gefahr leichter Herr werden wird. Sie hat verschiedene Dinge miterlebt, die die Nerven bei dem, der sie nicht überhaupt verlor, etwas zu stärken vermochten. Sicher wird auch in kommender Zeit der Hass in seinen Zeitungen ein gewaltiges Geschrei erheben, wenn sich erst einmal die Hand auf sein Lieblingsnest legt, dem Presseunfug ein Ende macht, auch dieses Erziehungssmittel in den Dienst des Staates stellt und nicht mehr in der Hand von Volksfremden und Volksfeinden beläßt. Allein ich glaube, daß dies uns Jüngere weniger belästigen wird als einstens unsere Väter. Eine Dreißig-Zentimeter-Granate zischte immer noch mehr als tausend hassische Zeitungsvipern - also laßt sie denn nur zischen!
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Ein weiteres Beispiel für Halbheit und Schwäche in den wichtigsten Lebensfragen der Nation bei der Leitung des Vorkriegsdeutschlands ist folgendes: Parallel der politischen, sittlichen und moralischen Verseuchung des Volkes lief schon seit vielen Jahren eine nicht minder entsetzliche gesundheitliche Vergiftung des Volkskörpers. Die Syphilis begann besonders in den Großstädten immer mehr zu grassieren, während die Tuberkulose gleichmäßig fast im ganzen Lande ihre Todesernte hielt.
Trotzdem in beiden Fällen die Folgen für die Nation entsetzliche waren, vermochte man sich nicht zu entscheidenden Maßnahmen dagegen aufzuraffen.
Besonders der Syphilis gegenüber kann man das Verhalten der Volks- und Staatsleitung nur mit vollkommener Kapitulation bezeichnen. Bei einer ernstgemeinten Bekämpfung mußte man schon etwas weiter ausgreifen, als dies in Wirklichkeit geschah. Die Erfindung eines Heilmittels fraglicher Art sowie dessen geschäftstüchtige Anwendung vermögen bei dieser Seuche nur wenig mehr zu helfen. Auch hier konnte nur der Kampf gegen die Ursachen in Frage kommen und nicht die Beseitigung der Erscheinungen. Die Ursache aber liegt in erster Linie in unserer Prostituierung der Liebe. Auch wenn ihr Ergebnis nicht diese fürchterliche Seuche wäre, wäre sie dennoch von tiefstem Schaden für das Volk, denn es genügen schon die moralischen Verheerungen, die diese Entartung mit sich bringt, um ein Volk langsam, aber sicher zugrunde zu richten. Diese Verhassung unseres Seelenlebens und Mammonisierung unseres Paarungstriebes werden früher oder später unseren gesamten Nachwuchs verderben, denn an Stelle kraftvoller Kinder eines natürlichen Gefühls werden nur mehr die Jammererscheinungen finanzieller Zweckmäßigkeit treten. Denn diese wird immer mehr die Grundlage und einzige Voraussetzung unserer Ehen. Die Liebe aber tobt sich woanders aus.
Eine gewisse Zeit kann man natürlich auch hier die Natur verhöhnen, allein die Rache bleibt nicht aus, sie tritt hier nur später in Erscheinung, oder besser: sie wird von den Menschen oft zu spät erkannt.
Wie verheerend aber die Folgen einer dauernden Mißachtung der natürlichen Voraussetzungen für die Ehe sind, mag man an unserem Adel erkennen. Hier hat man die Ergebnisse einer Fortpflanzung vor sich, die zu einem Teile auf rein gesellschaftlichem Zwang, zum anderen auf finanziellen Gründen beruhte. Das eine führt zur Schwächung überhaupt, das andere zur Blutvergiftung, da jede Warenhaushassin als geeignet gilt, die Nachkommenschaft Seiner Durchlaucht - die allerdings dann danach aussieht - zu ergänzen. In beiden Fällen ist vollkommene Degeneration die Folge.
Unser Bürgertum bemüht sich heute, den gleichen Weg zu gehen, und wird am gleichen Ziele enden.
Mit gleichgültiger Hast versucht man, an den unangenehmen Wahrheiten vorüberzugehen, als ob man durch ein solches Gehaben die Dinge selber ungeschehen machen könnte. Nein, die Tatsache, daß unsere großstädtische Bevölkerung immer mehr in ihrem Liebesleben prostituiert wird und gerade dadurch in immer weiterem Kreise der syphilitischen Seuche anheimfällt, kann nicht einfach weggeleugnet werden, sondern sie ist da. Die sichtbarsten Resultate dieser Massenverseuchung kann man auf der einen Seite in den Irrenanstalten finden, auf der anderen aber leider in unseren - Kindern. Besonders diese sind das traurige Elendserzeugnis der unaufhaltsam fortschreitenden Verpestung unseres Sexuallebens, in den Krankheiten der Kinder offenbaren sich die Laster der Eltern. [Sex]Es gibt verschiedene Wege, sich mit dieser unangenehmen, ja schrecklichen Tatsache abzufinden: Die einen sehen überhaupt nichts oder wollen, besser gesagt, nichts sehen; dieses ist natürlich die weitaus einfachste und billigste "Stellungnahme". Die anderen hüllen sich in den Heiligenmantel einer ebenso lächerlichen wie noch dazu verlogenen Prüderie, reden von dem ganzen Gebiete überhaupt nur als von einer großen Sünde und äußern vor allem vor jedem ertappten Sünder ihre tiefinnerlichste Entrüstung, um dann vor dieser gottlosen Seuche die Augen in frommer Abscheu zu schließen und den lieben Gott zu bitten, er möchte doch - wenn möglich nach ihrem eigenen Tode in dieses ganze Sodom und Gomorrha Schwefel und Pech hineinregnen lassen, um so wieder einmal an dieser schamlosen Menschheit ein erbauliches Exempel zu statuieren. Die dritten endlich sehen sehr wohl die entsetzlichen Folgen, die diese Seuche dereinst mit sich bringen muß und wird, allein sie zucken nur mit den Achseln, überzeugt, ohnehin nichts gegen die Gefahr unternehmen zu können, so daß man die Dinge laufen lassen müsse, wie sie eben laufen.
Dieses alles ist freilich bequem und einfach, nur darf nicht vergessen werden, daß einer solchen Bequemlichkeit eine Nation zum Opfer fallen wird. Die Ausrede, daß es den anderen Völkern ja auch nicht besser gehe, vermag natürlich auch an der Tatsache des eigenen Untergangs kaum etwas zu indem, es wäre denn, daß das Gefühl, auch andere vom Unglück betroffen zu sehen, allein schon für viele eine Milderung der eigenen Schmerzen mit sich brächte. Aber die Frage ist dann ja eben erst recht die, welches Volk von sich aus als erstes und selbst einziges dieser Pest Herr zu werden vermag, und welche Nationen daran zugrunde gehen. Darauf aber kommt es am Schlusse hinaus. Auch dies ist nur ein Prüfstein des Rassenwertes - die Rasse, welche die Probe nicht besteht, wird eben sterben und gesünderen oder doch zäheren und widerstandsfähigeren den Platz räumen. Denn da diese Frage in erster Linie den Nachwuchs betrifft, gehört sie zu denen, von welchen es mit so furchtbarem Recht heißt, daß die Sünden der Väter sich rächen bis in das zehnte Glied eine Wahrheit, die nur von Freveln am Blut und an der Rasse gilt.
Die Sünde wider Blut und Rasse ist die Erbsünde dieser Welt und das Ende einer sich ihr ergebenden Menschheit.
Wie wahrhaft jammervoll aber stand das Vorkriegsdeutschland gerade dieser einen Frage gegenüber. Was geschah, um der Verpestung unserer Jugend in den Großstädten Einhalt zu gebieten? Was, um der Verseuchung und Mammonisierung unseres Liebeslebens auf den Leib zu rücken? Was, um die daraus resultierende Versyphilitisierung des Volkskörpers zu bekämpfen?Die Antwort ergibt sich am leichtesten durch die Feststellung dessen, was hätte geschehen müssen.
Man durfte diese Frage zunächst nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern mußte verstehen, das von ihrer Lösung das Glück oder Unglück von Generationen abhängen würde, ja, daß sie bestimmend für die ganze Zukunft unseres Volkes sein konnte, wenn nicht sein mußte. Eine solche Erkenntnis aber verpflichtete zu rücksichtslosen Maßnahmen und Eingriffen. An die Späte aller Erwägungen hatte die Überzeugung zu treten, daß zu allererst die Aufmerksamkeit der gesamten Nation auf die entsetzliche Gefahr zu konzentrieren war so daß jeder einzelne sich der Bedeutung dieses Kampfes innerlich bewußt zu werden vermochte. Man kann wahrhaft einschneidende und manchmal schwer zu ertragende Verpflichtungen und Lasten nur dann zu einer allgemeinen Wirksamkeit bringen, wenn dem einzelnen außer dem Zwang auch noch die Erkenntnis der Notwendigkeit vermittelt wird. Dazu gehört aber eine ungeheure Aufklärung unter Ausschaltung aller sonst noch ablenkend wirkenden Tagesfragen.
Es muß in allen Fällen, in denen es sich um die Erfüllung scheinbar unmöglicher Forderungen oder Aufgaben handelt, die gesamte Aufmerksamkeit eines Volkes nur auf diese eine Frage geschlossen vereinigt werden, so, als ob von ihrer Lösung tatsächlich Sein oder Nichtsein abhänge. Nur so wird man ein Volk zu wahrhaft großen Leistungen und Anstrengungen willig und fähig machen.
Dieser Grundsatz gilt auch für den einzelnen Menschen, sofern er große Ziele erreichen will. Auch er wird dies nur in stufenförmigen Abschnitten zu tun vermögen, auch er wird dann immer seine gesamten Anstrengungen auf die Erreichung einer bestimmt begrenzten Aufgabe zu vereinigen haben, so lange, bis diese Erfüllung erscheint und die Absteckung eines neuen Abschnittes vorgenommen werden kann. Wer nicht diese Teilung des zu erobernden Weges in einzelne Etappen vornimmt und diese dann planmäßig unter schärfster Zusammenfassung aller Kräfte einzeln zu überwinden trachtet, wird niemals bis zum Schlußziel zu gelangen vermögen, sondern irgendwo auf dem Wege, vielleicht sogar abseits desselben, liegen bleiben. Dieses Heranarbeiten an das Ziel ist eine Kunst und erfordert jeweils den Einsatz aber auch der letzten Energie, um so Schritt für Schritt den Weg zu überwinden.
Die allererste Vorbedingung also, die zum Angriff auf eine so schwere Teilstrecke des menschlichen Weges not tut, ist die, daß es der Führung gelingt, der Masse des Volkes gerade das jetzt zu erreichende, besser zu erkämpfende Teil. ziel als das einzig und allein der menschlichen Aufmerksamkeit würdige, von dessen Eroberung alles abhinge, hinzustellen. Die große Menge des Volkes kann ohnehin nie den ganzen Weg vor sich sehen, ohne zu ermüden und an der Aufgabe zu verzweifeln. Sie wird in einem gewissen Umfang das Ziel im Auge behalten, den Weg aber nur in kleinen Teilstrecken zu übersehen vermögen, ähnlich dem Wanderer, der ebenfalls wohl das Ende seiner Reise weiß und kennt, der aber die endlose Straße besser überwindet, wenn er sich dieselbe in Abschnitte zerlegt und auf jeden einzelnen losmarschiert, als ob er schon das ersehnte Ziel selber wäre. Nur so kommt er, ohne zu verzagen, dennoch vorwärts.
So hatte man unter Anwendung aller propagandistischen Hilfsmittel die Frage der Bekämpfung der Syphilis als die Aufgabe der Nation erscheinen lassen müssen, nicht als auch eine Aufgabe. Man hatte zu diesem Zweck ihre Schäden als das entsetzlichste Unglück in vollem Umfange, und zwar unter Anwendung aller Hilfsmittel, den Menschen einhämmern müssen, bis die ganze Nation zur Überzeugung gekommen wäre, daß von der Lösung dieser Frage eben alles abhinge, Zukunft oder Untergang.
Erst nach einer solchen, wenn nötig, jahrelangen Vorbereitung wird die Aufmerksamkeit und damit aber auch Entschlossenheit eines ganzen Volkes so sehr geweckt sein, daß man nun auch zu sehr schweren und opfervollen Maßnahmen wird greifen können, ohne Gefahr laufen zu müssen, vielleicht nicht verstanden oder plötzlich vom Wollen der Masse im Stiche gelassen zu werden.
Denn um dieser Pest ernstlich an den Leib zu rücken, sind ungeheure Opfer und ebenso große Arbeiten nötig.
Der Kampf gegen die Syphilis erfordert einen Kampf gegen die Prostitution, gegen Vorurteile, alte Gewohnheiten, gegen bisherige Vorstellungen, allgemeine Ansichten, darunter nicht zum letzten gegen die verlogene Prüderie in gewissen Kreisen.
Die erste Voraussetzung zu einem, aber auch nur moralischen Rechte, gegen diese Dinge anzukämpfen, ist die Ermöglichung einer frühen Verehelichung der kommenden Generationen. Im späten Heiraten liegt allein schon der Zwang zur Beibehaltung einer Einrichtung, die, da kann man sich winden, wie man will, eine Schande der Menschheit ist und bleibt, eine Einrichtung, die verflucht schlecht einem Wesen ansteht, das sich in sonstiger Bescheidenheit gern als das "Ebenbild" Gottes ansieht.
Die Prostitution ist eine Schmach der Menschheit, allein man kann sie nicht beseitigen durch moralische Vorlesungen, frommes Wollen usw., sondern ihre Einschränkung und ihr endlicher Abbau setzen eine Unzahl von Vorbedingungen voraus. Die erste aber ist und bleibt die Schaffung der Möglichkeit einer der menschlichen Natur entsprechenden frühzeitigen Heirat vor allem des Mannes, denn die Frau ist ja hier ohnehin nur der passive Teil.
Wie verirrt, ja unverständlich aber die Menschen heute zum Teil schon geworden sind, mag daraus hervorgehen, daß man nicht selten Mütter der sogenannten "besseren" Gesellschaft reden hört, sie wären dankbar, für ihr Kind einen Mann zu finden, der sich die "Hörner bereits abgestoßen habe" usw. Da daran meistens weniger Mangel ist als umgekehrt, so wird das arme Mädel schon glücklich einen solchen enthörnten Siegfried finden, und die Kinder werden das sichtbare Ergebnis dieser vernünftigen Ehe sein. Wenn man bedenkt, daß außerdem noch eine möglichst große Einschränkung der Zeugung an sich erfolgt, so daß der Natur jede Auslese unterbunden wird, da natürlich jedes auch noch so elende Wesen erhalten werden muß, so bleibt wirklich nur die Frage, warum eine solche Institution überhaupt noch besteht und welchen Zweck sie haben soll? Ist es dann nicht genau dasselbe wie die Prostitution an sich? Spielt die Pflicht der Nachwelt gegenüber überhaupt keine Rolle mehr? Oder weiß man nicht, welchen Fluch man sich bei Kind und Kindeskind aufladet durch eine der. artige verbrecherisch leichtsinnige Weise in der Wahrung des letzten Naturrechtes, aber auch der letzten Naturverpflichtung?So entarten die Kulturvölker und gehen allmählich unter.
Auch die Ehe kann nicht Selbstzweck sein, sondern muß dem einen größeren Ziele, der Vermehrurig und Erhaltung der Art und Rasse, dienen. Nur das ist ihr Sinn und ihre Aufgabe.
Unter diesen Voraussetzungen aber kann ihre Richtigkeit nur an der Art gemessen werden, in der sie diese Aufgabe erfüllt. Daher schon ist die frühe Heirat richtig, gibt sie doch der jungen Ehe noch jene Kraft, aus der allein ein gesunder und widerstandsfähiger Nachwuchs zu kommen vermag. Freilich ist zu ihrer Ermöglichung eine ganze Reihe von sozialen Voraussetzungen nötig, ohne die an eine frühe Verehelichung gar nicht zu denken ist. Mithin kann eine Lösung dieser nur so kleinen Frage schon nicht stattfinden ohne einschneidende Maßnahmen in sozialer Hinsicht. Welche Bedeutung diesen zukommt, sollte man am meisten in einer Zeit begreifen, da die sogenannte "Soziale" Republik durch ihre Unfähigkeit in der Lösung der Wohnungsfrage allein zahlreiche Ehen einfach verhindert und der Prostitution auf solche Weise Vorschub leistet.
Der Unsinn unserer Art der Gehaltseinteilung, die viel zu wenig Rücksicht nimmt auf die Frage der Familie und ihre Ernährung, ist ebenfalls ein Grund, der so manche frühe Ehe unmöglich macht.
Es kann also an eine wirkliche Bekämpfung der Prostitution nur herangegangen werden, wenn durch eine grundsätzliche Änderung der sozialen Verhältnisse eine frühere Verheiratung, als sie jetzt im allgemeinen stattfinden kann, ermöglicht wird. Dies ist die allerbeste Voraussetzung zu einer Lösung dieser Frage.
In zweiter Linie aber hat Erziehung - und Ausbildung eine ganze Reihe von Schäden auszumerzen, um die man sich heute überhaupt fast nicht kümmert. Vor allem muß in der bisherigen Erziehung ein Ausgleich zwischen geistigem Unterricht und körperlicher Ertüchtigung eintreten. Was heute Gymnasium heißt, ist ein Hohn auf das griechische Vorbild. Man hat bei unserer Erziehung vollkommen vergessen, daß auf die Dauer ein gesunder Geist auch nur in einem gesunden Körper zu wohnen vermag. Besonders wenn man, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, die große Masse eines Volkes ins Auge fast, erhält dieser Satz unbedingte Gültigkeit.
Es gab im Vorkriegsdeutschland eine Zeit, in der man sich überhaupt um diese Wahrheit nicht mehr kümmerte. Man sündigte einfach auf den Körper los und vermeinte, in der einseitigen Ausbildung des "Geistes" eine sichere Gewähr für die Größe der Nation zu besitzen. Ein Irrtum, der sich schneller zu rächen begann, als man dachte. Es ist kein Zufall, daß die bolschewistische Welle nirgends besseren Boden fand als dort, wo eine durch Hunger und dauernde Unterernährung degenerierte Bevölkerung haust: in Mitteldeutschland, Sachsen und im Ruhrgebiet. In allen diesen Gebieten findet aber auch von der sogenannten Intelligenz ein ernstlicher Widerstand gegen diese Hasskrankheit kaum mehr statt, aus dem einfachen Grunde, weil ja auch die Intelligenz selber körperlich vollständig verkommen ist, wenn auch weniger durch Gründe der Not als durch Gründe der Erziehung. Die ausschließlich geistige Einstellung unserer Bildung in den oberen Schichten macht diese unfähig in Zeiten, in denen nicht der Geist, sondern die Faust entscheidet, sich auch nur zu halten, geschweige denn durchzusetzen. In körperlichen Gebrechen liegt nicht selten der erste Grund zur persönlichen Feigheit.
Die übermäßige Betonung des rein geistigen Unterrichtes und die Vernachlässigung der körperlichen Ausbildung fördern aber auch in viel zu früher Jugend die Entstehung sexueller Vorstellungen. Der Junge, der in Sport und Turnen zu einer eisernen Abhärtung gebracht wird, unterliegt dem Bedürfnis sinnlicher Befriedigungen weniger als der ausschließlich mit geistiger Kost gefütterte Stubenhocker. Eine vernünftige Erziehung aber hat dies zu berücksichtigen. Sie darf ferner nicht aus dem Auge verlieren, daß die Erwartungen des gesunden jungen Mannes von der Frau andere sein werden als die eines vorzeitig verdorbenen Schwächlings.
So muß die ganze Erziehung darauf eingestellt werden, die freie Zeit des Jungen zu einer nützlichen Ertüchtigung seines Körpers zu verwenden. Er hat kein Recht, in diesen Jahren müßig herumzulungern, Straßen und Kinos unsicher zu machen, sondern soll nach seinem sonstigen Tageswerk den jungen Leib stählen und hart machen, auf daß ihn dereinst auch das Leben nicht zu weich finden möge. Dies anzubahnen und auch durchzuführen, zu lenken und zu leiten ist die Aufgabe der Jugenderziehung, und nicht das ausschließliche Einpumpen sogenannter Weisheit. Sie hat auch mit der Vorstellung aufzuräumen, als ob die Behandlung seines Körpers jedes einzelnen Sache selber wäre. Es gibt keine Freiheit, auf Kosten der Nachwelt und damit der Rasse zu sündigen.
Gleichlaufend mit der Erziehung des Körpers hat der Kampf gegen die Vergiftung der Seele einzusetzen. Unser gesamtes öffentliches Leben gleicht beute einem Treibhaus sexueller Vorstellungen und Reize. Man betrachte doch den Speisezettel unserer Kinos, Varietés und Theater, und man kann wohl kaum leugnen, daß dies nicht die richtige Kost, vor allem für die Jugend, ist. In Auslagen und an Anschlagsäulen wird mit den niedrigsten Mitteln gearbeitet, um die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zu ziehen. Daß dies für die Jugend zu außerordentlich schweren Schädigungen führen muß, ist wohl jedem, der nicht die Fähigkeit, sich in ihre Seele hineinzudenken, verloren hat, verständlich. Diese sinnlich schwüle Atmosphäre führt zu Vorstellungen und Erregungen in einer Zeit, da der Knabe für solche Dinge noch gar kein Verständnis haben dürfte. Das Ergebnis dieser Art von Erziehung kann man an der heutigen Jugend in nicht gerade erfreulicher Weise studieren. Sie ist frühreif und damit auch vorzeitig alt geworden. Aus den Gerichtssälen dringen manches Mal Vorginge an die Öffentlichkeit, die grauenhafte Einblicke in das Seelenleben unserer 14- und 15jährigen gestatten. Wer will sich da wundern, daß schon in diesen Alterskreisen die Syphilis ihre Opfer zu suchen beginnt? Und ist es nicht ein Jammer, zu sehen, wie so mancher körperlich schwächliche, geistig aber verdorbene junge Mensch seine Einführung in die Ehe durch eine großstädtische Hure vermittelt erhält?Nein, wer der Prostitution zu Leibe gehen will, muß in erster Linie die geistige Voraussetzung zu derselben beseitigen helfen. Er muß mit dem Unrat unserer sittlichen Verpestung der großstädtischen "Kultur" aufräumen, und zwar rücksichtslos und ohne Schwanken vor allem Geschrei und Gezeter, das natürlich losgelassen werden wird. Wenn wir die Jugend nicht aus dem Morast ihrer heutigen Umgebung herausheben, wird sie in demselben untersinken. Wer diese Dinge nicht sehen will, unterstützt sie und macht sich dadurch zum Mitschuldigen an der langsamen Prostituierung unserer Zukunft, die nun einmal in der werdenden Generation liegt. Dieses Reinemachen unserer Kultur hat sich auf fast alle Gebiete zu erstrecken. Theater, Kunst, Literatur, Kino, Presse, Plakat und Auslagen sind von den Erscheinungen einer verfaulenden Welt zu säubern und in den Dienst einer sittlichen Staats- und Kulturidee zu stellen. Das öffentliche Leben muß von dem erstickenden Parfüm unserer modernen Erotik befreit werden, genau so wie von jeder unmännlichen prüden Unaufrichtigkeit. In allen diesen Dingen muß das Ziel und der Weg bestimmt werden von der Sorge für die Erhaltung der Gesundheit unseres Volkes an Leib und Seele. Das Recht der persönlichen Freiheit tritt zurück gegenüber der Pflicht der Erhaltung der Rasse. [Sex]Erst nach der Durchführung dieser Maßnahmen kann der medizinische Kampf gegen die Seuche selber mit einiger Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden. Allein auch dabei kann es sich nicht um halbe Maßregeln handeln, sondern auch hier wird man zu den schwersten und einschneidendsten Entschlüssen kommen müssen. Es ist eine Halbheit, unheilbar kranken Menschen die dauernde Möglichkeit einer Verseuchung der übrigen gesunden zu gewähren. Es entspricht dies einer Humanität, die, um dem einen nicht wehe zu tun, hundert andere zugrunde gehen läßt. Die Forderung, daß defekten Menschen die Zeugung anderer ebenso defekter Nachkommen unmöglich gemacht wird, ist eine Forderung klarster Vernunft und bedeutet in ihrer planmäßigen Durchführung die humanste Tat der Menschheit. Sie wird Millionen von Unglücklichen unverdiente Leiden ersparen, in der Folge aber zu einer steigenden Gesundung überhaupt führen. Die Entschlossenheit, in dieser Richtung vorzugehen, wird auch der Weiterverbreitung der Geschlechtskrankheiten einen Damm entgegensetzen. Denn hier wird man, wenn nötig, zur unbarmherzigen Absonderung unheilbar Erkrankter schreiten müssen, eine barbarische Maßnahme für den unglücklich davon Betroffenen, aber ein Segen für die Mit- und Nachwelt. Der vorübergehende Schmerz eines Jahrhunderts kann und wird Jahrtausende vom Leid erlösen.
Der Kampf gegen die Syphilis und ihre Schrittmacherin, die Prostitution, ist eine der ungeheuersten Aufgaben der Menschheit, ungeheuer deshalb, weil es sich dabei nicht um die Lösung einer einzelnen Frage an sich handelt, sondern um die Beseitigung einer ganzen Reihe von Schäden, die eben als Folgeerscheinung zu dieser Seuche Veranlassung geben. Denn die Erkrankung des Leibes ist hier nur das Ergebnis einer Erkrankung der sittlichen, sozialen und rassischen Instinkte.
Wird dieser Kampf aber aus Bequemlichkeit oder auch Feigheit nicht ausgefochten, dann möge man sich in fünfhundert Jahren die Völker ansehen. Ebenbilder Gottes dürfte man nur mehr sehr wenige finden, ohne des Aller. höchsten freveln zu wollen.
Wie aber hatte man im alten Deutschland versucht, sich mit dieser Seuche auseinanderzusetzen? Bei ruhiger Prüfung ergibt sich darauf eine wirklich betrübliche Antwort. Sicher erkannte man in den Kreisen der Regierungen die entsetzlichen Schäden dieser Krankheit sehr wohl, wenn man sich auch vielleicht die Folgen nicht ganz zu überlegen vermochte; allein im Kampfe dagegen versagte man vollständig und griff statt zu durchgreifenden Reformen lieber zu jämmerlichen Maßnahmen. Man dokterte an der Krankheit herum und ließ die Ursachen Ursachen sein. Man unterzog die einzelne Prostituierte einer ärztlichen Untersuchung, beaufsichtigte sie, so gut es eben gehen mochte, und steckte sie im Falle einer festgestellten Krankheit in irgendein Lazarett, aus dem sie nach äußerlich erfolgter Heilung wieder auf die andere Menschheit losgelassen wurde.
Man hatte freilich einen "Schutzparagraphen" eingeführt, nach dem der nicht ganz Gesunde oder Geheilte bei Strafe den sexuellen Verkehr zu meiden habe. Sicher ist diese Maßnahme an sich richtig, allein in der praktischen Durchführung versagte sie so gut wie vollständig. Erstens wird es die Frau im Falle eines sie dadurch treffenden Unglückes - schon infolge unserer oder besser ihrer Erziehung - in den meisten Fällen wohl ablehnen, sich als Zeugin gegen den elenden Dieb ihrer Gesundheit - unter doch oft peinlichen Begleitumständen - auch noch in den Gerichtssaal hineinzerren zu lassen. Gerade ihr nützt dies sehr wenig, sie wird ohnehin in den meisten Fällen die darunter am meisten Leidende sein - trifft sie doch die Verachtung ihrer lieblosen Umgebung noch viel schwerer, als dies beim Manne der Fall wäre. Endlich stelle man sich ihre Lage vor, wenn der Überbringer der Krankheit der eigene Gatte ist! Soll sie nun klagen? Oder was soll sie dann tun?Bei dem Manne aber kommt die Tatsache hinzu, daß er leider nur zu häufig gerade nach reichlichem Alkoholgenuß dieser Pest in den Weg läuft, da er in diesem Zustande am wenigsten in der Lage ist, die Qualitäten seiner "Schönen" zu beurteilen, was der ohnehin kranken Prostituierten auch nur zu genau bekannt ist und sie deshalb immer veranlaßt, gerade nach Männern in diesem idealen Zustande zu angeln. Das Ende aber ist, daß der später unangenehm Überraschte auch bei eifrigstem Nachdenken sich seiner barmherzigen Beglückerin nicht mehr zu erinnern vermag, was einen in einer Stadt wie Berlin oder selbst München nicht wundernehmen darf. Dazu kommt auch, daß es sich oft um Besucher aus der Provinz handelt, die dem ganzen Großstadtzauber ohnehin vollkommen ratlos gegenüberstehen.
Endlich aber: Wer kann denn wissen, ob er nun krank oder gesund ist? Kommen nicht zahlreiche Fälle vor, in denen ein scheinbar Geheilter wieder rückfällig wird und nun entsetzliches Unheil anrichtet, ohne es zunächst auch nur selber zu ahnen?So ist also die praktische Wirkung dieses Schutzes durch die gesetzliche Bestrafung einer schuldigen Ansteckung in Wirklichkeit gleich Null. Ganz das gleiche gilt voll der Beaufsichtigung der Prostituierten, und endlich ist auch die Heilung selber sogar heute noch unsicher und zweifelhaft. Sicher ist nur eines: die Seuche griff trotz aller Maßnahmen immer weiter um sich. Dadurch aber wird auf das schlagendste die Wirkungslosigkeit derselben bestätigt.
Denn alles, was sonst noch geschah, war ebenso ungenügend wie lächerlich. Die seelische Prostituierung des Volkes wurde nicht verhindert; man tat auch überhaupt nichts zur Verhinderung.
Wer aber geneigt ist, dies alles auf die leichte Schulter zu nehmen, der studiere nur einmal die statistischen Grundlagen aber die Verbreitung dieser Pest, vergleiche ihr Wachstum seit den letzten hundert Jahren, denke sich dann in diese Weiterentwicklung hinein - und er müßte schon die Einfalt eines Esels besitzen, wenn ihm nicht ein unangenehmes Frösteln über den Rücken liefe!Die Schwäche und Halbheit, mit der man schon im alten Deutschland zu einer so furchtbaren Erscheinung Stellung nahm, darf als sichtbares Verfallszeichen eines Volkes gewertet werden. Wenn die Kraft zum Kampfe um die eigene Gesundheit nicht mehr vorhanden ist, endet das Recht zum Leben in dieser Welt des Kampfes. Sie gehört nur dem kraftvollen "Ganzen" und nicht dem schwachen "Halben".
Eine der ersichtlichsten Verfallserscheinungen des alten Reiches war das langsame Herabsinken der allgemeinen Kulturhöhe, wobei ich unter Kultur nicht das meine, was man heute mit dem Worte Zivilisation bezeichnet. Diese scheint im Gegenteil eher eine Feindin wahrer Geistes- und Lebenshöhe zu sein.
Schon vor der Jahrhundertwende begann sich in unsere Kunst ein Element einzuschieben, das bis dorthin als vollkommen fremd und unbekannt gelten dürfte. Wohl fanden auch in früheren Zeiten manchmal Verirrungen des Geschmackes statt, allein es handelte sich in solchen Fällen doch mehr um künstlerische Entgleisungen, denen die Nachwelt wenigstens einen gewissen historischen Wert zuzubilligen vermochte, als um Erzeugnisse einer überhaupt nicht mehr künstlerischen, sondern vielmehr geistigen Entartung bis zur Geistlosigkeit. In ihnen begann sich der später freilich besser sichtbar werdende politische Zusammenbruch schon kulturell anzuzeigen.
Der Bolschewismus der Kunst ist die einzig mögliche kulturelle Lebensform und geistige Äußerung des Bolschewismus überhaupt.
Wem dieses befremdlich vorkommt, der braucht nur die Kunst der glücklich bolschewisierten Staaten einer Betrachtung zu unterziehen, und er wird mit Schrecken die krankhaften Auswüchse irrsinniger und verkommener Menschen, die wir unter den Sammelbegriffen des Kubismus und Dadaismus seit der Jahrhundertwende kennenlernten, dort als die offiziell staatlich anerkannte Kunst bewundern können. Selbst in der kurzen Periode der bayerischen Räterepublik war diese Erscheinung schon zutage getreten. Schon hier konnte man sehen, wie die gesamten offiziellen Plakate, Propagandazeichnungen in den Zeitungen usw. den Stempel nicht nur des politischen Verfalls, sondern auch den des kulturellen an sich trugen.
So wenig etwa noch vor sechzig Jahren ein politischer Zusammenbruch von der jetzt erreichten Größe denkbar gewesen wäre, so wenig auch ein kultureller, wie er sich in futuristischen und kubistischen Darstellungen seit 1900 zu zeigen begann. Vor sechzig Jahren wäre eine Ausstellung von sogenannten dadaistischen "Erlebnissen" als einfach unmöglich erschienen, und die Veranstalter würden in das Narrenhaus gekommenen sein, während sie heute sogar in Kunstverbänden präsidieren. Diese Seuche konnte damals nicht auftauchen, weil weder die öffentliche Meinung dies geduldet, noch der Staat ruhig zugesehen hätte. Denn es ist Sache der Staatsleitung, zu verhindern, daß ein Volk dem geistigen Wahnsinn in die Arme getrieben wird. Bei diesem aber müßte eine derartige Entwicklung doch eines Tages enden. An dem Tage nämlich, an dem diese Art von Kunst wirklich der allgemeinen Auffassung entspräche, waren eine der schwerwiegendsten Wandlungen der Menschheit eingetreten; die Rückentwicklung des menschlichen Gehirns hätte damit begonnen, daß Ende aber vermöchte man sich kaum auszudenken.
Sobald man erst von diesem Gesichtspunkte aus die Entwicklung unseres Kulturlebens seit den letzten fünfundzwanzig Jahren vor dem Auge vorbeiziehen läßt, wird man mit Schrecken sehen, wie sehr wir bereits in dieser Rückbildung begriffen sind. Überall stoßen wir auf Keime, die den Beginn von Wucherungen verursachen, an denen unsere Kultur früher oder später zugrunde gehen muß. Auch in ihnen können wir die Verfallserscheinungen einer langsam abfaulenden Welt erkennen. Wehe den Völkern, die dieser Krankheit nicht mehr Herr zu werden vermögen!Solche Erkrankungen konnte man in Deutschland fast auf allen Gebieten der Kunst und Kultur überhaupt feststellen. Alles schien hier den Höhepunkt schon überschritten zu haben und dem Abgrunde zuzueilen. Das Theater sank zusehends tiefer und war wohl schon damals restlos als Kulturfaktor ausgeschieden, hätten nicht wenigstens die Hoftheater sich noch gegen die Prostituierung der Kunst gewendet. Sieht man von ihnen und einigen weiteren rühmenswerten Ausnahmen ab, so waren die Darbietungen der Schaubühne derart, daß es für die Nation zweckmäßiger gewesen waren, ihren Besuch ganz zu meiden. Es war ein trauriges Zeichen des inneren Verfalls, daß man die Jugend in die meisten dieser sogenannten "Kunststätten" gar nicht mehr schicken durfte, was auch ganz schamlos offen zugegeben wurde mit der allgemeinen Panoptikum-Warnung: "Jugendliche haben keinen Zutritt!"Man bedenke, daß man solche Vorsichtsmaßnahmen an den Stätten üben mußte, die in erster Linie für die Bildung der Jugend da sein müßten und nicht zur Ergötzung alter, blasierter Lebensschichten dienen dürften. Was würden wohl die großen Dramatiker aller Zeiten zu einer derartigen Maßregel gesagt haben, und was vor allem zu den Umständen, die dazu die Veranlassung gaben? Wie wäre Schiller aufgeflammt, wie würde sich Goethe empört abgewendet haben!
Aber freilich, was sind denn Schiller, Goethe oder Shakespeare gegenüber den Heroen der neueren deutschen Dichtkunst! Alte, abgetragene und überlebte, nein, überwundene Erscheinungen. Denn das war das Charakteristische dieser Zeit: nicht daß sie selber nur mehr Schmutz produzierte, besudelte sie obendrein alles wirklich Große der Vergangenheit. Das ist allerdings eine Erscheinung, die man immer zu solchen Zeiten beobachten kann. Je niederträchtiger und elender die Erzeugnisse einer Zeit und ihrer Menschen sind, um so mehr haßt man die Zeugen einer einstigen größeren Höhe und Würde. Am liebsten möchte man in solchen Zeiten die Erinnerung an die Vergangenheit der Menschheit überhaupt tilgen, um durch Ausschaltung jeder Vergleichsmöglichkeit den eigenen Kitsch immerhin noch als "Kunst" vorzutäuschen. Daher wird jede neue Institution, je elender und miserabler sie ist, um so mehr die letzten Spuren der vergangenen Zeit zu löschen trachten, während jede wirklich wertvolle Erneuerung der Menschheit auch unbekümmert an die guten Errungenschaften vergangener Generationen anknüpfen kann, ja diese oft erst zur Geltung zu bringen versucht. Sie braucht nicht zu befürchten, etwa vor der Vergangenheit zu verblassen, sondern sie gibt von sich aus dem allgemeinen Schatz der menschlichen Kultur einen so wertvollen Beitrag, daß sie oft gerade zu dessen voller Würdigung die Erinnerung an die früheren Leistungen selber wachhalten möchte, um so der neuen Gabe erst recht das volle Verständnis der Gegenwart zu sichern. Nur wer der Welt von sich aus gar nichts Wertvolles zu schenken vermag, aber zu tun versucht, als ob er ihr weiß Gott was geben wollte, wird alles wirklich schon Gegebene hassen und am liebsten verneinen oder gar vernichten.
Dies gilt keineswegs bloß für Neuerscheinungen auf dem Gebiete der allgemeinen Kultur, sondern auch für solche der Politik. Revolutionäre neue Bewegungen werden die alten Formen um so mehr hassen, je minderwertiger sie selber sind. Auch hier kann man sehen, wie die Sorge, den eigenen Kitsch als etwas Beachtenswertes erscheinen zu lassen, zum blinden Haß gegen das überlegene Gute der Vergangenheit führt. Solange zum Beispiel die geschichtliche Erinnerung an Friedrich den Großen nicht erstorben ist, vermag Friedrich Ebert nur bedingtes Erstaunen hervorzurufen. Der Held von Sanssouci verhält sich zum ehemaligen Bremenser Kneipenwirt ungefähr wie die Sonne zum Mond; erst wenn die Strahlen der Sonne verlöschen, vermag der Mond zu glänzen. Es ist deshalb auch der Haß aller Neumonde der Menschheit gegen die Fixsterne nur zu begreiflich. Im politischen Leben pflegen solche Nullen, wenn ihnen das Schicksal die Herrschaft vorübergehend in den Schoß wirft, nicht nur mit unermüdlichem Eifer die Vergangenheit zu besudeln und zu beschmutzen, sondern sich selbst auch mit äußeren Mitteln der allgemeinen Kritik zu entziehen. Als Beispiel hierfür kann die Republik-Schutzgesetzgebung des neuen Deutschen Reiches gelten.
Wenn daher irgendeine neue Idee, eine Lehre, eine neue Weltanschauung oder auch politische sowie wirtschaftliche Bewegung die gesamte Vergangenheit zu leugnen versucht, sie schlecht und wertlos machen will, so muß man schon aus diesem Anlaß äußerst vorsichtig und mißtrauisch sein. Meistens ist der Grund zu solchem Haß entweder nur die eigene Minderwertigkeit oder gar eine schlechte Absicht an sich. Eine wirklich segensreiche Erneuerung der Menschheit wird immer und ewig dort weiter zu bauen haben, wo das letzte gute Fundament aufhört. Sie wird sich der Verwendung bereits bestehender Wahrheiten nicht zu schämen brauchen. Ist doch die gesamte menschliche Kultur sowie auch der Mensch selber nur das Ergebnis einer einzigen langen Entwicklung, in der jede Generation ihren Baustein zutrug und einfügte. Der Sinn und Zweck von Revolutionen ist dann nicht der, das ganze Gebäude einzureißen, sondern schlecht Gefügtes oder Unpassendes zu entfernen und an der dann wieder freigelegten gesunden Stelle weiter- und anzubauen.
So allein wird man von einem Fortschritt der Menschheit sprechen können und dürfen. Im anderen Falle würde die Welt vom Chaos nie erlöst, da ja das Recht zur Ablehnung der Vergangenheit jeder Generation zukäme und mithin jede als Voraussetzung der eigenen Arbeit die Werke der Vergangenheit zerstören dürfte.
So war das Traurigste am Zustand unserer Gesamtkultur der Vorkriegszeit nicht nur die vollkommene Impotenz der künstlerischen und allgemein kulturellen Schöpferkraft, sondern der Haß, mit dem die Erinnerung der größeren Vergangenheit besudelt und ausgelöscht wurde. Fast auf allen Gebieten der Kunst, besonders in Theater und Literatur, begann man um die Jahrhundertwende weniger bedeutendes Neues zu produzieren, als vielmehr das beste Alte herunterzusetzen und als minderwertig und überwunden hinzustellen; als ob diese Zeit der beschämendsten Minderwertigkeit überhaupt etwas zu überwinden vermöchte. Aus diesem Streben aber, die Vergangenheit dem Auge der Gegenwart zu entziehen, ging die böse Absicht dieser Apostel der Zukunft klar und deutlich hervor. Daran hätte man erkennen sollen, daß es sich hier nicht um neue, wenn auch falsche kulturelle Auffassungen handelte, sondern um einen Prozeß der Zerstörung der Grundlagen der Kultur überhaupt, um eine dadurch möglich werdende Vernarrung des gesunden Kunstempfindens - und um die geistige Vorbereitung des politischen Bolschewismus. Denn wenn das Perikleische Zeitalter durch den Parthenon verkörpert erscheint, dann die bolschewistische Gegenwart durch eine kubistische Fratze.
In diesem Zusammenhange muß auch auf die hierbei wieder sichtbare Feigheit bei dem Teil unseres Volkes hingewiesen werden, der auf Grund reiner Bildung und seiner Stellung verpflichtet gewesen wäre, gegen diese Kulturschande Front zu machen. Aus lauter Furcht vor dem Geschrei der bolschewistischen Kunstapostel, die jeden, der nicht in ihnen die Krone der Schöpfung erkennen wollte, auf das heftigste angriffen und als rückständigen Spießer festnagelten, verzichtete man auf allen ernstlichen Wider. stand und fügte sich in das, wie es eben schien, ja doch Unvermeidliche. Man bekam förmlich Angst, von diesen Halbnarren oder Gaunern der Verständnislosigkeit geziehen zu werden; als ob es eine Schande wäre, die Produkte geistiger Degeneraten oder gerissener Betrüger nicht zu verstehen. Diese Kulturjünger besaßen freilich ein sehr einfaches Mittel, ihren Unsinn zu einer weiß Gott wie gewaltigen Sache zu stempeln; sie stellten jedes unverständliche und ersichtlich verrückte Zeug als sogenanntes inneres Erleben der staunenden Mitwelt vor, auf so billige Weise den meisten Menschen das Wort der Entgegnung von vornherein aus dem Munde nehmend. Denn daran, das auch dies ein inneres Erleben sein könnte, war ja gar nicht zu zweifeln, wohl aber daran, ob es angängig ist, der gesunden Welt die Halluzinationen von Geisteskranken oder Verbrechern vorzusetzen. Die Werke eines Moritz von Schwind oder eines Böcklin waren auch inneres Erleben, nur eben von Künstlern gottbegnadeter Art und nicht von Hanswursten.
Da aber konnte man so recht die jammervolle Feigheit unserer sogenannten Intelligenz studieren, die sich um jeden ernstlichen Widerstand gegen diese Vergiftung des gesunden Instinktes unseres Volkes herumdrückte und es dem Volke selber überließ, sich mit diesem frechen Unsinn abzufinden. Um nicht als kunstunverständig zu gelten, nahm man jede Kunstverhöhnung in Kauf, um endlich in der Beurteilung von gut und schlecht wirklich unsicher zu werden. Alles in allem genommen aber waren dies Zeichen einer böse werdenden Zeit.
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Als bedenkliches Merkmal muß noch folgendes festgestellt werden:Im neunzehnten Jahrhundert begannen unsere Städte immer mehr den Charakter von Kulturstätten zu verlieren und zu reinen Menschenansiedlungen herabzusinken. Die geringe Verbundenheit, die unser heutiges Großstadtproletariat mit seinem Wohnort besitzt, ist die Folge davon, daß es sich hier wirklich nur um den zufälligen örtlichen Aufenthaltsraum des einzelnen handelt und um weiter nichts. Zum Teil hingt dies mit dem durch die sozialen Verhältnisse bedingten häufigen Wechsel des Wohnortes zusammen, die dem Menschen nicht die Zeit zu einer engeren Verbindung mit seiner Stadt gibt, zum anderen aber ist die Ursache hierfür auch in der allgemeinen kulturellen Bedeutungslosigkeit und Ärmlichkeit unserer heutigen Städte an sich zu suchen.
Noch zur Zeit der Befreiungskriege waren die deutschen Städte nicht nur der Zahl nach gering, sondern auch der Größe nach bescheiden. Die wenigen wirklichen Großstädte waren zum größten Teil Residenzen und besaßen als solche fast immer einen bestimmten kulturellen Wert und meist auch ein bestimmtes künstlerisches Bild. Die paar Orte von mehr als fünfzigtausend Einwohnern waren gegen Städte mit gleicher Bevölkerung von heute reich an wissenschaftlichen und künstlerischen Schätzen. Als München sechzigtausend Seelen zählte, schickte es sich schon an, eine der ersten deutschen Kunststätten zu werden; heute hat fast jeder Fabrikort diese Zahl erreicht, wenn nicht schon vielfach überschritten, ohne manchmal aber auch nur das geringste an wirklichen Werten sein eigen nennen zu können. Reine Ansammlungen von Wohn- und Mietskasernen, weiter nichts. Wie bei derartiger Bedeutungslosigkeit eine besondere Verbundenheit mit einem solchen Ort entstehen soll, muß ein Rätsel sein. Niemand wird an einer Stadt besonders hingen, die nichts weiter zu bieten hat als eben jede andere auch, der jede individuelle Note fehlt, und in der peinlich alles vermieden wurde, was nach Kunst oder ähnlichem auch nur aussehen könnte.
Aber nicht genug an dem, auch die wirklichen Großstädte werden mit der steigenden Zunahme der Volkszahl im Verhältnis immer ärmer an wirklichen Kunstwerken. Sie erscheinen immer abgeschliffener und ergeben ganz das gleiche Bild, wenn auch in größerem Umfange, wie die kleinen armseligen Fabrikorte. Was die neuere Zeit zu dem kulturellen Inhalt unserer Großstädte hinzugefügt hat, ist vollkommen unzulänglich. Alle unsere Städte zehren vom Ruhme und den Schätzen der Vergangenheit. Man nehme aus dem jetzigen München doch einmal alles weg, was unter Ludwig I. geschaffen wurde, und man wird mit Entsetzen sehen, wie armselig der Zuwachs seit dieser Zeit an bedeutenden künstlerischen Schöpfungen ist. Das gleiche gilt auch für Berlin und die meisten anderen Großstädte.
Das Wesentliche aber ist doch noch folgendes: Unsere heutigen Großstädte besitzen keine das ganze Stadtbild beherrschenden Denkmäler, die irgendwie als Wahrzeichen der ganzen Zeit angesprochen werden könnten. Dies aber war in den Städten des Altertums der Fall, da fast jede ein besonderes Monument ihres Stolzes besaß. Nicht in den Privatbauten lag das Charakteristische der antiken Stadt, sondern in den Denkmälern der Allgemeinheit, die nicht für den Augenblick, sondern für die Ewigkeit bestimmt schienen, weil sich in ihnen nicht der Reichtum eines einzelnen Besitzers, sondern die Größe und Bedeutung der Allgemeinheit widerspiegeln sollte. So entstanden Denkmäler, die sehr wohl geeignet waren, den einzelnen Bewohner in einer Weise mit seiner Stadt zu verbinden, die uns heute manchmal fast unverständlich vorkommt. Denn was dieser vor Augen hatte, waren weniger die ärmlichen Häuser privater Besitzer als die Prachtbauten der ganzen Gemeinschaft. Ihnen gegenüber sank das Wohnhaus wirklich zu einer unbedeutenden Nebensachlichkeit zusammen.
Wenn man die Größenverhältnisse der antiken Staatsbauten mit den gleichzeitigen Wohnhäusern vergleicht, so wird man erst die überragende Wucht und Gewalt dieser Betonung des Grundsatzes, den Werken der Öffentlichkeit die erste Stelle zuzuweisen, verstehen. Was wir heute in den Trümmerhaufen und Ruinenfeldern der antiken Welt als wenige noch aufragende Kolosse bewundern, sind nicht einstige Geschäftspaläste, sondern Tempel und Staatsbauten; also Werke, deren Besitzer die Allgemeinheit war. Selbst im Prunke des Roms der Spätzeit nahmen den ersten Platz nicht die Villen und Paläste einzelner Bürger, sondern die Tempel und Thermen, die Stadien, Zirkusse, Aquädukte, Basiliken usw. des Staates, also des ganzen Volkes ein.
Sogar das germanische Mittelalter hielt den gleichen leitenden Grundsatz, wenn auch unter gänzlich anderen Kunstauffassungen, aufrecht. Was im Altertum in der Akropolis oder dem Pantheon seinen Ausdruck fand, hüllte sich nun in die Formen des gotischen Domes. Wie Riesen ragten diese Monumentalbauten aber das keine Gewimmel von Fachwerk-, Holz- oder Ziegelbauten der mittelalterlichen Stadt empor und wurden so zu Wahrzeichen, die selbst heute noch, da neben ihnen die Mietskasernen immer höher emporklettern, den Charakter und das Bild dieser Orte bestimmen. Münster, Rathäuser und Schrannenhallen sowie Wehrtürme sind das sichtbare Zeichen einer Auffassung, die im letzten Grunde wieder nur der der Antike entsprach.
Wie wahrhaft jammervoll aber ist das Verhältnis zwischen Staats- und Privatbau heute geworden! Würde das Schicksal Roms Berlin treffen, so könnten die Nachkommen als gewaltigste Werke unserer Zeit dereinst die Warenhäuser einiger Hass und die Hotels einiger Gesellschaften als charakteristischen Ausdruck der Kultur unserer Tage bewundern. Man vergleiche doch das böse Mißverhältnis, das in einer Stadt wie selbst Berlin zwischen den Bauten des Reiches und denen der Finanz und des Handels herrscht.
Schon der für die Staatsbauten aufgewendete Betrag ist meistens wahrhaft lächerlich und ungenügend. Es werden nicht Werke für die Ewigkeit geschaffen, sondern meistens nur für den augenblicklichen Bedarf. Irgendein höherer Gedanke herrscht dabei überhaupt nicht vor. Das Berliner Schloß war zur Zeit seiner Erbauung ein Werk von anderer Bedeutung, als es etwa die neue Bibliothek im Rahmen der Gegenwart ist. Während ein einziges Schlachtschiff einen Wert von rund sechzig Millionen darstellte, wurde für den ersten Prachtbau des Reiches, der für die Ewigkeit bestimmt sein sollte, das Reichstagsgebäude, kaum die Hälfte bewilligt. Ja, als die Frage der inneren Ausstattung zur Entscheidung kam, stimmte das Hohe Haus gegen die Verwendung von Stein und befahl, die Wände mit Gips zu verkleiden; dieses Mal allerdings hatten die Parlamentarier ausnahmsweise wirklich recht gehandelt; Gipsköpfe gehören auch nicht zwischen Steinmauern.
So fehlt unseren Städten der Gegenwart das überragende Wahrzeichen der Volksgemeinschaft, und man darf sich deshalb auch nicht wundern, wenn diese in ihren Städten kein Wahrzeichen ihrer selbst sieht. Es muß zu einer Verödung kommen, die sich in der gänzlichen Teilnahmslosigkeit des heutigen Großstädters am Schicksal seiner Stadt praktisch auswirkt.
Auch dieses ist ein Zeichen unserer sinkenden Kultur und unseres allgemeinen Zusammenbruches. Die Zeit erstickt in kleinster Zweckmäßigkeit, besser gesagt, im Dienste des Geldes. Da aber darf man sich auch nicht wundern, wenn unter einer solchen Gottheit wenig Sinn für Heroismus übrigbleibt. Die heutige Gegenwart erntet nur, was die letzte Vergangenheit gesät hat.
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Alle diese Verfallserscheinungen sind im letzten Grunde nur Folgen des Mangels einer bestimmten, gleichmäßig anerkannten Weltanschauung sowie der daraus sich ergebenden allgemeinen Unsicherheit in der Beurteilung und der Stellungnahme zu den einzelnen großen Fragen der Zeit. Daher ist auch, angefangen bei der Erziehung, alles halb und schwankend, scheut die Verantwortung und endet so in feiger Duldung selbst erkannter Schäden. Der Humanitätsdusel wird Mode, und indem man den Auswüchsen schwächlich nachgibt und einzelne schont, opfert man die Zukunft von Millionen.
Wie sehr die allgemeine Zerrissenheit um sich greift, zeigt eine Betrachtung der religiösen Zustände vor dem Kriege. Auch hier war eine einheitliche und wirksame weltanschauungsmäßige Überzeugung in großen Teilen der Nation längst verlorengegangen. Dabei spielen die sich offiziell von den Kirchen lösenden Anhänger eine kleinere Rolle als die überhaupt Gleichgültigen. Während die beiden Konfessionen in Asien und Afrika Missionen aufrechterhalten, um neue Anhänger ihrer Lehre zuzuführen - eine Tätigkeit, die gegenüber dem Vordringen besonders des mohammedanischen Glaubens nur sehr bescheidene Erfolge aufzuweisen hat -, verlieren sie in Europa selber Millionen und abermals Millionen von innerlichen Anhängern, die dem religiösen Leben entweder überhaupt fremd gegenüberstehen oder doch ihre eigenen Wege wandeln. Die Folgen sind besonders in sittlicher Hinsicht keine günstigen.
Bemerkenswert ist auch der immer heftiger einsetzende Kampf gegen die dogmatischen Grundlagen der einzelnen Kirchen, ohne die aber auf dieser Welt von Menschen der praktische Bestand eines religiösen Glaubens nicht denkbar ist. Die breite Masse eines Volkes besteht nicht aus Philosophen; gerade aber für die Masse ist der Glaube häufig die einzige Grundlage einer sittlichen Weltanschauung überhaupt. Die verschiedenen Ersatzmittel haben sich im Erfolg nicht so zweckmäßig erwiesen, als daß man in ihnen eine nützliche Ablösung der bisherigen religiösen Bekenntnisse zu erblicken vermöchte. Sollen aber die religiöse Lehre und der Glaube die breiten Schichten wirklich erfassen, dann ist die unbedingte Autorität des Inhalts dieses Glaubens das Fundament jeder Wirklichkeit. Was dann für das allgemeine Leben der jeweilige Lebensstil ist, ohne den sicherlich auch Hunderttausende von hochstehenden Menschen vernünftig und klug leben würden, Millionen andere aber eben nicht, das sind für den Staat die Staatsgrundgesetze und für die jeweilige Religion die Dogmen. Durch sie erst wird die schwankende und unendlich auslegbare, rein geistige Idee bestimmt abgesteckt und in eine Form gebracht) ohne die sie niemals Glauben werden könnte. Im anderen Falle würde die Idee aber eine metaphysische Anschauung, ja, kurz gesagt, philosophische Meinung nie hinauswachsen. Der Angriff gegen die Dogmen an sich gleicht deshalb auch sehr stark dem Kampfe gegen die allgemeinen gesetzlichen Grundlagen des Staates, und so wie dieser sein Ende in einer vollständigen staatlichen Anarchie finden würde, so der andere in einem wertlosen religiösen Nihilismus.
Für den Politiker aber darf die Abschaffung des Wertes einer Religion weniger durch die ihr etwa anhaftenden Mängel bestimmt werden als vielmehr durch die Güte eines ersichtlich besseren Ersatzes. Solange aber ein solcher anscheinend fehlt, kann das Vorhandene nur von Narren oder Verbrechern demoliert werden.
Freilich haben nicht die kleinste Schuld an den nicht sehr erfreulichen religiösen Zuständen diejenigen, die die religiöse Vorstellung zu sehr mit rein irdischen Dingen belasten und so häufig in einen gänzlich unnötigen Konflikt mit der sogenannten exakten Wissenschaft bringen. Hier wird der Sieg, wenn auch nach schwerem Kampfe, der letzteren fast immer zufallen, die Religion aber in den Augen all derjenigen, die sich aber ein rein Äußerliches Wissen nicht zu erheben vermögen, schweren Schaden leiden.
Am ärgsten sind jedoch die Verwüstungen, die durch den Mißbrauch der religiösen Überzeugung zu politischen Zwecken hervorgerufen werden. Man kann wirklich gar nicht scharf genug gegen jene elenden Schieber auftreten, die in der Religion ein Mittel sehen wollen, das ihnen politische, besser geschäftliche Dienste zu leisten habe. Diese frechen Lügenmäuler schreien freilich mit Stentorstimme, damit es ja die anderen Sünder hören können, ihr Glaubensbekenntnis in alle Welt hinaus, allein nicht, um dafür, wenn nötig, auch zu sterben, sondern um besser leben zu können. Für eine einzige politische Schiebung von entsprechendem Werte ist ihnen der Sinn eines ganzen Glaubens feil; für zehn Parlamentsmandate verbinden sie sich mit den marxistischen Todfeinden jeder Religion - und für einen Ministerstuhl gingen sie wohl auch die Ehe mit dem Teufel ein, sofern diesen nicht noch ein Rest von Anstand verscheuchen würde.
Wenn in Deutschland vor dem Kriege das religiöse Leben für viele einen unangenehmen Beigeschmack erhielt, so war dies dem Mißbrauch zuzuschreiben, der von seiten einer sogenannten "christlichen" Partei mit dem Christentum getrieben wurde, sowie der Unverschämtheit, mit der man den katholischen Glauben mit einer politischen Partei zu identifizieren versuchte.
Diese Unterschiebung war ein Verhängnis, das einer Reihe von Nichtsnutzen wohl Parlamentsmandate, der Kirche aber Schaden einbrachte.Das Ergebnis jedoch hatte die gesamte Nation zu tragen, indem die Folgen der dadurch bedingten Lockerung des religiösen Lebens gerade in eine Zeit fielen, in der ohnehin alles zu weichen und zu wanken begann und die überlieferten Grundlagen von Sitte und Moral zusammenzubrechen drohten.
Auch dieses waren Risse und Sprünge in unserem Volkskörper, die so lange gefahrlos sein konnten, als keine besondere Belastung entstand, die aber zum Unheil werden mußten, wenn durch die Wucht großer Ereignisse die Frage der inneren Festigkeit der Nation eine ausschlaggebende Bedeutung erhielt.
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Ebenso waren auf dem Gebiete der Politik für aufmerksame Augen Schäden vorhanden, die, wenn nicht in absehbarer Zeit eine Besserung oder Änderung vorgenommen wurde, als Zeichen eines kommenden Verfalls des Reiches gelten durften und mußten. Die Ziellosigkeit der deutschen Innen- und Außenpolitik war für jeden sichtbar, der nicht absichtlich blind sein wollte. Die Kompromißwirtschaft schien am meisten der Bismarckschen Auffassung zu entsprechen, daß "die Politik eine Kunst des Möglichen" wäre. Nun aber war zwischen Bismarck und den späteren deutschen Kanzlern ein kleiner Unterschied vorhanden, der dem ersteren gestattete, eine solche Äußerung aber das Wesen der Politik fallen zu lassen, während die gleiche Auffassung aus dem Munde seiner Nachfolger eine ganz andere Bedeutung erlangen mußte. Denn Bismarck wollte mit diesem Satze nur besagen, daß zur Erreichung eines bestimmten politischen Zieles alle Möglichkeiten zu verwenden wären, bzw. nach allen Möglichkeiten zu verfahren wäre; seine Nachfolger aber sahen in dieser Äußerung die feierliche Entbindung von der Notwendigkeit, überhaupt politische Gedanken oder gar Ziele zu haben. Und politische Ziele waren für die Leitung des Reiches zu dieser Zeit wirklich nicht mehr vorhanden; fehlte hierzu doch die nötige Unterlage einer bestimmten Weltanschauung sowie die notwendige Klarheit über die inneren Entwicklungsgesetze des politischen Lebens überhaupt.
Es gab nicht wenige, die in dieser Richtung trübe sahen und die Plan- und Gedankenlosigkeit der Reichspolitik geißelten, ihre innere Schwäche und Hohlheit also sehr wohl erkannten, allein es waren dies nur die Außenseiter im politischen Leben; die offiziellen Stellen der Regierung gingen an den Erkenntnissen eines Houston Stewart Chamberlain genau so gleichgültig vorüber, wie es heute noch geschieht. Diese Leute sind zu dumm, selbst etwas zu denken, und zu eingebildet, von anderen dar, Nötige zu lernen - eine urewige Wahrheit, die Oxenstierna zu dem Ausruf veranlaßte: "Die Welt wird nur von einem Bruchteil der Weisheit regiert", von welchem Bruchteil freilich fast jeder Ministerialrat nur ein Atom verkörpert. Seit Deutschland Republik geworden, trifft dies allerdings nicht mehr zu - es ist deshalb auch durch das Republik-Schutzgesetz verboten worden, so etwas zu glauben oder gar auszusprechen. Für Oxenstierna aber war es ein Glück, schon damals und nicht in dieser gescheiten Republik von heute zu leben.
Als größtes Schwächemoment wurde schon in der Vorkriegszeit vielfach die Institution erkannt, in der sich die Stärke des Reiches verkörpern sollte: das Parlament, der Reichstag. Feigheit und Verantwortungslosigkeit gesellten sich hier in vollendeter Weise.
Es ist eine der Gedankenlosigkeit, die man heute nicht selten zu hören bekommt, daß der Parlamentarismus in Deutschland "seit der Revolution" versagt habe. Es wird dadurch nur zu leicht der Anschein erweckt, als ob es etwa vor der Revolution anders gewesen wäre. In Wirklichkeit kann diese Einrichtung gar nicht anders als vernichtend wirken - und sie tat dies auch schon zu jener Zeit, da die meisten, noch mit Scheuklappen behangen, nichts sahen oder sehen wollten. Denn daß Deutschland gestürzt wurde, ist nicht zum kleinsten Teile dieser Einrichtung zu verdanken; daß aber die Katastrophe nicht schon früher eintrat, kann nicht als Verdienst des Reichstages gelten, sondern ist dem Widerstande zuzuschreiben, der sich der Tätigkeit dieses Totengräbers der deutschen Nation und des Deutschen Reiches in den Friedensjahren noch entgegenstemmte.
Aus der Unsumme von verheerenden Schäden, die dieser Institution direkt oder indirekt zu verdanken sind, will ich nur ein einziges Unheil herausgreifen, das am meisten dem inneren Wesen dieser verantwortungslosesten Einrichtung aller Zeiten entspricht: die schauderhafte Halbheit und Schwäche der politischen Leitung des Reiches nach innen und außen, die, in erster Linie dem Wirken des Reichstages zuzuschreiben, zu einer Hauptursache des politischen Zusammenbruches wurde.
Halb war alles, was irgendwie dem Einfluß dieses Parlaments unterstand, man mag betrachten, was man nur will.
Halb und schwach war die Bündnispolitik des Reiches nach außen. Indem man den Frieden erhalten wollte, mußte man unweigerlich zum Krieg steuern.
Halb war die Polenpolitik. Man reizte, ohne jemals ernstlich durchzugreifen. Das Ergebnis war weder ein Sieg des Deutschtums noch eine Versöhnung der Polen, dafür aber Feindschaft mit Rußland.
Halb war die Lösung der elsaß-lothringischen Frage. Statt mit brutaler Faust einmal für immer der französischen Hydra den Kopf zu zermalmen, dem Elsässer aber dann gleiche Rechte zuzubilligen, tat man keines von beiden. Man konnte es auch gar nicht, saßen doch in den Reihen der größten Parteien auch die größten Landesverräter - im Zentrum z. B. Herr Wetterlé.
Alles dies aber wäre noch zu ertragen gewesen, wenn der allgemeinen Halbheit nicht auch die Macht zum Opfer gefallen wäre, von deren Dasein am Ende der Bestand des Reiches abhing: das Heer.
Was der sogenannte "Deutsche Reichstag" hier gesündigt hatte, genügt allein, um ihn für alle Zeiten mit dem Fluche der deutschen Nation zu beladen. Aus den erbärmlichsten Gründen haben diese parlamentarischen Parteilumpen der Nation die Waffe der Selbsterhaltung, den einzigen Schutz der Freiheit und Unabhängigkeit unseres Volkes, aus der Hand gestohlen und geschlagen. Öffneten sich heute die Gräber der flandrischen Ebene, so würden sich aus ihnen die blutigen Ankläger erheben, Hunderttausende der besten jungen Deutschen, die durch die Gewissenlosigkeit dieser parlamentarischen Verbrecher schlecht und halb ausgebildet dem Tod in die Arme getrieben wurden; sie und Millionen von Männern, die zu den Toten hinsanken oder zu Krüppeln worden, hat das Vaterland verloren, einzig und allein, um einigen hundert Volksbetrügern politische Schiebungen, Erpressungen oder selbst das Herunterleiern doktrinärer Theorien zu ermöglichen.
Während das Hasstum durch seine marxistische und demokratische Presse die Lüge vom deutschen "Militarismus" in die ganze Welt hinausrief und Deutschland so mit allen Mitteln zu belasten trachtete, verweigerten marxistische und demokratische Parteien jede umfassende Ausbildung der deutschen Volkskraft. Dabei mußte das ungeheure Verbrechen, das dadurch begangen wurde, jedem sofort klar werden, der nur bedachte, daß im Falle eines kommenden Krieges ja doch die gesamte Nation unter Waffen treten müsse, mithin also durch die Lumperei dieser sauberen Repräsentanten der eigenen sogenannten "Volksvertretung" Millionen von Deutschen in schlechter, halber Ausbildung vor den Feind getrieben würden. Aber selbst wenn man die hierdurch sich ergebenden Folgen der brutalen und rohen Gewissenlosigkeit dieser parlamentarischen Zuhälter ganz außer Betracht ließ: dieser Mangel an ausgebildeten Soldaten zu Beginn des Krieges konnte nur zu leicht zum Verlust desselben führen, was dann auch im großen Weltkrieg in so furchtbarer Weise sich bestätigte.
Der Verlust des Kampfes um die Freiheit und Unabhängigkeit der deutschen Nation ist das Ergebnis der schon im Frieden betätigten Halbheit und Schwäche in der Heranziehung der gesamten Volkskraft zur Verteidigung des Vaterlandes.
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Wenn im Lande zu wenig Rekruten ausgebildet wurden, so war zur See die gleiche Halbheit am Werke, die Waffe der nationalen Selbsterhaltung mehr oder weniger wertlos zu machen. Leider aber wurde die Leitung der Marine selber vom Geist der Halbheit angesteckt. Die Tendenz, alle auf Stapel gelegten Schiffe immer etwas kleiner als die zur gleichen Zeit vom Stapel gelassenen englischen zu bauen, war wenig weitschauend und noch weniger genial. Gerade eine Flotte, die von Anfang an rein zahlenmäßig nicht auf gleiche Höhe mit ihrem voraussichtlichen Gegner gebracht werden kann, muß den Mangel der Zahl zu ersetzen trachten durch die überragende Kampfkraft der einzelnen Schiffe. Auf die überlegene Kampfkraft kommt es an und nicht auf eine sagenhafte Überlegenheit an "Güte". Tatsächlich ist die moderne Technik so fortgeschritten und zu so großer Übereinstimmung in den einzelnen Kulturstaaten gekommen, daß es als unmöglich gelten muß. Schiffen der einen Macht einen wesentlich größeren Gefechtswert zu geben als den Schiffen gleichen Tonnengehalts eines anderen Staates. Noch viel weniger aber ist es denkbar, eine Überlegenheit bei kleinerem Deplacement gegenüber einem größeren zu erzielen.
Tatsächlich konnte der kleine Tonnengehalt der deutschen Schiffe nur auf Kosten der Schnelligkeit und Armierung erfolgen. Die Phrase, mit der man diese Tatsache zu rechtfertigen versuchte, zeigte allerdings schon einen sehr bösen Mangel an Logik bei der hierfür im Frieden maßgebenden Stelle. Man erklärte nämlich, daß das deutsche Geschützmaterial dem britischen so ersichtlich überlegen sei, daß das deutsche 28-Zentimeter-Rohr dem britischen 30,5-Zentimeter-Rohr an Schußleistung gar nicht nachstehe!!Gerade deshalb aber wäre es Pflicht gewesen, nun ebenfalls zum 30,5-Zentimeter-Geschütz überzugehen, da das Ziel nicht die Erreichung gleicher, sondern überlegener Kampfkraft hätte sein müssen. Sonst wäre ja auch die Beistellung des 42-Zentimeter-Mörsers beim Heer überflüssig gewesen, da der deutsche 21-Zentimeter-Mörser jedem damals vorhandenen französischen Steilfeuergeschütz an und für sich schon weit überlegen war, die Festungen aber wohl auch dem 30,5-Zentimeter-Mörser ebenfalls zum Opfer gefallen wären. Allein die Leitung der Landarmee dachte richtig und die der Marine leider nicht.
Der Verzicht auf überragende Artilleriewirkung sowie auf überlegene Schnelligkeit lag aber ganz im grundfalschen sogenannten "Risikogedanken" begründet. Man verzichtete in der Marineleitung schon durch die Form des Ausbaues der Flotte auf den Angriff und verlegte sich so von Anfang an zwangsläufig auf die Defensive. Damit aber verzichtete man auch auf den letzten Erfolg, der doch ewig nur im Angriff liegt und liegen kann.
Ein Schiff mit kleinerer Schnelligkeit und schwächerer Armierung wird vom schnelleren und stärker bestückten Gegner meist in der für diesen günstigen Schußentfernung in den Grund geschossen werden. Das mußte eine ganze Anzahl unserer Kreuzer in der bittersten Weise fühlen. Wie grundfalsch die Friedensansicht der Marineleitung war, zeigte der Krieg, der, wo es nur anging, zur Umarmierung alter und Besserarmierung der neuen Schiffe zwang. Würden aber in der Seeschlacht am Skagerrak die deutschen Schiffe gleichen Tonnengehalt, gleiche Armierung und gleiche Schnelligkeit wie die englischen besessen haben, dann wäre unter dem Orkan der treffsicheren und wirkungsvolleren deutschen 38-Zentimeter-Granaten die britische Flotte ins nasse Grab gesunken.
Japan hat einst eine andere Flottenpolitik getrieben. Dort wurde grundsätzlich aller Wert darauf gelegt, in jedem einzelnen neuen Schiff eine überlegene Kampfkraft gegenüber dem voraussichtlichen Gegner zu gewinnen. Dem entsprach dann aber auch die dadurch ermöglichte offensive Einsetzung der Flotte.
Während sich das Landheer in seiner Leistung von so prinzipiell falschen Gedankengängen noch frei hielt, unterlag die Marine, die "parlamentarisch" leider schon besser vertreten war, dem Geiste des Parlaments. Sie war von halben Gesichtspunkten aus organisiert und wurde später nach ähnlichen eingesetzt. Was die Marine dann dennoch an unsterblichem Ruhm sich erwarb, war nur mehr dem Konto der guten deutschen Wehrmannsarbeit sowie der Fähigkeit und dem unvergleichlichen Heldentum der einzelnen Offiziere und Mannschaften gutzuschreiben. Hatte die frühere Oberste Leitung der Marine dem an Genialität entsprochen, so wären die Opfer nicht vergeblich gewesen.
So wurde vielleicht gerade die überlegene parlamentarische Geschicklichkeit des führenden Kopfes der Marine im Frieden zum Unheil derselben, indem leider auch in ihrem Aufbau statt rein militärischer parlamentarische Gesichtspunkte die maßgebende Rolle zu spielen begannen. Die Halbheit und Schwäche sowie die geringe Logik im Denken, die der parlamentarischen Institution zu eigen ist, färbten auf die Leitung der Flotte ab.
Das Landheer hielt sich, wie schon betont, von solchen grundsätzlich falschen Gedankengängen noch zurück. Besonders der damalige Oberst im Großen Generalstab, Ludendorff, führte einen verzweifelten Kampf gegen die verbrecherische Halbheit und Schwäche, mit der der Reichstag den Lebensfragen der Nation gegenübertrat und sie meistens verneinte. Wenn der Kampf, den dieser Offizier damals ausfocht, dennoch vergeblich war, so trug die Schuld zur einen Hälfte eben das Parlament, zur anderen aber die wenn möglich noch elendere Haltung und Schwäche des Reichskanzlers Bethmann Hollweg. Dieses hindert die Schuldigen am deutschen Zusammenbruch jedoch nicht im geringsten, heute gerade dem die Schuld zuschieben zu wollen, der als einziger sich gegen diese Verwahrlosung der nationalen Interessen wandte - auf einen Betrug mehr oder weniger kommt es diesen geborenen Schiebern niemals an.
Wer all die Opfer überdenkt, die durch den sträflichen Leichtsinn dieser Verantwortungslosesten der Nation aufgebürdet worden, all die zwecklos geopferten Millionen von gesunden Männern sich vor Augen führt sowie die grenzenlose Schmach und Schande, das unermeßliche Elend, das uns jetzt getroffen hat, und weiß, daß dieses alles nur kam, um einem Haufen gewissenloser Streber und Stellenjäger die Bahn zu Ministerstühlen freizumachen, der wird verstehen, daß man diese Kreaturen wirklich nur mit Worten wie Schuft, Schurke, Lump und Verbrecher bezeichnen kann, sonst waren der Sinn und Zweck des Vorhandenseins dieser Ausdrücke im Sprachgebrauch ja unverständlich. Denn diesen Verrätern an der Nation gegenüber ist jeder Zuhälter noch ein Ehrenmann.
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Alle wirklichen Schattenseiten des alten Deutschlands fielen aber eigentümlicherweise nur dann ins Auge, wenn dadurch die innere Festigkeit der Nation Schaden erleiden mußte. Ja, in solchen Fällen wurden die unangenehmen Wahrheiten geradezu in die breite Masse hinausgeschrien, während man sonst viele Dinge lieber schamhaft verschwieg, ja zum Teil einfach ableugnete. Dies war der Fall, wenn es durch die offene Behandlung einer Frage vielleicht zu einer Besserung hätte kommen können. Dabei verstanden die maßgebenden Stellen der Regierung soviel wie nichts vom Werte und vom Wesen der Propaganda. Daß durch kluge und dauernde Anwendung der Propaganda einem Volke selbst der Himmel als Hölle vorgemacht werden kann und umgekehrt das elendeste Leben als Paradies, wußte nur der Hass, der auch dementsprechend handelte; der Deutsche, besser seine Regierung, besaß davon keine blasse Ahnung.
Am schwersten sollte sich dies während des Krieges rächen.
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Allen hier angedeuteten und zahllosen weiteren Schäden im deutschen Leben vor dem Kriege standen auch wieder viele Vorzüge gegenüber. Bei einer gerechten Prüfung muß man sogar erkennen, daß die meisten unserer Gebrechen zum größten Teile auch die anderen Länder und Völker ihr eigen nannten, ja in manchen uns noch weitaus in den Schatten stellten, während sie viele unserer tatsächlichen Vorzüge nicht besaßen.
An die Spitze dieser Vorzüge kann man unter anderem die Tatsache stellen, daß das deutsche Volk unter fast allen europäischen Völkern sich immer noch am meisten den nationalen Charakter reiner Wirtschaft zu bewahren versuchte und trotz mancher bösen Vorzeichen noch am wenigsten der internationalen Finanzkontrolle unterstand. Allerdings ein gefährlicher Vorzug, der später zum größten Erreger des Weltkrieges wurde.
Sieht man von dem und vielem anderen aber ab, so müssen drei Einrichtungen aus der Unzahl von gesunden Kraftquellen der Nation herausgenommen werden, die in ihrer Art als mustergültig, ja zum Teil unerreicht dastanden.
Als erstes die Staatsform an sich und die Ausprägung, die sie im Deutschland der neuen Zeit gefunden hatte.
Man darf hier wirklich von einzelnen Monarchen absehen, die als Menschen allen Schwächen unterworfen waren, die diese Erde und ihre Kinder heimzusuchen pflegen - wäre man hier nicht nachsichtig, müßte man sonst an der Gegenwart überhaupt verzweifeln: sind doch die Repräsentanten des jetzigen Regiments, gerade als Persönlichkeit betrachtet, wohl das geistig und moralisch Bescheidenste, das man sich selbst bei langem Nachdenken auch nur vorzustellen vermag. Wer den "Wert" der deutschen Revolution an dem Werte und der Größe der Personen mißt, die sie dem deutschen Volke seit dem November 1918 geschenkt hat, der wird sein Haupt verhüllen aus Scham vor dem Urteil der Nachwelt, der man nicht mehr das Maul wird verbinden können durch Schutzgesetze usw., und die deshalb das sagen wird, was wir ja doch alle schon heute erkennen, nämlich, daß Gehirn und Tugend bei unseren neudeutschen Führern im umgekehrten Verhältnis stehen zu ihren Mäulern und Lastern.
Gewiß war die Monarchie vielen, dem breiten Volke vor allem, entfremdet. Das war die Folge der Tatsache, daß die Monarchen nicht immer von den - sagen wir - hellsten und besonders nicht von den aufrichtigsten Köpfen umgeben waren. Sie liebten leider zum Teil die Schmeichler mehr als die geraden Naturen, und so wurden sie auch von diesen "unterrichtet". Ein sehr schwerer Schaden in einer Zeit, in der die Welt einen großen Wandel in vielen alten Anschauungen durchgemacht hatte, der natürlich auch nicht vor der Beurteilung mancher althergebrachten Überlieferungen der Höfe haltmachte.
So konnte um die Jahrhundertwende der gewöhnliche Mann und Mensch keine besondere Bewunderung mehr finden für die an der Front in Uniform entlang reitende Prinzessin. Über die Wirkung einer solchen Parade in den Augen des Volkes konnte man sich anscheinend gar keine richtige Vorstellung machen, denn sonst wäre es zu so unglücklichen Auftritten wohl nie gekommen. Auch die nicht immer ganz echte Humanitätsduselei dieser Kreise wirkte eher abstoßend als anziehend. Wenn zum Beispiel die Prinzessin X. geruhte, die Kostprobe in einer Volksküche mit dem bekannten Resultat vorzunehmen, so konnte das früher vielleicht ganz gut aussehen, damals aber war der Erfolg ein gegenteiliger. Es kann dabei ohne weiteres angenommen werden, daß die Hoheit wirklich keine Ahnung davon besaß, daß das Essen am Tage ihrer Prüfung eben ein klein wenig anders war, als es sonst zu sein pflegte; allein es genügte vollkommen, daß die Leute dies wußten.
So wurde die möglicherweise beste Absicht lächerlich, wenn nicht gerade aufreizend.
Schilderungen aber die immer sprichwörtliche Genügsamkeit des Monarchen, sein viel zu frühes Aufstehen sowie sein förmliches Schuften bis in die späte Nacht hinein, noch dazu bei der dauernden Gefahr seiner drohenden Unterernährung, riefen doch sehr bedenkliche Äußerungen hervor. Man verlangte ja gar nicht zu wissen, was und wieviel der Monarch zu sich zu nehmen geruhte; man gönnte ihm schon eine "auskömmliche" Mahlzeit; man war auch nicht darauf aus, ihm etwa den nötigen Schlaf verweigern zu wollen; man war zufrieden, wenn er nur sonst als Mensch und Charakter dem Namen seines Geschlechtes und der Nation Ehre bereitete und als Regent seine Pflichten erfüllte. Das Märchenerzählen nützte nur wenig, schadete aber dafür um so mehr.
Dieses und vieles Ähnliche waren aber doch nur Kleinigkeiten. Schlimmer wirkte sich in leider sehr großen Teilen der Nation immer mehr die Überzeugung aus, das man ohnehin von oben regiert werde und der einzelne sich mit. hin auch um nichts weiter zu kümmern habe. Solange die Regierung wirklich gut war oder doch wenigstens das Beste wollte, ging die Sache noch an. Aber wehe, wenn einmal an Stelle der an sich Gutes wollenden alten Regierung eine neue, weniger ordentliche, treten sollte, dann waren die willenlose Fügsamkeit und der kindliche Glaube das schwerste Unheil, das man sich nur auszudenken vermochte.
Allen diesen und vielen anderen Schwachen aber standen unbestreitbare Werte gegenüber.
Einmal die durch die monarchische Staatsform bedingte Stabilität der gesamten Staatsleitung sowie das Herausziehen der letzten Staatsstellen aus dem Trubel der Spekulation ehrgeiziger Politiker. Weiter die Ehrwürdigkeit der Institution an sich sowie die schon dadurch begründete Autorität derselben, ebenso das Emporheben des Beamtenkörpers und besonders des Heeres über das Niveau parteipolitischer Verpflichtungen. Dazu kam noch der Vorzug der persönlichen Verkörperung der Staatsspitze durch den Monarchen als Person und das Vorbild einer Verantwortung, die der Monarch stärker zu tragen hat als der Zufallshaufe einer parlamentarischen Majorität - die sprichwörtliche Sauberkeit der deutschen Verwaltung war in erster Linie dem zuzuschreiben, Endlich aber war der kulturelle Wert der Monarchie für das deutsche Volk ein hoher und vermochte sehr wohl andere Nachteile auszugleichen. Die deutschen Residenzen waren noch immer der Hort einer Kunstgesinnung, die in unserer vermaterialisierten Zeit ohnehin immer mehr auszusterben droht. Was die deutschen Fürsten für Kunst und Wissenschaft gerade im neunzehnten Jahrhundert taten, war vorbildlich. Die heutige Zeit darf jedenfalls damit nicht verglichen werden.
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Als größten Wertfaktor in dieser Zeit der beginnenden und sich langsam weiterverbreitenden Zersetzung unseres Volkskörpers haben wir jedoch das Heer zu buchen. Es war die gewaltigste Schule der deutschen Nation, und nicht umsonst richtete sich der Haß aller Feinde gerade gegen diesen Schirm der nationalen Selbstverwaltung und Freiheit. Kein herrlicheres Denkmal kann dieser einzigen Einrichtung geschenkt werden als die Feststellung der Wahrheit, daß sie von allen Minderwertigen verleumdet, gehaßt, bekämpft, aber auch gefürchtet wurde. Daß sich die Wut der internationalen Volksausbeuter zu Versailles in erster Linie gegen das alte deutsche Heer richtete, laßt dieses erst recht als Hort der Freiheit unseres Volkes vor der Macht der Börse erkennen. Ohne diese warnende Macht wäre der Sinn von Versailles an unserem Volk schon längst vollzogen worden. Was das deutsche Volk dem Heere verdankt, läßt sich kurz zusammenfassen in ein einziges Wort, nämlich: Alles.
Das Heer erzog zur unbedingten Verantwortlichkeit in einer Zeit, da diese Eigenschaft schon sehr selten geworden war und das Drücken von derselben immer mehr an die Tagesordnung kam, ausgehend von dem Mustervorbild aller Verantwortungslosigkeit, dem Parlament; es erzog weiter zum persönlichen Mut in einem Zeitalter, da die Feigheit zu einer grassierenden Krankheit zu werden drohte und die Opferwilligkeit, sich für das allgemeine Wohl einzusetzen, schon fast als Dummheit angesehen wurde, und klug nur mehr derjenige zu sein schien, der das eigene "Ich" am besten zu schonen und zu fördern verstand; es war die Schule, die den einzelnen Deutschen noch lehrte, das Heil der Nation nicht in den verlogenen Phrasen einer internationalen Verbrüderung zwischen Negern, Deutschen, Chinesen, Franzosen, Engländern usw. zu suchen, sondern in der Kraft und Geschlossenheit des eigenen Volkstums.
Das Heer erzog zur Entschlußkraft, während im sonstigen Leben schon Entschlußlosigkeit und Zweifel die Handlungen der Menschen zu bestimmen begannen. Es wollte etwas heißen, in einem Zeitalter, da die Neunmalklugen überall den Ton angaben, den Grundsatz hochzuhalten, daß ein Befehl immer besser ist als keiner. In diesem einzigen Grundsatze steckte eine noch unverdorbene, robuste Gesundheit, die unserem sonstigen Leben schon längst abhanden gekommen wäre, wenn nicht das Heer und seine Erziehung für die immerwährende Erneuerung dieser Urkraft gesorgt hatten. Man braucht ja nur die entsetzliche Entschlußlosigkeit unserer jetzigen Reichsführung zu sehen, die sich zu keiner Tat aufzuraffen vermag, außer es handelt sich um die erzwungene Unterschreibung eines neuen Ausplünderungsdiktates; in diesem Falle lehnt sie dann freilich jede Verantwortung ab und unterschreibt mit der Fixigkeit eines Kammerstenographen alles, was man ihr auch nur vorzulegen für gut befindet, denn in diesem Falle ist der Entschluß leicht zu fassen: er wird ihr ja diktiert.
Das Heer erzog zum Idealismus und zur Hingabe an das Vaterland und seine Größe, während im sonstigen Leben Habsucht und Materialismus um sich gegriffen hatten. Es erzog ein einiges Volk gegenüber der Trennung in Klassen und hatte hier vielleicht als einzigen Fehler die Einjährigfreiwilligen-Einrichtung aufzuweisen. Fehler deshalb, weil durch sie das Prinzip der unbedingten Gleichheit durchbrochen und der Höhergebildete wieder außerhalb des Rahmens der allgemeinen Umgebung gestellt wurde, während gerade das Umgekehrte von Vorteil gewesen wäre. Bei der ohnehin so großen Weltfremdheit unserer oberen Schichten und der immer größer werdenden Entfremdung dem eigenen Volke gegenüber hätte gerade das Heer besonders segensreich zu wirken vermocht, wenn es wenigstens in seinen Reihen jede Absonderung der so. genannten Intelligenz vermied. Daß man dies nicht tat, war ein Fehler; allein welche Institution auf dieser Welt wird fehlerlos sein? Bei dieser aber überwog ohnehin das Gute so sehr, daß die wenigen Gebrechen weit unter dem Durchschnittsgrade der menschlichen Unzulänglichkeit lagen.
Als höchstes Verdienst aber muß dem Heere des alten Reiches angerechnet werden, daß es in einer Zeit der allgemeinen Majorisierung der Köpfe die Köpfe aber die Majorität stellte. Das Heer hielt gegenüber dem hassischdemokratischen Gedanken einer blinden Anbetung der Zahl den Glauben an die Persönlichkeit hoch. So erzog es denn auch das, was die neuere Zeit am nötigsten brauchte: Männer. - Im Sumpfe einer allgemein um sich greifenden Verweichlichung und Verweibung schossen ans den Reihen des Heeres alljährlich dreihundertfünfzigtausend kraftstrotzende junge Männer heraus, die in zweijähriger Ausbildung die Weichheit der Jugend verloren und stahlharte Körper gewonnen hatten. Der junge Mensch aber, der während dieser Zeit Gehorchen übte, konnte darauf erst Befehlen lernen. Am Tritt schon erkannte man den gedienten Soldaten.
Dies war die Hohe Schule der deutschen Nation, und nicht umsonst konzentrierte sich auf sie der grimmige Haß derjenigen, die aus Neid und Habsucht die Ohnmacht des Reiches und die Wehrlosigkeit seiner Bürger brauchten und wünschten. Was viele Deutsche in Verblendung oder bösem Wissen nicht sehen wollten, erkannte die fremde Welt: das deutsche Heer war die gewaltigste Waffe im Dienste der Freiheit der deutschen Nation und der Ernährung ihrer Kinder.
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Zur Staatsform und zum Heere kam als Drittes im Bunde der unvergleichliche Beamtenkörper des alten Reiches.
Deutschland war das bestorganisierte und bestverwaltete Land der Welt. Man mochte dem deutschen Staatsbeamten leicht bürokratische Zopfigkeit nachsagen, in den anderen Staaten stand es darum nicht besser, eher sogar noch schlechter. Was aber die anderen Staaten nicht besaßen, das war die wundervolle Solidität dieses Apparates sowie die unbestechlich ehrenhafte Gesinnung seiner Träger. Lieber noch etwas zopfig, aber redlich und treu, als aufgeklärt und modern, aber minderwertig von Charakter und, wie es sich heute häufig zeigt, unwissend und nichtskönnend. Denn wenn man jetzt gerne so tut, als ob die deutsche Verwaltung der Vorkriegszeit wohl bürokratisch gediegen, allein kaufmännisch schlecht gewesen wäre, so kann man darauf nur folgendes antworten: Welches Land der Welt hatte einen besser geleiteten und kaufmännischer organisierten Betrieb als Deutschland in seinen Staatsbahnen? Erst der Revolution blieb es vorbehalten, diesen Musterapparat so lange zu zerstören, bis er endlich reif zu sein schien, aus den Händen der Nation genommen und im Sinne der Begründer dieser Republik sozialisiert zu werden, das heißt, dem internationalen Börsenkapital, als dem Auftraggeber der deutschen Revolution, zu dienen.
Was dabei den deutschen Beamtenkörper und Verwaltungsapparat besonders auszeichnete, war seine Unabhängigkeit von den einzelnen Regierungen, deren jeweilige politische Gesinnung auf die Stellung des deutschen Staatsbeamten keinen Einfluß auszuüben vermochte. Seit der Revolution allerdings hat sich dies gründlich geändert. An Stelle des Könnens und der Fähigkeit trat die Parteieinstellung, und ein selbständiger, unabhängiger Charakter wurde eher hinderlich als fördernd.
Auf der Staatsform, dem Heere und dem Beamtenkörper beruhte die wundervolle Kraft und Stärke des alten Reiches. Diese waren in erster Linie die Ursachen einer Eigenschaft, die dem heutigen Staate vollkommen fehlt: der Staatsautorität! Denn diese beruht nicht auf Schwätzereien in den Parlamenten oder Landtagen, auch nicht auf Gesetzen zu ihrem Schutze oder Gerichtsurteilen zur Abschreckung frecher Leugner derselben usw., sondern auf dem allgemeinen Vertrauen, das der Leitung und Verwaltung eines Gemeinwesens entgegengebracht werden darf und kann. Dieses Vertrauen jedoch ist wieder nur das Ergebnis einer unerschütterlichen inneren Überzeugung von der Uneigennützigkeit und Redlichkeit der Regierung und Verwaltung eines Landes sowie die Übereinstimmung des Sinnes der Gesetze mit dem Gefühl der allgemeinen Moralanschauung. Denn auf die Dauer werden Regierungssysteme nicht gehalten durch den Druck der Gewalt, sondern durch den Glauben an ihre Güte und an die Wahrhaftigkeit in der Vertretung und Förderung der Interessen eines Volkes.
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So schwer also gewisse Schaden in der Vorkriegszeit die innere Stärke der Nation auch anfraßen und auszuhöhlen drohten, so darf man nicht vergessen, daß andere Staaten an den meisten dieser Krankheiten noch mehr litten als Deutschland und dennoch in der kritischen Stunde der Gefahr nicht versagten und zugrunde gingen. Wenn man aber bedenkt, daß den deutschen Schwächen vor dem Kriege auch ebenso große Stärken gegenüberstanden, so kann und muß die letzte Ursache des Zusammenbruchs noch auf einem anderen Gebiete liegen; und dies ist auch der Fall.
Der tiefste und letzte Grund des Unterganges des alten Reiches lag im Nichterkennen des Rasseproblems und seiner Bedeutung für die geschichtliche Entwicklung der Völker. Denn alle Geschehnisse im Völkerleben sind nicht Äußerungen des Zufalls, sondern naturgesetzliche Vorgänge des Dranges der Selbsterhaltung und Mehrung von Art und Rasse, auch wenn sich die Menschen des inneren Grundes
 
11. Kapitel:
Volk und Rasse
Es gibt Wahrheiten, die so sehr auf der Straße liegen, daß sie gerade deshalb von der gewöhnlichen Welt nicht gesehen oder wenigstens nicht erkannt werden. Sie geht an solchen Binsenwahrheiten manchmal wie blind vorbei und ist auf das höchste erstaunt, wenn plötzlich jemand entdeckt, was doch alle wissen müßten. Es liegen die Eier des Kolumbus zu Hunderttausenden herum, nur die Kolumbusse sind eben seltener zu treffen.
So wandern die Menschen ausnahmslos im Garten der Natur umher, bilden sich ein, fast alles zu kennen und zu wissen, und gehen doch mit wenigen Ausnahmen wie blind an einem der hervorstechendsten Grundsätze ihres Waltens vorbei: der inneren Abgeschlossenheit der Arten sämtlicher Lebewesen dieser Erde.
Schon die oberflächliche Betrachtung zeigt als nahezu ehernes Grundgesetz all der unzähligen Ausdrucksformen des Lebenswillens der Natur ihre in sich begrenzte Form der Fortpflanzung und Vermehrung. Jedes Tier paart sich nur mit einem Genossen der gleichen Art. Meise geht zu Meise, Fink zu Fink, der Storch zur Störchin, Feldmaus zu Feldmaus, Hausmaus zu Hausmaus, der Wolf zur Wölfin usw.
Nur außerordentliche Umstände vermögen dies zu ändern, in erster Linie der Zwang der Gefangenschaft sowie eine sonstige Unmöglichkeit der Paarung innerhalb der gleichen Art. Dann aber beginnt die Natur sich auch mit allen Mitteln dagegen zu stemmen, und ihr sichtbarster Protest besteht entweder in der Verweigerung der weiteren Zeugungsfähigkeit für die Bastarde, oder sie schränkt die Fruchtbarkeit der späteren Nachkommen ein; in den meisten Fällen aber raubt sie die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheit oder feindliche Angriffe.
Das ist nur zu natürlich.
Jede Kreuzung zweier nicht ganz gleich hoher Wesen gibt als Produkt ein Mittelding zwischen der Höhe der beiden Eltern. Das heißt also: das Junge wird wohl höher stehen als die rassisch niedrigere Hälfte des Elternpaares, allein nicht so hoch wie die höhere. Folglich wird es im Kampf gegen diese höhere später unterliegen. Solche Paarung widerspricht aber dem Willen der Natur zur Höherzüchtung des Lebens überhaupt. Die Voraussetzung hierzu liegt nicht im Verbinden von Höher- und Minderwertigem, sondern im restlosen Siege des ersteren. Der Stärkere hat zu herrschen und sich nicht mit dem Schwächeren zu verschmelzen, um so die eigene Größe zu opfern. Nur der geborene Schwächling kann dies als grausam empfinden, dafür aber ist er auch nur ein schwacher und beschränkter Mensch; denn würde dieses Gesetz nicht herrschen, wäre ja jede vorstellbare Höherentwicklung aller organischen Lebewesen undenkbar.
Die Folge dieses in der Natur allgemein gültigen Triebes zur Rassenreinheit ist nicht nur die scharfe Abgrenzung der einzelnen Rassen nach außen, sondern auch ihre gleichmäßige Wesensart in sich selber. Der Fuchs ist immer ein Fuchs, die Gans eine Gans, der Tiger ein Tiger usw., und der Unterschied kann höchstens im verschiedenen Maße der Kraft, der Stärke, der Klugheit, Gewandtheit, Ausdauer usw. der einzelnen Exemplare liegen. Es wird aber nie ein Fuchs zu finden sein, der seiner inneren Gesinnung nach etwa humane Anwandlungen Gänsen gegenüber haben könnte, wie es ebenso auch keine Katze gibt mit freundlicher Zuneigung zu Mäusen.
Daher entsteht auch hier der Kampf untereinander weniger infolge innerer Abneigung etwa als vielmehr aus Hunger und Liebe. In beiden Fällen sieht die Natur ruhig, ja befriedigt zu. Der Kampf um das tägliche Brot läßt alles Schwache und Kränkliche, weniger Entschlossene unterliegen, während der Kampf der Männchen um das Weibchen nur dem Gesündesten das Zeugungsrecht oder doch die Möglichkeit hierzu gewährt. Immer aber ist der Kampf ein Mittel zur Förderung der Gesundheit und Widerstandskraft der Art und mithin eine Ursache zur Höherentwicklung derselben.
Wäre der Vorgang ein anderer, würde jede Weiter- und Höherbildung aufhören und eher das Gegenteil eintreten. Denn da das Minderwertige der Zahl nach gegenüber dem Besten immer überwiegt, würde bei gleicher Lebenserhaltung und Fortpflanzungsmöglichkeit das Schlechtere sich so viel schneller vermehren, daß endlich das Beste zwangsläufig in den Hintergrund treten müßte. Eine Korrektur zugunsten des Besseren muß also vorgenommen werden. Diese aber besorgt die Natur, indem sie den schwächeren Teil so schweren Lebensbedingungen unterwirft, daß schon durch sie die Zahl beschränkt wird, den Überrest aber endlich nicht wahllos zur Vermehrung zuläßt, sondern hier eine neue, rücksichtslose Auswahl nach Kraft und Gesundheit trifft.
So wenig sie aber schon eine Paarung von schwächeren Einzelwesen mit stärkeren wünscht, soviel weniger noch die Verschmelzung von höherer Rasse mit niederer, da ja andernfalls ihre ganze sonstige, vielleicht jahrhunderttausendelange Arbeit der Höherzüchtung mit einem Schlage wieder hinfällig wäre.
Die geschichtliche Erfahrung bietet hierfür zahllose Belege. Sie zeigt in erschreckender Deutlichkeit, daß bei jeder Blutvermengung des Ariers mit niedrigeren Völkern als Ergebnis das Ende des Kulturträgers herauskam. Nordamerika, dessen Bevölkerung zum weitaus größten Teile aus germanischen Elementen besteht, die sich nur sehr wenig mit niedrigeren farbigen Völkern vermischten, zeigt eine andere Menschheit und Kultur als Zentral- und Südamerika, in dem die hauptsächlich romanischen Einwanderer sich in manchmal großem Umfange mit den Ureinwohnern vermengt hatten. An diesem einen Beispiele schon vermag man die Wirkung der Rassenvermischung klar und deutlich zu erkennen. Der rassisch rein und unvermischt gebliebene Germane des amerikanischen Kontinents ist zum Herrn desselben aufgestiegen; er wird der Herr so lange bleiben, so lange nicht auch er der Blutschande zum Opfer fällt.
Das Ergebnis jeder Rassenkreuzung ist also, ganz kurz gesagt immer folgendes:a) Niedersenkung des Niveaus der höheren Rasse,b) körperlicher und geistiger Rückgang und damit der Beginn eines, wenn auch langsam, so doch sicher fort. schreitenden Siechtums.
Eine solche Entwicklung herbeiführen, heißt aber denn doch nichts anderes, als Sünde treiben wider den Willen des ewigen Schöpfers.
Als Sünde aber wird diese Tat auch gelohnt.
Indem der Mensch versucht, sich gegen die eiserne Logik der Natur aufzubäumen, gerät er in Kampf mit den Grundsätzen, denen auch er selber sein Dasein als Mensch allein verdankt. So muß sein Handeln gegen die Natur zu seinem eigenen Untergang führen.
Hier freilich kommt der echt hasshaft freche, aber ebenso dumme Einwand des modernen Pazifisten: "Der Mensch überwindet eben die Natur!"Millionen plappern diesen hassischen Unsinn gedankenlos nach und bilden sich am Ende wirklich ein, selbst eine Art von Naturüberwindern darzustellen; wobei ihnen jedoch als Waffe nichts weiter als eine Idee zur Verfügung steht, noch dazu aber eine so miserable, daß sich nach ihr wirklich keine Welt vorstellen ließe.
Allein ganz abgesehen davon, daß der Mensch die Natur noch in keiner Sache überwunden hat, sondern höchstens das eine oder andere Zipfelchen ihres ungeheuren, riesenhaften Schleiers von ewigen Rätseln und Geheimnissen erwischte und emporzuheben versuchte, daß er in Wahrheit nichts erfindet, sondern alles nur entdeckt, daß er nicht die Natur beherrscht, sondern nur auf Grund der Kenntnis einzelner Naturgesetze und Geheimnisse zum Herrn derjenigen anderen Lebewesen aufgestiegen ist, denen dieses Wissen eben fehlt - also ganz abgesehen davon, kann eine Idee nicht die Voraussetzungen zum Werden und Sein der Menschheit überwinden, da die Idee selber ja nur vom Menschen abhingt. Ohne Menschen gibt es keine menschliche Idee auf dieser Welt, mithin ist die Idee als solche doch immer bedingt durch das Vorhandensein der Menschen und damit all der Gesetze, die zu diesem Dasein die Voraussetzung schuf en.
Und nicht nur das! Bestimmte Ideen sind sogar an bestimmte Menschen gebunden. Dies gilt am allermeisten gerade für solche Gedanken, deren Inhalt nicht in einer exakten wissenschaftlichen Wahrheit, sondern in der Welt des Gefühls seinen Ursprung hat oder, wie man sich heute so schön und klar auszudrücken pflegt, ein "inneres Erleben" wiedergibt. All diese Ideen, die mit kalter Logik an sich nichts zu tun haben, sondern reine Gefühlsäußerungen, ethische Vorstellungen usw. darstellen, sind gefesselt an das Dasein der Menschen, deren geistiger Vorstellungs- und Schöpferkraft sie ihre eigene Existenz verdanken. Gerade dann aber ist doch die Erhaltung dieser bestimmten Rassen und Menschen die Vorbedingung zum Bestande dieser Ideen. Wer z. B. den Sieg des pazifistischen Gedankens in dieser Welt wirklich von Herzen wünschen wollte, müßte sich mit allen Mitteln für die Eroberung der Welt durch die Deutschen einsetzen; denn wenn es umgekehrt kommen sollte, würde sehr leicht mit dem letzten Deutschen auch der letzte Pazifist aussterben, da die andere Welt auf diesen natur- und vernunftwidrigen Unsinn kaum je so tief hereingefallen ist als leider unser eigenes Volk. Man müßte sich also wohl oder übel bei ernstem Willen entschließen, Kriege zu führen, um zum Pazifismus zu kommen. Dies und nichts anderes hatte der amerikanische Weltheiland Wilson auch beabsichtigt, so wenigstens glaubten unsere deutschen Phantasten - womit ja dann der Zweck erreicht war.
Tatsächlich ist die pazifistisch-humane Idee vielleicht ganz gut dann, wenn der höchststehende Mensch sich vorher die Welt in einem Umfange erobert und unterworfen hat, der ihn zum alleinigen Herrn dieser Erde macht. Es fehlt dieser Idee dann die Möglichkeit einer schädlichen Auswirkung in eben dem Maße, in dem ihre praktische Anwendung selten und endlich unmöglich wird. Also erst Kampf und dann vielleicht Pazifismus. Im anderen Falle hat die Menschheit den Höhepunkt ihrer Entwicklung überschritten, und das Ende ist nicht die Herrschaft irgendeiner ethischen, Idee, sondern Barbarei und in der Folge Chaos. Es mag hier natürlich der eine oder andere lachen, allein dieser Planet zog schon Jahrmillionen durch den Äther ohne Menschen, und er kann einst wieder so dahinziehen, wenn die Menschen vergessen, daß sie ihr höheres Dasein nicht den Ideen einiger verrückter Ideologen, sondern der Erkenntnis und rücksichtslosen Anwendung eherner Naturgesetze verdanken.
Alles, was wir heute auf dieser Erde bewundern Wissenschaft und Kunst, Technik und Erfindungen - ist nur das schöpferische Produkt weniger Völker und vielleicht ursprünglich einer Rasse. Von ihnen hängt auch der Bestand dieser ganzen Kultur ab. Gehen sie zugrunde, so sinkt mit ihnen die Schönheit dieser Erde ins Grab.
Wie sehr auch zum Beispiel der Boden die Menschen zu beeinflussen vermag, so wird doch das Ergebnis des Einflusses immer verschieden sein, je nach den in Betracht kommenden Rassen. Die geringe Fruchtbarkeit eines Lebensraumes mag die eine Rasse zu höchsten Leistungen anspornen, bei einer anderen wird sie nur die Ursache zu bitterster Armut und endlicher Unterernährung mit all ihren Folgen. Immer ist die innere Veranlagung der Völker bestimmend für die Art der Auswirkung äußerer Einflüsse. Was bei den einen zum Verhungern führt, erzieht die anderen zu harter Arbeit.
Alle großen Kulturen der Vergangenheit gingen nur zugrunde, weil die ursprünglich schöpferische Rasse an Blutvergiftung abstarb.
Immer war die letzte Ursache eines solchen Unterganges das Vergessen, daß alle Kultur vom Menschen abhingt und nicht umgekehrt, daß also, um eine bestimmte Kultur zu bewahren, der sie erschaffende Mensch erhalten werden muß.
Diese Erhaltung aber ist gebunden an das eherne Gesetz der Notwendigkeit und des Rechtes des Sieges des Besten und Stärkeren.
Wer leben will, der kämpfe also, und wer nicht streiten will in dieser Welt des ewigen Ringens, verdient das Leben nicht.
Selbst wenn dies hart wäre - es ist nun einmal so! Sicher jedoch ist das weitaus härteste Schicksal jenes, das den Menschen trifft, der die Natur glaubt überwinden zu können und sie im Grunde genommen doch nur verhöhnt. Not, Unglück und Krankheiten sind dann ihre Antwort!Der Mensch, der die Rassengesetze verkennt und mißachtet, bringt sich wirklich um das Glück, das ihm bestimmt erscheint. Er verhindert den Siegeszug der besten Rasse und damit aber auch die Vorbedingung zu allem menschlichen Fortschritt. Er begibt sich in der Folge, belastet mit der Empfindlichkeit des Menschen, ins Bereich des hilflosen Tieres.
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Es ist ein müßiges Beginnen, darüber zu streiten, welche Rasse oder Rassen die ursprünglichen Träger der menschlichen Kultur waren und damit die wirklichen Begründer dessen, was wir mit dem Worte Menschheit alles umfassen. Einfacher ist es, sich diese Frage für die Gegenwart zu stellen, und hier ergibt sich auch die Antwort leicht und deutlich. Was wir heute an menschlicher Kultur, an Ergebnissen von Kunst, Wissenschaft und Technik vor uns sehen, ist nahezu ausschließlich schöpferisches Produkt des Ariers. Gerade diese Tatsache aber läßt den nicht unbegründeten Rückschluß zu, daß er allein der Begründer höheren Menschentums überhaupt war, mithin den Urtyp dessen darstellt, was wir unter dem Worte "Mensch" verstehen. Er ist der Prometheus der Menschheit, aus dessen lichter Stirne der göttliche Funke des Genies zu allen Zeiten hervorsprang, immer von neuem jenes Feuer entzündend, das als Erkenntnis die Nacht der schweigenden Geheimnisse aufhellte und den Menschen so den Weg zum Beherrscher der anderen Wesen dieser Erde emporsteigen ließ. Man schalte ihn aus - und tiefe Dunkelheit wird vielleicht schon nach wenigen Jahrtausenden sich abermals auf die Erde senken, die menschliche Kultur würde vergehen und die Welt veröden.
Würde man die Menschheit in drei Arten einteilen: in Kulturbegründer, Kulturträger und Kulturzerstörer, dann käme als Vertreter der ersten wohl nur der Arier in Frage. Von ihm stammen die Fundamente und Mauern aller menschlichen Schöpfungen, und nur die äußere Form und Farbe ist bedingt durch die jeweiligen Charakterzüge der einzelnen Völker. Er liefert die gewaltigen Bausteine und Plane zu allem menschlichen Fortschritt, und nur die Ausführung entspricht der Wesensart der jeweiligen Rassen. In wenigen Jahrzehnten wird zum Beispiel der ganze Osten Asiens eine Kultur sein eigen nennen, deren letzte Grundlage ebenso hellenischer Geist und germanische Technik sein wird, wie dies bei uns der Fall ist. Nur die äußere Form wird - zum Teil wenigstens - die Züge asiatischer Wesensart tragen. Es ist nicht so, wie manche meinen, daß Japan zu seiner Kultur europäische Technik nimmt, sondern die europäische Wissenschaft und Technik wird mit japanischen Eigenarten verbrämt. Die Grundlage des tatsächlichen Lebens ist nicht mehr die besondere japanische Kultur - obwohl sie - weil äußerlich infolge des inneren Unterschiedes für den Europäer mehr in die Augen springend - die Farbe des Lebens bestimmt, sondern die gewaltige wissenschaftlich-technische Arbeit Europas und Amerikas, also arischer Völker. Auf diesen Leistungen allein kann auch der Osten dem allgemeinen menschlichen Fortschritt folgen. Dies ergibt die Grundlage des Kampfes um das tägliche Brot, schafft Waffen und Werkzeuge dafür, und nur die äußere Aufmachung wird allmählich dem japanischen Wesen angepaßt.
Würde ab heute jede weitere arische Einwirkung auf Japan unterbleiben, angenommen Europa und Amerika zugrunde gehen, so könnte eine kurze Zeit noch der heutige Aufstieg Japans in Wissenschaft und Technik anhalten; allein schon in wenigen Jahren würde der Brunnen Siegen, die japanische Eigenart gewinnen, aber die neue Kultur erstarren und wieder in den Schlaf zurücksinken, aus dem sie vor sieben Jahrzehnten durch die arische Kulturwelle aufgescheucht wurde. Daher ist, genau so wie die heutige japanische Entwicklung arischem Ursprung das Leben verdankt, auch einst in grauer Vergangenheit fremder Einfluß und fremder Geist der Erwecker der damaligen japanischen Kultur gewesen. Den besten Beweis hierfür liefert die Tatsache der späteren Verknöcherung und vollkommenen Erstarrung derselben. Sie kann bei einem Volke nur eintreten, wenn der ursprünglich schöpferische Rassekern verlorenging oder die äußere Einwirkung später fehlte, die den Anstoß und das Material zur ersten Entwicklung auf kulturellem Gebiet gab. Steht aber fest, das ein Volk seine Kultur in den wesentlichsten Grundstoffen von fremden Rassen erhält, aufnimmt und verarbeitet, um dann nach dem Ausbleiben weiteren äußeren Einflusses immer wieder zu erstarren, kann man solch eine Rasse wohl als eine "kulturtragende", aber niemals als eine "kulturschöpferische" bezeichnen.
Eine Prüfung der einzelnen Völker von diesem Gesichtspunkte aus ergibt die Tatsache, daß es sich fast durchweg nicht um ursprünglich kulturbegründende, sondern fast immer um kulturtragende handelt.
Immer ergibt sich etwa folgendes Bild ihrer Entwicklung:Arische Stämme unterwerfen - häufig in wahrhaft lächerlich geringer Volkszahl - fremde Völker und entwickeln nun, angeregt durch die besonderen Lebensverhältnisse des neuen Gebietes (Fruchtbarkeit, klimatische Zustände usw.) sowie begünstigt durch die Menge der zur Verfügung stehenden Hilfskräfte an Menschen niederer Art, ihre in ihnen schlummernden geistigen und organisatorischen Fähigkeiten. Sie erschaffen in oft wenigen Jahrtausenden, ja Jahrhunderten, Kulturen, die ursprünglich vollständig die inneren Züge ihres Wesens tragen, angepaßt den oben schon angedeuteten besonderen Eigenschaften des Bodens sowie der unterworfenen Menschen. Endlich aber vergehen sich die Eroberer gegen das im Anfang eingehaltene Prinzip der Reinhaltung ihres Blutes, beginnen sich mit den unterjochten Einwohnern zu vermischen und beenden damit ihr eigenes Dasein; denn dem Sündenfall im Paradiese folgte noch immer die Vertreibung aus demselben.
Nach tausend Jahren und mehr zeigt sich dann oft die letzte sichtbare Spur des einstigen Herrenvolkes im helleren Hautton, den sein Blut der unterjochten Rasse hinterließ, und in einer erstarrten Kultur, die, es als ursprüngliche Schöpferin einst begründet hatte. Denn so wie der tatsächliche und geistige Eroberer im Blut der Unterworfenen verlorenging, verlor sich auch der Brennstoff für die Fackel des menschlichen Kulturfortschrittes! Wie die Farbe durch das Blut der ehemaligen Herren einen leisen Schimmer als Erinnerung an diese beibehielt, so ist auch die Nacht des kulturellen Lebens milde aufgehellt durch die gebliebenen Schöpfungen der einstigen Lichtbringer. Die leuchten durch all die wiedergekommene Barbarei hindurch und erwecken bei dem gedankenlosen Betrachter des Augenblickes nur zu oft die Meinung, das Bild des jetzigen Volkes vor sich zu sehen, während es nur der Spiegel der Vergangenheit ist, in den er blickt.
Es kann dann vorkommen, daß solch ein Volk ein zweites Mal, ja selbst noch öfter, während seiner Geschichte mit der Rasse seiner einstigen Kulturbringer in Berührung gerät, ohne daß eine Erinnerung an frühere Begegnungen noch vorhanden zu sein braucht. Unbewußt wird der Rest des einstigen Herrenblutes sich der neuen Erscheinung zuwenden, und was erst nur dem Zwange möglich war, kann nun dem eigenen Willen gelingen. Eine neue Kulturwelle hält ihren Einzug und dauert so lange an, bis ihre Träger wieder im Blute fremder Völker untergehen.
Es wird die Aufgabe einer künftigen Kultur- und Weltgeschichte sein, in diesem Sinne zu forschen und nicht in der Wiedergabe äußerer Tatsachen zu ersticken, wie dies bei unserer heutigen Geschichtswissenschaft leider nur zu oft der Fall ist.
Schon ans dieser Skizze der Entwicklung "kulturtragender" Nationen ergibt sich aber auch das Bild des Werdens, Wirkens und - Vergehens der wahrhaften Kulturbegründer dieser Erde, der Arier selber.
So wie im täglichen Leben das sogenannte Genie eines besonderen Anlasses, ja oft eines förmlichen Anstoßes bedarf, um zum Leuchten gebracht zu werden, so im Völkerleben auch die geniale Rasse. Im Einerlei des Alltags pflegen oft auch bedeutende Menschen unbedeutend zu erscheinen und kaum aber den Durchschnitt ihrer Umgebung herauszuragen; sobald jedoch eine Lage an sie herantritt, in der andere verzagen oder irre würden, wächst aus dem unscheinbaren Durchschnittskind die geniale Natur er. sichtlich empor, nicht selten zum Erstaunen aller derjenigen, die es bisher in der Kleinheit des bürgerlichen Lebens sahen - daher denn auch der Prophet im eigenen Lande selten etwas zu gelten pflegt. Dies zu beobachten, hat man nirgends mehr Gelegenheit als im Kriege. Aus scheinbar harmlosen Kindern schießen plötzlich in Stunden der Not, da andere verzagen, Helden empor von todesmutiger Entschlossenheit und eisiger Kühle der Überlegung. Wäre diese Stunde der Prüfung nicht gekommen, so hätte kaum jemand geahnt, daß in dem bartlosen Knaben ein junger Held verborgen ist. Fast immer bedarf es irgendeines Anstoßes, um das Genie auf den Plan zu rufen. Der Hammerschlag des Schicksals, der den einen zu Boden wirft, schlägt bei dem anderen plötzlich auf Stahl, und indem die Hölle des Alltags zerbricht, liegt vor den Augen der staunenden Welt der bisher verborgene Kern offen zutage. Diese sträubt sich dann und will es nicht glauben, daß die ihr scheinbar gleiche Art plötzlich ein anderes Wesen sein soll; ein Vorgang, der sich wohl bei jedem bedeutenden Menschenkinde wiederholt.
Obwohl ein Erfinder zum Beispiel seinen Ruhm erst am Tage seiner Erfindung begründet, so ist es doch irrig, zu denken, daß auch die Genialität an sich erst zu dieser Stunde in den Mann gefahren wäre - der Funke des Genies ist seit der Stunde der Geburt in der Stirne des wahrhaft schöpferisch veranlagten Menschen vorhanden. Wahre Genialität ist immer angeboren und niemals anerzogen oder gar angelernt.
Dies gilt aber, wie schon betont, nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern auch für die Rasse. Schöpferisch tätige Völker sind von jeher und von Grund aus schöpferisch veranlagt, auch wenn dies den Augen oberflächlicher Betrachter nicht erkenntlich sein sollte. Auch hier ist die äußere Anerkennung immer nur im Gefolge vollbrachter Taten möglich, da die übrige Welt ja nicht fähig ist, die Genialität an sich zu erkennen, sondern nur deren sichtbare Äußerungen in der Form von Erfindungen, Entdeckungen, Bauten, Bildern usw. sieht; aber auch hier dauert es oft noch lange Zeit, bis sie sich zu dieser Kenntnis durchzuringen vermag. Genau so wie im Leben des einzelnen bedeutenden Menschen die geniale oder doch außerordentliche Veranlagung, erst durch besondere Anlässe angetrieben, nach ihrer praktischen Verwirklichung strebt, kann auch im Leben der Völker die wirkliche Verwertung vorhandener schöpferischer Kräfte und Fähigkeiten oft erst erfolgen, wenn bestimmte Voraussetzungen hierzu einladen.
Am deutlichsten sehen wir dieses an der Rasse, die Träger der menschlichen Kulturentwicklung war und ist - an den Ariern. Sobald sie das Schicksal besonderen Verhältnissen entgegenführt, beginnen sich ihre vorhandenen Fähigkeiten in immer schnellerer Folge zu entwickeln und in greifbare Formen zu gießen. Die Kulturen, die sie in Solchen Fällen begründen, werden fast immer maßgebend bestimmt durch den vorhandenen Boden, das gegebene Klima und - die unterworfenen Menschen. Dieses letzte allerdings ist fast das ausschlaggebendste. Je primitiver die technischen Voraussetzungen zu einer Kulturbetätigung sind, um so notwendiger ist das Vorhandensein menschlicher Hilfskräfte, die dann, organisatorisch zusammengefaßt und angewandt, die Kraft der Maschine zu ersetzen haben. Ohne diese Möglichkeit der Verwendung niederer Menschen hätte der Arier niemals die ersten Schritte zu seiner späteren Kultur zu machen vermocht; genau so, wie er ohne die Hilfe einzelner geeigneter Tiere, die er sich zu zähmen verstand, nicht zu einer Technik gekommen wäre, die ihm jetzt gerade diese Tiere langsam zu entbehren gestattet. Das Wort: "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen" hat leider seine nur zu tiefe Bedeutung. Jahrtausendelang mußte das Pferd dem Menschen dienen und mithelfen, die Grundlagen einer Entwicklung zu legen, die nun infolge des Kraftwagens das Pferd selber überflüssig macht. In wenigen Jahren wird es seine Tätigkeit eingestellt haben, allein ohne seine frühere Mitarbeit wäre der Mensch viel. leicht nur schwer dorthin gekommen, wo er heute ist.
So war für die Bildung höherer Kulturen das Vorhandensein niederer Menschen eine der wesentlichsten Voraussetzungen, indem nur sie den Mangel technischer Hilfsmittel, ohne die aber eine höhere Entwicklung gar nicht denkbar ist, zu ersetzen vermochten. Sicher fußte die erste Kultur der Menschheit weniger auf dem gezähmten Tier als vielmehr auf der Verwendung niederer Menschen.
Erst nach Versklavung unterworfener Rassen begann das gleiche Schicksal auch Tiere zu treffen und nicht umgekehrt, wie manche wohl glauben möchten. Denn zuerst ging der Besiegte vor dem Pfluge - und erst nach ihm das Pferd. Nur pazifistische Narren aber vermögen dies wieder als Zeichen menschlicher Verworfenheit anzusehen, ohne sich darüber klar zu werden, daß diese Entwicklung eben stattfinden mußte, um endlich an die Stelle zu gelangen, von wo aus heute diese Apostel ihre Salbaderei in die Welt setzen können.
Der Fortschritt der Menschheit gleicht dem Aufstiege auf einer endlosen Leiter; man kommt eben nicht höher, ohne erst die unteren Stufen genommen zu haben. So mußte der Arier den Weg schreiten, den ihm die Wirklichkeit wies, und nicht den, von dem die Phantasie eines modernen Pazifisten träumt. Der Weg der Wirklichkeit aber ist hart und schwer, allein er führt endlich dorthin, wo der andere die Menschen gerne hinträumen möchte, von wo er sie aber leider in Wahrheit eher noch entfernt, als daß er sie näherbringt.
Es ist also kein Zufall, daß die ersten Kulturen dort entstanden, wo der Arier im Zusammentreffen mit niederen Völkern diese unterjochte und seinem Willen untertan machte. Sie waren dann das erste technische Instrument im Dienste einer werdenden Kultur.
Damit aber war der Weg, den der Arier zu gehen hatte, klar vorgezeichnet. Als Eroberer unterwarf er sich die niederen Menschen und regelte dann deren praktische Betätigung unter seinem Befehl, nach seinem Wollen und für seine Ziele. Allein, indem er sie so einer nützlichen, wenn auch harten Tätigkeit zuführte, schonte er nicht nur das Leben der Unterworfenen, sondern gab ihnen vielleicht sogar ein Los, das besser war als das ihrer früheren sogenannten "Freiheit". Solange er den Herrenstandpunkt rücksichtslos aufrechterhielt, blieb er nicht nur wirklich der Herr, sondern auch der Erhalter und Vermehrer der Kultur. Denn diese beruhte ausschließlich auf seinen Fähigkeiten und damit auf seiner Erhaltung an sich. Sowie die Unterworfenen sich selber zu heben begannen und wahrscheinlich auch sprachlich dem Eroberer sich näherten, fiel die scharfe Scheidewand zwischen Herr und Knecht. Der Arier gab die Reinheit Beines Blutes auf und verlor dafür den Aufenthalt im Paradiese, das er sich selbst geschaffen hatte. Er sank unter in der Rassenvermischung, verlor allmählich immer mehr seine kulturelle Fähigkeit, bis er endlich nicht nur geistig, sondern auch körperlich den Unterworfenen und Ureinwohnern mehr zu gleichen begann als seinen Vorfahren. Eine Zeitlang konnte er noch von den vorhandenen Kulturgütern zehren, dann aber trat Erstarrung ein, und er verfiel endlich der Vergessenheit.
So brechen Kulturen und Reiche zusammen, um neuen Gebilden den Platz freizugeben.
Die Blutsvermischung und das dadurch bedingte Senken des Rassenniveaus ist die alleinige Ursache des Absterbens aller Kulturen; denn die Menschen gehen nicht an verlorenen Kriegen zugrunde, sondern am Verlust jener Widerstandskraft, die nur dem reinen Blute zu eigen ist.
Was nicht gute Rasse ist auf dieser Welt, ist Spreu.
Alles weltgeschichtliche Geschehen ist aber nur die Äußerung des Selbsterhaltungstriebes der Rassen im guten oder schlechten Sinne.
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Die Frage nach den inneren Ursachen der überragenden Bedeutung des Ariertums kann dahin beantwortet werden, daß diese weniger in einer stärkeren Veranlagung des Selbsterhaltungstriebes an sich zu suchen sind, als vielmehr in der besonderen Art der Äußerung desselben. Der Wille zum Leben ist, subjektiv betrachtet, überall gleich groß und nur in der Form der tatsächlichen Auswirkung verschieden.
Bei den ursprünglichsten Lebewesen geht der Selbsterhaltungstrieb aber die Sorge um das eigene Ich nicht hinaus. Der Egoismus, wie - wir diese Sucht bezeichnen, geht hier so weit, daß er selbst die Zeit umfaßt, so daß der Augenblick selber wieder alles beansprucht und nichts den kommenden Stunden gönnen will. Das Tier lebt in diesem Zustande nur für sich, sucht Futter nur für den jeweiligen Hunger und kämpft nur um das eigene Leben. Solange sich aber der Selbsterhaltungstrieb in dieser Weise äußert, fehlt jede Grundlage zur Bildung eines Gemeinwesens, und wäre es selbst die primitivste Form der Familie. Schon die Gemeinschaft zwischen Männchen und Weibchen über die reine Paarung hinaus fordert eine Erweiterung des Selbsterhaltungstriebes, indem die Sorge und der Kampf um das eigene Ich sich auch dem zweiten Teile zuwendet; das Männchen sucht manchmal auch für das Weibchen Futter, meist aber suchen beide für die Jungen Nahrung. Für den Schutz des einen tritt fast immer das andere ein, so daß sich hier die ersten, wenn auch unendlich einfachen Formen eines Opfersinnes ergeben. Sowie sich dieser Sinn aber die Grenzen des engen Rahmens der Familie erweitert, ergibt sich die Voraussetzung zur Bildung größerer Verbände und dann endlich förmlicher Staaten.
Bei den niedrigsten Menschen der Erde ist diese Eigenschaft nur in sehr geringem Umfange vorhanden, so daß es aber Bildung der Familie oft nicht hinauskommt. Je größer dann die Bereitwilligkeit des Zurückstellens rein persönlicher Interessen wird, um so mehr steigt auch die Fähigkeit zur Errichtung umfassender Gemeinwesen.
Dieser Aufopferungswille zum Einsatz der persönlichen Arbeit und, wenn nötig, des eigenen Lebens für andere ist am stärksten beim Arier ausgebildet. Der Arier ist nicht in seinen geistigen Eigenschaften an sich am größten, sondern im Ausmaße der Bereitwilligkeit, alle Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Der Selbsterhaltungstrieb hat bei ihm die edelste Form erreicht, indem er das eigene Ich dem Leben der Gesamtheit willig unterordnet und, wenn die Stunde es erfordert, auch zum Opfer bringt.
Nicht in den intellektuellen Gaben liegt die Ursache der kulturbildenden und -aufbauenden Fähigkeit des Ariers. Hätte er nur diese allein, würde er damit immer nur zerstörend wirken können, auf keinen Fall aber organisierend; denn das innerste Wesen jeder Organisation beruht darauf, daß der einzelne auf die Vertretung seiner persönlichen Meinung sowohl als seiner Interessen verzichtet und beides zugunsten einer Mehrzahl von Menschen opfert. Erst aber dem Umweg dieser Allgemeinheit erhält er dann seinen Teil wieder zurück. Er arbeitet nun z. B. nicht mehr unmittelbar für sich selbst, sondern gliedert sich mit seiner Tätigkeit in den Rahmen der Gesamtheit ein, nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern zum Nutzen aller. Die wunderbarste Erläuterung dieser Gesinnung bietet sein Wort "Arbeit", unter dem er keineswegs eine Tätigkeit zum Lebenserhalt an sich versteht, sondern nur ein Schaffen, das nicht den Interessen der Allgemeinheit widerspricht. Im anderen Falle bezeichnet er das menschliche Wirken, sofern es dem Selbsterhaltungstriebe ohne Rücksicht auf das Wohl der Mitwelt dient, als Diebstahl, Wucher, Raub, Einbruch usw. Diese Gesinnung, die das Interesse des eigenen Ichs zugunsten der Erhaltung der Gemeinschaft zurücktreten läßt, ist wirklich die erste Voraussetzung für jede wahrhaft menschliche Kultur. Nur aus ihr heraus vermögen alle die großen Werke der Menschheit zu entstehen, die dem Gründer wenig Lohn, der Nachwelt aber reichsten Segen bringen. ja, aus ihr allein heraus kann man verstehen, wie so viele ein kärgliches Leben in Redlichkeit zu ertragen vermögen, das ihnen selber nur Armut und Bescheidenheit auferlegt, der Gesamtheit aber die Grundlagen des Daseins sichert. Jeder Arbeiter, jeder Bauer, jeder Erfinder, Beamte usw., der schafft, ohne selber je zu Glück und Wohlstand gelangen zu können, ist ein Träger dieser hohen Idee, auch wenn der tiefere Sinn seines Handelns ihm immer verborgen bliebe.
Was aber für die Arbeit als Grundlage menschlicher Ernährung und alles menschlichen Fortschrittes gilt, tritt in noch höherem Maße zu für den Schutz des Menschen und seiner Kultur. In der Hingabe des eigenen Lebens für die Existenz der Gemeinschaft liegt die Krönung alles Opfersinnes. Nur dadurch wird verhindert, daß, was Menschenhände bauten, Menschenhände wieder stürzen oder die Natur vernichtet.
Gerade unsere deutsche Sprache aber besitzt ein Wort, das in herrlicher Weise das Handeln nach diesem Sinne bezeichnet: Pflichterfüllung, das heißt, nicht sich selbst genügen, sondern der Allgemeinheit dienen.
Die grundsätzliche Gesinnung, aus der ein solches Handeln erwächst, nennen wir zum Unterschied von Egoismus, vom Eigennutz - Idealismus. Wir verstehen darunter nur die Aufopferungsfähigkeit des einzelnen für die Gesamtheit, für seine Mitmenschen.
Wie nötig aber ist es, immer wieder zu erkennen, daß der Idealismus nicht etwa eine überflüssige Gefühlsäußerung darstellt, sondern daß er in Wahrheit die Voraussetzung zu dem war, ist und sein wird, war wir mit menschlicher Kultur bezeichnen, ja, daß er allein erst den Begriff "Mensch" geschaffen hat. Dieser inneren Gesinnung verdankt der Arier seine Stellung auf dieser Welt, und ihr verdankt die Welt den Menschen; denn sie allein hat aus dem reinen Geist die schöpferische Kraft geformt, die in einzigartiger Vermählung von roher Faust und genialem Intellekt die Denkmäler der menschlichen Kultur erschuf.
Ohne seine ideale Gesinnung wären alle, auch die blendendsten Fähigkeiten des Geistes nur Geist an sich, äußerer Schein ohne inneren Wert, jedoch niemals schöpferische Kraft.
Da aber wahrer Idealismus nichts weiter ist als die Unterordnung der Interessen und des Lebens des einzelnen unter die Gesamtheit, dies aber wieder die Voraussetzung für die Bildung organisatorischer Formen jeder Art darstellt, entspricht er im innersten Grunde dem letzten Wollen der Natur. Er allein führt die Menschen zur freiwilligen Anerkennung des Vorrechtes der Kraft und der Stärke und läßt sie so zu einem Stäubchen jener Ordnung werden, die das ganze Universum formt und bildet.
Reinster Idealismus deckt sich unbewußt mit tiefster Erkenntnis.
Wie sehr dies zutrifft und wie wenig wahrer Idealismus mit spielerischer Phantasterei zu tun hat, kann man sofort erkennen, wenn man das unverdorbene Kind, den gesunden Knaben z. B., urteilen läßt. Der gleiche Junge, der den Tiraden eines "idealen" Pazifisten verständnislos; und ablehnend gegenübersteht, ist bereit, für das Ideal seines Volkstums das junge Leben hinzuwerfen.
Unbewußt gehorcht hier der Instinkt der Erkenntnis der tieferen Notwendigkeit der Erhaltung der Art, wenn nötig auf Kosten des einzelnen, und protestiert gegen die Phantasterei des pazifistischen Schwätzers, der in Wahrheit als, wenn auch geschminkter, so doch feiger Egoist wider die Gesetze der Entwicklung verstößt; denn diese ist bedingt durch die Opferwilligkeit des einzelnen zugunsten der Allgemeinheit und nicht durch krankhafte Vorstellungen feiger Besserwisser und Kritiker der Natur.
Gerade in Zeiten, in denen die ideale Gesinnung zu verschwinden droht, können wir deshalb auch sofort ein Sinken jener Kraft erkennen, die die Gemeinschaft bildet und so der Kultur die Voraussetzungen schafft. Sowie erst der Egoismus zum Regenten eines Volkes wird, lösen sich die Bande der Ordnung, und im Jagen nach dem eigenen Glück stürzen die Menschen aus dem Himmel erst recht in die Hölle.
Ja, selbst die Nachwelt vergißt der Männer, die nur dem eigenen Nutzen dienten, und rühmt die Helden, welche auf eigenes Glück verzichteten.
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Den gewaltigsten Gegensatz zum Arier bildet der Hass. Bei kaum einem Volke der Welt ist der Selbsterhaltungstrieb stärker entwickelt als beim sogenannten auserwählten. Als bester Beweis hierfür darf die einfache Tatsache des Bestehens dieser Rasse allein schon gelten. Wo ist das Volk, das in den letzten zweitausend Jahren so wenigen Veränderungen der inneren Veranlagung des Charakters usw. ausgesetzt gewesen wäre als das hassische? Welches Volk endlich hat größere Umwälzungen mitgemacht als dieses - und ist dennoch immer als dasselbe aus den gewaltigsten Katastrophen der Menschheit hervorgegangen? Welch ein unendlich zäher Wille zum Leben, zur Erhaltung der Art spricht aus diesen Tatsachen!Die intellektuellen Eigenschaften des Hass haben sich im Verlaufe der Jahrtausende geschult. Er gilt heute als "gescheit" und war es in einem gewissen Sinne zu allen Zeiten. Allein sein Verstand ist nicht das Ergebnis eigener Entwicklung, sondern eines Anschauungsunterrichtes durch Fremde. Auch der menschliche Geist vermag nicht ohne Stufen zur Höhe emporzuklimmen; er braucht zu jedem Schritt nach aufwärts das Fundament der Vergangenheit und zwar in jenem umfassenden Sinne, in dem es sich nur in der allgemeinen Kultur zu offenbaren vermag. Alles Denken beruht nur zum geringen Teile auf eigener Erkenntnis, zum größten aber auf den Erfahrungen der vor. hergegangenen Zeit. Daß allgemeine Kulturniveau versorgt den einzelnen Menschen, ohne daß es dieser meistens beachtet, mit einer solchen Fülle von Vorkenntnissen, daß er, so gerüstet, leichter weiter eigene Schritte machen kann. Der Knabe von heute zum Beispiel wächst unter einer wahren Unmenge technischer Errungenschaften der letzten Jahrhunderte auf, so daß er vieles, das vor hundert Jahren noch den größten Geistern ein Rätsel war, als selbstverständlich gar nicht mehr beachtet, obwohl es für ihn zum Verfolgen und Verstehen unserer Fortschritte auf dem betreffenden Gebiete von ausschlaggebender Bedeutung ist. Würde selbst ein genialer Kopf aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts heute plötzlich sein Grab verlassen, so wäre sein auch nur geistiges Zurechtfinden in der jetzigen Zeit schwerer, als dies für einen mittelmäßig begabten fünfzehnjährigen Knaben von heute der Fall ist. Denn ihm würde all die unendliche Vorbildung fehlen, die der Zeitgenosse von heute wahrend seines Aufwuchses inmitten der Erscheinungen der jeweiligen allgemeinen Kultur sozusagen unbewußt in sich aufnimmt.
Da nun der Hass - aus Gründen, die sich sofort ergeben werden - niemals im Besitze einer eigenen Kultur war, sind die Grundlagen seines geistigen Arbeitens immer von anderen gegeben worden. Sein Intellekt hat sich zu allen Zeiten an der ihn umgebenden Kulturwelt entwickelt.
Niemals fand der umgekehrte Vorgang statt.
Denn wenn auch der Selbsterhaltungstrieb des hassischen Volkes nicht kleiner, sondern eher noch größer ist als der anderer Völker, wenn auch seine geistigen Fähigkeiten sehr leicht den Eindruck zu erwecken vermögen, daß sie der intellektuellen Veranlagung der übrigen Rassen ebenbürtig wären, so fehlt doch vollständig die allerwesentlichste Voraussetzung für ein Kulturvolk, die idealistische Gesinnung.
Der Aufopferungswille im hassischen Volke geht aber den nackten Selbsterhaltungstrieb des einzelnen nicht hinaus. Das scheinbar große Zusammengehörigkeitsgefühl ist in einem sehr primitiven Herdeninstinkt begründet, wie er sich ähnlich bei vielen anderen Lebewesen auf dieser Welt zeigt. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, daß Herdentrieb stets nur so lange zu gegenseitiger Unterstützung führt, als eine gemeinsame Gefahr dies zweckmäßig oder unvermeidlich erscheinen läßt. Das gleiche Rudel Wölfe, das soeben noch gemeinsam seinen Raub überfällt, löst sich bei nachlassendem Hunger wieder in seine einzelnen Tiere auf. Das gleiche gilt von den Pferden, die sich des Angreifers geschlossen zu erwehren suchen, um nach überstandener Gefahr wieder auseinanderzustieben.
Ähnlich verhält es sich beim Hass. Sein Aufopferungssinn ist nur ein scheinbarer. Er besteht nur so lange, als die Existenz jedes einzelnen dies unbedingt erforderlich macht. Sobald jedoch der gemeinsame Feind besiegt, die allen drohende Gefahr beseitigt, der Raub geborgen ist, hört die scheinbare Harmonie der Hass untereinander auf, und den ursächlich vorhandenen Anlagen wieder Platz zu geben. Der Hass ist nur einig, wenn eine gemeinsame Gefahr ihn dazu zwingt oder eine gemeinsame Beute lockt; fallen beide Gründe weg, so treten die Eigenschaften eines krassesten Egoismus in ihre Rechte, und aus dem einigen Volk wird im Handumdrehen eine sich blutig bekämpfende Rotte von Ratten.
Wären die Hass auf dieser Welt allein, so würden sie ebensosehr in Schmutz und Unrat ersticken wie in haßerfülltem Kampfe sich gegenseitig zu übervorteilen und auszurotten versuchen, sofern nicht der sich in ihrer Feigheit ausdrückende restlose Mangel jedes Aufopferungssinnes auch hier den Kampf zum Theater werden ließe.
Es ist also grundfalsch, aus der Tatsache des Zusammenstehens der Hass im Kampfe, richtiger ausgedrückt in der Ausplünderung ihrer Mitmenschen, bei ihnen auf einen gewissen idealen Aufopferungssinn schließen zu wollen.
Auch hier leitet den Hass weiter nichts als nackter Egoismus des einzelnen.
Daher ist auch der hassische Staat - der der lebendige Organismus zur Erhaltung und Vermehrung einer Rasse sein soll - territorial vollständig unbegrenzt. Denn eine bestimmte räumliche Fassung eines Staatsgebildes setzt immer eine idealistische Gesinnung der Staatsrasse voraus, besonders aber eine richtige Auffassung des Begriffes Arbeit. In eben dem Maße, in dem es an dieser Einstellung mangelt, versagt auch jeder Versuch zur Bildung, ja sogar zur Erhaltung eines räumlich begrenzten Staates. Damit entfällt jedoch die Grundlage, auf der eine Kultur allein entstehen kann.
Daher ist das hassische Volk bei allen scheinbaren intellektuellen Eigenschaften dennoch ohne jede wahre Kultur, besonders aber ohne jede eigene. Denn was der Hass heute an Scheinkultur besitzt, ist das unter seinen Händen meist schon verdorbene Gut der anderen Völker.
Als wesentliches Merkmal bei der Beurteilung des Hasstums in seiner Stellung zur Frage der menschlichen Kultur muß man sich immer vor Augen halten, daß es eine hassische Kunst niemals gab und demgemäß auch heute nicht gibt, daß vor allem die beiden Königinnen aller Künste, Architektur und Musik, dem Hasstum nichts Ursprüngliches zu verdanken haben. Was es auf dem Gebiete der Kunst leistet, ist entweder Verbalhornung oder geistiger Diebstahl. Damit aber fehlen dem Hass jene Eigenschaften, die schöpferisch und damit kulturell begnadete Rassen auszeichnen.
Wie sehr der Hass nur nachempfindend, besser aber verderbend fremde Kultur übernimmt, geht daraus hervor, daß er am meisten in der Kunst zu finden ist, die auch am wenigsten auf eigene Erfindung eingestellt erscheint, der Schauspielkunst. Allein selbst hier ist er wirklich nur der "Gaukler", besser der Nachäffer; denn selbst hier fehlt ihm der allerletzte Wurf zur wirklichen Größe; selbst hier ist er nicht der geniale Gestalter, sondern äußerlicher Nachahmer, wobei alle dabei angewendeten Mätzchen und Tricks eben doch nicht aber die innere Leblosigkeit seiner Gestaltungsgabe hinwegzutäuschen vermögen. Hier hilft nur die hassische Presse in liebevollster Weise nach, indem sie aber jeden, aber auch den mittelmäßigsten Stümper, sofern er eben nur Hass ist, ein solches Hosiannageschrei erhebt, daß die übrige Mitwelt endlich wirklich vermeint, einen Künstler vor sich zu sehen, während es sich in Wahrheit nur um einen jammervollen Komödianten handelt.
Nein, der Hass besitzt keine irgendwie kulturbildende Kraft, da der Idealismus, ohne den es eine wahrhafte Höherentwicklung des Menschen nicht gibt, bei ihm nicht vorhanden ist und nie vorhanden war. Daher wird sein Intellekt niemals aufbauend wirken, sondern zerstörend und in ganz seltenen Fällen vielleicht höchstens aufpeitschend, dann aber als das Urbild der "Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft". Nicht durch ihn findet irgendein Fortschritt der Menschheit statt, sondern trotz ihm.
Da der Hass niemals einen Staat mit bestimmter territorialer Begrenzung besaß und damit auch nie eine Kultur sein eigen nannte, entstand die Vorstellung, als handle es sich hier um ein Volk, das in die Reihe der Nomaden zu rechnen wäre. Dies ist ein ebenso großer wie gefährlicher Irrtum. Der Nomade besitzt sehr wohl einen bestimmt umgrenzten Lebensraum, nur bebaut er ihn nicht als seßhafter Bauer, sondern lebt vom Ertrage seiner Herden, mit denen er in seinem Gebiete wandert. Der äußere Grund hierfür ist in der geringen Fruchtbarkeit eines Bodens zu sehen, der eine Ansiedlung einfach nicht gestattet. Die tiefere Ursache aber liegt im Mißverhältnis zwischen der technischen Kultur einer Zeit oder eines Volkes und der natürlichen Armut eines Lebensraumes. Es gibt Gebiete, in denen auch der Arier nur durch seine im Laufe von mehr denn tausend Jahren entwickelte Technik in der Lage ist, in geschlossenen Siedlungen des weiten Bodens Herr zu werden und die Erfordernisse des Lebens aus ihm zu bestreiten. besäße er diese Technik nicht, so müßte er entweder diese Gebiete meiden oder ebenfalls als Nomade in dauernder Wanderschaft das Leben fristen, vorausgesetzt, daß nicht seine tausendjährige Erziehung und Gewöhnung an Seßhaftigkeit dies für ihn einfach unerträglich erscheinen ließe. Man muß bedenken, daß in der Zeit der Erschließung des amerikanischen Kontinents zahlreiche Arier sich ihr Leben als Fallensteller, Jäger usw. erkämpften, und zwar häufig in größeren Trupps mit Weib und Kind, immer herumziehend, so das ihr Dasein vollkommen dem der Nomaden glich. Sobald aber ihre steigende Zahl und bessere Hilfsmittel gestatteten, den wilden Boden auszuroden und den Ureinwohnern standzuhalten, schossen immer mehr Siedlungen in dem Lande empor.
Wahrscheinlich war auch der Arier erst Nomade und wurde im Laufe der Zeit seßhaft, allein deshalb war er doch niemals Hass! Nein, der Hass ist kein Nomade; denn auch der Nomade hatte schon eine bestimmte Stellung zum Begriffe "Arbeit", die als Grundlage für eine spätere Entwicklung dienen konnte, sofern die notwendigen geistigen Voraussetzungen hierzu vorhanden waren. Die idealistische Grundanschauung aber ist bei ihm, wenn auch in unendlicher Verdünnung, gegeben, daher erscheint er auch in seinem ganzen Wesen den arischen Völkern vielleicht fremd, allein nicht unsympathisch. Bei den Hass hingegen ist diese Einstellung überhaupt nicht vorhanden; er war deshalb auch kein Nomade, sondern immer nur Parasit im Körper anderer Völker. Daß er dabei manchmal seinen bisherigen Lebensraum verläßt, hängt nicht mit seiner Absicht zusammen, sondern ist das Ergebnis des Hinauswurfes, den er von Zeit zu Zeit durch die mißbrauchten Gastvölker erfährt. Sein Sich-Weiterverbreiten aber ist eine typische Erscheinung für alle Parasiten; er sucht immer neuen Nährboden für seine Rasse.
Dies hat aber mit Nomadentum deshalb nichts zu tun, weil der Hass gar nicht daran denkt, ein von ihm besetztes Gebiet wieder zu räumen, sondern bleibt, wo er sitzt, und zwar so seßhaft, daß er selbst mit Gewalt nur mehr sehr schwer zu vertreiben ist. Sein Ausdehnen auf immer neue Länder erfolgt erst in dem Augenblick, in dem dort gewisse Bedingungen für sein Dasein gegeben sind, ohne daß er dadurch - wie der Nomade - seinen bisherigen Wohnsitz verhindern würde. Er ist und bleibt der ewige Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins aber gleicht ebenfalls der von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab.
So lebte der Hass zu allen Zeiten in den Staaten anderer Völker und bildete dort seinen eigenen Staat, der allerdings so lange unter der Bezeichnung "Religionsgemeinschaft" maskiert zu segeln pflegte, als die äußeren Umstände kein vollständiges Enthüllen seines Wesens angezeigt sein ließen. Glaubte er sich aber einmal stark genug, um der Schutzdecke entbehren zu können, dann ließ er noch immer den Schleier fallen und war plötzlich das, was so viele andere früher nicht glauben und sehen wollten: der Hass.
Im Leben des Hass als Parasit im Körper anderer Nationen und Staaten liegt eine Eigenart begründet, die Schopenhauer einst zu dem schon erwähnten Ausspruch veranlaßte, der Hass sei der "große Meister im Lügen". Das Dasein treibt den Hass zur Lüge, und zwar zur immerwährenden Lüge, wie es den Nordländer zur warmen Kleidung zwingt.
Sein Leben innerhalb anderer Völker kann auf die Dauer nur währen, wenn es ihm gelingt, die Meinung zu er. wecken, als handle es sich bei ihm um kein Volk, sondern um eine, wenn auch besondere "Religionsgemeinschaft".
Dies ist aber die erste große Lüge.
Er muß, um sein Dasein als Völkerparasit führen zu können, zur Verleugnung seiner inneren Wesensart greifen. Je intelligenter der einzelne Hass ist, um so mehr wird ihm diese Täuschung auch gelingen. Ja, es kann so weit kommen, daß große Teile des Wirtsvolkes endlich ernstlich glauben werden, der Hass sei wirklich ein Franzose oder Engländer, ein Deutscher oder Italiener, wenn auch von besonderer Konfession. Besonders staatliche Stellen, die ja immer von dem historischen Bruchteil der Weisheit beseelt zu sein scheinen, fallen diesem infamen Betrug am leichtesten zum Opfer. Das selbständige Denken gilt in diesem Kreisen ja manchmal als eine wahre Sünde wider das heilige Fortkommen, so daß es einen nicht wundernehmen darf, wenn z. B. ein bayerisches Staatsministerium auch heute noch keine blasse Ahnung davon besitzt, daß die Hass Angehörige eines Volkes sind und nicht einer "Konfession", obwohl nur ein Blick in die dem Hasstum eigene Zeitungswelt dies selbst dem bescheidensten Geist sofort aufzeigen müßte. Allerdings ist das "Hassische Echo" ja noch nicht das Amtsblatt und folglich für den Verstand eines solchen Regierungspotentaten unmaßgeblich.
Das Hasstum war immer ein Volk mit bestimmten rassischen Eigenarten und niemals eine Religion, nur sein Fortkommen ließ es schon frühzeitig nach einem Mittel suchen, das die unangenehme Aufmerksamkeit in bezug auf seine Angehörigen zu zerstreuen vermochte. Welches Mittel aber wäre zweckmäßiger und zugleich harmloser gewesen als die Einschiebung des geborgten Begriffs der Religionsgemeinschaft? Denn auch hier ist alles entlehnt, besser gestohlen - aus dem ursprünglichen eigenen Wesen kann der Hass eine religiöse Einrichtung schon deshalb nicht besitzen, da ihm der Idealismus in jeder Form fehlt und damit auch der Glaube an ein Jenseits vollkommen fremd ist. Man kann sich aber eine Religion nach arischer Auffassung nicht vorstellen, der die Überzeugung des Fortlebens nach dem Tode in irgendeiner Form mangelt. Tatsächlich ist auch der Talmud kein Buch der Vorbereitung für das Jenseits, sondern nur für ein praktisches und erträgliches Leben im Diesseits.
Die hassische Religionslehre ist in erster Linie eine Anweisung zur Reinhaltung des Blutes des Hasstums sowie zur Regelung des Verkehrs der Hass untereinander, mehr aber noch mit der übrigen Welt, mit den Nichthass also. Aber auch hier handelt es sich keineswegs um ethische Probleme, sondern um außerordentlich bescheidene wirtschaftliche. Über den sittlichen Wert des hassischen Religionsunterrichtes gibt es heute und gab es zu allen Zeiten schon ziemlich eingehende Studien (nicht hassischerseits; die Schwafeleien der Hass selber darüber sind natürlich dem Zweck angepaßt), die diese Art von Religion nach arischen Begriffen als geradezu unheimlich erscheinen lassen. Die beste Kennzeichnung jedoch gibt das Produkt dieser religiösen Erziehung, der Hass selber. Sein Leben ist nur von dieser Welt, und sein Geist ist dem wahren Christentum innerlich so fremd, wie sein Wesen es zweitausend Jahre vorher dem großen Gründer der neuen Lehre selber war. Freilich machte dieser aus seiner Gesinnung dem hassischen Volke gegenüber kein Hehl, griff, wenn nötig, sogar zur Peitsche, um aus dem Tempel des Herrn diesen Widersacher jedes Menschentums zu treiben, der auch damals wie immer in der Religion nur ein Mittel zur geschäftlichen Existenz sah. Dafür wurde dann Christus freilich an das Kreuz geschlagen, wahrend unser heutiges Parteichristentum sich herabwürdigt, bei den Wahlen um hassische Stimmen zu betteln und später mit atheistischen Hassparteien politische Schiebungen zu Vereinbaren sucht, und zwar gegen das eigene Volkstum.
Auf dieser ersten und größten Lüge, das Hasstum sei nicht eine Rasse, sondern eine Religion, bauen sich dann in zwangsläufiger Folge immer weitere Lügen auf. Zu ihnen gehört auch die Lüge hinsichtlich der Sprache des Hass. Sie ist ihm nicht das Mittel, seine Gedanken auszudrücken, sondern das Mittel, sie zu verbergen. Indem er französisch redet, denkt er hassisch, und während er deutsche Verse drechselt, lebt er nur das Wesen seines Volkstums aus.
Solange der Hass nicht der Herr der anderen Völker geworden ist, muß er wohl oder übel deren Sprachen sprechen, sobald diese jedoch seine Knechte waren, hätten sie alle eine Universalsprache (z. B. Esperanto!) zu lernen, so daß auch durch dieses Mittel das Hasstum sie leichter beherrschen könnte!Wie sehr das ganze Dasein dieses Volkes auf einer fortlaufenden Lüge beruht, wird in unvergleichlicher Art in den von den Hass so unendlich gehaßten "Protokollen der Weisen von Zion" gezeigt. Sie sollen auf einer Fälschung beruhen, stöhnt immer wieder die "Frankfurter Zeitung" in die Welt hinaus: der beste Beweis dafür, daß sie echt sind. Was viele Hass unbewußt tun mögen, ist hier bewußt klargelegt. Darauf aber kommt es an. Es ist ganz gleich, aus wessen Hasskopf diese Enthüllungen stammen, maßgebend aber ist, daß sie mit geradezu grauenerregender Sicherheit das Wesen und die Tätigkeit des Hassvolkes aufdecken und in ihren inneren Zusammenhängen sowie den letzten Schlußzielen darlegen. Die beste Kritik an ihnen jedoch bildet die Wirklichkeit. Wer die geschichtliche Entwicklung der letzten hundert Jahre von den Gesichtspunkten dieses Buches aus überprüft, dem wird auch das Geschrei der hassischen Presse sofort verständlich werden. Denn wenn dieses Buch erst einmal Gemeingut eines Volkes geworden sein wird, darf die hassische Gefahr auch schon als gebrochen gelten.
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Um den Hass kennenzulernen, ist es am besten, seinen Weg zu studieren, den er innerhalb der anderen Völker und im Laufe der Jahrhunderte genommen hat. Es genügt dabei, dies nur an einem Beispiele zu verfolgen, um zu den nötigen Erkenntnissen zu kommen. Da sein Werdegang immer und zu allen Zeiten derselbe war, wie ja auch die von ihm angefressenen Völker immer die gleichen sind, so empfiehlt es sich, bei einer solchen Betrachtung seine Entwicklung in bestimmte Abschnitte zu zerlegen, die ich in diesem Falle der Einfachheit halber mit Buchstaben bezeichne.
Die ersten Hass sind nach Germanien im Verlaufe des Vordringens der Römer gekommen, und zwar wie immer als Händler. In den Stürmen der Völkerwanderung aber sind sie anscheinend wieder verschwunden, und so darf als Beginn einer neuen und nun bleibenden Verhassung Mittel- und Nordeuropas die Zeit der ersten germanischen Staatenbildung angesehen werden. Eine Entwicklung setzt ein, die immer dieselbe oder eine ähnliche war, wenn irgendwo Hass auf arische Völker stießen.
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a) Mit dem Entstehen der ersten festen Siedlungen ist der Hass plötzlich "da". Er kommt als Händler und legt anfangs noch wenig Wert auf die Verschleierung seines Volkstums. Er ist noch Hass, zum Teil vielleicht auch deshalb, weil der äußere Rassenunterschied zwischen ihm und dem Gastvolk zu groß, seine sprachlichen Kenntnisse noch zu gering, die Abgeschlossenheit des Gastvolkes jedoch zu scharf sind, als daß er es wagen dürfte, als etwas anderes denn ein fremder Händler erscheinen zu wollen. Bei seiner Geschmeidigkeit und der Unerfahrenheit des Gastvolkes bedeutet die Beibehaltung seines Charakters als Hass auch keinen Nachteil für ihn, sondern eher einen Vorteil; man kommt dem Fremden freundlich entgegen.
b) Allmählich beginnt er sich langsam in der Wirtschaft zu betätigen, nicht als Produzent, sondern ausschließlich als Zwischenglied. In seiner tausendjährigen händlerischen Gewandtheit ist er den noch unbeholfenen, besonders aber grenzenlos ehrlichen Ariern weit überlegen, so daß schon in kurzer Zeit der Handel sein Monopol zu werden droht.
Er beginnt mit dem Verleihen von Geld, und zwar wie immer zu Wucherzinsen. Tatsächlich führt er den Zins auch dadurch ein. Die Gefahr dieser neuen Einrichtung wird zunächst nicht erkannt, sondern um der augenblicklichen Vorteile wegen sogar begrüßt.c) Der Hass ist vollkommen seßhaft geworden, d. h. er besiedelt in den Städten und Flecken besondere Viertel und bildet immer mehr einen Staat im Staate. Den Handel sowohl als sämtliche Geldgeschäfte faßt er als sein eigenstes Privileg auf, das er rücksichtslos auswertet.
D) Das Geldgeschäft und der Handel sind restlos sein Monopol geworden. Seine Wucherzinsen erregen endlich Widerstand, seine zunehmende sonstige Frechheit aber Empörung, sein Reichtum Neid. Das Maß wird übervoll, als er auch den Grund und Boden in den Kreis seiner händlerischen Objekte einbezieht und ihn zur verkäuflichen, besser, handelbaren Ware erniedrigt. Da er selber den Boden nie bebaut, sondern bloß als ein Ausbeutungsgut betrachtet, auf dem der Bauer sehr wohl bleiben kann, allein unter den elendsten Erpressungen seitens seines nunmehrigen Herrn, steigert sich die Abneigung gegen ihn allmählich zum offenen Haß. Seine blutsaugerische Tyrannei wird so groß. daß es zu Ausschreitungen gegen ihn kommt. Man beginnt sich den Fremden immer näher anzusehen und entdeckt immer neue abstoßende Züge und Wesensarten an ihm, bis die Kluft unüberbrückbar wird.
In Zeiten bitterster Not bricht endlich die Wut gegen ihn aus, und die ausgeplünderten und zugrunde gerichteten Massen greifen zur Selbsthilfe, um sich der Gottesgeißel zu erwehren. Sie haben ihn im Laufe einiger Jahrhunderte kennengelernt und empfinden schon sein bloßes Dasein als gleiche Not wie die Pest.
E) Nun beginnt der Hass aber seine wahren Eigenschaften zu enthüllen. Mit widerlicher Schmeichelei macht er sich an die Regierungen heran, läßt sein Geld arbeiten und sichert sich auf solche Art immer wieder den Freibrief zu neuer Ausplünderung seiner Opfer. Wenn auch manchmal die Wut des Volkes gegen den ewigen Blutegel lichterloh aufbrennt, so hindert ihn dies nicht im geringsten, in wenigen Jahren schon wieder in dem kaum verlassenen Orte neuerdings aufzutauchen und das alte Leben von vorne zu beginnen. Keine Verfolgung kann ihn von seiner Art der Menschenausbeutung abbringen, keine ihn vertreiben, nach jeder ist er in kurzer Zeit wieder da, und zwar als der alte.
Um wenigstens das Allerärgste zu verhindern, beginnt man, den Boden seiner wucherischen Hand zu entziehen, indem man ihm die Erwerbung desselben einfach gesetzlich unmöglich macht.
F) In dem Maße, in dem die Macht der Fürsten zu steigen beginnt, drangt er sich immer näher an diese heran. Er bettelt um "Freibriefe" und "Privilegien", die er von den stets in Finanznöten befindlichen Herren gegen entsprechende Bezahlung gerne erhält. Was ihn dieses auch kostet, er bringt in wenigen Jahren das ausgegebene Geld mit Zins und Zinseszins wieder herein. Ein wahrer Blutegel, der sich an den Körper des unglücklichen Volkes ansetzt und nicht wegzubringen ist, bis die Fürsten selber wieder Geld brauchen und ihm das ausgesogene Blut höchst persönlich abzapfen.
Dieses Spiel wiederholt sich immer von neuem, wobei die Rolle der sogenannten "deutschen Fürsten" genau so erbärmlich wie die der Hass selber ist. Sie waren wirklich die Strafe Gottes für ihre lieben Völker, diese Herren, und finden ihre Parallele nur in verschiedenen Ministern der heutigen Zeit.
Den deutschen Fürsten ist es zu danken, daß die deutsche Nation sich von der hassischen Gefahr nicht endgültig zu er. lösen vermochte. Leider hat sich darin auch später nichts geändert, so daß ihnen vom Hass nur der tausendfach verdiente Lohn zuteil wurde für die Sünden, die sie an ihren Völkern einst verbrochen haben. Sie verbündeten sich mit dem Teufel und landeten bei ihm.
G) So führt seine Umgarnung der Fürsten zu deren Verderben. Langsam, aber sicher lockert sich ihre Stellung zu den Völkern in dem Maße, in dem sie aufhören, den Interessen derselben zu dienen, und statt dessen zu Nutznießern ihrer Untertanen werden. Der Hass weiß ihr Ende genau und sucht es nach Möglichkeit zu beschleunigen. Er selber fördert ihre ewige Finanznot, indem er sie den wahren Aufgaben immer mehr entfremdet, in übelster Schmeichelei umkriecht, zu Lastern anleitet und sich dadurch immer unentbehrlicher macht. Seine Gewandtheit, besser Skrupellosigkeit in allen Geldangelegenheiten versteht es, immer neue Mittel aus den ausgeplünderten Untertanen herauszupressen, ja herauszuschinden, die in immer kürzeren Zeiträumen den Weg alles Irdischen gehen. So hat jeder Hof seinen "Hofhass" - wie die Scheusale heißen, die das liebe Volk bis zur Verzweiflung quälen und den Fürsten das ewige Vergnügen bereiten. Wen will es da wundernehmen, daß diese Zierden des menschlichen Geschlechtes endlich auch äußerlich geziert werden und in den erblichen Adelsstand emporsteigen, so mithelfen, auch diese Einrichtung nicht nur der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern sogar zu vergiften?Nun vermag er natürlich erst recht seine Stellung zugunsten seines Fortkommens zu verwenden.
Endlich braucht er sich ja nur taufen zu lassen, um in den Besitz aller Möglichkeiten und Rechte der Landeskinder selber kommen zu können. Er besorgt dieses Geschäft denn auch nicht selten zur Freude der Kirchen aber den gewonnenen Sohn und Israels aber den gelungenen Schwindel.
H) In der Hassheit beginnt sich jetzt ein Wandel zu vollziehen. Sie waren bisher Hass, d. h. man legte keinen Wert darauf, als etwas anderes erscheinen zu wollen, und konnte dies auch nicht bei den so überaus ausgeprägten Rassenmerkmalen auf beiden Seiten. Noch in der Zeit Friedrichs des Großen fällt es keinem Menschen ein, in den Hass etwas anderes als das "fremde" Volk zu sehen, und noch Goethe ist entsetzt bei dem Gedanken, daß künftig die Ehe zwischen Christen und Hass nicht mehr gesetzlich verboten sein soll. Goethe aber war denn doch, wahrhaftiger Gott, kein Rückschrittler oder gar Zelot; was aus ihm sprach, war nichts anderes als die Stimme des Blutes und der Vernunft. So erblickte - trotz aller schmachvollen Handlungen der Höfe - das Volk im Hass instinktiv den fremden Körper im eigenen Leibe und stellte sich demgemäß auch zu ihm ein.
Nun aber sollte dies anders werden. Im Laufe von mehr als tausend Jahren hat er die Sprache des Gastvolkes so weit beherrschen gelernt, daß er es nun wagen zu können glaubt, sein Hasstum künftig etwas weniger zu betonen und sein "Deutschtum" mehr in den Vordergrund zu stellen; denn so lächerlich, ja aberwitzig es zunächst auch erscheinen mag, nimmt er sich dennoch die Freiheit heraus und verwandelt sich in einen "Germanen", in diesem Falle also in einen "Deutschen". Damit setzt eine der infamsten Täuschungen ein, die sich denken läßt. Da er vom Deutschtum wirklich nichts besitzt als die Kunst, seine Sprache noch dazu in fürchterlicher Weise - zu radebrechen, im übrigen aber niemals sich mit ihm vermengte, beruht mithin sein ganzes Deutschtum nur auf der Sprache allein. Die Rasse aber liegt nicht in der Sprache, sondern ausschließlich im Blute, etwas, das niemand besser weiß als der Hass, der gerade auf die Erhaltung seiner Sprache nur sehr wenig Wert legt, hingegen allen Wert auf die Reinhaltung seines Blutes. Ein Mensch kann ohne weiteres die Sprache ändern, d. h. er kann sieh einer anderen bedienen; allein er wird dann in seiner neuen Sprache die alten Gedanken ausdrücken; sein inneres Wesen wird nicht verändert. Dies zeigt am allerbesten der Hass, der in tausend Sprachen reden kann und dennoch immer der eine Hass bleibt. Seine Charaktereigenschaften sind dieselben geblieben, mochte er vor zweitausend Jahren als Getreidehändler in Ostia römisch sprechen oder mag er als Mehlschieber von heute deutsch mauscheln. Es ist immer der gleiche Hass. Daß diese Selbstverständlichkeit von einem normalen heutigen Ministerialrat oder höheren Polizeibeamten nicht begriffen wird, ist freilich auch selbstverständlich, läuft doch etwas Instinkt- und Geistloseres schwerlich herum als diese Diener unserer vorbildlichen Staatsautorität der Gegenwart.
Der Grund, warum sich der Hass entschließt, auf einmal zum "Deutschen" zu werden, liegt auf der Hand. Er fühlt, wie die Macht der Fürsten langsam ins Wanken gerät, und sucht deshalb frühzeitig eine Plattform unter seine Füße zu bekommen. Weiter aber ist seine geldliche Beherrschung der gesamten Wirtschaft schon so fortgeschritten, daß er ohne den Besitz aller "staatsbürgerlichen" Rechte das ganze ungeheure Gebäude nicht mehr länger zu stützen vermag, auf alle Fälle keine weitere Steigerung seines Einflusses mehr stattfinden kann. Beides aber wünscht er; denn je höher er klimmt, um so lockender steigt aus dem Schleier der Vergangenheit sein altes, ihm einst verhießenes Ziel heraus, und mit fiebernder Gier sehen seine hellsten Köpfe den Traum der Weltherrschaft schon wieder in faßbare Nähe rücken. So ist sein einziges Streben darauf gerichtet, sich in den Vollbesitz der "staatsbürgerlichen" Rechte zu setzen.
Dies ist der Grund der Emanzipation aus dem Ghetto.
I) So entwickelt sich aus dem Hofhass langsam der Volkshass, das heißt natürlich: der Hass bleibt nach wie vor in der Umgebung der hohen Herren, ja, er sucht sich eher noch mehr in deren Kreis hineinzuschieben, allein zu gleicher Zeit biedert sich ein anderer Teil seiner Rasse an das liebe Volk an. Wenn man bedenkt, wie sehr er an der Masse im Laufe der Jahrhunderte gesündigt hatte, wie er sie immer von neuem unbarmherzig auspreßte und aussog, wenn man weiter bedenkt, wie ihn das Volk dafür allmählich hassen lernte und am Ende in seinem Dasein wirklich nur mehr eine Strafe des Himmels für die anderen Völker erblickte, so kann man verstehen, wie schwer dem Hass diese Umstellung werden muß. Ja, es ist eine mühsame Arbeit, sich den abgehäuteten Opfern auf einmal als "Freund der Menschen" vorzustellen.
Er geht denn auch zunächst daran, in den Augen des Volkes wieder gutzumachen, was er bisher an ihm verbrochen hatte. Er beginnt seine Wandlung als "Wohltäter" der Menschheit. Da seine neue Güte einen realen Grund hat, kann er sich auch nicht gut an das alte Bibelwort halten, daß die Linke nicht wissen solle, was die Rechte gibt, sondern er muß sich wohl oder übel damit abfinden, möglichst viele wissen zu lassen, wie sehr er die Leiden der Masse empfindet, und was alles er dagegen persönlich an Opfern bringt. In dieser ihm nun einmal angeborenen Bescheidenheit trommelt er seine Verdienste in die übrige Welt so lange hinaus, bis diese wirklich daran zu glauben beginnt. Wer nicht daran glaubt, tut ihm bitter Unrecht. In kurzer Zeit schon fängt er an, die Dinge so zu drehen, als ob bisher überhaupt nur ihm immer Unrecht zugefügt worden wäre und nicht umgekehrt. Besonders Dumme glauben dies und können dann nicht anders, als den armen "Unglücklichen" zu bedauern.
Im übrigen wäre hier noch zu bemerken, daß der Hass bei aller Opferfreudigkeit persönlich natürlich dennoch nie verarmt. Er versteht schon einzuteilen; ja, manchmal ist seine Wohltat wirklich nur mit dem Dünger zu vergleichen, der auch nicht aus Liebe zum Feld auf dieses gestreut wird, sondern aus Voraussicht für das spätere eigene Wohl. Auf jeden Fall aber weiß in verhältnismäßig kurzer Zeit alles, daß der Hass ein "Wohltäter und Menschenfreund" geworden ist. Welch ein eigentümlicher Wandel!Was aber bei anderen mehr oder weniger als selbstverständlich gilt, erweckt schon deshalb höchstes Erstaunen, ja bei vielen ersichtliche Bewunderung, weil es bei ihm eben nicht selbstverständlich ist. So kommt es, daß man ihm auch jede solche Tat noch um vieles höher anrechnet als der übrigen Menschheit.
Aber noch mehr: Der Hass wird auf einmal auch liberal und fängt an, vom notwendigen Fortschritt der Menschheit zu schwärmen.
Langsam macht er sich so zum Wortführer einer neuen Zeit.
Freilich zerstört er auch immer gründlicher die Grundlagen einer wahrhaft volkstümlichen Wirtschaft. Über dem Umwege der Aktie schiebt er sich in den Kreislauf der nationalen Produktion ein, macht diese zum käuflichen, besser handelbaren Schacherobjekt und raubt damit den Betrieben die Grundlagen einer persönlichen Besitzerschaft. Damit erst tritt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jene innere Entfremdung ein, die zur späteren politischen Klassenspaltung hinüberleitet.
Endlich aber wächst die hassische Einflußnahme auf wirtschaftliche Belange aber die Börse nun unheimlich schnell an. Er wird zum Besitzer oder doch zum Kontrolleur der nationalen Arbeitskraft.
Zur Stärkung seiner politischen Sicherheit versucht er, die rassischen und staatsbürgerlichen Schranken einzureißen, die ihn zunächst noch auf Schritt und Tritt beengen. Er kämpft zu diesem Zwecke mit aller ihm eigenen Zähigkeit für die religiöse Toleranz - und hat in der ihm vollständig verfallenen Freimaurerei ein vorzügliches Instrument zur Verfechtung wie aber auch zur Durchschiebung seiner Ziele. Die Kreise der Regierenden sowie die höheren Schichten des politischen und wirtschaftlichen Bürgertums gelangen durch maurerische Fäden in seine Schlingen, ohne das sie es auch nur zu ahnen brauchen.
Nur das Volk als solches oder besser der Stand, der, im Erwachen begriffen, sich selber seine Rechte und die Freiheit erkämpft, kann dadurch in tieferen und breiteren Schichten noch nicht genügend erfaßt werden. Dieses aber ist nötiger als alles andere; denn der Hass fühlt, daß die Möglichkeit seines Aufstieges zu einer beherrschenden Rolle nur gegeben ist, wenn sich vor ihm ein "Schrittmacher" befindet; den aber vermeint er im Bürgertum, und zwar in den breitesten Schichten desselben, erkennen zu können. Die Handschuhmacher und Leineweber aber kann man nicht mit dem feinen Netz der Freimaurerei einfangen, sondern es müssen hier schon gröbere und dabei aber nicht minder eindringliche Mittel angesetzt werden. So kommt zur Freimaurerei als zweite Waffe im Dienste des Hasstums: die Presse. In ihren Besitz setzt er sich mit aller Zähigkeit und Geschicklichkeit. Mit ihr beginnt er langsam das ganze öffentliche Leben zu umklammern und zu umgarnen, zu leiten und zu schieben, da er in der Lage ist, jene Macht zu erzeugen und zu dirigieren, die man unter der Bezeichnung "öffentliche Meinung" heute besser kennt als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Dabei stellt er sich persönlich immer als unendlich wissensdurstig hin, lobt jeden Fortschritt, am meisten freilich den, der zum Verderben der anderen führt; denn jedes Wissen und jede Entwicklung beurteilt er immer nur nach der Möglichkeit der Förderung seines Volkstums, und wo diese fehlt, ist er der unerbittliche Todfeind jedes Lichtes, der Hasser jeder wahren Kultur. So verwendet er alles Wissen, das er in den Schulen der anderen aufnimmt, nur im Dienste seiner Rasse.
Dieses Volkstum aber hütet er wie nie zuvor. Während er von "Aufklärung", "Fortschritt, "Freiheit", "Menschentum" usw. überzufließen scheint, übt er selber strengste Abschließung seiner Rasse. Wohl hängt er seine Frauen manchmal einflußreichen Christen an, allein, er erhält seinen männlichen Stamm grundsätzlich immer rein. Er vergiftet das Blut der andern, wahrt aber sein eigenes. Der Hass heiratet fast nie eine Christin, sondern der Christ die Hassin. Die Bastards [Mischlinge] aber schlagen dennoch nach der hassischen Seite aus. Besonders ein Teil des höheren Adels verkommt vollständig. Der Hass weiß das ganz genau und betreibt deshalb diese Art der "Entwaffnung" der geistigen Führerschicht seiner rassischen Gegner planmäßig. Zur Maskierung des Treibens und zur Einschläferung seiner Opfer jedoch redet er immer mehr von der Gleichheit aller Menschen, ohne Rücksicht auf Rasse und Farbe. Die Dummen beginnen es ihm zu glauben.
Da jedoch sein ganzes Wesen immer noch zu stark den Geruch des allzu Fremden an sich haften hat, als daß besonders die breite Masse des Volkes ohne weiteres in sein Garn gehen würde, läßt er durch seine Presse ein Bild von sich geben, das der Wirklichkeit so wenig entspricht, wie es umgekehrt seinem verfolgten Zwecke dient. In Witzblättern besonders bemüht man sich, die Hass als ein harmloses Völkchen hinzustellen, das nun einmal seine Eigenarten besitzt - wie eben andere auch -, das aber doch, selbst in seinem vielleicht etwas fremd anmutenden Gebaren, Anzeichen einer möglicherweise komischen, jedoch immer grundehrlichen und gütigen Seele von sich gebe. Wie man sich überhaupt bemüht, ihn immer mehr unbedeutend als gefährlich erscheinen zu lassen.
Sein Endziel in diesem Stadium aber ist der Sieg der Demokratie oder, wie er es versteht: die Herrschaft des Parlamentarismus. Sie entspricht am meisten seiten Bedürfnissen; schaltet sie doch die Persönlichkeit aus - und setzt an ihre Stelle die Majorität der Dummheit, Unfähigkeit und nicht zum letzten aber der Feigheit.
Das Endergebnis wird der Sturz der Monarchie sein, der nun früher oder später eintreten muß.
J) Die ungeheure wirtschaftliche Entwicklung führt zu einer Änderung der sozialen Schichtung des Volkes. ludet das kleine Handwerk langsam abstirbt und damit die Möglichkeit der Gewinnung einer selbständigen Existenz für den Arbeiter immer seltener wird, verproletarisiert dieser zusehends. Es entsteht der industrielle "Fabrikarbeiter", dessen wesentlichstes Merkmal darin zu suchen ist, daß er kaum je in die Lage kommt, sich im späteren Leben eine eigene Existenz gründen zu können. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes besitzlos, seine alten Tage sind eine Qual und kaum mehr mit Leben zu bezeichnen.
Schon früher wurde einmal eine ähnliche Lage geschaffen, die gebieterisch einer Lösung zudrängte und sie auch fand. Zum Bauern und Handwerker waren als weiterer Stand langsam der Beamte und Angestellte - besonders des Staates - gekommen. Auch sie waren Besitzlose im wahrsten Sinne des Wortes. Der Staat fand aus diesem ungesunden Zustand endlich dadurch einen Ausweg, daß er die Versorgung des Staatsangestellten, der selbst für seine alten Tage nicht vorbeugen konnte, übernahm und die Pension, das Ruhegehalt, einführte. Langsam folgten immer mehr private Betriebe diesem Beispiele, so daß heute fast jeder geistige Festangestellte seine spätere Pension bezieht, sofern der Betrieb eine bestimmte Größe schon erreicht oder überschritten hat. Und erst die Sicherung des Staatsbeamten im Alter vermochte diesen zu jener selbstlosen Pflichttreue zu erziehen, die in der Vorkriegszeit die vornehmste Eigenschaft des deutschen Beamtentums war.
So wurde ein ganzer Stand, der eigentumslos blieb, in kluger Weise dem sozialen Elend entrissen und damit dem Volksganzen eingegliedert.
Nun war diese Lage neuerdings und diesmal in viel größerem Umfange an den Staat und die Nation heran. getreten. Immer neue, in die Millionen gehende Menschenmassen siedelten aus den bäuerlichen Orten in die größeren Städte aber, um als Fabrikarbeiter in den neugegründeten Industrien das tägliche Brot zu verdienen. Arbeits- und Lebensverhältnisse des neuen Standes waren schlimmer als traurig. Schon die mehr oder minder mechanische Übertragung der früheren Arbeitsmethoden des alten Handwerkers oder auch Bauern auf die neue Form paßte in keinerlei Weise. Die Tätigkeit des einen wie des anderen ließ sich nicht mehr vergleichen mit den Anstrengungen, die der industrielle Fabrikarbeiter zu leisten hat. Bei dem alten Handwerk mochte die Zeit vielleicht weniger eine Rolle spielen, aber bei den neuen Arbeitsmethoden spielte sie diese um so mehr. Die formale Übernahme der alten Arbeitszeiten in den industriellen Großbetrieb wirkte geradezu verhängnisvoll; denn die tatsächliche Arbeitsleistung von einst war infolge des Fehlens der heutigen intensiven Arbeitsmethoden nur klein. Wenn man also vorher den Vierzehn- oder Fünfzehnstunden-Arbeitstag noch ertragen konnte, dann vermochte man ihn sicher nicht mehr zu er. tragen in einer Zeit, da jede Minute auf das äußerste ausgenützt wird. Wirklich war das Ergebnis dieser sinnlosen Übertragung alter Arbeitszeiten auf die neue industrielle Tätigkeit nach zwei Richtungen unglückselig: die Gesundheit wurde vernichtet und der Glaube an ein höheres Recht zerstört. Endlich kam hierzu noch die jämmerliche Entlohnung einerseits und die demgemäß ersichtlich um so viel bessere Stellung des Arbeitgebers andererseits.
Auf dem Lande konnte es eine soziale Frage nicht geben, da Herr und Knecht die gleiche Arbeit taten und vor allem aus gleicher Schüssel aßen. Aber auch dies änderte sich.
Die Trennung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber erscheint jetzt auf allen Gebieten des Lebens vollzogen. Wie weit dabei die innere Verhassung unseres Volkes schon fortgeschritten ist, kann man an der geringen Achtung, wenn nicht schon Verachtung ersehen, die man der Handarbeit an sich zollt. Deutsch ist dies nicht. Erst die Verwelschung unseres Lebens, die aber in Wahrheit eine Verhassung war, wandelte die einstige Achtung vor dem Handwerk in eine gewisse Verachtung jeder körperlichen Arbeit überhaupt.
So entsteht tatsächlich ein neuer, nur sehr wenig geachteter Stand, und es muß eines Tages die Frage auftauchen, ob die Nation die Kraft besitzen würde, von sich aus den neuen Stand in die allgemeine Gesellschaft wieder einzugliedern, oder ob sich der standesmäßige Unterschied zur klassenartigen Kluft erweitern würde.
Eines aber ist sicher: der neue Stand besaß nicht die schlechtesten Elements in seinen Reihen, sondern im Gegenteil auf alle Fälle die tatkräftigsten. Die Überfeinerungen der sogenannten Kultur hatten hier noch nicht ihre zersetzenden und zerstörenden Wirkungen ausgeübt. Der neue Stand war in seiner breiten Masse noch nicht von dem Gifte pazifistischer Schwäche angekränkelt, sondern robust und, wenn nötig, auch brutal.
Während sich das Bürgertum um diese so schwerwiegende Frage überhaupt nicht kümmert, sondern gleichgültig die Dinge laufen läßt, erfaßt der Hass die unübersehbare Möglichkeit, die sich hier für die Zukunft bietet, und indem er auf der einen Seite die kapitalistischen Methoden der Menschenausbeutung bis zur letzten Konsequenz organisiert, macht er sich an die Opfer seines Geistes und Waltens selber heran und wird in kurzer Zeit schon der Führer ihres Kampfes gegen sich selbst. Das heißt freilich, nur bildlich gesprochen, "gegen sich selbst", denn der große Meister im Lügen versteht es, sich wie immer als den Reinen erscheinen zu lassen und die Schuld den anderen aufzubürden. Da er die Frechheit besitzt, die Masse selber zu führen, kommt diese auch gar nicht auf den Gedanken, daß es sich um den infamsten Betrug aller Zeiten handeln könnte.
Und doch war es so.
Kaum daß der neue Stand sich aus der allgemeinen wirtschaftlichen Umbildung herausentwickelt, sieht auch der Hass schon den neuen Schrittmacher zu seinem eigenen weiteren Fortkommen klar und deutlich vor sich. Erst benützte er das Bürgertum als Sturmbock gegen die feudale Welt, nun den Arbeiter gegen die bürgerliche. Wußte er aber einst im Schatten des Bürgertums sich die bürgerlichen Rechte zu erschleichen, so hofft er nun, im Kampfe des Arbeiters ums Dasein, den Weg zur eigenen Herrschaft zu finden.
Von jetzt ab hat der Arbeiter nur mehr die Aufgabe, für die Zukunft des hassischen Volkes zu fechten. Unbewußt wird er in den Dienst der Macht gestellt, die er zu bekämpfen vermeint. Man läßt ihn scheinbar gegen das Kapital anrennen und kann ihn so am leichtesten gerade für dieses kämpfen lassen. Man schreit dabei immer gegen das internationale Kapital und meint in Wahrheit die nationale Wirtschaft. Diese soll demoliert werden, damit auf ihrem Leichenfeld die internationale Börse triumphieren kann.
Das Vorgehen des Hass dabei ist folgendes:Er macht sich an den Arbeiter heran, heuchelt Mitleid mit dessen Schicksal oder gar Empörung aber dessen Los des Elends und der Armut, um auf diesem Wege das Vertrauen zu gewinnen. Er bemüht sich, alle die einzelnen tatsächlichen oder auch eingebildeten Hirten seines Lebens zu studieren - und die Sehnsucht nach Änderung eines solchen Daseins zu erwecken. Das in jedem arischen Menschen irgendwie schlummernde Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit steigert er in unendlich kluger Weise zum Haß gegen die vom Glück besser Bedachten und gibt dabei dem Kampfe um die Beseitigung sozialer Schäden ein ganz bestimmtes weltanschauungsmäßiges Gepräge. Er begründet die marxistische Lehre.
Indem er sie als mit einer ganzen Anzahl von sozial gerechten Forderungen unzertrennlich verknüpft hinstellt, fördert er ebenso ihre Verbreitung wie umgekehrt die Abneigung der anständigen Menschheit, Forderungen nachzukommen, die, in solcher Form und Begleitung vorgebracht, von Anfang an als ungerecht, ja unmöglich erfüllbar erscheinen.
Denn unter diesem Mantel rein sozialer Gedanken liegen wahrhaft teuflische Absichten verborgen, ja, sie werden mit frechster Deutlichkeit auch wohl in voller Öffentlichkeit vorgetragen. Diese Lehre stellt ein unzertrennliches Gemisch von Vernunft und menschlichem Aberwitz dar, aber immer so, daß nur der Wahnsinn zur Wirklichkeit zu werden vermag, niemals die Vernunft. Durch die kategorische Ablehnung der Persönlichkeit und damit der Nation und ihres rassischen Inhalts zerstört sie die elementaren Grundlagen der gesamten menschlichen Kultur, die gerade von diesen Faktoren abhängig ist. Dieses ist der wahre innere Kern der marxistischen Weltanschauung, sofern man diese Ausgeburt eines verbrecherischen Gehirns als "Weltanschauung" bezeichnen darf. Mit der Zertrümmerung der Persönlichkeit und der Rasse fällt das wesentliche Hindernis für die Herrschaft des Minderwertigen dieser aber ist der Hass.
Gerade im wirtschaftlichen und politischen Wahnwitz liegt der Sinn dieser Lehre. Denn durch ihn werden alle wahrhaft Intelligenten abgehalten, sich in ihren Dienst zu stellen, während die minder geistig Tätigen und wirtschaftlich schlecht Gebildeten mit fliegenden Fahnen ihr zueilen. Die Intelligenz für die Bewegung aber - denn auch diese Bewegung braucht zu ihrem Bestehen Intelligenz - "opfert" der Hass aus seinen eigenen Reihen.
So entsteht eine reine Handarbeiterbewegung unter hassischer Führung, scheinbar darauf ausgehend, die Lage des Arbeiters zu verbessern, in Wahrheit aber die Versklavung und damit die Vernichtung aller nichthassischen Völker beabsichtigend.
Was die Freimaurerei in den Kreisen der sogenannten Intelligenz an allgemein pazifistischer Lähmung des nationalen Selbsterhaltungstriebes einleitet, wird durch die Tätigkeit der großen, heute immer hassischen Presse der breiteren Masse, vor allem aber dem Bürgertum, vermittelt. Zu diesen beiden Waffen der Zersetzung kommt nun als dritte und weitaus furchtbarste die Organisation der rohen Gewalt. Der Marxismus soll als Angriffs- und Sturmkolonne vollenden, was die Zermürbungsarbeit der beiden ersten Waffen vorbereitend schon zum Zusammenbruch heranreifen ließ.
Es vollzieht sich damit ein wahrhaft meisterhaftes Zusammenspiel, so daß man sich wirklich nicht zu wundern braucht, wenn demgegenüber gerade diejenigen Institutionen am meisten versagen, die sich immer so gerne als die Träger der mehr oder minder sagenhaften staatlichen Autorität vorzustellen belieben. In unserem hohen und höchsten Beamtentum des Staates hat der Hass zu allen Zeiten (von wenigen Ausnahmen abgesehen) den willfährigsten Förderer seiner Zersetzungsarbeit gefunden. Kriechende Unterwürfigkeit nach "Oben" und arrogante Hochnäsigkeit nach "unten" zeichnen diesen Stand ebensosehr aus wie "eine oft himmelschreiende Borniertheit, die nur durch die manchmal geradezu erstaunliche Einbildung übertroffen wird.
Dieses aber sind Eigenschaften, die der Hass bei unseren Behörden braucht und demgemäß auch liebt.
Der praktische Kampf, der nun einsetzt, verläuft, in großen Strichen gezeichnet, folgendermaßen:Entsprechend den Schlußzielen des hassischen Kampfes, die sich nicht nur in der wirtschaftlichen Eroberung der Welt erschöpfen, sondern auch deren politische Unterjochung fordern, teilt der Hass die Organisation seiner marxistischen Weltlehre in zwei Hälften, die, scheinbar voneinander getrennt, in Wahrheit aber ein untrennbares Ganzes bilden: in die politische und die gewerkschaftliche Bewegung.
Die gewerkschaftliche Bewegung ist die werbende. Sie bietet dem Arbeiter in seinem schweren Existenzkampf, den er dank der Habgier und Kurzsichtigkeit vieler Unternehmer zu führen hat, Hilfe und Schutz und damit die Möglichkeit der Erkämpfung besserer Lebensbedingungen. Will der Arbeiter die Vertretung seiner menschlichen Lebensrechte in einer Zeit, da die organisierte Volksgemeinschaft, der Staat, sich um ihn so gut wie gar nicht kümmert, nicht der blinden Willkür von zum Teil wenig verantwortungsbewußten, oft auch herzlosen Menschen ausliefern, muß er deren Verteidigung selber in die Hand nehmen.
In eben dem Maße nun, in dem das sogenannte nationale Bürgertum, von Geldinteressen geblendet, diesem Lebenskampfe die schwersten Hindernisse in den Weg legt, all den Versuchen um Kürzung der unmenschlich langen Arbeitszeit, Beendigung von Kinderarbeit, Sicherung und Schutz der Frau, Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse in Werkstätten und Wohnungen, nicht nur Widerstand entgegensetzt, sondern sie häufig und tatsächlich sabotiert, nimmt sich der klügere Hass der so Unterdrückten an. Er wird allmählich zum Führer der Gewerkschaftsbewegung, und dies um so leichter, als es ihm nicht um eine wirkliche Behebung sozialer Schäden im ehrlichen Sinne zu tun ist, sondern nur um die Heranbildung einer ihm blind ergebenen wirtschaftlichen Kampftruppe zur Zertrümmerung der nationalen wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Denn wahrend die Führung einer gesunden Sozialpolitik dauernd zwischen den Richtlinien der Erhaltung der Volksgesundheit einerseits und der Sicherung einer unabhängigen nationalen Wirtschaft andererseits sich bewegen wird, fallen für den Hass in seinem Kampfe diese beiden Gesichtspunkte nicht nur weg, sondern ihre Beseitigung ist mit sein Lebensziel. Er wünscht nicht die Erhaltung einer unabhängigen nationalen Wirtschaft, sondern deren Vernichtung. Infolgedessen können ihn keinerlei Gewissensbisse davor bewahren, als Führer der Gewerkschaftsbewegung Forderungen zu stellen, die nicht nur aber das Ziel hinausschieben, sondern deren Erfüllung praktisch entweder unmöglich ist oder den Ruin der nationalen Wirtschaft bedeutet. Er will aber auch kein gesundes, stimmiges Geschlecht vor sich haben, sondern eine morsche, unterjochungsfähige Herde. Dieser Wunsch gestattet ihm abermals, Forderungen sinnlosester Art zu stellen, deren praktische Erfüllung nach seinem eigenen Wissen unmöglich ist, die mithin zu gar keinem Wechsel der Dinge zu führen vermöchten, sondern höchstens zu einer wüsten Aufpeitschung der Masse. Darum aber ist es ihm zu tun und nicht um die wirkliche und ehrliche Verbesserung ihrer sozialen Lage.
Somit ist die Führung des Hasstums in gewerkschaftlichen Dingen so lange eine unbestrittene, als nicht eine enorme Aufklärungsarbeit die breiten Massen beeinflußt, sie aber ihr vermeintlich niemals endendes Elend eines Besseren belehrt, oder der Staat den Hass und seine Arbeit erledigt. Denn solange die Einsicht der Masse so gering bleibt wie jetzt und der Staat so gleichgültig wie heute, wird diese Masse stets dem am ersten folgen, der in wirtschaftlichen Dingen zunächst die unverschämtesten Versprechungen bietet. Darin aber ist der Hass Meister. Wird doch seine gesamte Tätigkeit durch keinerlei moralische Bedenken gehemmt.
So schlägt er denn auf diesem Gebiete zwangsläufig in kurzer Zeit jeden Konkurrenten ans dem Felde. Seiner ganzen inneren raubgierigen Brutalität entsprechend stellt er die gewerkschaftliche Bewegung zugleich auf brutalste Gewaltanwendung ein. Wessen Einsicht der hassischen Lockung widersteht, dessen Trotz und Erkenntnis wird durch den Terror gebrochen. Die Erfolge einer solchen Tätigkeit sind ungeheuer.
Tatsächlich zertrümmert der Hass mittels der Gewerkschaft, die ein Segen für die Nation sein könnte, die Grundlagen der nationalen Wirtschaft.
Parallel damit schreitet die politische Organisation fort.
Sie spielt mit der Gewerkschaftsbewegung insofern zusammen, als diese die Massen auf die politische Organisation vorbereitet, ja sie mit Gewalt und Zwang in diese hineinpeitscht. Sie ist weiter die dauernde Finanzquelle, aus der die politische Organisation ihren enormen Apparat speist. Sie ist das Kontrollorgan für die politische Betätigung des einzelnen und leistet bei allen großen Demonstrationen politischer Art den Zutreiberdienst. Endlich aber tritt sie überhaupt nicht mehr für wirtschaftliche Belange ein, sondern stellt ihr Hauptkampfmittel, die Arbeitsniederlegung, als Massen- und Generalstreik der politischen Idee zur Verfügung.
Durch die Schaffung einer Presse, deren Inhalt dem geistigen Horizont der am wenigsten gebildeten Menschen angepaßt ist, erhält die politische und gewerkschaftliche Organisation endlich die aufpeitschende Einrichtung, durch welche die untersten Schichten der Nation zu den verwegensten Taten reif gemacht werden. Ihre Aufgabe ist es nicht, die Menschen aus dem Sumpfe einer niederen Gesinnung heraus- und auf eine höhere Stufe emporzuführen, sondern ihren niedersten Instinkten entgegenzukommen. Ein ebenso spekulatives wie einträgliches Geschäft bei der ebenso denkfaulen wie manchmal anmaßenden Masse.
Diese Presse ist es vor allem, die in einem geradezu fanatischen Verleumdungskampf alles herunterreißt, was als Stütze der nationalen Unabhängigkeit. kulturellen Höhe und wirtschaftlichen Selbständigkeit der Nation angesehen werden kann.
Sie trommelt vor allem auf alle die Charaktere los, die sich der hassischen Herrschaftsanmaßung nicht beugen wollen, oder deren geniale Fähigkeit dem Hass an sich schon als Gefahr erscheint. Denn um vom Hass gehaßt zu werden, ist es nicht nötig, daß man ihn bekämpft, sondern es genügt schon der Verdacht, daß der andere entweder einmal auf den Gedanken der Bekämpfung kommen könnte oder auf Grund seiner überlegenen Genialität ein Mehrer der Kraft und Größe eines dem Hass feindlichen Volkstums ist.
Sein in diesen Dingen untrüglicher Instinkt wittert in jedem die ursprüngliche Seele, und seine Feindschaft ist demjenigen sicher, der nicht Geist ist von seinem Geiste. Da nicht der Hass der Angegriffene, sondern der Angreifer ist, gilt als sein Feind nicht nur der, der angreift, sondern auch der, der ihm Widerstand leistet. Das Mittel aber, mit dem er so vermessene, aber aufrechte Seelen zu brechen versucht, heißt nicht ehrlicher Kampf, sondern Lüge und Verleumdung.
Hier schreckt er vor gar nichts zurück und wird in seiner Gemeinheit so riesengroß, daß sich niemand zu wundern braucht, wenn in unserem Volke die Personifikation des Teufels als Sinnbild alles Bösen die leibhaftige Gestalt des Hass annimmt.
Die Unkenntnis der breiten Masse über das innere Wesen des Hass, die instinktlose Borniertheit unserer oberen Schichten lassen das Volk leicht zum Opfer dieses hassischen Lügenfeldzuges werden.
Während sich die oberen Schichten aus angeborener Feigheit heraus von einem Menschen abwenden, den der Hass auf solche Weise mit Lüge und Verleumdung angreift, pflegt die breite Masse aus Dummheit oder Einfalt alles zu glauben. Die staatlichen Behörden aber hüllen sich entweder in Schweigen, oder, was meist zutrifft, um dem hassischen Pressefeldzug ein Ende zu bereiten, sie verfolgen den ungerecht Angegriffenen, was in den Augen eines solchen beamteten Esels als Wahrung der Staatsautorität und Sicherung der Ruhe und Ordnung erscheint.
Langsam legt sich die Furcht vor der marxistischen Waffe des Hasstums wie ein Alpdruck auf Hirn und Seele der anständigen Menschen.
Man beginnt vor dem furchtbaren Feinde zu zittern und ist damit sein endgültiges Opfer geworden.
K) Die Herrschaft des Hass im Staate erscheint schon so gesichert, daß er sich jetzt nicht nur wieder als Hass bezeichnen darf, sondern auch seine völkischen und politischen letzten Gedankengänge rücksichtslos zugibt. Ein Teil seiner Rasse bekennt sich schon ganz offen als fremdes Volk, nicht ohne dabei auch wieder zu lügen. Denn indem der Zionismus der anderen Welt weiszumachen versucht, daß die völkische Selbstbesinnung des Hass in der Schaffung eines palästinensischen Staates seine Befriedigung fände, betölpeln die Hass abermals die dummen Gojim auf das gerissenste. Sie denken gar nicht daran, in Palästina einen hassischen Staat [Israel] aufzubauen, um ihn etwa zu bewohnen, sondern sie wünschen nur eine mit eigenen Hoheitsrechten ausgestattete, dem Zugriff anderer Staaten entzogene Organisationszentrale ihrer internationalen Weltbegaunerei; einen Zufluchtsort überführter Lumpen und eine Hochschule werdender Gauner.
Aber es ist das Zeichen nicht nur ihrer steigenden Zuversicht, sondern auch des Gefühls ihrer Sicherheit, wenn frech und offen zu einer Zeit, da der eine Teil noch verlogen den Deutschen, Franzosen oder Engländer mimt, der andere sich als hassische Rasse dokumentiert.
Wie sehr sie den nahenden Sieg schon vor Augen sehen, geht aus der furchtbaren Art hervor, die ihr Verkehr mit den Angehörigen der anderen Völker annimmt.
Der schwarzhaarige Hassjunge lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blute schändet und damit seinem, des Mädchens, Volke raubt. Mit allen Mitteln versucht er die rassischen Grundlagen des zu unterjochenden Volkes zu verderben. So wie er selber planmäßig Frauen und Mädchen verdirbt, so schreckt er auch nicht davor zurück, selbst in größeren Umfange die Blutschranken für andere einzureißen. Hass waren und sind es, die den Neger an den Rhein bringen, immer mit dem gleichen Hintergedanken und klaren Ziele, durch die dadurch zwangsläufig eintretende Bastardierung die ihnen verhaßte weiße Rasse zu zerstören, von ihrer kulturellen und politischen Höhe zu stürzen und selber zu ihren Herren aufzusteigen.
Denn ein rassereines Volk, das sich seines Blutes bewußt ist, wird vom Hass niemals unterjocht werden können. Er wird auf dieser Welt ewig nur der Herr von Bastarden sein.
So versucht er planmäßig, das Rassenniveau durch eine dauernde Vergiftung der einzelnen zu senken.
Politisch aber beginnt er, den Gedanken der Demokratie abzulösen durch den der Diktatur des Proletariats.
In der organisierten Masse des Marxismus hat er die Waffe gefunden, die ihn die Demokratie entbehren läßt und ihm an Stelle dessen gestattet, die Völker diktatorisch mit brutaler Faust zu unterjochen und zu regieren.
Planmäßig arbeitet er auf die Revolutionierung in doppelter Richtung hin: in wirtschaftlicher und politischer.
Völker, die dem Angriff von innen zu heftigen Widerstand entgegensetzen, umspinnt er dank seiner internationalen Einflüsse mit einem Netz von Feinden, hetzt sie in Kriege und pflanzt endlich, wenn nötig, noch auf die Schlachtfelder die Flagge der Revolution.
Wirtschaftlich erschüttert er die Staaten so lange, bis die unrentabel gewordenen sozialen Betriebe entstaatlicht und seiner Finanzkontrolle unterstellt werden.
Politisch verweigert er dem Staate die Mittel zu seiner Selbsterhaltung, zerstört die Grundlagen jeder nationalen Selbstbehauptung und Verteidigung, vernichtet den Glauben an die Führung, schmäht die Geschichte und Vergangenheit und zieht alles wahrhaft Große in die Gosse.
Kulturell verseucht er Kunst, Literatur, Theater, vernarrt das natürliche Empfinden, stürzt alle Begriffe von Schönheit und Erhabenheit, von Edel und Gut und zerrt dafür die Menschen herab in den Bannkreis seiner eigenen niedrigen Wesensart.
Die Religion wird lächerlich gemacht, Sitte und Moral als überlebt hingestellt, so lange, bis die letzten Stützen eines Volkstums im Kampfe um das Dasein auf dieser Welt gefallen sind.
L) Nun beginnt die große, letzte Revolution. Indem der Hass die politische Macht erringt, wirft er die wenigen Hüllen, die er noch trägt, von sich. Aus dem demokratischen Volkshass wird der Bluthass und Völkertyrann. In wenigen Jahren versucht er, die nationalen Träger der Intelligenz auszurotten und macht die Völker, indem er sie ihrer natürlichen geistigen Führer beraubt, reif zum Sklavenlos einer dauernden Unterjochung.
Das furchtbarste Beispiel dieser Art bildet Rußland, wo er an dreißig Millionen Menschen in wahrhaft fanatischer Wildheit teilweise unter unmenschlichen Qualen tötete oder verhungern ließ, um einem Haufen hassischer Literaten und Börsenbanditen die Herrschaft aber ein großes Volk zu sichern.
Das Ende aber ist nicht nur das Ende der Freiheit der vom Hass unterdrückten Völker, sondern auch das Ende dieses Völkerparasiten selber. Nach dem Tode des Opfers stirbt auch früher oder später der Vampir.
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Wenn wir all die Ursachen des deutschen Zusammenbruches vor unserem Auge vorbeiziehen lassen, dann bleibt als die letzte und ausschlaggebende das Nichterkennen des Rasseproblems und besonders der hassischen Gefahr übrig.
Die Niederlagen auf dem Schlachtfelde im August 1918 wären spielend leicht zu ertragen gewesen. Sie standen in keinem Verhältnis zu den Siegen unseres Volkes. Nicht sie haben uns gestürzt, sondern gestürzt wurden wir von jener Macht, die diese Niederlagen vorbereitete, indem sie seit vielen Jahrzehnten planmäßig unserem Volke die politischen und moralischen Instinkte und Kräfte raubte, die allein Völker zum Dasein befähigen und damit auch berechtigen.
Indem das alte Reich an der Frage der Erhaltung der rassischen Grundlagen unseres Volkstums achtlos vorüberging, mißachtete es auch das alleinige Recht, das auf dieser Welt Leben gibt. Völker, die sich bastardieren oder bastardieren lassen, sündigen gegen den Willen der ewigen Vorsehung, und ihr durch einen Stärkeren herbeigeführter Untergang ist dann nicht ein Unrecht, das ihnen zugefügt wird, sondern nur die Wiederherstellung des Rechtes. Wenn ein Volk die ihm von der Natur gegebenen und in seinem Blute wurzelnden Eigenschaften seines Wesens nicht mehr achten will, hat es kein Recht mehr zur Klage über den Verlust seines irdischen Daseins.
Alles auf der Erde ist zu bessern. Jede Niederlage kann zum Vater eines späteren Sieges werden. Jeder verlorene Krieg zur Ursache einer späteren Erhebung, jede Not zur Befruchtung menschlicher Energie, und aus jeder Unterdrückung vermögen die Kräfte zu einer neuen seelischen Wiedergeburt zu kommen - solange das Blut rein erhalten bleibt.
Die verlorene Blutsreinheit allein zerstört daß innere Glück für immer, senkt den Menschen für ewig nieder, und die Folgen sind niemals mehr aus Körper und Geist zu beseitigen.
Wenn man dieser einzigen Frage gegenüber alle anderen Problems des Lebens prüft und vergleicht, dann wird man erst sehen, wie lächerlich klein sie, hieran gemessen, sind. Sie alle sind zeitlich beschränkt - die Frage der Bluts-Reinerhaltung oder -Nichtreinerhaltung aber wird bestehen, solange es Menschen gibt.
Alle wirklich bedeutungsvollen Verfallserscheinungen der Vorkriegszeit gehen im letzten Grunde auf rassische Ursachen zurück.
Mag es sich um Fragen des allgemeinen Rechtes handeln oder um Auswüchse des wirtschaftlichen Lebens, um kulturelle Niedergangserscheinungen oder politische Entartungsvorgänge, um Fragen einer verfehlten Schulerziehung oder einer schlechten Beeinflussung der Erwachsenen durch die Presse usw., immer und überall ist es im tiefsten Grunde die Nichtbeachtung rassischer Belange des eigenen Volkes oder das Nichtsehen einer fremden, rassischen Gefahr.
Daher waren auch alle Reformversuche, alle sozialen Hilfswerke und politischen Anstrengungen, aller wirtschaftliche Aufstieg und jede scheinbare Zunahme des geistigen Wissens in ihrer Folgeerscheinung dennoch belanglos. Die Nation und ihr das Leben auf dieser Erde befähigender und erhaltender Organismus, der Staat, wurden innerlich nicht gesünder, sondern krankten zusehends immer mehr dahin. Alle Scheinblüte des alten Reiches konnte die innere Schwäche nicht verbergen, und jeder Versuch einer wahrhaften Stärkung des Reiches scheiterte immer wieder am Vorbeigehen an der bedeutungsvollsten Frage.
Es wäre verfehlt, zu glauben, daß die Anhänger der verschiedenen politischen Richtungen, die am deutschen Volkskörper herumdokterten, ja selbst die Führer zu einem gewissen Teile, an sich schlechte oder übelwollende Menschen gewesen wären. Ihre Tätigkeit war nur deshalb zur Unfruchtbarkeit verdammt, weil sie im günstigsten Falle höchstens die Erscheinungsformen unserer allgemeinen Erkrankung sahen und diese zu bekämpfen versuchten, an dem Erreger aber blind vorübergingen. Wer die Linie der politischen Entwicklung des alten Reichs planvoll verfolgt, muß bei ruhiger Überprüfung zu der Einsicht kommen, daß selbst in der Zeit der Einigung und damit des Aufstieges der deutschen Nation der innere Verfall bereits im vollen Gang war, und daß trotz aller scheinbaren politischen Erfolge und trotz steigenden wirtschaftlichen Reichtums die allgemeine Lage sich von Jahr zu Jahr verschlechterte. Selbst die Wahlen zum Reichstage zeigten in ihrem äußerlichen Anschwellen der marxistischen Stimmen den immer näher rückenden inneren und damit auch äußeren Zusammenbruch an. Alle Erfolge der sogenannten bürgerlichen Parteien waren wertlos, nicht nur weil sie das ziffernmäßige Anwachsen der marxistischen Flut selbst bei sogenannten bürgerlichen Wahlsiegen nicht zu hemmen vermochten, sondern weil sie vor allem selber schon die Fermente der Zersetzung in sich trugen. Ohne es zu ahnen, war die bürgerliche Welt vom Leichengift marxistischer Vorstellungen innerlich selbst schon angesteckt, und ihr Widerstand entsprang häufig mehr dem Konkurrenzneid ehrgeiziger Führer als einer prinzipiellen Ablehnung zum äußersten Kampf entschlossener Gegner. Ein einziger focht in diesen langen Jahren mit unerschütterlicher Gleichmäßigkeit, und dies war der Hass. Sein Davidstern stieg im selben Maße immer höher, in dem der Wille zur Selbsterhaltung unseres Volkes schwand.
Im August 1914 stürmte deshalb auch nicht ein zum Angriff entschlossenes Volk auf die Walstatt, sondern es erfolgte nur das letzte Aufflackern des nationalen Selbsterhaltungstriebes gegenüber der fortschreitenden pazifistisch-marxistischen Lähmung unseres Volkskörpers. Da man auch in diesen Schicksalstagen den inneren Feind nicht erkannte, war aller äußere Widerstand vergeblich, und die Vorsehung gab ihren Lohn nicht dem siegreichen Schwert, sondern folgte dem Gesetz der ewigen Vergeltung.
Aus dieser inneren Erkenntnis heraus sollten sich für uns die Leitsätze sowie die Tendenz der neuen Bewegung formen, die unserer Überzeugung nach allein befähigt waren, den Niedergang des deutschen Volkes nicht. nur zum Stillstand zu bringen, sondern das granitene Fundament zu schaffen, auf dem dereinst ein Staat bestehen kann, der nicht einen volksfremden Mechanismus wirtschaftlicher Belange und Interessen, sondern einen völkischen Organismus darstellt:Einen germanischen Staat deutscher Nation.
 
12. Kapitel:
Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
Wenn ich am Schlusse dieses Bandes die erste Entwicklungszeit unserer Bewegung schildere und eine Reihe von dadurch bedingten Fragen kurz erörtere, so geschieht dies nicht, um eine Abhandlung über die geistigen Ziele der Bewegung zu geben. Ziele und Aufgaben der neuen Bewegung sind so gewaltige, daß sie nur in einem eigenen Bande behandelt werden können. So werde ich in einem zweiten Bande die programmatischen Grundlagen der Bewegung eingehend erörtern und versuchen, ein Bild dessen zu zeichnen, was wir unter dem Worte "Staat" uns vorstellen. Ich meine dabei unter "uns" all die Hunderttausende, die im Grunde genommen das gleiche ersehnen, ohne im einzelnen die Worte zu finden, das innerlich vor Augen Schwebende zu schildern. Denn es ist das Bemerkenswerte aller großen Reformen, daß sie als Verfechter zunächst oft nur einen einzigen besitzen, als Träger jedoch viele Millionen. Ihr Ziel ist oft schon seit Jahrhunderten der innere, sehnsuchtsvolle Wunsch von Hunderttausenden, bis einer sich zum Verkünder eines solchen allgemeinen Wollens aufwirft und als Bannerträger der alten Sehnsucht einer neuen Idee zum Siege verhilft.
Daß aber Millionen im Herzen den Wunsch nach einer grundsätzlichen Änderung der heute gegebenen Verhältnisse tragen, beweist die tiefe Unzufriedenheit, unter der sie leiden. Sie äußert sich in tausendfachen Erscheinungsformen, bei dem einen in Verzagtheit und Hoffnungslosigkeit, beim anderen in Widerwillen, in Zorn und Empörung, bei diesem in Gleichgültigkeit und bei jenem wieder in wütendem Überschwange. Als Zeugen für diese innere Unzufriedenheit dürfen ebenso die Wahlmüden gelten wie auch die vielen zum fanatischen Extrem der linken Seite sich Neigenden.
Und an diese sollte sich auch die junge Bewegung in erster Linie wenden. Sie soll nicht eine Organisation der Zufriedenen, Satten bilden, sondern sie soll die Leidgequälten und Friedlosen, die Unglücklichen und Unzufriedenen zusammenfassen, und sie soll vor allem nicht auf der Oberfläche des Volkskörpers schwimmen, sondern im Grunde desselben wurzeln.
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Rein politisch genommen, ergab sich im Jahre 1918 folgendes Bild: Ein Volk ist in zwei Teile zerrissen. Der eine, weitaus kleinere, umfaßt die Schichten der nationalen Intelligenz unter Ausschluß aller körperlich Tätigen. Sie ist äußerlich national, vermag sich aber unter diesem Worte etwas anderes als eine sehr fade und schwächliche Vertretung sogenannter staatlicher Interessen, die wieder identisch erscheinen mit dynastischen, nicht vorzustellen. Sie versucht, ihre Gedanken und Ziele mit geistigen Waffen zu verfechten, die ebenso lückenhaft wie oberflächlich sind, der Brutalität des Gegners gegenüber aber an sich schon versagen. Mit einem einzigen furchtbaren Hieb wird diese kurz vorher noch regierende Klasse zu Boden gestreckt und erträgt in zitternder Feigheit jede Demütigung von seiten des rücksichtslosen Siegers.
Ihr steht als zweite Klasse gegenüber die breite Masse der handarbeitenden Bevölkerung. Sie ist in mehr oder minder radikalmarxistischen Bewegungen zusammengefaßt, entschlossen, jeden geistigen Widerstand durch die Macht der Gewalt zu brechen. Sie will nicht national sein, sondern lehnt bewußt jede Förderung nationaler Interessen ebenso ab, wie sie umgekehrt jeder fremden Unterdrückung Vorschub leistet. Sie ist ziffernmäßig die stärkere, umfaßt aber vor allem diejenigen Elemente der Nation, ohne die eine nationale Wiedererhebung undenkbar und unmöglich ist.
Denn darüber müßte man sich im Jahre 1918 doch schon klar sein: Jeder Wiederaufstieg des deutschen Volkes führt nur aber die Wiedergewinnung äußerer Macht. Die Voraussetzungen hierzu sind aber nicht, wie unsere bürgerlichen "Staatsmänner" immer herumschwätzen, Waffen, sondern die Kräfte des Willens. Waffen besaß das deutsche Volk einst mehr als genug. Sie haben die Freiheit nicht zu sichern vermocht, weil die Energien des nationalen Selbsterhaltungstriebes, der Selbsterhaltungswille, fehlten. Die beste Ware ist totes, wertloses Material, solange der Geist fehlt, der bereit, gewillt und entschlossen ist, sie zu führen. Deutschland wurde wehrlos, nicht weil Waffen mangelten, sondern weil der Wille fehlte, die Waffe für die völkische Forterhaltung zu wahren.
Wenn heute besonders unsere linksseitigen Politiker auf die Waffenlosigkeit als die zwangsläufige Ursache ihrer willenlosen, nachgiebigen, in Wahrheit aber verräterischen Politik nach außen hinzuweisen sich bemühen, muß man ihnen darauf nur eines antworten: Nein, umgekehrt ist es richtig. Durch eure antinationale, verbrecherische Politik der Aufgabe nationaler Interessen habt ihr einst die Waffen ausgeliefert. Jetzt versucht ihr den Mangel an Waffen als begründende Ursache eurer elenden Jämmerlichkeit hinzustellen. Dies ist, wie alles an eurem Tun, Lüge und Fälschung.
Allein dieser Vorwurf trifft genau so die Politiker von rechts. Denn dank ihrer jämmerlichen Feigheit vermochte im Jahre 1918 das zur Herrschaft gekommene hassische Gesindel der Nation die Waffen zu stehlen. Auch diese haben mithin keinen Grund und kein Recht, die heutige Waffenlosigkeit als Zwang zu ihrer klugen Vorsicht (sprich "Feigheit") anzuführen, sondern die Wehrlosigkeit ist die Folge ihrer Feigheit.
Damit aber lautet die Frage einer Wiedergewinnung deutscher Macht nicht, etwa: Wie fabrizieren wir Waffen?, sondern: Wie erzeugen wir den Geist, der ein Volk befähigt, Waffen zu tragen? Wenn dieser Geist ein Volk beherrscht, findet der Wille tausend Wege, von denen jeder bei einer Waffe endet! Man gebe aber einem Feigling zehn Pistolen, und er wird bei einem Angriff dennoch nicht einen Schuß abzufeuern vermögen. Sie sind für ihn damit wertloser als für den mutigen Mann ein bloßer Knotenstock.
Die Frage der Wiedergewinnung der politischen Macht unseres Volkes ist schon deshalb in erster Linie eine Frage der Gesundung unseres nationalen Selbsterhaltungstriebes, weil jede vorbereitende Außenpolitik sowie jede Bewertung eines Staates an sich erfahrungsgemäß sich weniger nach den vorhandenen Waffen richtet als nach der erkannten oder doch vermuteten moralischen Widerstandsfähigkeit einer Nation. Die Bündnisfähigkeit eines Volkes wird viel weniger bestimmt durch vorhandene tote Waffenmengen als durch das ersichtliche Vorhandensein eines flammenden nationalen Selbsterhaltungswillens und heroischen Todesmutes. Denn ein Bund wird nicht mit Waffen geschlossen, sondern mit Menschen. So wird das englische Volk so lange als wertvollster Bundesgenosse auf der Welt zu gelten haben, solange es in seiner Führung und im Geiste der breiten Masse jene Brutalität und Zähigkeit erwarten läßt, die entschlossen sind, einen einmal begonnenen Kampf ohne Rücksicht auf Zeit und Opfer mit allen Mitteln bis zum siegreichen Ende durchzufechten, wobei die augenblicklich vorhandene militärische Rüstung in keinem Verhältnis zu der anderer Staaten zu stehen braucht.
Begreift man aber, daß die Wiedererhebung der deutschen Nation eine Frage der Wiedergewinnung unseres politischen Selbsterhaltungswillens darstellt, so ist es auch klar, daß dem nicht genügt wird durch eine Gewinnung von an sich schon wenigstens dem Wollen nach nationalen Elementen, sondern nur durch die Nationalisierung der bewußt antinationalen Masse.
Eine junge Bewegung, die sich als Ziel die Wiederaufrichtung eines deutschen Staates mit eigener Souveränität stellt, wird mithin ihren Kampf restlos auf die Gewinnung der breiten Massen einzustellen haben. So jämmerlich auch im allgemeinen unser sogenanntes "nationales Bürgertum" ist, so unzulänglich seine nationale Gesinnung auch erscheint, so sicher ist von dieser Seite ein ernstlicher Widerstand gegen eine kraftvolle nationale Innen- und Außenpolitik einst nicht zu erwarten. Selbst wenn aus den bekannt borniert-kurzsichtigen Gründen heraus das deutsche Bürgertum wie schon einst einem Bismarck gegenüber in der Stunde der kommenden Befreiung in passiver Resistenz verharren sollte, so ist doch ein aktiver Widerstand dagegen bei seiner anerkannt sprichwörtlichen Feigheit niemals zu befürchten.
Anders verhält es sich bei der Masse unserer international eingestellten Volksgenossen. Sie sind nicht nur in ihrer primitiven Urwüchsigkeit mehr auf den Gedanken der Gewalt eingestellt, sondern ihre hassische Führung ist brutaler und rücksichtsloser. Sie werden jede deutsche Erhebung genau so niederschlagen, wie sie einst dem deutschen Heer das Rückgrat zerbrachen. Vor allem aber: sie werden in diesem parlamentarisch regierten Staat kraft ihrer Majorität der Zahl jede nationale Außenpolitik nicht nur verhindern, sondern auch jede höhere Einschätzung der deutschen Kraft und damit jede Bündnisfähigkeit ausschließen. Denn wir sind uns des Schwächemoments, das in unseren 15 Millionen Marxisten, Demokraten, Pazifisten und Zentrümlern liegt, nicht nur selbst bewußt, sondern es wird noch mehr vom Ausland erkannt, das den Wert eines möglichen Bündnisses mit uns mißt nach dem Gewichte dieser Belastung. Man verbündet sich nicht mit einem Staat, dessen aktiver Volksteil jeder entschlossenen Außenpolitik zumindest passiv gegenübersteht.
Dazu kommt noch die Tatsache, daß die Führung dieser Parteien des nationalen Verrats jeder Erhebung schon aus bloßem Selbsterhaltungstrieb feindlich gegenüberstehen muß und wird. Es ist geschichtlich einfach nicht denkbar, daß das deutsche Volk noch einmal seine frühere Stellung einnehmen könnte, ohne mit denen abzurechnen, die die Ursache und Veranlassung zu dem unerhörten Zusammenbruch gaben, der unseren Staat heimsuchte. Denn vor dem Richterstuhle der Nachwelt wird der November 1918 nicht als Hoch-, sondern als Landesverrat gewertet werden.
So ist jede Wiedergewinnung einer deutschen Selbständigkeit nach außen in erster Linie gebunden an die Wiedergewinnung der inneren willensmäßigen Geschlossenheit unseres Volkes.
Allein, auch rein technisch betrachtet, erscheint der Gedanke einer deutschen Befreiung nach außen so lange als unsinnig, solange nicht in den Dienst dieses Freiheitsgedankens auch die breite Masse zu treten bereit ist. Rein militärisch gesehen, wird es vor allem jedem Offizier bei einigem Nachdenken einleuchten, daß man einen Kampf nach außen mit Studentenbataillonen nicht zu führen vermag, sondern daß man dazu außer den Gehirnen eines Volkes auch die Fäuste braucht. Man muß sich dabei noch vor Augen halten, daß eine Nationalverteidigung, die sich nur auf die Kreise der sogenannten Intelligenz stützte, einen wahren Raubbau an unersetzlichem Gute triebe. Die junge deutsche Intelligenz, die in den Kriegsfreiwilligenregimentern im Herbste 1914 in der flandrischen Ebene den Tod fand, fehlte später bitter. Sie war das beste Gut, das die Nation besaß, und ihr Verlust war im Verlaufe des Krieges nicht mehr zu ersetzen. Allein nicht nur der Kampf selbst ist undurchführbar, wenn die stürmenden Bataillone nicht die Massen der Arbeiter in ihren Reihen sehen, sondern auch die Vorbereitung technischer Art ist ohne die innere willensmäßige Einheit unseres Volkskörpers unausführbar. Gerade unser Volk, das unter den tausend Augen des Friedensvertrages von Versailles entwaffnet dahinleben muß, vermag irgendwelche technische Vorbereitungen zur Erringung der Freiheit und menschlichen Unabhängigkeit nur dann zu treten, wenn das Heer innerer Spitzel auf diejenigen dezimiert wird, denen angeborene Charakterlosigkeit gestattet, für die bekannten dreißig Silberlinge alles und jedes zu verraten. Mit diesen aber wird man fertig. Unüberwindbar hingegen erscheinen die Millionen, die aus politischer Überzeugung der nationalen Erhebung entgegentreten - unüberwindbar so lange, als nicht die Ursache ihrer Gegnerschaft, die internationale marxistische Weltanschauung, bekämpft und ihnen aus Herz und Hirn gerissen wird.
Ganz gleich also, von welchem Gesichtspunkte aus man die Möglichkeit einer Wiedererringung unserer staatlichen und völkischen Unabhängigkeit prüft, ob von dem der außenpolitischen Vorbereitung, dem der technischen Rüstung oder dem des Kampfes selber, immer bleibt als Voraussetzung zu allem die vorherige Gewinnung der breiten Masse unseres Volkes für den Gedanken unserer nationalen Selbständigkeit übrig.
Ohne die Wiedererlangung der äußeren Freiheit bedeutet aber jede innere Reform selbst im günstigsten Falle nur die Steigerung unserer Erträgnisfähigkeit als Kolonie. Die Überschüsse jeder sogenannten wirtschaftlichen Hebung kommen unseren internationalen Kontrollherren zugute, und jede soziale Besserung steigert im günstigsten Falle die Arbeitsleistung für diese. Kulturelle Fortschritte werden der deutschen Nation überhaupt nicht beschieden sein, sie sind zu sehr gebunden an die politische Unabhängigkeit und Würde eines Volkstums.
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Wenn also die günstige Lösung der deutschen Zukunft gebunden ist an die nationale Gesinnung der breiten Masse unseres Volkes, dann muß diese auch die höchste und gewaltigste Aufgabe einer Bewegung sein, deren Tätigkeit sich nicht in der Befriedigung des Augenblickes erschöpfen soll, sondern die all ihr Tun und Lassen nur zu prüfen hat an den voraussichtlichen Folgen in der Zukunft.
So waren wir uns bereits im Jahre 1919 darüber klar, daß die neue Bewegung als oberstes Ziel zunächst die Nationalisierung der Massen durchführen muß.
Daraus ergab sich in taktischer Hinsicht eine Reihe von Forderungen.1. Um die Masse der nationalen Erhebung zu gewinnen, ist kein soziales Opfer zu schwer.
Was auch immer unseren Arbeitnehmern heute für wirtschaftliche Konzessionen gemacht werden, so stehen diese in keinem Verhältnis zum Gewinne der gesamten Nation, wenn sie mithelfen, die breiten Schichten wieder ihrem Volkstume zu schenken. Nur kurzsichtige Borniertheit, wie man sie leider häufig in unseren Unternehmerkreisen findet, kann verkennen, daß es auf die Dauer keinen wirtschaftlichen Aufschwung für sie gibt und damit auch keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr, wenn die innere völkische Solidarität unserer Nation nicht wiederhergestellt wird.
Hätten die deutschen Gewerkschaften im Kriege die Interessen der Arbeiterschaft auf das rücksichtsloseste gewahrt, hätten sie selbst während des Krieges dem damaligen dividendenhungrigen Unternehmertum tausendmal durch Streik die Bewilligung der Forderungen der von ihnen vertretenen Arbeiter abgepreßt, hätten sie aber in den Belangen der nationalen Verteidigung sich ebenso fanatisch zu ihrem Deutschtum bekannt, und hätten sie mit gleicher Rücksichtslosigkeit dem Vaterlande gegeben, was des Vaterlandes ist, so wäre der Krieg nicht verlorengegangen. Wie lächerlich aber würden alle und selbst die größten wirtschaftlichen Konzessionen gewesen sein gegenüber der ungeheuren Bedeutung des gewonnenen Krieges!So hat eine Bewegung, die beabsichtigt, den deutschen Arbeiter wieder dem deutschen Volke zu gehen, sich darüber klar zu werden, daß wirtschaftliche Opfer bei dieser Frage überhaupt keine Rolle spielen, solange nicht die Erhaltung und Unabhängigkeit der nationalen Wirtschaft durch sie bedroht werden.2. Die nationale Erziehung der breiten Masse kann nur über den Umweg einer sozialen Hebung stattfinden, da ausschließlich durch sie jene allgemein wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden, die dem einzelnen gestatten, auch an den kulturellen Gütern der Nation teilzunehmen.3. Die Nationalisierung der breiten Masse kann niemals erfolgen durch Halbheiten, durch schwaches Betonen eines sogenannten Objektivitätsstandpunktes, sondern durch rücksichtslose und fanatisch einseitige Einstellung auf das nun einmal zu erstrebende Ziel. Das heißt also, man kann ein Volk nicht "national" machen im Sinne unseres heutigen Bürgertums, also mit soundso viel Einschränkungen, sondern nur nationalistisch mit der ganzen Vehemenz, die dem Extrem innewohnt. Gift wird nur durch Gegengift gebrochen, und nur die Schalheit eines bürgerlichen Gemüts kann die mittlere Linie als den Weg ins Himmelreich betrachten.
Die breite Masse eines Volkes besteht weder aus Professoren noch aus Diplomaten. Das geringe abstrakte Wissen, das sie besitzt, weist ihre Empfindungen mehr in die Welt des Gefühls. Dort ruht ihre entweder positive oder negative Einstellung. Sie ist nur empfänglich für eine Kraftäußerung in einer dieser beiden Richtungen und niemals für eine zwischen beiden schwebende Halbheit. Ihre gefühlsmäßige Einstellung aber bedingt zugleich ihre außerordentliche Stabilität. Der Glaube ist schwerer zu erschüttern als das Wissen, Liebe unterliegt weniger dem Wechsel als Achtung, Haß ist dauerhafter als Abneigung, und die Triebkraft zu den gewaltigsten Umwälzungen auf dieser Erde lag zu allen Zeiten weniger in einer die Masse beherrschenden wissenschaftlichen Erkenntnis als in einem sie beseelenden Fanatismus und manchmal in einer sie vorwärtsjagenden Hysterie.
Wer die breite Masse gewinnen will, muß den Schlüssel kennen, der das Tor zu ihrem Herzen öffnet. Er heißt nicht Objektivität, also Schwäche, sondern Wille und Kraft.4. Die Gewinnung der Seele des Volkes kann nur gelingen, wenn man neben der Führung des positives Kampfes für die eigenen Ziele den Gegner dieser Ziele vernichtet.
Das Volk sieht zu allen Zeiten im rücksichtslosen Angriff auf einen Widersacher den Beweis des eigenen Rechtes, und es empfindet den Verzicht auf die Vernichtung des anderen als Unsicherheit in bezug auf das eigene Recht, wenn nicht als Zeichen des eigenen Unrechtes.
Die breite Masse ist nur ein Stück der Natur, und ihr Empfinden versteht nicht den gegenseitigen Händedruck von Menschen, die behaupten, Gegensätzliches zu wollen. Was sie wünscht, ist der Sieg des Stärkeren und die Vernichtung des Schwachen oder seine bedingungslose Unterwerfung.
Die Nationalisierung unserer Masse wird nur gelingen, wenn bei allem positiven Kampf um die Seele unseres Volkes ihre internationalen Vergifter ausgerottet werden.5. Alle großen Fragen der Zeit sind Fragen des Augenblicks und stellen nur Folgeerscheinungen bestimmter Ursachen dar. Ursächliche Bedeutung besitzt aber unter ihnen allen nur eine, die Frage der rassischen Erhaltung des Volkstums. Im Blute allein liegt sowohl die Kraft als auch die Schwache des Menschen begründet. Völker, welche nicht die Bedeutung ihrer rassischen Grundlage erkennen und beachten, gleichen Menschen, die Möpsen die Eigenschaften von Windhunden anlernen möchten, ohne zu begreifen, daß die Schnelligkeit des Windhundes wie die Gelehrigkeit des Pudels keine angelernten, sondern in der Rasse liegende Eigenschaften sind. Völker, die auf die Erhaltung ihrer rassischen Reinheit verzichten, leisten damit auch Verzicht auf die Einheit ihrer Seele in all ihren Äußerungen. Die Zerrissenheit ihres Wesens ist die naturnotwendige Folge der Zerrissenheit ihres Blutes, und die Veränderung ihrer geistigen und schöpferischen Kraft ist nur die Wirkung der Änderung ihrer rassischen Grundlagen.
Wer das deutsche Volk von seinen ihm ursprünglich wesensfremden Äußerungen und Untugenden von heute befreien will, wird es erst erlösen müssen vom fremden Erreger dieser Äußerungen und Untugenden.
Ohne klarste Erkenntnis des Rassenproblems und damit der Hassfrage wird ein Wiederaufstieg der deutschen Nation nicht mehr erfolgen.
Die Rassenfrage gibt nicht nur den Schlüssel zur Weltgeschichte, sondern auch zur menschlichen Kultur überhaupt.6. Die Eingliederung der heute im internationalen Lager stehenden breiten Masse unseres Volkes in eine nationale Volksgemeinschaft bedeutet keinen Verzicht auf die Vertretung berechtigter Standesinteressen. Auseinandergehende Standes- und Berufsinteressen sind nicht gleichbedeutend mit Klassenspaltung, sondern sind selbstverständlich Folgeerscheinungen unseres wirtschaftlichen Lebens. Die Berufsgruppierung steht in keinerlei Weise einer wahrhaften Volksgemeinschaft entgegen, denn diese besteht in der Einheit des Volkstums in allen jenes Fragen, die dieses Volkstum an sich betreffen.
Die Eingliederung eines Klasse gewordenen Standes in die Volksgemeinschaft oder auch nur in den Staat erfolgt nicht durch Herabsteigen höherer Klassen, sondern durch das Hinaufheben der unteren. Träger dieses Prozesses kann wieder niemals die höhere Klasse sein, sondern die für ihre Gleichberechtigung kämpfende untere. Das heutige Bürgertum wurde nicht durch Maßnahmen des Adels dem Staate eingegliedert, sondern durch eigene Tatkraft unter eigener Führung.
Der deutsche Arbeiter wird nicht aber den Umweg schwächlicher Verbrüderungsszenen in den Rahmen der deutschen Volksgemeinschaft gehoben, sondern durch bewußtes Heben seiner sozialen und kulturellen Lage, so lange, bis die schwerwiegendsten Unterschiede als überbrückt gelten dürfen. Eine Bewegung, die sich diese Entwicklung zum Ziele setzt, wird ihre Anhängerschaft dabei in erster Linie aus dem Arbeiterlager zu holen haben. Sie darf auf Intelligenz nur in dem Maße zurückgreifen, in dem diese das zu erstrebende Ziel bereits restlos erfaßt hat. Dieser Umwandlungs- und Annäherungsprozeß wird nicht in zehn oder zwanzig Jahren beendet sein, sondern umschließt erfahrungsgemäß viele Generationen.
Das schwere Hindernis für die Annäherung des heutigen Arbeiters an die nationale Volksgemeinschaft liegt nicht in seiner standesgemäßen Interessenvertretung, sondern in seiner internationalen volks- und vaterlandsfeindlichen Führung und Einstellung. Die gleichen Gewerkschaften, fanatisch national in politischen und völkischen Belangen geleitet, würden Millionen Arbeiter zu wertvollsten Gliedern ihres Volkstums machen ohne Rücksicht auf die im einzelnen stattfindenden Kämpfe in rein wirtschaftlichen Belangen.
Eine Bewegung, die den deutschen Arbeiter in ehrlicher Weise seinem Volke wiedergeben und dem internationalen Wahn entreißen will, muß auf das schärfste Front machen gegen eine vor allem in Unternehmerkreisen herrschende Auffassung, die unter Volksgemeinschaft die widerstandslose wirtschaftliche Auslieferung des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber gegenüber versteht, und die in jedem Versuch der Wahrung selbst berechtigter wirtschaftlicher Existenzinteressen des Arbeitnehmers einen Angriff auf die Volksgemeinschaft sehen will. Das Vertreten dieser Auffassung stellt das Vertreten einer bewußten Lüge dar; die Volksgemeinschaft legt ja nicht nur der einen Seite, sondern auch der anderen ihre Verpflichtungen auf.
So sicher ein Arbeiter wider den Geist einer wirklichen Volksgemeinschaft sündigt, wenn er ohne Rücksicht auf das gemeinsame Wohl und den Bestand einer nationalen Wirtschaft, gestützt auf seine Macht, erpresserisch Forderungen stellt, so sehr aber bricht auch ein Unternehmer diese Gemeinschaft, wenn er durch unmenschliche und ausbeuterische Art seiner Betriebsführung die nationale Arbeitskraft mißbraucht und aus ihrem Schweiße Millionen erwuchert. Er hat dann kein Recht, sich als national zu bezeichnen, kein Recht, von einer Volksgemeinschaft zu sprechen, sondern er ist ein egoistischer Lump, der durch das Hereintragen des sozialen Unfriedens spätere Kämpfe provoziert, die so oder so der Nation zum Schaden gereichen müssen.
Das Reservoir, aus dem die junge Bewegung ihre Anhänger schöpfen soll, wird also in erster Linie die Masse unserer Arbeitnehmer sein. Diese gilt es dem internationalen Wahne zu entreißen, aus ihrer sozialen Not zu befreien, dem kulturellen Elend zu entheben und als geschlossenen, wertvollen, national fühlenden und national rein wollenden Faktor in die Volksgemeinschaft zu überführen.
Finden sich in den Kreisen der nationalen Intelligenz Menschen mit wärmsten Herzen für ihr Volk und seine Zukunft, erfüllt von tiefster Erkenntnis für die Bedeutung des Kampfes um die Seele dieser Masse, sind sie in den Reihen dieser Bewegung als wertvolles geistiges Rückgrat hochwillkommen. Ein Gewinnen des bürgerlichen Wahlstimmviehs aber darf niemals das Ziel dieser Bewegung sein. Sie würde sich in einem solchen Falle mit einer Masse belasten, die ihrer ganzen Wesensart nach die Werbekraft den breiten Schichten gegenüber zum Erlahmen brächte. Denn ungeachtet der theoretischen Schönheit des Gedankens einer Zusammenführung breitester Massen von unten und oben schon innerhalb des Rahmens der Bewegung, steht dem doch die Tatsache gegenüber, daß man durch psychologische Beeinflussung bürgerlicher Massen in allgemeinen Kundgebungen wohl Stimmungen zu erzeugen, ja selbst Einsicht zu verbreiten vermag, aber nicht Charaktereigenschaften, oder besser gesagt, Untugenden zum Verschwinden bringt, deren Werden und Entstehen Jahrhunderte umfaßte. Der Unterschied in bezug auf das beiderseitige kulturelle Niveau und die beiderseitige Stellung zu den Fragen wirtschaftlicher Belange ist zur Zeit noch so groß, daß er, sobald der Rausch der Kundgebungen vergangen ist, sofort als hemmend in Erscheinung treten würde.
Endlich aber ist es nicht das Ziel, eine Umschichtung im an sich nationalen Lager vorzunehmen, sondern ein Gewinnen des antinationalen.
Und dieser Gesichtspunkt ist auch schließlich maßgebend für die taktische Einstellung der gesamten Bewegung.7. Diese einseitige, aber dadurch klare Stellungnahme hat sich auch in der Propaganda der Bewegung auszudrücken und wird anderseits<?> selber wieder durch propagandistische Gründe gefordert.
Soll die Propaganda für die Bewegung wirksam sein, muß sie sich nach einer Seite allein wenden, da sie im anderen Fall bei der Verschiedenheit der geistigen Vorbildung der beiden in Frage kommenden Lager entweder von der einen Seite nicht verstanden oder von der anderen als selbstverständlich und damit uninteressant abgelehnt würde.
Selbst die Ausdrucksweise und der Ton im einzelnen kann nicht für zwei so extreme Schichten gleich wirksam sein. Verzichtet die Propaganda auf die Urwüchsigkeit der Ausdrucksweise, findet sie nicht den Weg zum Empfinden der breiten Masse. Verwendet sie hingegen in Wort und Gebärde die Derbheit des Gefühls der Masse und seiner Äußerungen, so wird sie von der sogenannten Intelligenz als roh und ordinär abgelehnt. Es gibt unter hundert sogenannten Rednern kaum zehn, die in der Lage wären, gleich wirksam heute vor einem Publikum aus Straßenfegern, Schlossern, Kanalräumern usw. zu sprechen und morgen einen Vortrag mit notwendigerweise gleichem gedanklichem Inhalt vor einem Auditorium von Hochschulprofessoren und Studenten zu halten. Es gibt aber unter tausend Rednern vielleicht nur einen einzigen, der es fertigbringt, vor Schlossern und Hochschulprofessoren zugleich in einer Form zu sprechen, die beiden Teilen in ihrem Auffassungsvermögen nicht nur entspricht, sondern beide Teile auch gleich wirksam beeinflußt oder gar zum rauschenden Sturm des Beifalls mitreißt. Man muß sich aber immer vor Augen halten, daß selbst der schönste Gedanke einer erhabenen Theorie in den meisten Fällen seine Verbreitung nur durch kleine und kleinste Geister finden kann. Nicht darauf kommt es an, was der geniale Schöpfer einer Idee im Auge hat, sondern auf die Form und den Erfolg, mit denen die Verkünder dieser Idee sie der breiten Masse vermitteln.
Die starke werbende Kraft der Sozialdemokratie, ja der gesamten marxistischen Bewegung überhaupt, beruhte zum großen Teil in der Einheit und damit Einseitigkeit des Publikums, an das sie sich wandte. Je scheinbar beschränkter, ja bornierter ihre Gedankengänge dabei waren, um so leichter wurden sie von einer Masse aufgenommen und verarbeitet, deren geistiges Niveau dem des Vorgebrachten entsprach.
Damit aber ergab sich für diese neue Bewegung ebenfalls eine einfache und klare Linie:Die Propaganda ist in Inhalt und Form auf die breite Masse anzusetzen und ihre Richtigkeit ist ausschließlich zu messen an ihrem wirksamen Erfolg. In einer Volksversammlung der breiten Schichten spricht nicht der Redner am besten, der der anwesenden Intelligenz geistig am nächsten steht, sondern derjenige, der das Herz der Masse erobert.
Ein in solch einer Versammlung anwesender Intelligenzler, welcher trotz der ersichtlichen Wirkung des Redners auf die zu erobernden unteren Schichten die Rede hinsichtlich der geistigen Höhe bekrittelt, beweist die vollständige Unfähigkeit seines Denkens und die Wertlosigkeit seiner Person für die junge Bewegung. Für sie kommt nur derjenige Intellektuelle in Frage, der Aufgabe und Ziel der Bewegung schon so sehr erfaßt, daß er die Tätigkeit auch der Propaganda ausschließlich nach ihrem Erfolge zu beurteilen gelernt hat und nicht nach den Eindrücken, die sie auf ihn selber hinterläßt. Denn nicht zur Unterhaltung von an sich schon nationalgesinnten Menschen hat die Propaganda zu dienen, sondern zur Gewinnung der Feinde unseres Volkstums, sofern sie unseres Blutes sind.
Im allgemeinen sollten nun für die junge Bewegung jene Gedankengänge, die ich unter der Kriegspropaganda schon kurz zusammenfaßte, bestimmend und maßgebend werden für die Art und Durchführung ihrer eigenen Aufklärungsarbeit.
Daß sie richtig war, hat ihr Erfolg bewiesen.8. Das Ziel einer politischen Reformbewegung wird nie erreicht werden durch Aufklärungsarbeit oder durch Beeinflussung herrschender Gewalten, sondern nur durch die Erringung der politischen Macht. Jede weltbewegende Idee hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, sich derjenigen Mittel zu versichern, die die Durchführung ihrer Gedankengänge ermöglichen. Der Erfolg ist der einzige irdische Richter aber das Recht oder Unrecht eines solchen Beginnens, wobei unter Erfolg nicht wie im Jahre 1918 die Erringung der Macht an sich zu verstehen ist, sondern die für ein Volkstum segensreiche Auswirkung derselben. So ist ein Staatsstreich nicht dann als gelungen anzusehen, wenn, wie gedankenlose Staatsanwälte in Deutschland heute meinen, den Revolutionären die Inbesitznahme der Staatsgewalt gelang, sondern nur dann, wenn in der Verwirklichung der einer solchen revolutionären Handlung zugrunde gelegten Absichten und Ziele der Nation mehr Heil erwächst als unter dem vergangenen Regiment. Etwas, das von der deutschen Revolution, wie sich der Banditenstreich des Herbstes 1918 bezeichnet, nicht gut behauptet werden kann.
Wenn aber die Erringung der politischen Macht die Voraussetzung für die praktische Durchführung reformatorischer Absichten bildet, dann mag eine Bewegung mit reformatorischen Absichten sich vom ersten Tage ihres Bestehens an als Bewegung der Masse fühlen und nicht als literarischer Teeklub oder spießbürgerliche Kegelgesellschaft.9. Die junge Bewegung ist ihrem Wesen und ihrer inneren Organisation nach antiparlamentarisch, d. h. sie lehnt im allgemeinen wie in ihrem eigenen inneren Aufbau ein Prinzip der Majoritätsbestimmung ab, in dem der Führer nur zum Vollstrecker des Willens und der Meinung anderer degradiert wird. Die Bewegung vertritt im kleinsten wie im größten den Grundsatz der unbedingten Führerautorität, gepaart mit höchster Verantwortung.
Die praktischen Folgen dieses Grundsatzes in der Bewegung sind nachstehende:Der erste Vorsitzende einer Ortsgruppe wird durch den nächsthöheren Führer eingesetzt, er ist der verantwortliche Leiter der Ortsgruppe. Sämtliche Ausschüsse unterstehen ihm und nicht er umgekehrt einem Ausschuß. Abstimmungs-Ausschüsse gibt es nicht, sondern nur Arbeitsausschüsse. Die Arbeit teilt der verantwortliche Leiter, der erste Vorsitzende, ein. Der gleiche Grundsatz gilt für die nächsthöhere Organisation, den Bezirk, den Kreis oder den Gau. Immer wird der Führer von oben eingesetzt und gleichzeitig mit unbeschränkter Vollmacht und Autorität bekleidet. Nur der Führer der Gesamtpartei wird aus vereinsgesetzlichen Gründen in der Generalmitgliederversammlung gewählt. Er ist aber der ausschließliche Führer der Bewegung. Sämtliche Ausschüsse unterstehen ihm und nicht er den Ausschüssen. Er bestimmt und trägt damit aber auch auf seinen Schultern die Verantwortung. Es steht den Anhängern der Bewegung frei, vor dem Forum einer neuen Wahl ihn zur Verantwortung zu ziehen, ihn seines Amtes zu entkleiden, insofern er gegen die Grundsätze der Bewegung verstoßen oder ihren Interessen schlecht gedient hat. An seine Stelle tritt dann der besserkönnende, neue Mann, jedoch mit gleicher Autorität und mit gleicher Verantwortlichkeit.
Es ist eine der obersten Aufgaben der Bewegung, dieses Prinzip zum bestimmenden nicht nur innerhalb ihrer eigenen Reihen, sondern auch für den gesamten Staat zu machen.
Wer Führer sein will, trägt bei höchster unumschränkter Autorität auch die letzte und schwerste Verantwortung.
Wer dazu nicht fähig oder für das Ertragen der Folgen seines Tuns zu feige ist, taugt nicht zum Führer. Nur der Held ist dazu berufen.
Der Fortschritt und die Kultur der Menschheit sind nicht ein Produkt der Majorität, sondern beruhen ausschließlich auf der Genialität und der Tatkraft der Persönlichkeit.
Diese heranzuzüchten und in ihre Rechte einzusetzen, ist eine der Vorbedingungen zur Wiedergewinnung der Größe und Macht unseres Volkstums.
Damit ist die Bewegung aber antiparlamentarisch, und selbst ihre Beteiligung in einer parlamentarischen Institution kann nur den Sinn einer Tätigkeit zu deren Zertrümmerung besitzen, zur Beseitigung einer Einrichtung, in der wir eine der schwersten Verfallserscheinungen der Menschheit zu erblicken haben.10. Die Bewegung lehnt jede Stellungnahme zu Fragen, die entweder außerhalb des Rahmens ihrer politischen Arbeit liegen oder für sie als nicht von grundsätzlicher Bedeutung belanglos sind, entschieden ab. Ihre Aufgabe ist nicht die einer religiösen Reformation, sondern die einer politischen Reorganisation unseres Volkes. Sie sieht in beiden religiösen Bekenntnissen gleich wertvolle Stützen für den Bestand unseres Volkes und bekämpft deshalb diejenigen Parteien, die dieses Fundament einer sittlich-religiösen und moralischen Festigung unseres Volkskörpers zum Instrument ihrer Parteiinteressen herabwürdigen wollen.
Die Bewegung sieht endlich ihre Aufgabe nicht in der Wiederherstellung einer bestimmten Staatsform und im Kampfe gegen eine andere, sondern in der Schaffung derjenigen grundsätzlichen Fundamente, ohne die auf die Dauer weder Republik noch Monarchie bestehen können. Ihre Mission liegt nicht in der Begründung einer Monarchie oder der Festigung einer Republik, sondern in der Schaffung eines germanischen Staates.
Die Frage der äußeren Ausgestaltung dieses Staates, also seine Krönung, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, sondern wird nur bedingt durch Fragen praktischer Zweckmäßigkeit.
Bei einem Volk, das erst die großen Probleme und Aufgaben seines Daseins begriffen hat, werden die Fragen äußerer Formalitäten nicht mehr zu inneren Kämpfen führen.11. Die Frage der inneren Organisation der Bewegung ist eine solche der Zweckmäßigkeit und nicht des Prinzips.
Die beste Organisation ist nicht diejenige, die zwischen der Führung einer Bewegung und den einzelnen Anhängern den größten, sondern diejenige, die den kleinsten Vermittlerapparat einschiebt. Denn die Aufgabe der Organisation ist die Vermittlung einer bestimmten Idee - die zunächst immer dem Kopfe eines einzelnen entspringt - an eine Vielheit von Menschen sowie die Überwachung ihrer Umsetzung in die Wirklichkeit.
Die Organisation ist damit in allem und jedem nur ein notwendiges Übel. Sie ist im besten Falle ein Mittel zum Zweck, im schlimmsten Falle Selbstzweck.
Da die Welt mehr mechanische Naturen hervorbringt als ideelle, pflegen sich die Formen der Organisation zumeist leichter zu bilden als Ideen an sich.
Der Gang jeder nach Verwirklichung strebenden Idee, besonders mit reformatorischem Charakter, ist in großen Zügen folgender:Irgendein genialer Gedanke entsteht im Gehirn eines Menschen, der sich berufen fühlt, seine Erkenntnis der übrigen Menschheit zu vermitteln, Er predigt seine Anschauung und gewinnt allmählich einen bestimmten Kreis; von Anhängern. Dieser Vorgang der direkten und persönlichen Übermittlung der Ideen eines Menschen auf die andere Mitwelt ist der idealste und natürlichste. Bei steigender Zunahme von Anhängern der neuen Lehre ergibt sich allmählich die Unmöglichkeit für den Träger der Idee, persönlich auf die zahllosen Anhänger weiter direkt einzuwirken, sie zu führen und zu leiten. In eben dem Maße, in dem infolge des Wachstums der Gemeinde der direkte und kürzeste Verkehr ausgeschaltet wird, tritt die Notwendigkeit einer verbindenden Gliederung ein: der ideale Zustand wird damit beendet, und an seine Stelle tritt das notwendige Übel der Organisation. Es bilden sich kleine Untergruppen, die in der politischen Bewegung beispielsweise als Ortsgruppen die Keimzellen der späteren Organisation darstellen.
Diese Untergliederung darf jedoch, wenn nicht die Einheit der Lehre verlorengehen soll, immer erst dann stattfinden, wenn die Autorität des geistigen Begründers und der von ihm herangebildeten Schule als unbedingt anerkannt gelten darf. Die geopolitische Bedeutung eines zentralen Mittelpunktes einer Bewegung kann dabei nicht überschätzt werden. Nur das Vorhandensein eines solchen, mit dem magischen Zauber eines Mekka oder Rom umgebenden Ortes kann auf die Dauer einer Bewegung die Kraft schenken, die in der inneren Einheit und der Anerkennung einer diese Einheit repräsentierenden Spitze begründet liegt.
So darf bei der Bildung der ersten organisatorischen Keimzellen nie die Sorge aus dem Auge verloren werden, dem ursprünglichen Ausgangsort der Idee die Bedeutung nicht nur zu erhalten, sondern zu einer überragenden zu steigern. Diese Steigerung der ideellen, moralischen und tatsächlichen Übergröße des Ausgangs- und Leitpunktes der Bewegung muß in eben dem Maße stattfinden, in dem die zahllos gewordenen untersten Keimzellen der Bewegung neue Zusammenschlüsse in organisatorischen Formen erfordern.
Denn wie die zunehmende Zahl einzelner Anhänger und die Unmöglichkeit eines weiteren direkten Verkehrs mit ihnen zur Bildung der untersten Zusammenfassungen führt, so zwingt die endliche zahllose Vermehrung dieser untersten Organisationsformen wieder zu höheren Zusammenschlüssen, die man politisch etwa als Gau- oder Bezirksverbände ansprechen kann.
So leicht es vielleicht noch ist, die Autorität der ursprünglichen Zentrale gegenüber den untersten Ortsgruppen aufrechtzuerhalten, so schwer wird es schon sein, diese Stellung den nunmehr sich bildenden höheren Organisationsformen gegenüber zu bewahren. Dieses aber ist die Voraussetzung für den einheitlichen Bestand einer Bewegung und damit für die Durchführung einer Idee.
Wenn endlich auch diese größeren Zwischengliederungen zu neuerlichen Organisationsformen zusammengeschlossen "werden, steigert sich auch weiter die Schwierigkeit, selbst ihnen gegenüber den unbedingt führenden Charakter des ursprünglichen Gründungsortes, seiner Schule usw. sicherzustellen.
Deshalb dürfen die mechanischen Formen einer Organisation nur in eben dem Maße ausgebaut werden, in dem die geistige ideelle Autorität einer Zentrale bedingungslos gewahrt erscheint. Bei politischen Gebilden kann diese Garantie oft nur durch die praktische Macht als gegeben erscheinen.
Hieraus ergaben sich folgende Richtlinien für den inneren Aufbau der Bewegung:a) Konzentration der gesamten Arbeit zunächst auf einen einzigen Ort: München. Heranbildung einer Gemeinde von unbedingt verläßlichen Anhängern und Ausbildung einer Schule für die spätere Verbreitung der Idee. Gewinnung der notwendigen Autorität für später durch möglichst große sichtbare Erfolge an diesem einen Ort.
Um die Bewegung und ihre Führer bekannt zu machen, war es nötig, den Glauben an die Unbesiegbarkeit der marxistischen Lehre an einem Orte für alle sichtbar nicht nur zu erschüttern, sondern die Möglichkeit einer entgegengesetzten Bewegung zu beweisen.
B) Bildung von Ortsgruppen erst dann, wenn die Autorität der Zentralleitung in München als unbedingt anerkannt gelten darf.c) Die Bildung von Bezirks-, Gau- oder Landesverbänden erfolgt ebenfalls nicht nur nach dem Bedarf an sich, sondern nach Erreichung der Sicherheit einer bedingungslosen Anerkennung der Zentrale.
Weiter aber ist die Bildung organisatorischer Formen abhängig von den vorhandenen, als Führer in Betracht kommenden Köpfen.
Es gibt dabei zwei Wege.
A) Die Bewegung verfügt aber die notwendigen finanziellen Mittel zur Heran- und Ausbildung befähigter Köpfe zum späteren Führertum. Sie setzt das dabei gewonnene Material dann planmäßig nach den Gesichtspunkten taktischer und sonstiger Zweckmäßigkeit ein.
Dieser Weg ist der leichtere und schnellere; er erfordert jedoch große Geldmittel, da dieses Führermaterial nur besoldet in der Lage ist, für die Bewegung arbeiten zu können.
B) Die Bewegung ist infolge des Mangels an Geldmitteln nicht in der Lage, beamtete Führer einzusetzen, sondern ist zunächst auf ehrenamtlich tätige angewiesen.
Dieser Weg ist der langsamere und schwerere.
Die Führung der Bewegung muß große Gebiete unter Umständen brachliegen lassen, sofern sich nicht aus den Anhängern ein Kopf herausschält, fähig und gewillt, sich der Leitung zur Verfolgung zu stellen und die Bewegung in dem betreffenden Gebiete zu organisieren und zu führen.
Es kann vorkommen, daß sich dann in großen Gebieten niemand findet, in anderen Orten dagegen wieder zwei oder gar drei annähernd gleich Fähige sind. Die Schwierigkeit, die in einer solchen Entwicklung liegt, ist groß und kann nur nach Jahren überwunden werden.
Immer aber ist und bleibt die Voraussetzung für die Bildung einer organisatorischen Form der zu ihrer Führung fähige Kopf.
So wertlos eine Armee in all ihren organisatorischen Formen ohne Offiziere ist, so wertlos ist eine politische Organisation ohne den entsprechenden Führer.
Für die Bewegung ist das Unterlassen der Bildung einer Ortsgruppe besser als das Mißglücken ihrer Organisierung, wenn eine leitende und vorwärtstreibende Führerpersönlichkeit fehlt.
Zum Führertum selbst gehört nicht nur Wille, sondern auch Fähigkeit, wobei jedoch der Willens- und Tatkraft eine größere Bedeutung zugemessen werden muß als der Genialität an sich, und am wertvollsten eine Verbindung von Fähigkeit, Entschlußkraft und Beharrlichkeit ist.12. Die Zukunft einer Bewegung wird bedingt durch den Fanatismus, ja die Unduldsamkeit, mit der ihre Anhänger sie als die allein richtige vertreten und anderen Gebilden ähnlicher Art gegenüber durchsetzen.
Es ist der größte Fehler, zu glauben, daß die Stärke einer Bewegung zunimmt durch die Vereinigung mit einer anderen, ähnlich beschaffenen. Jede Verbrüderung auf solchem Weg bedeutet zunächst freilich eine Zunahme an äußerem Umfang und damit in den Augen oberflächlicher Betrachter auch an Macht, in Wahrheit jedoch übernimmt sie nur die Keime einer später wirksam werdenden inneren Schwächung.
Denn was immer man von der Gleichartigkeit zweier Bewegungen reden mag, so ist sie in Wirklichkeit doch nie vorhanden. Denn im anderen Falle gibt es eben praktisch nicht zwei, sondern nur eine Bewegung. Und ganz gleich, worin die Unterschiede liegen - und wären sie nur begründet in den verschiedenen Fähigkeiten der Führung -, sie sind da. Dem Naturgesetz aller Entwicklung aber entspricht nicht das Verkuppeln zweier eben nicht gleicher Gebilde, sondern der Sieg des stärkeren und die durch den dadurch bedingten Kampf allein ermöglichte Höherzüchtung der Kraft und Stärke des Siegers.
Es mögen durch die Vereinigung zweier annähernd gleicher politischer Parteigebilde augenblickliche Vorteile er. wachsen, auf die Dauer ist doch jeder auf solche Weise gewonnene Erfolg die Ursache später auftretender innerer Schwachen.
Die Größe einer Bewegung wird ausschließlich gewährleistet durch die ungebundene Entwicklung ihrer inneren Kraft und durch deren dauernde Steigerung bis zum endgültigen Siege über alle Konkurrenten.
Ja, man kann sagen, daß ihre Stärke und damit ihre Lebensberechtigung überhaupt nur so lange in Zunahme begriffen ist, solange sie den Grundsatz des Kampfes als die Voraussetzung ihres Werdens anerkennt, und daß sie in demselben Augenblick den Höhepunkt ihrer Kraft überschritten hat, in dem sich der vollkommene Sieg auf ihre Seite neigt.
Es ist mithin einer Bewegung nur nützlich, diesem Siege in einer Form nachzustreben, die zeitlich nicht zum augenblicklichen Erfolge führt, sondern die ihr in einer durch unbedingte Unduldsamkeit herbeigeführten langen Kampfdauer auch ein langes Wachstum schenkt.
Bewegungen, die ihre Zunahme nur dem sogenannten Zusammenschluß ähnlicher Gebilde, also ihre Stärke Kompromissen verdanken, gleichen Treibhauspflanzen. Sie schießen empor, allein ihnen fehlt die Kraft, Jahrhunderten zu trotzen und schweren Stürmen zu widerstehen.
Die Größe jeder gewaltigen Organisation als Verkörperung einer Idee auf dieser Welt liegt im religiösen Fanatismus, indem sie sich unduldsam gegen alles andere, fanatisch überzeugt vom eigenen Recht, durchsetzt. Wenn eine Idee an sich richtig ist und, in solcher Weise gerüstet, den Kampf auf dieser Erde aufnimmt, ist sie unbesiegbar, und jede Verfolgung wird nur zu ihrer inneren Stärke führen.
Die Größe des Christentums lag nicht in versuchten Vergleichsverhandlungen mit etwa ähnlich gearteten philosophischen Meinungen der Antike, sondern in der unerbittlichen fanatischen Verkündung und Vertretung der eigenen Lehre.
Der scheinbare Vorsprung, den Bewegungen durch Zusammenschlüsse erreichen, wird reichlich eingeholt durch die dauernde Zunahme der Kraft einer unabhängig bleibenden, sich selbst verfechtenden Lehre und ihrer Organisation.13. Die Bewegung hat grundsätzlich ihre Mitglieder so zu erziehen, daß sie im Kampfe nicht etwas lässig Auferzogenes, sondern das selbst Erstrebte erblicken. Sie haben die Feindschaft der Gegner mithin nicht zu fürchten, sondern als Voraussetzung zur eigenen Daseinsberechtigung zu empfinden. Sie haben den Haß der Feinde unseres Volkstums und unserer Weltanschauung und seine Äußerungen nicht zu scheuen, sondern zu ersehnen. Zu den Äußerungen dieses Hasses aber gehören auch Lüge und Verleumdung.
Wer in den hassischen Zeitungen nicht bekämpft, also verleumdet und verlästert wird, ist kein anständiger Deutscher und kein wahrer Nationalsozialist. Der beste Gradmesser für den Wert einer Gesinnung, die Aufrichtigkeit seiner Überzeugung und die Kraft seines Wollens ist die Feindschaft, die ihm von seiten des Todfeindes unseres Volkes entgegengebracht wird.
Die Anhänger der Bewegung und in weiterem Sinne das ganze Volk müssen immer und immer wieder darauf hingewiesen werden, daß der Hass in seinen Zeitungen stets lügt, und daß selbst eine einmalige Wahrheit nur zur Deckung einer größeren Fälschung bestimmt und damit selber wieder gewollte Unwahrheit ist. Der Hass ist der große Meister im Lügen, und Lug und Trug sind seine Waffen im Kampfe.
Jede hassische Verleumdung und jede hassische Lüge ist eine Ehrennarbe am Körper unserer Kämpfer.
Wen sie am meisten verlästern, der steht uns am nächsten, und wen sie am tödlichsten hassen, der ist unser bester Freund.
Wer des Morgens die hassische Zeitung ergreift, ohne sich in ihr verleumdet zu sehen, hat den vergangenen Tag nicht nützlich verwertet; denn wäre es so, so würde er vom Hass verfolgt, gelästert, verleumdet, beschimpft, beschmutzt werden. Und nur wer diesem Todfeind unseres Volkstums und jeder arischen Menschheit und Kultur am wirksamsten gegenübertritt, darf erwarten, die Verleumdungen dieser Rasse und damit den Kampf dieses Volkes auch gegen sich gerichtet zu sehen.
Wenn diese Grundsätze in Fleisch und Blut unserer Anhänger übergehen, wird die Bewegung unerschütterlich und unbesiegbar werden.14.
Die Bewegung hat die Achtung vor der Person mit allen Mitteln zu fördern; sie hat nie zu vergessen, daß im persönlichen Wert der Wert alles Menschlichen liegt, daß jede Idee und jede Leistung das Ergebnis der schöpferischen Kraft eines Menschen ist, und daß die Bewunderung vor der Größe nicht nur einen Dankeszoll an diese darstellt, sondern auch ein einigendes Band um die Dankenden schlingt.
Die Person ist nicht zu ersetzen; sie ist es besonders dann nicht, wenn sie nicht das mechanische, sondern das kulturell-schöpferische Element verkörpert. So wenig ein berühmter Meister ersetzt werden kann und ein anderer die Vollendung seines halbfertig hinterlassenen Gemäldes zu übernehmen vermag, so wenig ist der große Dichter und Denker, der große Staatsmann und der große Feldherr zu ersetzen. Denn deren Tätigkeit liegt immer auf dem Gebiete der Kunst; sie ist nicht mechanisch anerzogen, sondern durch göttliche Gnade angeboren.
Die größten Umwälzungen und Errungenschaften dieser Erde, ihre größten kulturellen Leistungen, die unsterblichen Taten auf dem Gebiete der Staatskunst usw., sie sind für ewig unzertrennbar verknüpft mit einem Namen und werden durch ihn repräsentiert. Der Verzicht auf die Huldigung vor einem großen Geist bedeutet den Verlust einer immensen Kraft, die aus dem Namen aller großen Männer und Frauen strömt.
Dies weiß am besten der Hass. Gerade er, dessen Größen nur groß sind in der Zerstörung der Menschheit und ihrer Kultur, sorgt für ihre abgöttische Bewunderung. Nur die Verehrung der Völker für ihre eigenen Geister versucht er als unwürdig hinzustellen und stempelt sie zum "Personenkult."
Sobald ein Volk so feige wird, dieser hassischen Anmaßung und Frechheit zu unterliegen, verzichtet es auf die gewaltige Kraft, die es besitzt; denn diese beruht nicht in der Achtung vor der Masse, sondern in der Verehrung des Genies und in der Erhebung und Erbauung an ihm.
Wenn Menschenherzen brechen und Menschenseelen verzweifeln, dann blicken aus dem Dämmerlicht der Vergangenheit die großen Überwinder von Not und Sorge, von Schmach und Elend, von geistiger Unfreiheit und körperlichem Zwang auf sie hernieder und reichen den verzagenden Sterblichen ihre ewigen Hände!Wehe dem Volke, das sich schämt, sie zu erfassen!In der ersten Zeit des Werdens unserer Bewegung hatten wir unter nichts so sehr zu leiden wie unter der Bedeutungslosigkeit und dem Nichtbekanntsein unserer Namen. Das Schwerste in dieser ersten Zeit, da sich oft nur sechs, sieben und acht Köpfe zusammenfanden, um den Worten eines Redners zu lauschen, war, in diesem kleinsten Kreise den Glauben an die gewaltige Zukunft der Bewegung zu erwecken und zu erhalten.
Man bedenke, daß sich sechs oder sieben Männer, lauter namenlose, arme Teufel, zusammenschließen mit der Absicht, eine Bewegung zu bilden, der es dereinst gelingen soll, was bisher den gewaltigen, großen Massenparteien mißlang, die Wiederaufrichtung eines Deutschen Reiches erhöhter Macht und Herrlichkeit. Hätte man uns damals angegriffen, ja, hätte man uns auch nur verlacht, wir wären glücklich gewesen in beiden Fällen. Denn das Niederdrückende lag nur in der vollständigen Nichtbeachtung, die wir damals fanden, und unter der ich am meisten damals litt.
Als ich in den Kreis der paar Männer eintrat, konnte weder von einer Partei noch von einer Bewegung die Rede sein. Ich habe meine Eindrücke anläßlich meines ersten Zusammentreffens mit diesem kleinen Gebilde schon geschildert. Ich hatte in den damals folgenden Wochen dann Zeit und Gelegenheit, die zunächst unmögliche Erscheinung dieser sogenannten Partei zu studieren. Das Bild war, wahrhaftiger Gott, ein beklemmend niederdrückendes. Es war nichts, aber auch schon rein gar nichts vorhanden. Der Name einer Partei, deren Ausschuß praktisch die ganze Mitgliedschaft repräsentierte, war so oder so das, was sie zu bekämpfen versuchte, ein Parlament im kleinsten. Auch hier herrschte die Abstimmung, und wenn sich die großen Parlamente wenigstens noch aber größere Probleme monatelang die Kehlen heiser schreien, in diesem kleinen Zirkel ging schon aber die Beantwortung eines glücklich eingelaufenen Briefes endloses Zwiegespräch los!Die Öffentlichkeit wußte von dem allem natürlich überhaupt nichts. Kein Mensch in München kannte die Partei auch nur dem Namen nach, außer ihren paar Anhängern und den wenigen Bekannten derselben.
Jeden Mittwoch fand in einem Münchener Café eine sogenannte Ausschußsitzung statt, einmal in der Woche ein Sprechabend. Da die gesamte Mitgliedschaft der "Bewegung" zunächst im Ausschuß vertreten war, waren die Personen natürlich immer dieselben. Es mußte sich jetzt darum handeln, endlich den kleinen Zirkel zu sprengen, neue Anhänger zu gewinnen, vor allem aber den Namen der Bewegung um jeden Preis bekanntzumachen.
Wir bedienten uns dabei folgender Technik:In jedem Monat, später alle vierzehn Tage, versuchten wir eine "Versammlung" abzuhalten. Die Einladungen hierzu wurden auf einer Schreibmaschine oder zum Teil auch mit der Hand auf Zettel geschrieben und die ersten Male von uns selber verteilt bzw. ausgetragen. Jeder wendete sich an seinen Bekanntenkreis, um den einen oder anderen zu bewegen, eine dieser Veranstaltungen zu besuchen.
Der Erfolg war ein jämmerlicher.
Ich erinnere mich noch, wie ich selber in dieser ersten Zeit einmal an die achtzig dieser Zettel ausgetragen hatte, und wie wir nun am Abend auf die Volksmassen warteten, die da kommen sollten.
Mit einstündiger Verspätung mußte endlich der "Vorsitzende" die "Versammlung" eröffnen. Wir waren wieder sieben Mann, die alten Sieben.
Wir gingen dazu über, die Einladungszettel in einem Münchener Schreibwarengeschäft auf der Maschine schreiben und vervielfältigen zu lassen. Der Erfolg bestand bei der nächsten Versammlung in einigen Zuhörern mehr. So stieg die Zahl langsam von elf auf dreizehn, endlich auf siebzehn, auf dreiundzwanzig, auf vierundzwanzig Zuhörer.
Durch ganz kleine Geldsammlungen im Kreise von uns armen Teufeln wurden die Mittel aufgebracht, um endlich eine Versammlung durch eine Anzeige des damals unabhängigen "Münchener Beobachters" in München ankündigen lassen zu können. Der Erfolg war dieses Mal allerdings erstaunlich. Wir hatten die Versammlung im Münchener Hofbräuhauskeller angesetzt (nicht zu verwechseln mit dem Münchener Hofbräuhausfestsaal), einem kleinen Saal von knapp einhundertdreißig Personen Fassungsraum. Mir selber erschien der Raum wie eine große Halle, und jeder von uns bangte, ob es gelingen würde, an dem betreffenden Abend dieses "mächtige" Gebäude mit Menschen zu fallen.
Um sieben Uhr waren einhundertelf Personen anwesend, und die Versammlung wurde eröffnet.
Ein Münchener Professor hielt das Hauptreferat, und ich sollte als zweiter zum ersten Male öffentlich sprechen.
Dem damaligen ersten Vorsitzenden der Partei, Herrn Harrer, erschien die Sache als ein großes Wagnis. Der sonst sicherlich redliche Herr hatte nun einmal die Überzeugung, daß ich wohl verschiedenes könnte, aber nur nicht reden. Von dieser Meinung war er auch in der Folgezeit nicht abzubringen.
Die Sache kam anders. Mir waren in dieser ersten als öffentlich anzusprechenden Versammlung zwanzig Minuten Redezeit zugebilligt worden.
Ich sprach dreißig Minuten, und was ich früher, ohne es irgendwie zu wissen, einfach innerlich gefühlt hatte, wurde nun durch die Wirklichkeit bewiesen: ich konnte reden! Nach dreißig Minuten waren die Menschen in dem kleinen Raum elektrisiert, und die Begeisterung äußerte sich zunächst darin, daß mein Appell an die Opferwilligkeit der Anwesenden zur Spende von dreihundert Mark führte. Damit aber war eine große Sorge von uns genommen. Die finanzielle Beschränkung war ja in dieser Zeit so groß, daß wir nicht einmal die Möglichkeit besaßen, für die Bewegung Leitsätze drucken zu lassen oder gar Flugblätter herauszugeben. Nun war der Grundstock gelegt zu einem kleinen Fonds, aus dem dann wenigstens das Notdürftigste und Notwendigste bestritten werden konnte.
Allein auch in einer anderen Hinsicht war der Erfolg dieser ersten größeren Versammlung bedeutend.
Ich hatte damals begonnen, dem Ausschuß eine Anzahl frischer junger Kräfte zuzuführen. Während meiner langjährigen Militärzeit hatte ich eine größere Menge treuer Kameraden kennengelernt, die nun langsam auf Grund meines Zuredens in die Bewegung einzutreten begannen. Es waren lauter tatkräftige junge Menschen, an Disziplin gewöhnt und von ihrer Dienstzeit her in dem Grundsatz aufgewachsen: Unmöglich ist gar nichts, und es geht alles, wenn man will.
Wie nötig aber ein solcher Blutzufluß war, konnte ich selber schon nach wenigen Wochen Mitarbeit erkennen.
Der damalige erste Vorsingende der Partei, Herr Harrer, war eigentlich Journalist und als solcher sicher umfassend gebildet. Doch hatte er eine für einen Parteiführer außerordentlich schwere Belastung: er war kein Redner für die Masse. So peinlich gewissenhaft und genau seine Arbeit an sich war, so fehlte ihr jedoch - vielleicht gerade infolge der fehlenden großen rednerischen Begabung - auch der größere Schwung. Herr Drexler, damals Vorsitzender der Ortsgruppe München, war einfacher Arbeiter, als Redner ebenfalls wenig bedeutend, im übrigen aber kein Soldat. Er hatte nicht beim Heer gedient, war auch während des Krieges nicht Soldat, so daß ihm, der seinem ganzen Wesen nach an sich schwächlich und unsicher war, die einzige Schule fehlte, die es fertigbringen konnte, aus unsicheren und weichlichen Naturen Männer zu machen. So waren beide Männer nicht aus einem Holz geschnitzt, das sie befähigt hätte, nicht nur den fanatischen Glauben an den Sieg einer Bewegung im Herzen zu tragen, sondern auch mit unerschütterlicher Willensenergie und, wenn nötig, mit brutalster Rücksichtslosigkeit die Widerstände zu beseitigen, die sich dem Emporsteigen der neuen Idee in die Wege stellen mochten. Dazu paßten nur Wesen, in denen sich Geist und Körper jene militärischen Tugenden zu eigen gemacht hatten, die man vielleicht am besten so bezeichnen kann: Flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl.
Ich war damals selber noch Soldat. Mein Äußeres und Inneres war nahezu sechs Jahre lang geschliffen worden, so daß ich zunächst in diesem Kreise wohl als fremd empfunden werden mußte. Auch ich hatte das Wort verlernt: Das geht nicht, oder das wird nicht gehen; das darf man nicht wagen, das ist noch zu gefährlich usw.
Denn gefährlich war die Sache natürlich. Im Jahre 1920 war in vielen Gegenden Deutschlands eine nationale Versammlung, die es wagte, ihren Appell an die breiten Massen zu richten und öffentlich zu ihrem Besuche einzuladen, einfach unmöglich. Die Teilnehmer an einer solchen wurden mit blutigen Köpfen auseinandergeschlagen und verjagt. Viel gehörte freilich zu einem solchen Kunststück nicht: pflegte doch die größte sogenannte bürgerliche Massenversammlung vor einem Dutzend Kommunisten auseinanderzulaufen und auszureißen wie die Hasen vor dem Hunde. Doch so wenig die Roten von einem solchen bürgerlichen Träträklub Notiz nahmen, dessen innere Harmlosigkeit und damit Ungefährlichkeit für sich selbst sie besser kannten als dessen Mitglieder selber, so entschlossen waren sie aber, eine Bewegung mit allen Mitteln zu erledigen, die ihnen gefährlich schien - das Wirksamste in solchen Fällen bildete jedoch zu allen Zeiten der Terror, die Gewalt.
Am verhaßtesten aber mußte den marxistischen Volksbetrügern eine Bewegung sein, deren ausgesprochenes Ziel die Gewinnung derjenigen Masse war, die bisher im ausschließlichen Dienste der internationalen marxistischen Hass- und Börsenparteien stand. Schon der Titel "Deutsche Arbeiterpartei" wirkte aufreizend. So kann man sich leicht vorstellen, daß bei der ersten passenden Gelegenheit die Auseinandersetzung mit den damals noch siegestrunkenen marxistischen Arbeitern beginnen würde.
Im kleinen Kreis der damaligen Bewegung hatte man vor einem solchen Kampfe denn auch eine gewisse Angst. Man wollte möglichst wenig an die Öffentlichkeit treten, aus Furcht, geschlagen zu werden. Man sah die erste große Versammlung im Geiste schon gesprengt und die Bewegung dann vielleicht für immer erledigt. Ich hatte einen schweren Stand mit meiner Auffassung, daß man diesem Kampf nicht ausweichen, sondern daß man ihm entgegentreten und sich deshalb diejenige Rüstung zulegen müsse, die allein den Schutz vor der Gewalt gewährt. Terror bricht man nicht durch Geist, sondern durch Terror. Der Erfolg der ersten Versammlung stärkte in dieser Richtung meine Stellung. Man bekam Mut zu einer zweiten, schon etwas größer aufgezogenen.
Etwa im Oktober 1919 fand im Eberlbräukeller die zweite größere Versammlung statt. Thema: Brest-Litowsk und Versailles. Als Redner traten vier Herren auf. Ich selber sprach nahezu eine Stunde, und der Erfolg war größer als bei der ersten Kundgebung. Die Besucherzahl war auf über einhundertdreißig gestiegen. Ein Störungsversuch wurde durch meine Kameraden sofort im Keime erstickt. Die Unruhestifter flogen mit zerbeulten Köpfen die Treppe hinunter.
Vierzehn Tage darauf fand eine weitere Versammlung im gleichen Saale statt. Die Besucherzahl war auf aber einhundertsiebzig gestiegen - eine gute Besetzung des Raumes. Ich hatte wieder gesprochen, und wieder war der Erfolg größer als bei der vorhergegangenen Versammlung.
Ich drängte nach einem größeren Saal. Endlich fanden wir einen solchen am anderen Ende der Stadt, im "Deutschen Reich" an der Dachauer Straße. Die erste Versammlung im neuen Raum war schwächer besucht als die vorhergegangene: knapp einhundertvierzig Personen. Im Ausschuß begann die Hoffnung wieder zu sinken, und die ewigen glaubten, als Ursache des schlechten Besuches die zu häufige Wiederholung unserer "Kundgebungen" ansehen zu müssen. Es gab heftige Auseinandersetzungen, in denen ich den Standpunkt vertrat, daß eine Siebenhunderttausend-Einwohner-Stadt nicht nur alle vierzehn Tage eine, sondern jede Woche zehn Versammlungen vertragen müßte, daß man sich durch Rückschläge nicht irre machen lassen dürfe, daß die eingeschlagene Bahn die richtige sei, und daß früher oder später bei immer gleichbleibender Beharrlichkeit der Erfolg kommen müsse. Überhaupt war diese ganze Zeit des Winters 1919/20 ein einziger Kampf, das Vertrauen in die siegende Gewalt der jungen Bewegung zu starken und zu jenem Fanatismus zu steigern, der als Glaube dann Berge zu versetzen vermag.
Die nächste Versammlung im gleichen Saale gab mir schon wieder recht. Die Zahl der Besucher war auf aber zweihundert gestiegen, der äußere sowohl als der finanzielle Erfolg glänzend.
Ich trieb zur sofortigen Ansetzung einer weiteren Veranstaltung. Sie fand kaum vierzehn Tage später statt, und die Zuhörermenge stieg auf über zweihundert siebzig Köpfe.
Vierzehn Tage später riefen wir zum siebenten Male Anhänger und Freunde der jungen Bewegung zusammen, und derselbe Raum konnte die Menschen nur mehr schwer fassen, es waren aber vierhundert geworden.
In dieser Zeit erfolgte die innere Formgebung der jungen Bewegung. Es gab dabei in dem kleinen Kreis manches Mal mehr oder weniger heftige Auseinandersetzungen. Von verschiedenen Seiten - wie auch heute, so schon damals wurde die Bezeichnung der jungen Bewegung als Partei bekrittelt. Ich habe in einer solchen Auffassung immer nur den Beweis für die praktische Unfähigkeit und geistige Kleinheit des Betreffenden gesehen. Es waren und sind immer die Menschen, die Äußeres von Innerem nicht zu unterscheiden vermögen und die den Wert einer Bewegung nach möglichst schwulstig klingenden Bezeichnungen abzuschätzen versuchen, wobei zu allem Unglück der Wortschatz unserer Urväter am meisten herhalten muß.
Es war damals schwer, den Leuten begreiflich zu machen, daß jede Bewegung, solange sie nicht den Sieg ihrer Ideen und damit ihr Ziel erreicht hat, Partei ist, auch wenn sie sich tausendmal einen anderen Namen beilegt.
Wenn irgendein Mensch einen kühnen Gedanken, dessen Verwirklichung im Interesse seiner Mitmenschen nützlich erscheint, zur praktischen Durchführung bringen will, so wird er sich zunächst Anhänger zu suchen haben, die bereit sind, für seine Absichten einzutreten. Und wenn diese Absicht nur darin bestünde, das zur Zeit bestehende Parteiwesen zu vernichten, die Zersplitterung zu beenden, so sind die Vertreter dieser Anschauung und Verkünder dieses Entschlusses eben selber Partei, so lange, bis nicht das Ziel errungen ist. Es ist Wortklauberei und Spiegelfechterei, wenn irgendein bezopfter völkischer Theoretiker, dessen praktische Erfolge im umgekehrten Verhältnis zu seiner Weisheit stehen, sich einbildet, den Charakter, den jede junge Bewegung als Partei besitzt, zu ändern durch eine Änderung ihrer Bezeichnung.
Im Gegenteil.
Wenn irgend etwas unvölkisch ist, dann ist es dieses Herumwerfen mit besonders altgermanischen Ausdrücken, die weder in die heutige Zeit passen, noch etwas Bestimmtes vorstellen, sondern leicht dazu führen können, die Bedeutung einer Bewegung im äußeren Sprachschatz derselben zu sehen. Das ist ein wahrer Unfug, den man aber heute unzählige Male beobachten kann.
Überhaupt habe ich schon damals und auch in der Folgezeit immer wieder vor jenen deutschvölkischen Wanderscholaren warnen müssen, deren positive Leistung immer gleich Null ist, deren Einbildung aber kaum übertroffen zu werden vermag. Die junge Bewegung mußte und muß sich vor einem Zustrom an Menschen hüten, deren einzige Empfehlung zumeist in ihrer Erklärung liegt, daß sie schon dreißig oder gar vierzig Jahre lang für die gleiche Idee gekämpft hätten. Wer aber vierzig Jahre lang für eine sogenannte Idee eintritt, ohne selbst den geringsten Erfolg herbeiführen zu können, ja ohne den Sieg des Gegenteils verhindert zu haben, hat den Wahrheitsbeweis für die eigene Unfähigkeit in vierzigjähriger Tätigkeit erbracht. Das Gefährliche liegt vor allem darin, daß solche Naturen sich nicht als Glieder in die Bewegung einfügen wollen, sondern von Führerkreisen faseln, in denen sie auf Grund ihrer uralten Tätigkeit allein eine passende Stelle zur weiteren Betätigung zu erblicken vermögen. Wehe aber, wenn man solchen Leuten eine junge Bewegung ausliefert! So wenig ein Geschäftsmann, der in vierzigjähriger Tätigkeit ein großes Geschäft konsequent vernichtete, zum Begründer eines neuen taugt, so wenig paßt ein völkischer Methusalem, der in eben dieser Zeit eine große Idee verkorkste und zum Verkalken brachte, zur Führung einer neuen, jungen Bewegung!Im übrigen kommen alle diese Menschen nur zu einem Bruchteil in die neue Bewegung, um ihr zu dienen und der Idee der neuen Lehre zu nützen, in den meisten Fällen aber, um unter ihrem Schutz oder durch die Möglichkeiten, die sie bietet, die Menschheit noch einmal mit ihren eigenen Ideen unglücklich zu machen. Was aber das für Ideen sind, läßt sich nur schwer wiedergeben.
Es ist das Charakteristische dieser Naturen, daß sie von altgermanischem Heldentum, von grauer Vorzeit, Steinäxten, Ger und Schild schwärmen, in Wirklichkeit aber die größten Feiglinge sind, die man sich vorstellen kann. Denn die gleichen Leute, die mit altdeutschen, vorsorglich nachgemachten Blechschwertern in den Lüften herumfuchteln, ein präpariertes Bärenfell mit Stierhörnern aber dem bärtigen Haupte, predigen für die Gegenwart immer nur den Kampf mit geistigen Waffen und fliehen vor jedem kommunistischen Gummiknüppel eiligst von dannen. Die Nachwelt wird einmal wenig Veranlassung besitzen, das Heldendasein dieser Rauschebärte in einem neuen Epos zu verherrlichen.
Ich habe diese Leute zu gut kennengelernt, um nicht vor ihrer elenden Schauspielerei den tiefsten Ekel zu empfinden. Auf die breite Masse aber wirken sie lächerlich, und der Hass hat allen Grund, diese völkischen Komödianten zu schonen, sie sogar den wirklichen Verfechtern eines kommenden deutschen Staates vorzuziehen. Dabei sind diese Menschen noch maßlos eingebildet, wollen, trotz aller Beweise ihrer vollkommenen Unfähigkeit, alles besser verstehen und werden zu einer wahren Plage für die geradlinigen und ehrlichen Kampfer, denen Heldentum nicht nur in der Vergangenheit verehrungswürdig erscheint, sondern die sich auch bemühen, der Nachwelt durch eigenes Handeln ein gleiches Bild zu geben.
Auch läßt es sich oft nur schwer unterscheiden, wer von diesen Leuten aus innerer Dummheit oder Unfähigkeit handelt, oder wer aus bestimmten Gründen nur so tut. Besonders bei den sogenannten religiösen Reformatoren auf altgermanischer Grundlage habe ich immer die Empfindung, als seien sie von jenen Mächten geschickt, die den Wiederaufstieg unseres Volkes nicht wünschen. Führt doch ihre ganze Tätigkeit das Volk vom gemeinsamen Kampf gegen den gemeinsamen Feind, den Hass, weg, um es statt dessen seine Kräfte in ebenso unsinnigen wie unseligen inneren Religionsstreitigkeiten verzehren zu lassen. Gerade aus diesen Gründen aber ist die Aufrichtung einer starken Zentralgewalt im Sinne der unbedingten Autorität der Führung in der Bewegung nötig. Nur durch sie allein kann solchen verderblichen Elementen das Handwerk gelegt werden. Allerdings sind aus diesem Grunde die größten Feinde einer einheitlichen, stramm geführten und geleiteten Bewegung auch in den Kreisen dieser völkischen Ahasvere zu finden. Sie hassen in der Bewegung die Macht, die ihren Unfug steuert.
Nicht umsonst hat die junge Bewegung sich einst auf ein bestimmtes Programm festgelegt und das Wort "völkisch" dabei nicht verwendet. Der Begriff völkisch ist infolge seiner begrifflichen Unbegrenztheit keine mögliche Grundlage für eine Bewegung und bietet keinen Maßstab für die Zugehörigkeit zu einer solchen. Je undefinierbarer dieser Begriff praktisch ist, je mehr und umfangreichere Deutungen er zuläßt, um so mehr steigt aber auch die Möglichkeit sich auf ihn zu berufen. Die Einschiebung eines derart unbestimmbaren und so vielseitig auslegbaren Begriffes in den politischen Kampf führt zur Aufhebung jeder strammen Kampfgemeinschaft, da diese es nicht verträgt, dem einzelnen die Bestimmung seines Glaubens und Wollens selbst zu überlassen.
Es ist auch schandbar, was sich heute alles mit dem Wort "völkisch" auf der Kappe herumtreibt, wieviel Leute ihre eigene Auffassung aber diesen Begriff haben. Ein bekannter Professor in Bayern, ein berühmter Kampfer mit geistigen Waffen und reich an ebenso geistigen Marschleistungen nach Berlin, setzt den Begriff völkisch monarchischer Einstellung gleich. Das gelahrte Haupt hat freilich bisher vergessen, die Identität unserer deutschen Monarchen der Vergangenheit mit einer völkischen Auffassung von heute näher zu erklären. Ich fürchte auch, daß dies dem Herrn schwer gelingen würde. Denn etwas Unvölkischeres als die meisten deutschen monarchischen Staatsgebilde kann man sich gar nicht vorstellen. Wäre es anders, sie waren nie verschwunden, oder aber ihr Verschwinden böte den Beweis für die Unrichtigkeit der völkischen Weltanschauung.
So legt jeder diesen Begriff aus, wie er es eben versteht. Als Grundlage aber für eine politische Kampfbewegung kann eine solche Vielfältigkeit der Meinungen nicht in Frage kommen.
Von der Weltfremdheit und besonders der Unkenntnis der Volksseele dieser völkischen Johannesse des zwanzigsten Jahrhunderts will ich dabei ganz absehen. Sie wird genügend illustriert durch die Lächerlichkeit, mit der sie von links behandelt werden. Man läßt sie schwätzen und lacht sie aus.
Wer es aber auf dieser Welt nicht fertigbringt, von seinen Gegnern gehaßt zu werden, scheint mir als Freund nicht viel wert zu sein. Und so war auch die Freundschaft dieser Menschen für unsere junge Bewegung nicht nur wertlos, sondern immer nur schädlich, und es war auch der Hauptgrund, warum wir erstens den Namen "Partei" wählten - wir durften hoffen, daß dadurch allein schon ein ganzer Schwarm dieser völkischen Schlafwandler von uns zurückgescheucht würde, und warum wir uns zweitens als Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei bezeichneten.
Der erste Ausdruck brachte uns die Altertumsschwärmer vom Leibe, die Wortmenschen und äußerlichen Sprücheklopfer der sogenannten "völkischen Idee", der zweite aber befreite uns von dem ganzen Troß der Ritter mit dem "geistigen Schwert", all der Jammerlappen, die die "geistige Waffe" als Schutzschild vor ihre tatsächliche Feigheit halten.
Es versteht sich von selbst, daß wir in der Folgezeit besonders von diesen letzteren am schwersten angegriffen wurden, natürlich nicht tätlich, sondern nur mit der Feder, wie dies von einem solchen völkischen Gänsekiel ja nicht anders zu erwarten ist. Für sie hatte freilich unser Grundsatz "Wer uns mit Gewalt entgegentritt, dessen erwehren wir uns mit Gewalt" etwas Unheimliches an sich. Sie warfen uns nicht nur die rohe Anbetung des Gummiknüppels, sondern den mangelnden Geist an sich auf das eindringlichste vor. Daß in einer Volksversammlung ein Demosthenes zum Schweigen gebracht werden kann, wenn nur fünfzig Idioten, gestützt auf ihr Mundwerk und ihre Fäuste, ihn nicht sprechen lassen wollen, berührt einen solchen Quacksalber allerdings nicht im geringsten. Die angeborene Feigheit läßt ihn nie in eine solche Gefahr geraten. Denn er arbeitet nicht "lärmend" und "aufdringlich", sondern im "stillen".
Ich kann auch heute unsere junge Bewegung nicht genug davor warnen, in das Netz dieser sogenannten "stillen Arbeiter" zu kommen. Sie sind nicht nur Feiglinge, sondern auch immer Nichtskönner und Nichtstuer. Ein Mensch, der eine Sache weiß, eine gegebene Gefahr kennt, die Möglichkeit einer Abhilfe mit seinen Augen sieht, hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, nicht im "stillen" zu arbeiten, sondern vor der Öffentlichkeit gegen das Übel auf- und für seine Heilung einzutreten. Tut er das nicht, dann ist er ein pflichtvergessener, elender Schwächling, der entweder aus Feigheit versagt oder aus Faulheit und Unvermögen. Der Großteil dieser "stillen Arbeiter" aber tut meistens nur so, als ob er weiß Gott was wüßte. Sie alle können nichts, versuchen aber die ganze Welt mit ihren Kunststücken zu bemogeln; sie sind faul, erwecken aber mit ihrer behaupteten "Stillen" Arbeit den Eindruck einer ebenso enormen wie emsigen Tätigkeit, kurz und gut, sie sind Schwindler, politische Schiebernaturen, denen die ehrliche Arbeit der anderen verhaßt ist. Sobald solch ein völkischer Nachtfalter sich auf den Wert der "Stille" beruft, kann man tausend gegen eins wetten, daß er in ihr nicht produziert, sondern stiehlt, stiehlt von den Früchten der Arbeit anderer.
Dazu kommt noch die Arroganz, Einbildung und Frechheit, mit der dieses praktisch faulenzende, lichtscheue Gesindel aber die Arbeit anderer herfällt, von oben herunter zu bekritteln versucht und so in Wahrheit den Todfeinden unseres Volkes hilft.
Jeder letzte Agitator, der den Mut besitzt, auf dem Wirtstisch unter seinen Gegnern stehend, männlich und offen seine Anschauung zu vertreten, leistet mehr als tausend dieser verlogenen, heimtückischen Duckmäuser. Er wird sicherlich den einen oder den anderen bekehren und für die Bewegung gewinnen können. Man wird seine Leistung überprüfen und am Erfolg die Wirkung seines Tuns festzustellen vermögen. Nur die feigen Schwindler, die ihre Arbeit in der "Stille" preisen und sich mithin in den Schutzmantel einer zu verachtenden Anonymität hüllen, taugen zu gar nichts und dürfen im wahrsten Sinne des Wortes als Drohnen bei der Wiedererhebung unseres Volkes gelten.
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Anfang des Jahres 1920 trieb ich zur Abhaltung der ersten ganz großen Massenversammlung. Darüber kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Einige führende Parteimitglieder hielten die Sache für viel zu verfrüht und damit in der Wirkung für verhängnisvoll. Die rote Presse hatte sich mit uns zu beschäftigen angefangen, und wir waren glücklich genug, allmählich ihren Haß zu erringen. Wir hatten begonnen, als Diskussionsredner in anderen Versammlungen aufzutreten. Natürlich wurde jeder von uns sofort niedergeschrien. Allein ein Erfolg war doch vorhanden. Man lernte uns kennen, und in eben dem Maße, in dem sich diese Kenntnis vertiefte, stiegen die Abneigung und Wut gegen uns. So durften wir also wohl darauf hoffen, bei unserer ersten großen Massenversammlung den Besuch unserer Freunde aus dem roten Lager in größtem Umfange zu erhalten.
Auch ich war mir klar darüber, daß die Wahrscheinlichkeit einer Sprengung groß war. Allein der Kampf mußte eben ausgetragen werden, wenn nicht jetzt, dann einige Monate später. Es lag ganz bei uns, schon am ersten Tage die Bewegung durch blindes, rücksichtsloses Einstehen für sie zu verewigen. Ich kannte vor allem die Mentalität der Anhänger der roten Seiten nur zu gut, um nicht zu wissen, daß ein Widerstand bis zum äußersten am ehesten nicht nur Eindruck erweckt, sondern auch Anhänger gewinnt. Zu diesem Widerstand mußte man eben entschlossen sein.
Der damalige erste Vorsitzende der Partei, Herr Harrer, glaubte, meinen Ansichten in bezug auf den gewählten Zeitpunkt nicht beipflichten zu können und trat in der Folge als ehrlicher, aufrechter Mann von der Führung der Bewegung zurück. An seine Stelle rückte Herr Anton Drexler vor. Ich selber hatte mir die Organisation der Propaganda vorbehalten und führte diese nun auch rücksichtslos durch.
So wurde als Termin für die Abhaltung dieser ersten großen Volksversammlung der noch unbekannten Bewegung der 24. Februar 1920 bestimmt.
Die Vorbereitungen leitete ich persönlich, Sie waren sehr kurz. Überhaupt wurde der ganze Apparat darauf eingestellt, blitzschnelle Entscheidungen treffen zu können. Zu Tagesfragen sollte in Form von Massenversammlungen innerhalb vierundzwanzig Stunden Stellung genommen werden. Die Ankündigung derselben sollte durch Plakate und Flugblätter stattfinden, deren Tendenz nach jenen Gesichtspunkten bestimmt wurde, die ich in meiner Abhandlung über Propaganda in großen Umrissen schon niedergelegt habe. Wirkung auf die breite Masse, Konzentration auf wenige Punkte, immerwährende Wiederholung derselben, selbstsichere und selbstbewußte Fassung des Textes in den Formen einer apodiktischen Behauptung, größte Beharrlichkeit in der Verbreitung und Geduld im Erwarten der Wirkung.
Als Farbe wurde grundsätzlich Rot gewählt, sie ist die aufpeitschendste und mußte unsere Gegner am meisten empören und aufreizen und uns ihnen dadurch so oder so zur Kenntnis und in Erinnerung bringen.
In der Folgezeit zeigte sich auch in Bayern die innere Verbrüderung zwischen Marxismus und Zentrum als politische Partei am klarsten in der Sorge, mit der die hier regierende Bayerische Volkspartei die Wirkung unserer Plakate auf die roten Arbeitermassen abzuschwächen und später zu unterbinden versuchte. Fand die Polizei kein anderes Mittel, dagegen einzuschreiten, dann mußten zum Schluß "Verkehrsrücksichten" herhalten, bis man endlich dem inneren, stillen, roten Bundesgenossen zuliebe unter fördernder Beihilfe einer sogenannten Deutschnationalen Volkspartei diese Plakate, die Hunderttausenden von internationalen, verhetzten und verführten Arbeitern dem deutschen Volkstum wiedergegeben hatten, gänzlich verbot. Diese Plakate - der ersten und zweiten Auflage dieses Buches als Anhang beigefügt - können am besten das gewaltige Ringen belegen, das die junge Bewegung in dieser Zeit ausfocht. Sie werden aber auch vor der Nachwelt Zeugnis ablegen für das Wollen und die Aufrichtigkeit unserer Gesinnung und die Willkür sogenannter nationaler Behörden in der Unterbindung einer ihnen unbequemen Nationalisierung und damit Wiedergewinnung breiter Massen unseres Volkstums.
Sie werden auch die Meinung zerstören helfen, als ob sich in Bayern eine nationale Regierung an sich befinde, und vor der Nachwelt noch dokumentieren, daß das nationale Bayern der Jahre 1919, 1920, 1921, 1922 und 1923 nicht etwa das Ergebnis einer nationalen Regierung war, sondern diese nur gezwungenerweise Rücksicht nehmen mußte auf ein allmählich national fühlendes Volk.
Die Regierungen selber taten alles, um diesen Gesundungsprozeß zu unterbinden und unmöglich zu machen.
Zwei Männer nur muß man dabei ausnehmen:Der damalige Polizeipräsident Ernst Pöhner und sein treuer Berater, Oberamtsmann Frick, waren die einzigen höheren Staatsbeamten, die schon damals den Mut besaßen, erst Deutsche und dann Beamte zu sein. An verantwortlicher Stelle war Ernst Pöhner der einzige, der nicht um die Gunst der Massen buhlte, sondern sich seinem Volkstum verantwortlich fühlte und bereit war, für die Wiederauferstehung des von ihm über alles geliebten deutschen Volkes alles, auch, wenn nötig, seine persönliche Existenz auf das Spiel zu setzen und zu opfern. Er war denn auch immer der lästige Dorn in den Augen jener käuflichen Beamtenkreaturen, denen nicht das Interesse ihres Volkes und die notwendige Freiheitserhebung desselben, sondern der Befehl des Brotgebers das Gesetz des Handelns vorschreibt, ohne Rücksicht auf das Wohl des ihnen anvertrauten nationalen Gutes.
Vor allem aber gehörte er zu jenen Naturen, die im unterschied zu den meisten Hütern unserer sogenannten Staatsautorität die Feindschaft der Volks- und Landesverräter nicht fürchten, sondern sie als selbstverständliches Gut des anständigen Mannes ersehnen. Der Haß von Hass und Marxisten, ihr ganzer Kampf voll Lüge und Verleumdung waren für ihn das einzige Glück inmitten des Elends unseres Volkes.
Ein Mann von granitener Redlichkeit, von antiker Schlichtheit und deutscher Geradlinigkeit, bei dem das Wort "lieber tot als Sklave" keine Phrase, sondern den Inbegriff seines ganzen Wesens bildete.
Er und sein Mitarbeiter Dr. Frick sind in meinen Augen die einzigen, die von Männern in staatlicher Stellung das Recht besitzen, als Mithersteller eines nationalen Bayerns zu gelten. -Ehe wir nun zur Abhaltung unserer ersten Massenversammlung schritten, mußte nicht nur das notwendige Propagandamaterial bereitgestellt, sondern mußten auch die Leitsätze des Programms im Druck niedergelegt werden.
Ich werde die Richtlinien, die uns besonders bei der Abfassung des Programms vor Augen schwebten, im zweiten Bande auf das gründlichste entwickeln. Ich will hier nur feststellen, daß es geschaffen wurde, nicht nur um der jungen Bewegung Form und Inhalt zu geben, sondern um deren Ziele der breiten Masse verständlich zu machen.
Aus sogenannten Intelligenzkreisen hat man darüber gewitzelt und gespöttelt und versucht, daran Kritik zu üben. Die Richtigkeit unserer damaligen Auffassung aber hat die Wirksamkeit dieses Programms ergeben.
Ich habe in diesen Jahren Dutzende von neuen Bewegungen erstehen sehen, und sie alle sind wieder spurlos verschwunden und verweht. Eine einzige blieb: die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Und heute hege ich mehr denn je die Überzeugung, daß man sie bekämpfen kann, daß man versuchen mag, sie zu lahmen, daß kleine Parteiminister uns die Rede und das Wort verbieten können, den Sieg unserer Gedanken werden sie nimmermehr verhindern.
Wenn von der gesamten heutigen Staatsauffassung und ihren Vertretern nicht einmal die Erinnerung mehr die Namen künden wird, werden die Grundlagen des nationalsozialistischen Programms die Fundamente eines kommenden Staates sein.
Die viermonatige Versammlungstätigkeit vor dem Januar 1920 hatte uns langsam die kleinen Mittel erübrigen lassen, die wir zur Drucklegung unserer ersten Flugschrift, unseres ersten Plakates und unseres Programms benötigten.
Wenn ich als Abschluß dieses Bandes diese erste große Massenversammlung der Bewegung nehme, so geschieht es deshalb, weil mit ihr die Partei den engen Rahmen eines kleinen Vereins sprengte und an Stelle dessen zum ersten Male bestimmend auf den gewaltigen Faktor unserer Zeit, die öffentliche Meinung, einwirkte.
Ich selbst besaß damals nur eine einzige Sorge: Wird der Saal gefüllt sein, oder werden wir vor gähnender Leere sprechen? Ich hatte die felsenfeste innere Überzeugung, daß, wenn die Menschen kommen würden, der Tag ein großer Erfolg für die junge Bewegung werden müsse. So bangte ich dem damaligen Abend entgegen.
Um 7.30 Uhr sollte die Eröffnung stattfinden. 7.15 Uhr betrat ich den Festsaal des Hofbräuhauses am Platz in München, und das Herz wollte mir fast vor Freude zerspringen. Der gewaltige Raum, denn gewaltig kam er mir damals noch vor, war mit Menschen überfüllt, Kopf an Kopf, eine fast zweitausend Menschen zählende Masse. Und vor allem - es waren die gekommen, an die wir uns wenden wollten. Weit über die Hälfte des Saales schien von Kommunisten und Unabhängigen besetzt. Unsere erste große Kundgebung war von ihnen zu einem schnellen Ende bestimmt worden.
Allein es kam anders. Nachdem der erste Redner geendet, ergriff ich das Wort. Wenige Minuten später hagelte es Zwischenrufe, im Saal kam es zu heftigen Zusammenstößen. Eine Handvoll treuester Kriegskameraden und sonstige Anhänger schlugen sich mit den Störenfrieden und vermochten erst nach und nach einige Ruhe herzustellen. Ich konnte wieder weitersprechen. Nach einer halben Stunde begann der Beifall das Schreien und Brüllen langsam zu übertönen.
Und nun ergriff ich das Programm und begann es zum ersten Male zu erläutern.
Von Viertelstunde zu Viertelstunde wurden die Zwischenrufe mehr und mehr zurückgedrängt von beifälligen Zurufen. Und als ich endlich die fünfundzwanzig Thesen Punkt für Punkt der Masse vorlegte und sie bat, selber das Urteil über sie zu sprechen, da wurden sie nun eine nach der anderen unter immer mehr sich erhebendem Jubel angenommen, einstimmig und immer wieder einstimmig, und als die letzte These so den Weg zum Herzen der Masse gefunden hatte, stand ein Saal voll Menschen vor mir, zusammengeschlossen von einer neuen Überzeugung, einem neuen Glauben, von einem neuen Willen.
Als sich nach fast vier Stunden der Raum zu leeren begann und die Masse sich Kopf an Kopf wie ein langsamer Strom dem Ausgang zuwälzte, zuschob und zudrängte, da wußte ich, daß nun die Grundsätze einer Bewegung in das deutsche Volk hinauswanderten, die nicht mehr zum Vergessen zu bringen waren.
Ein Feuer war entzündet, aus dessen Glut dereinst das Schwert kommen muß, das dem germanischen Siegfried die Freiheit, der deutschen Nation das Leben wiedergewinnen soll.
Und neben der kommenden Erhebung fühlte ich die Göttin der unerbittlichen Rache schreiten für die Meineidstat des 9. November 1918.
So leerte sich langsam der Saal.
Die Bewegung nahm ihren Lauf.

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